Britt-Angela Kirstein
Marianne Ehrmann
Publizistin und Herausgeberin
im ausgehenden 18. Jahrhundert
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Britt-Angela Kirstein
Marianne Ehrmann
Britt-Angela Kirstein
Marianne Ehrmann
Publizistin und Herausgeberin im
ausgehenden 18. Jahrhundert
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Kirstein, B ritt- Angela:
Marianne Ehrmann ; Publizistin und Herausgeberin im ausgehenden 1 8. Jahrhundert /
Britt-Angela Kirstein
(DUV : Literaturwissenschaft)
Zugl.: Oldenburg, Univ., Diss., 1994
ISBN 978-3-8244-4251 -5 ISBN 978-3-663-0871 4-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-08714-4
Alle Rechte Vorbehalten
© Springer Fachmedien Wiesbaden 1997
Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden, 1997
Lektorat: Claudia Splittgerber
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich
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lässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,
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http://www.duv.de
Gedruckt auf säurefreiem Papier
ISBN 978-3-8244-4251-5
Vorwort und Dank
Marianne Ehrmanns publizistische Tätigkeit scheint mir repräsentativ für den
Versuch, die Grenzen weiblicher Lektüre im ausgehenden 18. Jahrhundert zu
überschreiten. Die Idee zu dieser Arbeit ist aus einer Fußnote entstanden, die
ich während des Studiums entdeckte und in der eher nebenbei davon die Rede
war, daß sich bereits im 18. Jahrhundert Literatinnen und Publizistinnen
profilieren konnten; schreibende Frauen, von denen in der klassischen - kon-
servativen - Literaturgeschichtsforschung heute nurmehr sehr wenig bekannt
ist.
Dabei hatte ich das Glück, von erfahrener Seite Unterstützung zu bekom-
men: Prof Dr. Helga Brandes hat mich an der Universität Oldenburg, wo
diese Arbeit als Dissertation entstanden ist, in allen Phasen der Arbeit mit
Anregungen, Hinweisen und Kritik unterstützt. Prof Dr. Monika Neuge-
bauer-Wölk danke ich für das Interesse, das sie meiner Arbeit entgegenge-
bracht hat, und für hilfreiche Denkanstöße.
Was wäre eine literaturhistorische Arbeit ohne den Zugang zu zeitgenössi-
schen Quellen: Einen Einblick in die Geschäflsbeziehungen zwischen Mari-
anne Ehrmann und der Cottaischen Verlagsbuchhandlung ermöglichten mir
die Bestände des Cotta-Archivs im Deutschen Literaturarchiv Marbach, wo
sich auch die Originalausgabe der Zeitschrift Amaliens Erholungsstunden
befindet. In der Handschriflenabteilung der Zentralbibliothek Zürich konnte
ich den umfangreichen Briefwechsel zwischen dem Ehepaar Ehrmann und
Johann Heinrich Heidegger einsehen. Besonders danke ich hier Frau Alice
Robinson von der Zürcher Femleihstelle, die mir freundlich und unbürokra-
tisch ermöglicht hat, die Originalausgabe der Einsiedlerinn aus den Alpen per
Fernleihe in Oldenburg einzusehen. Außerdem haben mir die Württembergi-
sche Landesbibliothek und das Stadtarchiv in Stuttgart sowie das Goethe-
und Schiller-Archiv in Weimar bereitwillig ihre Bestände zur Verfügung
gestellt. Allen genannten Bibliotheken und Archiven danke ich für die Ertei-
5
limg der Publikationsgenehmigimgen für die dort befindlichen Archivalien.
Ein ganz herzlicher Dank geht außerdem an die unglaublich freundlichen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bibliotheks- und Informationssystems
der Universität Oldenburg.
Ich habe von vielen Menschen Unterstützung bekommen; mein besonde-
rer Dank gilt an dieser Stelle Iris Kammerhoff ^ ihre stete Ermunterung, An-
drea Kränzlein für ihr immer offenes Ohr sowie Susanne Holterhus und An-
dreas Bokeloh für ihre technische und menschliche Hilfestellimg. Die wichtig-
ste Unterstützung habe ich von meinem Mann, Peter Kaiser, erfahren, der in
stundenlangen Telefonaten sämtliche Phasen der Arbeit „miterlitten“ und am
Ende die undankbare Arbeit des Korrekturlesens übernommen hat. Er hat alle
meine Launen gelassen ertragen, mich angespomt und mit „olfaktorisch-
visueller Dissertationsstimulation“ aufgeheitert.
Meinen Eltern, Marianne und Berthold Kirstein, die mir den Weg zur
Promotion finanziell wie auch ideell ermöglicht haben, möchte ich diese
Arbeit widmen.
6
Inhalt
Vorwort und Dank
1. Einleitung
1.1. Publizistik im 18. Jahrhundert:
Das Sprachrohr der bürgerlichen Öffentlichkeit
1.2. Forschungslage:
Die vergessenen Töchter der Aufklärung
1.3. Ansätze und Methoden:
bas Frauenjoumal in der Pressegeschichte
1 .4. Thesen und Zielsetzung:
Emanzipationsbestrebungen der weiblichen Öffentlichkeit
2. Frauen im Zeitschriftenwesen des 18. Jahrhunderts
2.1. Aufklärung und emanzipatorische Praxis:
Der Auftrag der Moralischen Wochenschriften
2.2. Schreibende Frauen in Periodika:
Biographische Einblicke
2.3. Zwischen Weiblichkeit und Selbständigkeit:
Sophie von LaRoches publizistische Tätigkeit
2.4. Lesen und Schreiben in „Nebenstunden“:
Formung und Begrenzung weiblicher Öffentlichkeit
3. Marianne Ehrmann: Bi(bli)ographisches
3.1. Kindheit, Jugend und Verlust der Unschuld:
Zum Verständnis des „gefallenen Mädchens“
3.2. Selbstverständnis als Publizistin:
„Von der Nähnadel zur Schreibfeder“
3.3. „Von einer Beobachterin“:
Marianne Ehrmanns Werke 50
3.4. Publizistik als „öffentliches Amt“:
Die Zeitschrift als Weg in die Öffentlichkeit 56
4. Amaliens Erholungsstunden (1790 - 1792):
Erfolg und Wandel 59
4.1. Literatursoziologische Voraussetzungen:
Entstehung, Zielsetzung, Rezeption, Verlag 59
4.2. Erscheinungsweise, Präsentation, Struktur:
Das Journal als literarische Gattung 64
4.3. Frauen und gesellschaftliche Realität:
Die Präsentation emanzipatorischer Inhalte 72
4.3.1 Aussage und Anspruch: Die Antrittsrede 73
4.3.2 Selbstschutz: Die Rechtfertigung 75
4.3.3 Anpassung: Die vordergründige Zustimmung 76
4.3.4 Umgehung: Die mildernde Distanz 78
4.3.5 Selbstentlarvung: Vorführung und Lächerlichkeit 80
4.3.6 Begrenzung der publizistischen Aussage 83
4.4. Zurück zur Konvention:
Der Wandel des Zeitschriftenprofils 85
4.5. Einblick in die Verlagspraxis:
Der Bruch mit Cotta 9 1
4.5.1 Vertragliche Voraussetzungen 92
4.5.2 Abbestellungen und Inhalte 94
4.5.3 Der Streit um die Redaktion 96
4.5.4 Mögliche Motive 101
5. Die Einsiedlerinn aus den Alpen (1793 - 1794): 105
Ein zweiter Versuch
5.1. Vorbedingungen und Werbung: 1 05
Konkurrenz zu Cottas Flora
8
5.2. Die persönlichen Arbeitsbedingungen:
Berufs- und Privatleben 111
5.3. Erscheinungsweise und Struktur:
F olgen der Produktionsbedingungen 1 1 6
5.4. Inhalte und publizistische Aussage:
Ein Vergleich mit Amaliens Erholungsstunden 1 24
5.5. Ermüdete Kampfeslust:
Von der Satire zum moralischen Lehrstück 133
6. Frauenjournale des ausgehenden 18. Jahrhunderts:
Ein Vergleich 140
6.1. Jacobis/rä (1774 - 1775):
Das literarische Journal 140
6.2. LaRoches Pomona (1783-1784):
Die mütterliche Ratgeberin 144
6.3. Cottas Flora (1793 - 1794 [-1803]):
Die unterhaltende V ariante 149
6.4. Zeitschriften für und von Frauen:
Von der Literatur zum Journalismus 1 54
7. Zusammenfassung der Ergebnisse 160
Anhang 166
Ankündigung von Amaliens Erholungsstunden 1 67
Marianne Ehrmann, Meine Antrittsrede 170
Marianne Ehrmaim, Meine Glossen über das Wort: Mann 181
Marianne Ehrmann, Anekdote 1 89
Der ojfene Brießvechsel 192
Ankündigung der Einsiedlerinn aus den Alpen 20 1
Cottaische Verlagsbuchhandlung, Anzeige 203
Schönheit über Geist 218
9
Meiburg, Verteidigung des Ehepaars Ehrmann
E.W., An Teutschlands Töchter 222
Marianne Ehrmann, Anmerkung 22 8
Keller, Ueber die Geziemlichkeiten, undnöthigen Thugenden des 230
weiblichen Geschlechts
M.M., Der Saz: ''Es ist das Beßte, ein dummes Weib zu heu- 232
rathen ” - Geprüft von einem Schweizer mädchen
Marianne Ehrmann, Briefe über meinen kleinen Jungen und 250
seine Erziehung. Erster Brief
Marianne Ehrmann, An meine Leserinnen 268
274
Zeittafel - Leben und Werk Marianne Ehrmanns
276
Verzeichnis von Personen, die mit Marianne Ehrmann be-
kannt waren 278
Literaturverzeichnis 284
Autographen 284
Primärliteratur 285
Sekundärliteratur 287
Abbildungsnachweis 297
10
1. Einleitung
1.1. Publizistik im 18. Jahrhundert:
Das Sprachrohr der bürgerlichen Öffentlichkeit
Eine solche [bürgerliche Öffentlichkeit] entwickelt sich nämlich in dem Maße, in
dem das öffentliche Interesse an der privaten Sphäre der bürgerlichen Gesellschaft
nicht melir nur von der Obrigkeit wahrgenommen, sondern von den Untertanen als
ihr eigenes in Betracht gezogen wird^ .
Die philosophischen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Bestrebungen
des 18. Jahrhunderts werden zum großen Teil durch das Journal, ein neues
literarisches Genre, publik. Mit der Zeitschriftenliteratur entsteht ein Mas-
senmedium, das zum wichtigsten Kommunikations- wie auch Identifikations-
träger des aufkommenden städtischen Bürgertums wird. Zeitschriften und ihr
Publikum bilden eine literarische Öffentlichkeit, die sich bereits gegen Ende
des 18. Jahrhunderts zur politischen wandelt^.
Auch die Konsolidierung eines weiblichen Lesepublikums geht einher mit
der Zeitschriftenliteratur. An ihrem Anfang stehen die Moralischen Wochen-
schriften als Träger der Aufklärungsbewegung, allen voran Johann Christoph
Gottscheds Vernünftige Tadlerinnen (Halle 1725/26). Mit einem Medium,
das sich erstmals nicht nur direkt an Frauen wendet, sondern sogar für sie
konzipiert ist, sind die Vorbedingungen für die weibliche Teilnahme an lite-
rarischen und gesellschaftlichen Prozessen geschaffen. Die Moralischen Wo-
chenschriften vermitteln ihnen die dazu nötige populärwissenschaftliche Bil-
dung, vor allem aber die Überzeugung, daß dieses Wissen für Frauen erstre-
benswert ist.
Während jedoch in der Publizistik allgemein die Entwicklung von einer
Literaturform hin zu kritischem, meinungsbildendem Journalismus zu erken-
nen ist, spalten sich etwa ab der Mitte des Jahrhunderts Frauenzeitschriften
als literarisches Genre von literarisch-kritischen und politischen Journalen ab.
Diese Frauenzimmer-Journale bringen ein neues Weiblichkeitsbild mit sich:
Der Gelehrten als Negativfigur wird das Ideal der ‘natürlich’ gebildeten
1 Jürgen Habermas, Strukturwandel der bürgerlichen Öffentlichkeit: Untersuchungen zu
einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 2. Aufl., Neuwied und Berlin 1965, S. 34.
2 Zum Begriff der bürgerlichen Öffentlichkeit vgl. Jürgen Habermas, a.a.O.
11
Hausfrau und Mutter entgegengestellt^. Damit wird der Aktionsradius von
Frauen auch in der Publizistik erheblich eingeschränkt, und zwar sowohl in
der publizistischen Aussage als auch in der Beteiligung von Frauen am pu-
blizistischen Schaffen. Frauenzeitschriften - und damit die in ihnen vertrete-
nen Rollenvorstellungen - werden bis zum Ende des Jahrhunderts von Män-
nern herausgegeben, z.T. unter weiblichen Pseudonymen. Nur einzelne Pu-
blizistinnen schaffen den Sprung zum eigenen Journal. 1783/84 gelingt es
Sophie von LaRoche mit ihrer Pomona für Teutschlands Töchter, erfolgreich
als Herausgeberin zu debütieren. Nach ihr kann erst Marianne Ehrmann, mit
deren Position in der zeitgenössischen Zeitschriftenlandschaft ich mich in der
vorliegenden Arbeit beschäftige, in der Publizistik Fuß fassen.
Nachdem sie sich mit einigen belletristischen Werken und vor allem ihrem
Essay Philosophie eines Weibs (Straßburg 1784) bereits einen Namen ge-
macht hat, arbeitet Marianne Ehrmann zunächst an zwei Zeitschriften ihres
Mannes mid. Ab 1790 gibt sie selbst zwei Zeitschriften heraus: Amaliens Er-
holungsstunden (Stuttgart und Tübingen 1790/92) und Die Einsiedlerinn aus
den Alpen (Zürich 1793/94). Beide Zeitschriften sind, bedingt durch die Per-
sönlichkeit ihrer Herausgeberin, deutlicher als andere Journale von der Am-
bivalenz zeitgenössischen weiblichen Selbstverständnisses geprägt. In ihrer
emanzipatorischen Zielsetzung unterscheiden sich vor allem Amaliens Erho-
lungsstunden von anderen Blättern: Marianne Ehrmann betont die Notwen-
digkeit von Bildung, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von Frauen und
kritisiert die herrschenden Normen, die ihr Geschlecht der Willkür von Män-
nern ausliefem. Die Präsentation der Zeitschriften ist deutlich journalistisch
geprägt, neben Erzählungen, Gedichten, Essays und Anekdoten finden sich
feste Rubriken auch aktuellen, tagespolitischen Inhalts, Buchbesprechungen
und ein reger Dialog mit dem Publikum in Form von Briefen u.ä. Beide Zeit-
schriften sind mit einer Auflage von 1000 Exemplaren pro Heft relativ erfolg-
reich, der erste Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden wird wegen der
großen Nachfrage ein zweites Mal aufgelegt. Die Produktionsbedingungen
sind dabei beschwerlich. Mit der J. G. Cottaischen Verlagsbuchhandlung in
Tübingen, bei der Amaliens Erholungsstunden ab dem zweiten Jahrgang er-
scheinen, entwickelt sich ein Streit um die Zeitschriftenkonzeption, der in der
Beendigung des Geschäftsverhältnisses gipfelt. Die bei Cotta herausgegebene
und als Nachfolgezeitschrift propagierte Flora (1793/1803), ein bezeichnen-
derweise in ihrer publizistischen Aussage wieder deutlich regressives Blatt,
stellt in der Folge eine Konkurrenz zu Marianne Ehrmanns Einsiedlerinn aus
den Alpen dar, die in Zürich bei Orell, Gessner, Füßli & Cie. erscheint. Ob-
3 Maßgeblichen Einfluß übt die naturrechtliche Geschlechterphilosophie J.J. Rousseaus aus,
die die Frau dem Mann unterstellt und ihr die private Sphäre als Lebensraum zuweist.
4 Frauenzimmer-Zeitung (Isny 1 7 87) und Der Beobachter (Stuttgart 1 788/90).
12
wohl auch ihre zweite Zeitschrift erfolgreich vom Publikum aufgenommen
wird, muß Marianne Ehrmann die Herausgabe mit dem Dezemberheft 1794
aus gesundheitlichen Gründen einstellen.
Die Zeitschriften Marianne Ehrmanns sind heute, wie die Publizistik des
18. Jahrhunderts für das städtische Bürgertum, ein Wegweiser auf der Suche
nach den Wertvorstellungen des weiblichen Bürgertums im ausgehenden 18.
Jahrhundert. Die Untersuchung ihrer literatursoziologischen, gattungs- und
geschlechtsspezifischen Entstehungsbedingungen wie auch der Vergleich mit
zeitgenössischen Frauenjoumalen anderer Provenienz^ vermag einen Einblick
in die Möglichkeiten und Grenzen zeitgenössischer weiblicher Lebensbedin-
gungen zu geben.
1.2. Forschungslage:
Die vergessenen Töchter der Aufklärung
Auch ist auf die Fmuenzeitschriften hinzuweisen: am Anfang steht Jacobis Iris und
am Ende die Flora^
Während spätestens seit Wolfgang Martens' bahnbrechender Arbeit zu den
Moralischen Wochenschriften^ deren Bedeutung für die gesellschaftlichen
Entwicklungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts unumstritten ist, sind
die Zeitschriften des späten 18. Jahrhunderts noch ein ‘Stiefkind’ der publizi-
stischen Forschung. Fast alle Arbeiten zum Zeitschriftenwesen des 18. Jahr-
hunderts entspringen allgemeinen Darstellungen^ oder beschäftigen sich mit
den Zeitschriften heute noch bekannter Herausgeber. Vor allem zu den Frau-
enzeitschriften der Zeit finden sich auch in der neueren Forschung im we-
sentlichen allgemeine Darstellungen^, die sich nur z.T. mit Einzelaspekten
5 Neben Cottas Flora habe ich dafür Jacobis Iris und LaRoches Pomona ausgewählt, die zu
den bekanntesten Frauenjoumalen der Zeit gehören. Die beiden ersteren genießen auch
heute noch die höchste Wertschätzung, letztere ist die einzige bekannte, von einer Frau
publizierte Zeitschrift neben den Zeitschriften Marianne Ehrmanns.
6 Paul Raabe, Die Zeitschrift als Medium der Aufklärung. In: Ders., Bücherlust und Lese-
freuden, Stuttgart 1984, S. 110.
7 Die Botschaft der Tugend. Die Aufklärung im Spiegel der deutschen Moralischen Wochen-
schriften, Stuttgart 1968.
8 Z.B. bei Joachim Kirchner (Das deutsche Zeitschriftenwesen, seine Geschichte und seine
Probleme, Teil I, Wiesbaden 1958), Margot Lindemann (Deutsche Presse bis 1815, Ge-
schichte der deutschen Presse Teil I, Berlin 1969) oder Karl Schottenloher (Flugblatt und
Zeitung: ein Wegweiser durch das gedruckte Tagesschrifttum, Bd. 1, N.A. München 1985).
9 Etwa von Sabine Schumann (Das „lesende Frauenzimmer“. Frauenzeitschriften im 18.
Jahrhundert. In: Die Frau von der Reformation zur Romantik, 1500 - 1800, hrsg. v. Barba-
13
beschäftigen^^. Die ältere Forschung bedient sich dabei literarisch-ästheti-
scher Kriterien, die der im 18. Jahrhundert vorherrschenden Auffassung von
Frauenzeitschriften als eigener Gattung nur bedingt entsprechen und der ihnen
auch schon zur damaligen Zeit zugestandenen gesellschaftspolitischen Re-
levanz nicht gerecht werden^ Zum Großteil werden Frauenzeitschriften eher
als rezeptives denn als produktives Medium dargestellt. Die in jüngster Zeit
hinzugekommene feministische Forschung hingegen bedient sich fi’auenrecht-
lerischer Kriterien, die dem zeitgenössischen Kontext nicht entsprechen^^.
Weder die Literatur- noch die Pressegeschichte hat sich bislang mit dem
Frauenjoumal des 18. Jahrhunderts beschäftigt; Frauenzeitschriften galten
und gelten im allgemeinen als Trivialliteratur. So bleibt die Untersuchung
einer publizistischen, weiblichen Öffentlichkeit nach wie vor Neuland.
Eine Ausnahme stellt vor allem Edith Krulls Dissertation aus dem Jahr
1939 13 Krull verfolgt den Weg der Frauenpublizistik im 18. Jahrhundert
und hat dabei ein Augenmerk auf die in diesem Genre tätigen Frauen. Sie hat
ein Großteil der publizistisch tätigen Frauen aufgespürt und ihre Arbeit be-
schrieben. Krulls Dissertation kann noch heute als Basis für die Beschäfti-
gung mit der Frauenpublizistik gelten. Ihr ist es zu verdanken, daß Marianne
Ehrmann vor wenigen Jahren ‘wiederentdeckt’ werden konnte. Während sie
in den Nachschlagewerken des 19. Jahrhunderts noch meistenteils zu finden
ist, folgt um die Jahrhundertwende ein rezeptionsgeschichtlich bemerkens-
werter Bruch bis in die achtziger Jahre unseres Jahrhunderts^^. In der zur
Verfügung stehenden Sekundärliteratur wird Marianne Ehrmann höchstens
am Rande erwähnt. Krull hat ihr ein ganzes Kapitel gewidmet, in dem sie sich
mit dem emanzipatorischen Gehalt ihrer Zeitschriften beschäftigt. Sie räumt
ra Becker-Cantarino, Bonn 1980, S. 138-169) oder Josephine Trampler-Steiner (Die Frau
als Publizistin und Leserin. Deutsche Zeitschriften von und für Frauen, München 1938).
10 Vgl. Z.B. bei Ulrike BöhmeUFichera (Das Frauenzimmer und die Mannsperson. Politik in
literarischen Frauenzeitschriften des ausgehenden 18. Jahrhunderts. In: „Der Menschheit
Hälfte blieb noch ohne Recht“. Frauen und die Französische Revolution, hrsg. v. Helga
Brandes, Wiesbaden 1991, S. 131 - 145) oder Ruth P. Dawson (Women communicating:
eighteenth-century German Journals edited by women. In: Transactions of the Sixth Inter-
national Congress on the Enlightenment, Oxford 1983, S. 239 - 241).
1 1 Dies führt zu einer Abwertung der Frauenzeitschriften, z. B. bei Hugo Lachmanski (Die
deutsche Frauenzeitschrift des 18. Jahrhunderts, Berlin 1900).
12 Sabine Schumann etwa bezeichnet die konservativen Blätter als „frauenfeindlich“ (a.a.O.,
S. 164), eine Schlußfolgerung, die ihren Ursprung im 20. Jahrhundert hat.
1 3 Das Wirken der Frau im fhihen deutschen Zeitschriftenwesen, Diss., Berlin 1 939.
14 Erstmals wieder bei Elisabeth Friedrichs (Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des
18. und 19. Jahrhunderts: ein Lexikon, Stuttgart 1981). Vgl. auch die beiden Auflagen des
Lexikons des gesamten Buchwesens von 1935 bzw. 1989, hier unter dem Lemma
„Frauenzeitschriften“. Erst in der Ausgabe von 1989 wird die Publizistin Ehrmann erwähnt
sowie der im 19. Jahrhundert folgenden Spaltung in Unterhaltungsblätter sowie Zeitschrif-
ten der Frauenbewegung Rechnung getragen.
14
Marianne Ehrmann als „einzige[r] Revolutionärin in der Publizistik“ eine
herausragende Position ein^^ und macht damit auf sie aufmerksam.
Mittlerweile erscheint Marianne Ehrmanns Name in zahlreichen Arbeiten
zu den verschiedensten Aspekten weiblichen Schreibens^^. Meist sind ihr ein
kleinerer Absatz oder eine Fußnote gewidmet, selten mehr^^. Die Frauenfor-
schung der letzten Jahre hat ein breites Interesse an der Entstehung und Ent-
wicklung weiblicher Öffentlichkeit mit sich gebracht, das sich bisher in all-
gemeinen Untersuchungen niedergeschlagen hat, hinter denen Einzeluntersu-
chungen noch zurückstehen. So gilt auch für Marianne Ehrmann, daß ihr
Name heute zwar in kaum einer Untersuchung zu Frauen in der Literatur des
18. Jahrhunderts fehlt, trotz steigenden Interesses bisher jedoch noch keine
Monographie über sie erschienen ist.
Neben Krull möchte ich auf zwei Arbeiten aufinerksam machen, die Mari-
anne Ehrmanns Schriften unter unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuch-
ten: Helga Brandes' Aufsatz ,JDas Frauenzimmer-Journal: Zur Herausbildung
einer journalistischen Gattung“^^ und Helga Stipa Madlands biographischer
Abriß „An Introduction to the Work and Life of Marianne Ehrmann (1755-
95): Writer, Editor, Joumalist“^^. Brandes untersucht LaRoches Pomona und
Ehrmanns Amaliens Erholungsstunden unter pressehistorischen Gesichts-
punkten. Sie analysiert die Schreibstrategien, die nötig sind, um kritische
Inhalte konform zu präsentieren und stellt bei Ehrmanns Zeitschrift einen
Strukturwandel des Journals vom literarischen zum ,,diskursintegrative[n]
Medium“^^ fest. Ihre Arbeit trägt dazu bei, die Zeitschriftenherausgabe von
Frauen im zeitgenössischen pressefunktionalen Kontext zu betrachten. Mad-
land bietet einen Überblick über Marianne Ehrmanns Leben und Werk, der
stark biographisch ausgerichtet ist. Die Arbeit basiert auf Primärtexten, einem
Teil des Quellenmaterials und bisherigen Forschungsergebnissen. Ehrmanns
Werke werden einer biographischen Analyse unterzogen.
Diese verschiedenen Ansätze sollen hier zusammengeführt und zur Unter-
suchung der publizistischen Tätigkeit Marianne Ehrmanns ergänzt werden.
15 A.a.O., S. 275. Wobei das Revolutionäre an Marianne Ehrmanns Tun bereits in der Tatsa-
che begründet ist, daß sie auf eigene Faust Journale veröffentlicht.
16 Etwa bei Karin A. Wurst (Frauen und Drama im 18. Jahrhundert, KölnAVien 1991) oder
bei Lydia Schieth (Die Entwicklung des deutschen Frauenromans im ausgehenden 18.
Jahrhundert, Frankfurt 1987).
17 Eva Kammler z.B. untersucht den politischen Gehalt von Amaliens Erholungsstunden
(Zwischen Professionalisierung und Dilettantismus: Romane und ihre Autorinnen um
1800, Opladen 1992, S. 161 ff).
18 In: Deutsche Literatur von Frauen, Bd. 1, Hrsg. v. Gisela Brinker-Gabler, München 1988,
S. 452 - 468.
19 In: Lessing Yearbook XXI/ 1989, S. 171 - 196.
20 A.a.O., S. 462.
15
1.3. Ansätze und Methoden:
Das Frauenjournal in der Pressegeschichte
[Die geistige Erfassung eines Ereignisses ist die] Zeugungsstunde des publizistischen
Produkts und der Anfang des publizistischen Prozesses, der im Bewußtsein des Emp-
fängers münden soll^^.
Diese Arbeit bewegt sich in Anlehnung an die historische Kommunikations-
forschung im Schnittpunkt verschiedener geistes- und sozialwissenschaftli-
cher Disziplinen. Da die Zeitschrift als historisches Presseerzeugnis Spiegel
ihrer Zeit ist, müssen publizistische Verhaltensweisen und Handlungen in Zu-
sammenhang mit ihren ökonomischen und soziokulturellen Umfeldern ge-
bracht werden^^. Gleichzeitig werden Form und Struktur dieses literarischen
Genres von gattungsbedingten Anforderungen bestimmt. Veröffentlichungen
von Frauen unterliegen außerdem geschlechtsspezifischen Arbeitsbedingun-
gen. Dieser Komplexität des publizistischen Prozesses^^ wird der methodi-
sche Ansatz entsprechen.
Im Mttelpunkt der Pressegeschichtsschreibung steht die bürgerliche Öf-
fentlichkeit, die Habermas als historische Kategorie beschrieben hat^"^ und
die in ihrer Ausprägung als weibliche Öffentlichkeit hier gesondert zu unter-
suchen ist^^. Zur Ergänzung dieses sozialhistorischen Ansatzes habe ich die
Erkenntnisse der Buchhandels- und Leserforschung hinzugezogen^^. Die Ein-
schränkung auf die Zeitschriften Marianne Ehrmanns erlaubt dabei, allge-
meine Erkenntnisse über Struktur und Grenzen weiblicher Öffentlichkeit am
konkreten Beispiel zu überprüfen. Neben allgemeinen sozialhistorischen Er-
kenntnissen ermöglicht die Quellenanalyse, mit Hilfe von Marianne Ehr-
manns Zeitschriften Entstehung, Entwicklung, Vermittlung und Rezeption
emanzipatorischer, gesellschaftskritischer und politischer Inhalte zu untersu-
21 Walter Hagemann, Grundzüge der Publizistik. Als eine Einführung in die Lehre von der
sozialen Kommunikation neu hrsg. v. WevkPrakke u.a., Münster 1966, S. 103.
22 Zu den Grundlagen der historischen Kommunikationsforschung vgl. Winfried B. Lerg
(Pressegeschichte oder Kommunikationsgeschichte? In: Presse und Geschichte, Bd. 1,
München 1977, S. 9-24)
23 Die „Lehre vom publizistischen Prozeß“ wurde 1947 von Walter Hagemann begründet
(a.a.O.), der damit die theoretische Grundlage für die Untersuchung von Medienerzeugnis-
sen schuf
24 A.a.O., ohne Berücksichtigung der weiblichen Öffentlichkeit.
25 Entsprechende Ansätze finden sich z.B. bei Silvia Bovenschen (Die imaginierte Weiblich-
keit. Exemplarische Untersuchungen zu Kulturgeschichte und literarischen Präsentations-
formen des Weiblichen, Frankfurt 1979).
26 Vgl. die Untersuchungen von Rolf Engelsing (Der Bürger als Leser. Lesergeschichte in
Deutschland 1500-1800, Stuttgart 1974) sowie von Helmut Kiesel und Paul Münch
(Gesellschaft und Literatur im 18. Jahrhundert. Voraussetzungen und Entstehung des lite-
rarischen Markts in Deutschland, München 1977) u.a.
16
dien. Gattungstheoretische Erkenntnisse zu Form, Struktur, Produktion und
Rezeption des Journals können als Basis für eine quellenkritische Analyse
von Marianne Ehrmanns Blättern hinzugezogen werden.
In dieser Arbeit berücksichtige ich zwar literarisch-ästhetische Aspekte,
setze den Schwerpunkt aber auf gesellschaftspolitische Relevanz und journa-
listisches Profil des Frauenjoumals im ausgehenden 18. Jahrhundert. Neben
bereits bestehenden Forschungsergebnissen und Primärtexten kann ich mich
dabei auf eine breite Basis bisher unveröffentlichten Quellenmaterials stützen.
Verträge, Geschäfts- und Privatkorrespondenz Marianne Ehrmanns, die sich
vor allem im Cotta-Archiv des Schiller-Nationalmuseums / Deutsches Litera-
turarchiv Marbach sowie in der Zentralbibliothek Zürich befinden, sind bis-
her nicht aufgearbeitet worden. Mit Hilfe dieser Archivalien werde ich Mari-
anne Ehrmanns publizistische Tätigkeit in ihrem zeitgenössischen Umfeld
darstellen und im Sinne der historischen Kommunikationsforschung als indi-
viduelles Ereignis im Zusammenhang mit sozialhistorischen und gattungs-
theoretischen Gegebenheiten quellenanalytisch erschließen.
1.4. Thesen und Zielsetzung:
Emanzipationsbestrebungen der weiblichen Öffentlichkeit
Muthig meine theuerste Leserinnen! Lassen sie uns durch Nachdenken vorwärts ei-
len, [...] mit männlicher Standhaftigkeit durchdringen und siegen!^^
Grundgedanke der vorliegenden Arbeit ist, daß die Frauenjoumale des 18.
Jahrhunderts nicht nur Träger und Former weiblicher Öffentlichkeit sind,
sondern dieses neue literarische Genre auch eine Artikulationsmöglichkeit für
Frauen birgt^^. Frauen erfahren die Ambivalenz von Bildungs- und damit
Autonomiebestrebungen im Zusammenspiel mit den realen Gebundenheit an
eine Gesellschaft, die jede Tendenz zu weiblicher Selbständigkeit scharf ab-
lehnt. Marianne Ehrmanns publizistische Tätigkeit verdeutlicht die engen
Grenzen dieser relativen Emanzipation.
Aufgrund ihres Lebensweges hat Marianne Ehrmann ein Außenseiterin-
nentum in der Gesellschaft kennengelemt, das ihre Kritik an den gesellschaft-
lichen Normen mit begründet. Um sich gesellschaftlich wie ökonomisch eine
Lebensgrundlage zu schaffen, muß sie sich diesen Normen gleichzeitig anpas-
27 Marianne Ehrmann, „Antrittsrede“ (AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 10).
28 Dies gilt auch für den Roman, v.a. in Briefform. Der Einstieg in den Literaturbetrieb wurde
Frauen innerhalb dieser noch ungeprägten Gattungen eher gestattet als in den traditionsrei-
chen literarischen Kunstformen.
17
sen. Der Zwiespalt dieser Situation schlägt sich in dem in ihren Zeitschriften
präsentierten Frauenbild nieder. Kritik muß mit Hilfe verschiedener
Schreibstrategien indirekt formuliert werden. Ich werde analysieren, ob das
Journal aufgrund seiner Struktur ein Forum dieser (verdeckten) Kritik sein
kann. Anhand einer Zeitschriftenanalyse vor, während und nach dem Bruch
mit Cotta werde ich klären, ob die angegebenen wirtschaftlichen Gründe al-
lein der Auslöser sind oder ob der Verlag die emanzipatorischen Tendenzen
der Zeitschrift beschneiden möchte.
Neben dem emanzipatorischen bieten Marianne Ehrmanns Zeitschriften
auch ein journalistisches Profil, das sich aus dem starren Rahmen literarischer
Blätter zu lösen beginnt. Die maßgeblichen journalistischen Kriterien für
Form und Struktur der Zeitschriften und ihre Auswirkung auf die Inhalte wer-
den zu erläutern sein.
Ziel dieser Arbeit ist es, die inhaltlichen und konzeptionellen Besonder-
heiten von Marianne Ehrmanns Zeitschriften im Vergleich zu anderen zeit-
genössischen Journalen herauszuarbeiten und die vom männlichen Bürgertum
der Zeit geprägte Publizistik des ausgehenden 18. Jahrhunderts als konstitutiv
für die Struktur einer weiblichen Öffentlichkeit zu zeigen.
18
2. Frauen im Zeitschriftenwesen des 18. Jahrhunderts
2.1. Aufklärung und emanzipatorische Praxis:
Der Auftrag der Moralischen Wochenschriften
Aufklärung - lumieres, enlightenment, illuminismo, illustraciön - allen diesen Aus-
drücken verschiedener Sprache ist gemein, daß man das Licht, das Licht der Ver-
nunft, als bezeichnend für eine Weltauffassung ansieht, die die europäischen Litera-
turen des 18. Jahrhunderts bestimmt^
Bereits im 17. Jahrhundert beginnen Veränderungen im Denken der Men-
schen einzusetzen. Bislang ist die Vorstellung sozialer Mobilität darauf be-
schränkt gewesen, daß „allen Menschen das gleiche himmlische Bürgerrecht
im Jenseits winke“^. Die gesellschaftlichen Strukturen sind nicht in Frage ge-
stellt worden. Anknüpfend an die Philosophien Leibniz', Thomasius' und
Wolffs entsteht nun der Glaube an die Möglichkeit, das Leben im Diesseits
mit der Hilfe von Rationalismus, Empirismus und Sensualismus verstandes-
gemäß erfassen und dadurch selbst bestimmen zu können. Festgeschrieben
wird dies durch die Begriffe Tugend und Vernunft unter dem Oberbegriff
‘Aufklärung’, was nichts anderes bedeutet als „aktive intellektuelle Tätigkeit
zum Zwecke sowohl der eigenen Erkenntnis imd der Verbesserung des theo-
riegeleiteten Handelns anderer“^. Dementsprechend wird in Kunst und Litera-
tur die Aufforderung, dem horazischen prodesse et delectare (mit Akzent auf
prodesse) zu entsprechen, um auf diesem Wege zur Selbsterkenntnis zu ge-
langen, neu belebt. Man beginnt, sich mit der Möglichkeit einer individuellen
Entwicklung auseinanderzusetzen. Dabei beschränkt sich das Erkennen von
Individualität zunächst auf „die Negation der ständischen Kondition als rele-
vanter Gesichtspunkt“"^. Tatsächlich bleiben die sozialen Strukturen während
des 18. Jahrhunderts noch weitgehend stabil; der gesellschaftliche Wandel
bereitet sich zunächst auf kultureller Ebene vor. Entscheidend ist die Einbin-
1 Schalk, Europäische Aufklärung, S. 469.
2 Engelsing, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 190.
3 Vierhaus, Kultur und Gesellschaft, S. 73 f
4 Luhmann, Liebe als Passion, S. 1 66.
19
düng des Bürgertums in den Bildungsprozeß: Vor der politischen Öffentlich-
keit steht die literarische^.
Ein wesentliches Medium zur Verbreitung aufklärerischen Gedankenguts
bilden die Moralischen Wochenschriften^ die sich als „auf die Erziehung des
Menschen gerichtete Veröffentlichungen“^ neben Beiträgen zur Stärkung von
Tugend und Vernunft von Anfang an mit der Idee der Frauenbildung befas-
sen. Die Forderung daraus ergibt sich aus dem Grundgedanken der Zeit, der
die geistige Aufklärung als einzigen Weg zu individueller Tugend und Glück,
aber auch zur Verbesserung des Allgemeinwohls ansieht. Die Ausbildung des
Verstandes gilt den Frühaufklärem als eine Art moralischer Verpflichtung.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts sind Frauen von wissenschaftlicher Bil-
dung prinzipiell ausgeschlossen. Etwa vorhandene Mädchenschulen liefern
allenfalls Elementarkenntnisse, woran auch die schrittweise Einführung der
allgemeinen Schulpflicht nichts ändert^. Neben der Kenntnis von Religion,
Hand- und Hausarbeiten muß ein Mädchen nichts wissen, und diejenigen hö-
heren Töchter, deren Eltern ihnen einen Hauslehrer halten, der sie neben ein
wenig Lesen, Schreiben und Rechnen sogar etwas Französisch und Tanz
lehrt, gehören schon zu den Privilegierten. Daß dagegen „Frauen und Mäd-
chen zum Umgang mit den schönen und nützlichen Wissenschaften befähigt
seien und diese Befähigung anwenden sollten, [ist] eine von den Wochen-
schriften einhellig vertretene Meinung“^. Bereits 1725 begründet Johann
Christoph Gottsched, der publizistische Repräsentant der fiühen Aufklärung,
nach dem Vorbild englischer Wochenschriften seine Zeitschrift Die Vernünf-
tigen Tadlerinnen:
Wir würden vielleicht nicht so viel ausschweifende und eigensinnige Eheweiber,
thyrannische oder verzärtelnde Mütter, oder unverständige, sogar liederliche und
sorglose Frauen in der Aufführung gegen das Gesinde haben, wenn nicht diese
Unwissenheit fast durchgängig unter den Personen unsers Geschlechts herrschten
5 Zunächst manifestiert sich soziale Gleichheit außerhalb des Staates, in Tisch- oder Sprach-
gesellschaften des akademisch gebildeten Bürgertums (vgl. Habermas, Strukturwandel der
Öffentlichkeit, S. 45 f).
6 Schottenloher, Flugblatt und Zeitung, S. 3 1 1 .
7 Z.B. in Württemberg 1649, in Brandenburg 1662 oder in Preußen 1717 und 1736 {Engel-
sing, Analphabetentum und Lektüre, S. 45). Freilich bedeutet ‘allgemeine Schulpflicht’ zu
dieser Zeit etwas anderes als heute, nämlich nach wie vor verschiedene Ausgangspositio-
nen auf dem Bildungssektor für Angehörige verschiedener Stände und Geschlechter. Ein
grundsätzlich festgeschriebenes Bildungswesen im heutigen Sinne existiert nicht.
8 Martens, Botschaft der Tugend, S. 523.
9 Zit. nach Hanstein, Frauen im deutschen Geistesleben, S. 80 f.
20
Die Entstehung einer bürgerlich-literarischen Öffentlichkeit schließt also eine
- zunächst rezeptive - weibliche Öffentlichkeit mit ein. In den Moralischen
Wochenschriften sind „Frauen [...] zum ersten Mal als Leserinnen nicht aus-
geschlossen, sondern viel mehr die bevorzugten Adressatinnen“^^. Vor allem
die fiühen Zeitschriften polemisieren gegen das ihnen zuwiderlaufende Vor-
urteil, Frauen würden durch Lektüre eher verdorben denn gefordert. Sie kriti-
sieren im Gegenteil die Gepflogenheit, Frauen von Bildung femzuhalten,
heftig. So ist in den Discoursen der Mahlern zu lesen:
Euer [der Männer] Geschlecht ist bißher sorgfältig gewesen, uns die Tittel zu ent-
ziehen, durch welche wir eine Erfahrenheit der menschlichen Sachen bekommen
könnten. Die Mode ist eingejuhrt, daß man auf den Akademien nur in der lateini-
schen Sprache lieset; die meisten Bücher sind in derselben geschrieben, und man
hat unsern Eltern die Maxime beigebracht, die Wissenschaften seyen den Leuten
unsers Geschlechts schädlich. [...] Wir werden gezwungen, unser Leben mit sclavi-
schen Bemühungen zu verzehren, weil die Männer uns alle Gelegenheit ab-
schneiden, einem Menschen anständigere Geschäfte zu unternehmen. ^ ^ .
Neben solchen Angriffen auf geschlechtsspezifische Bildungsgrenzen bemü-
hen sich die Moralischen Wochenschriften vor allem darum, Vorurteile auch
bei den Frauen selbst abzubauen. Indem sie der Bildung feindlich gesonnene
Frauen als eitel, dumm oder eigensinnig darstellen und ihnen Frauengestalten
gegenüberstellen, die den Anforderungen weiblicher Bildung bereits entspre-
chen und sich dadurch als bessere Ehefi*auen und Mütter erweisen, versuchen
sie, ihre Leserinnen zur Nachahmung dieser fiktiven Gestalten und damit zur
Bildung zu animieren: Sie schaffen Protagonistinnen mit Vorbildcharakter.
Wenn in den filihen Moralischen Wochenschriften Begriffe wie ‘gelehrtes
Frauenzimmer’ oder ‘weibliche Gelehrsamkeit’ auftauchen, so sind diese aus
heutiger Sicht zu relativieren im Sinne von populärwissenschaftlicher Allge-
meinbildung, die kaum über die Oberfläche hinausreicht. Auch wenn die
Frühaufklärung die „prinzipielle Abkehr von der absoluten Bildungslosigkeit
der Frau“ einleitet^^, so bedeutet doch Bildung im Sinne der Aufklärer keine
Neubestimmung der Frauenrolle, sondern allenfalls schöngeistige und popu-
lärwissenschaftliche Belesenheit, die zweckgerichtet ist und ihre Grenzen hat.
Dies wird unmißverständlich deutlich in den überall abgegebenen Beteuerun-
10 Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 435.
11 Bd. IV, St. 15. Zitiert nach: Martens, Botschaft der Tugend, S. 523 f. Die Discourse der
Mahlern erscheinen von 1721-23 in Zürich und gehören zu den progressivsten der (von
Männern herausgegebenen) Moralischen Wochenschriften (vgl. auch Brandes, Die
‘Gesellschaft der Mahler’).
12 Schumann, Das ‘lesende’ Frauenzimmer, S. 139.
21
gen, daß die richtige Bildung eine Frau nicht für das Familienleben verderbe,
sondern sie vielmehr zu einer besseren Hausfrau und Mutter mache, die einen
klareren Einblick in die Zusammenhänge ihrer Pflichten habe. Bildung soll
von Frauen nur rein rezeptiv erworben werden; eine eigenständige, gar inten-
sive Beschäftigung mit den Wissenschaften steht ihnen nicht zu:
Ein gelehrtes Frauenzimmer also ist eine Person, welche weiß, was ein Gelehrter
weiß, ob sie dasselbe gleich nicht so wie er weiß, und noch viel weniger so gelernt
hat. Es verhält sich gegen die Gelehrten wie gegen die Kaufleute. Der Kaufmann
geht zu Schiffe und holt von Norden den Zobel, aus Indien die Diamanten und Per-
len. Das Frauenzimmer bekommt diese Schätze, es ziert sich damit aus, und es ist
eben so gut, als wenn es selber zu Schiff gegangen wäre.^^
Frauenerziehung wird auf die sittlich-moralischen Werte eingegrenzt, ihre
Ziele sind „die Selbstbesserung, die Versittlichung, die ‘Bildung’“^"^ und
‘gelehrtes Frauenzimmer’ heißt letzten Endes nichts anderes als ‘gebildete
Hausfrau’. Mit der Trennung von Beruf und Familie, also von öffentlichem
und privatem Leben werden die familiären Arbeiten noch deutlicher den
Frauen zugeschrieben und das Haus zu ihrem Lebensraum^^. Die Morali-
schen Wochenschriften „begründeten bürgerliches Selbstbewußtsein im Be-
reich des alltäglichen Lebens, in Beruf, Nachbarschaft und Familie, und hier
lag ihre besondere Leistung: sie wandten sich vor allem an die Frau, befestig-
13 Der Gesellige, Teil 1,16. Stück. Reprint der Ausgabe Halle 1748, neu hrsg. von Wolfgang
Martens. 1.B4S. 136. Hildesheim / Zürich /New York, 1987.
14 Martens, Botschaft der Tugend, S. 529. Beachtenswert ist der hier nachempfundene Zu-
sammenhang von Bildung mit Selbstbesserung und Versittlichung. Wenn Lachmanski von
den pädagogischen Anstrengungen der Männer dieser Zeit spricht, „das weibliche Ge-
schlecht aus dem Zustande einer geistigen und sittlichen Verwahrlosung [...] zu befreien“
(Frauenzeitschriften, S. 5), so ist dies zwar aus heutiger Sicht eine diskriminierende For-
mulierung, nichtsdestotrotz aber die Beschreibung dessen, was damals unter Frauenbildung
verstanden wird, nämlich das Denken der Frauen ihrer zivilisiert-häuslichen Bestimmung
anzupassen, nicht aber, sie zu eigenständigem Denken zu animieren. Heute als Zeichen ei-
ner repressiven Bildungspolitik gewertet, ist es damals ein Fortschritt, daß in einer neuarti-
gen literarischen Gattung Frauen wenigstens zugestanden wird, daß sie überhaupt des Den-
kens fähig seien.
15 Vgl. u.a. die Untersuchungen von Bovenschen (Die imaginierte Weiblichkeit), Dotzler
(‘Seht doch, wie ihr vor Eifer schäumet’), Theweleit (Männerphantasien, Bd. 1, S. 422 ff)
oder Zeidler-Johnson (Die Aufteilung der Menschheitsgeschichte). Laut Bovenschen er-
langt die Familie „als Entstehungsort bürgerlichen Selbstbewußtseins und privatisierter
Harmonievorstellungen“ (a.a.O., S. 178) eine Bedeutung, die ein festgeschriebenes Frau-
enbild mit sich bringt: „Die Frau, ausgeschlossen von den Geschäften, aber auch nicht
mehr involviert in die außerhäuslichen Tätigkeiten des agrarischen Erwerbslebens, steht
nun bildhaft für das Private schlechthin, für jene erträumte Harmonie und idyllische Be-
friedung“ (ibid., S. 179 f).
22
ten eine neue Geschlechtslehre und erzogen sie zur Leserin von Zeitschriften
und Romanen“^^. Frauen werden so einerseits deutlich ins Haus, in die Pri-
vatsphäre verwiesen, können aber andererseits mittels neuer literarischer
Genres an der Öffentlichkeit teilnehmen.
Beim Blick auf die Frauenzimmer-Bibliotheken, Listen der aus der Sicht
der Aufklärer empfehlenswerten, für Frauen geeigneten Literatur, die bald in
keiner Moralischen Wochenschrift fehlen, wird deutlich, daß diese Teilnahme
begrenzt ist. Diese Frauenzimmer-Bibliotheken setzen sich zusammen „aus
philosophisch-moralischen und religiösen Schriften, Büchern zur Natur-
kenntnis, Geschichte und Geographie, belletristischen Werken und Literatur
zur Haushaltsführung, Kindererziehung und Gesundheitspflege. Im zeitlichen
Verlauf läßt sich eine Entwicklung zu immer stärkerer Berücksichtigung des
ästhetisch-belletristischen Bereichs beobachten, [...] Die Frauenzimmerbi-
bliotheken der Moralischen Wochenschriften, [...] stehen grundsätzlich in
einem weltlichen, philosophisch-diesseitigen Horizont, Theologie,
Medizin und Jurisprudenz gehören ebenso wie politische Themen zu den Ta-
bus für Frauen und finden dementsprechend auch keine Erwähnung.
Die fifthen Moralischen Wochenschriften als Erziehungsinstrument der
Aufklärer werden in späteren Zeitschriften ihrerseits in den Lektürekanon
aufgenommen und gehören in der Mitte des Jahrhunderts zur gängigen und
als lehrreich betrachteten Lektüre: „Von einer idealen Geliebten erhofft sich
Wieland 1750 in einem Brief an Sophie Gutermann die Lektüre des ‘Specta-
tor’, der ‘Vernünftigen Tadlerinnen’ und des ‘Patrioten’ neben dem Umgang
von LaBruyere, Richardson und Destouches. [...] Moralische Wochenschrif-
ten sind gesammelt worden. Man stellte sich aus ihnen kleine moralische
Bibliotheken zusammen, die man als unveraltbar zu Rate zog, so wie Erbau-
ungsbücher immer wieder zu lesen waren.“^^
Wenn also Bildungsinhalte, die über den häuslichen Rahmen hinausrei-
chen könnten, keineswegs zu den Idealen gehören, die die Moralischen Wo-
chenschriften vertreten, so kommt ihnen dennoch das Verdienst zu, die Idee
der Frauenbildung überhaupt populär gemacht zu haben. Als Forum für die
lesende werden sie im Verlauf zum Sprungbrett für die schreibende Frau, was
den Aktionsradius von Frauen erweitert. Die Wende von der Rezeption zur
Produktion bereiten schon Gottscheds Vernünftige Tadlerinnen vor.
16 Gerth, Bürgerliche Intelligenz um 1800, S. 66.
17 Martens, Leserezepte, Sp. 1 197 f.
18 Martens, Botschaft der Tugend, S. 117.
23
2.2. Schreibende Frauen in Periodika:
Biographische Einblicke
Die gelehrte deutsche Frauenbewegung des 18. Jahrhunderts [...] ist von ihrem pu-
blizistischen Mittel, von der Zeitschrift, nicht zu trennen. In den Zeitschriften spie-
gelt sich sowohl die Arbeit der Vorbereitungszeit als auch die geistige und seelische
Grundhaltung der Frauen selbst und ihre Wandlung im Laufe des Jahrhunderts.
Bereits in den ersten deutschen Wochenschriften wird gewissermaßen ziel-
gruppengerichtet gearbeitet. Die von Männern verfaßten Beiträge erscheinen
häufig unter weiblichen Pseudonymen. Titel wie Die Vernünftigen Tadler in-
nen^ Die Patriotinn, Die Matrone, Die vor sich und ihre Kinder sorgfältige
Mutter oder ähnliche assoziieren weibliche Verfasserschaft und verraten
gleichzeitig, welches Publikum sie erreichen wollen^^. Weibliche Pseud-
onyme wie Calliste, Phyllis und Iris benutzt schon Gottsched in seiner Zeit-
schrift Die Vernünftigen Tadlerinnen. Da die Moralischen Wochenschriften
als Literaturgattung, deren Beiträge in der Fiktion tief verwurzelt sind, unter
fiktiver Verfasserschaft stehen, ist es gängige Praxis, sich hinter ansprechen-
den Pseudonymen zu verbergen. Inwieweit die Leserinnen diese fiktiven Ver-
fasserinnen als wirklich empfinden, ist nicht mehr zu klären. Doch schon bei
Gottsched finden sich echte Mitarbeiterinnen, allen voran seine Frau.
1713 als Arzttochter Luise Adelgunde Victorie Kulmus geboren, ist sie
bereits in einem Gelehrtenhaushalt aufgewachsen, in dem Bildung zum fami-
liären Alltag gehört. Nachdem sie auf einer Reise Johann Christoph Gott-
sched kennengelemt hat, tritt sie in einen Briefwechsel mit ihm, in dem er sie
entsprechend seiner auch in seinen Zeitschriften vertretenen Auffassung zum
rechten Schreiben in der deutschen Sprache anzuhalten versucht^ Sie heira-
ten am 17.4.1735. Die Ehe bleibt kinderlos, statt zur Mutter wird Luise Gott-
sched zur ,,musterhafte[n] Gehilfin ihres Gatten und Mitarbeiterin an dessen
Zeitschriften“^^, die ihm einen Großteil der Arbeit abnimmt. Sie rezensiert
ausländische Autoren, spielt als Übersetzerin eine bedeutende Rolle und ist
damit die „erste Berufsjoumalistin Deutschlands, [die] einen ungeheuren
1 9 Krull, Wirken der Frau, S. 1 6.
20 Einige Zeitschriften haben männliche Pendants, z.B. Der Patriot, Die vor sich und ihre
Söhne sorgfältigen Väter u.di.
2 1 Frauen werden in den Moralischen Wochenschriften Sprachregeln vermittelt, die auch zur
Dichtkunst befähigen sollen; dies entspricht Gottscheds Auffassung einer einem Regelwerk
verpflichteten Literatur.
22 Wilpert, Deutsches Dichterlexikon, S. 267. Einen Einblick in Luise Gottscheds Leben
bietet Renate Feyls biographischer Roman (Idylle mit Professor), Veronica C. Richel be-
schäftigt sich mit ihrem Werk (Luise Gottsched. A Reconsideration).
24
Fleiß und gründliche wissenschaftliche Kenntnisse, einen für ihre Zeit sehr
flüssigen, gewandten Stil und eine besondere Begabung zur Satire in sich
vereint“^^. Diese ‘Berufstätigkeit’ ist ihr allerdings nur in Verbindung mit
und in finanzieller Abhängigkeit von ihrem Mann möglich: Sie übt eine öf-
fentliche Tätigkeit unter nichtöffentlichen Bedingungen aus. Obwohl es „in
Gelehrtenkreisen bekannt gewesen zu sein [scheint], daß der Anteil der Gott-
schedin an den Zeitschriften ungefähr eben so stark gewesen war wie der ih-
res Manhes“^^, ist er es, der diese veröffentlicht. Luise Gottsched bleibt eben-
so wie seine Zeitschriften sein ‘Produkt’. Sie selbst vertritt in ihren Schriften
zwar das Recht auf eine gelehrte Frauenerziehung, präsentiert diese aber ihrer
Zeit und den Vorstellungen ihres Mannes entsprechend in der Hauptsache als
Möglichkeit, eine bessere Ehefi*au und Mutter zu werden. Sie gilt als „ihrem
Gatten an dichter [ischen] Fähigkeiten, Geist und Gemüt überlegen, ordnete
sich jedoch s[einen] Zielen unter“^^. Gottscheds Vorstellungen sind zweck-
gerichtet, eine aktive Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben ist für ihn
kein Thema. Die Mitarbeit seiner Frau ist ihm ein Beispiel für die Möglich-
keit gelehrter Frauenerziehung, die jedoch im häuslichen Bereich verhaftet
bleiben soll, ein Beispiel also für die Entlastung des Ehemannes. Zwischen
seinem exklusiven Kampf um Gelehrsamkeit und den reellen Anforderungen,
die an Frauen gestellt werden, tut sich eine tiefe Kluft auf
Als Luise Gottsched am 26.6.1762 stirbt, stellt ihr Mann seine publizi-
stische Tätigkeit ein; sie wäre für ihn allein wohl nicht mehr zu bewältigen.
Ihre Position in der Ehe muß für Luise Gottsched zumindest teilweise unbe-
friedigend sein, kann sie doch als gebildete und äußerst produktive Frau im-
mer nur im Schatten ihres Mannes und in Abhängigkeit von ihm operieren^^.
Eigene Projekte und eigene Vorstellungen muß sie zugunsten ihres Mannes
zurückstellen. Daß sie die ihr aufgebürdete Last in weiten Teilen ihrer Ehe
auch als solche empfindet, davon zeugt eine Stelle aus einem Brief, den sie
am 15.2.1762, vier Monate vor ihrem Tod, an ihre Freundin Helene von
Runckel schreibt: fragen nach der Ursache meiner Krankheit? Hier ist
sie: Achtundzwanzig Jahre ununterbrochener Arbeit, Gram im Verborgenen
23 Krull, Wirken der Frau, S. 50 f.
24 Ibid, S. 42.
25 Wilpert, a.a.O., S. 267.
26 Dieses Bild hält sich auch später in der Rezeption. So ist beispielsweise bei Hanstein zu
lesen, sie habe sich mit Übersetzungen für Gottsched beschäftigt, weil sie sich „von ihrer
eigenen Unfähigkeit zum Dichten überzeugt“ habe. Dies untermauert er mit der Kritik ei-
ner Moliere-Übersetzung, in denen „die feine Anmut der Verse [...] einer grobkörnigen
Prosa gewichen“ sei (Frauen im Geistesleben, S. 140 f), was neben der deutschen Sprache
am Mangel eben dieser Fähigkeit Luise Gottscheds liege.
25
und sechs Jahrelang unzählige Thränen sonder Zeugen, die Gott allein hat
fliessen sehen
Luise Gottsched ist der Nachwelt als geschickte Freundin ihres berühmten
Mannes bekannt geblieben. Daß ihre Kenntnisse und ihre Arbeit aus ihr eine
für ihre Zeit außergewöhnliche Frau machen, wird allzuoft übersehen: Sie ist
die Gottschedin ohne eigene Identität, deren Erfolge ihrem Mann zugerechnet
werden. Dennoch hat sie als professionell schreibende Frau eine bedeutende
Position inne: In der Zeit der fiühen Aufklärung, die die Dichtkunst als
‘Geschicklichkeit’ auf der Basis gelehrter Studien und verstandesmäßiger
Übung begreift, ist Luise Gottsched eine der ersten bekanntermaßen produk-
tiven Frauen in der deutschen Literatur und ebnet so den ihr nachfolgenden
Publizistinnen den Weg in eine weibliche Öffentlichkeit. Bezeichnenderweise
werden zwei andere Mitarbeiterinnen Gottscheds, Christiane Mariane von
Ziegler und Sidonia Hedwig Zäunemann^ von ihm wesentlich stärker in die
Öffentlichkeit gestellt Beide werden auf sein Betreiben hin als
‘Dichterkönigin’ gekrönt, Ziegler als erste gekrönte Dichterin 1733 an der
Universität Wittenberg, Zäunemann 1738 an der Universität Göttingen. Beide
halten sich streng an die gattungstheoretischen Vorgaben Gottscheds.
Parallel zur Gelehrtenpoesie Gottschedscher Prägung hat sich aus dem
Pietismus heraus ein religiöses Schrifttum gehalten, das in den 60er Jahren
des 18. Jahrhunderts, mit dem Abflauen der gelehrten Dichtkunst, seinen
Einfluß und damit den stärkeren Gefuhlsausdruck auf andere Gebiete litera-
rischer Produktion ausweitet^^. Aus der Dichtung als gelehrter Tätigkeit wird
das Schreiben mittels Gefühl und Naturbegabung. Die Zeit vor dem Höhe-
punkt der sogenannten Empfindsamkeit ist die Zeit der Anna Louise Karsch,
einer der ersten Schriftstellerinnen, die für ihren Lebensunterhalt schreibt. Die
aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Karsch^^ kommt im Anschluß an
zwei gescheiterte Ehen nach Glogau, wo sie von dem Baron von Kottwitz
entdeckt und gefordert wird. Sie nutzt ihre Chance und bringt im Verlauf un-
zählige Gedichte an die Öffentlichkeit, die ihr in der Gesellschaft, die von der
‘Exotik’ der einfachen, aber ausdrucksstarken Frau entzückt ist, den Ruf der
27 Zit. nach Hanstein, a.a.O., S. 307.
28 Vgl. Krull, Wirken der Frau, S. 78.
29 Geb. 1.12.1 722, gest. 12.10.1791. Anna Louise Karsch gehört zu den wenigen Frauen, die
eine ausführlichere Rezeption erfahren haben, u.a. bei Singer (Leben und Zeit der Dichte-
rin A.L. Karschin), Schlaffer (Naturpoesie) oder Kastinger Riley (Die weibliche Muse,
Kap. 1 : Wölfin unter Schäfern. Die sozialkritische Lyrik der Anna Louisa Karsch); Gedich-
te und Briefe von ihr sind in dem von IFo/fherausgegebenen Band O, mir entwischt nicht
was die Menschen fühlen veröffentlicht.
26
‘deutschen Sappho’ verschafft. Anna Louise Karsch dichtet für Anlässe, sie
arbeitet aus materiellen Beweggründen und sieht ihre Arbeit weniger als Gei-
stesprodukt denn als Handwerk an, das aus ihrer Spontaneität lebt und ihr die
Möglichkeit bietet, Geld zu verdienen. In den Augen der besseren Gesell-
schaft gilt sie als Beweis für das Vorhandensein natürlicher Talente. Sie selbst
tritt „mit naiver Selbstsicherheit auf und erwartet von jedermann eine Aner-
kennung ihres Dichtertalents“^^. Doch als sie sich definitiv für ein Auftreten
in der Öffentlichkeit entscheidet, nämlich als sie ihre Gedichte drucken läßt,
ist ihre publizistische Position bald umstritten: „Nun war sie eine Dichterin
auf dem Markt und hatte den Vergleich mit anderen zu scheuen. [...] Mit dem
Buch auf dem Markt endete die Gelegenheitsdichtung“^^. Man mokiert sich
jetzt über ihren Mangel an Bildung, die Gemüter wenden sich feineren Gefüh-
len zu. Die immense Steigerung des schwärmerischen Gefühls in der Dich-
tung wie auch im Leben in den 70er Jahren wird unter dem Namen Empfind-
samkeit bekannt.
Dieser Überhöhung des Gefühls als Artikulationsform des Individuums
fallt die wissenschaftliche Bildung vor allem bei Frauen zum Opfer^^. Wo es
auf natürliches, unverfälschtes Gefühl ankommt, ist Bildung nicht mehr nötig.
Im Gegenteil gilt Gelehrsamkeit bei Frauen nun als Schande, da sie die wahre
Natur verfälsche. Auch die Zeitschriften gehen von gelehrten, philosophisch-
pädagogischen Erörterungen immer mehr über zu Themen des Alltags
(Haushalt, Mode etc.), zu den Topoi Liebe und Freundschaft, die in Prosa und
empfindsamster Lyrik behandelt werden. Darüber hinaus entsteht eine Art
allgemeiner Schreib ’wut’, will doch jeder und jede beweisen, daß auch er
oder sie genug natürliches Gefühl besitze, um ein entsprechendes Gedicht-
chen produzieren zu können. Die Zeitschriften werden so zu Foren der öf-
fentlichen Zurschaustellung der Gefühle.
In diesem Trend entwickelt sich ein neuer Literaturtypus, die Brieflitera-
tur. Haben schon die Moralischen Wochenschriften Briefe als Form benutzt,
um „gefällig und lebensnah zu beraten und zu belehren und um in ein Ge-
spräch mit den Lesern zu kommen“^^, so wird der Brief, der im 18. Jahrhun-
30 Krull, Wirken der Frau, S. 89.
31 Schlaffer, 'Naturpoesie, S. 321 f
32 Luhmann setzt die „Semantik des Gefühls“ mit der „Ablehnung der strukturellen Unterord-
nung der Frau“ als Kopie „der politischen Hierarchie innerhalb der Familie“ (Liebe als
Passion, S. 166) in Zusammenhang. So betrachtet, dient das literarische Ideal der Empfind-
samkeit der ideellen Gleichstellung von Mann und Frau bei der gleichzeitigen Auffechter-
haltung gesellschaftlicher (familiärer) Hierarchien, so wie im politischen Bereich .die theo-
retische Gleichheit der Menschen nicht die Aufhebung ständischer Grenzen bedeutet.
33 Becker-Cantarino, Leben als Text, S. 99.
27
dert schon immer neben der privaten Funktion eine öffentliche ausgeübt
hat^^, jetzt zum unverfänglichsten Mittel für Frauen, ihre Meinung zu formu-
lieren ohne „den Anschein jeder professionellen Gelehrsamkeit“ zu erwek-
ken^^. Die Abdrängung der Frauen in das empfindsame Genre des Briefes
bedeutet die Trennung ‘anspruchsvoller’ von der ‘trivialen’ Literatur, d. h. der
Literatur der Männer von der von und für Frauen geschriebenen Literatur:
Wie auch in den folgenden Jahrhunderten ist die schöne Literatur, die von männli-
chen Autoren und aus männlicher Perspektive verfaßt wurde, selbstverständlich für
alle Leser, Männer wie Frauen, bestimmt und gilt als universal; die schöne Literatur
aber, die von Frauen und aus ihrer Perspektive geschrieben wird, ist als 'Frauenlitera-
tur' nur für Frauen interessant^^.
Spätestens jetzt spalten sich auch in der Publizistik Frauenzeitschriften von
allgemeinen, zunehmend politisch werdenden Periodika ab. Mit der Empfind-
samkeit ist eine neue Kultur- und Geschlechterauffassung in Gang gekom-
men, die hier ihren Niederschlag findet. Eine Leitfigur dieser Epoche, die den
ersten Frauenroman, natürlich in Briefform, veröffentlicht, ist Sophie von
LaRoche. Sie bewirkt auch im Zeitschriftenwesen Neues.
2.3. Zwischen traditioneller Weiblichkeit und neuer Selbständigkeit:
Sophie von LaRoches publizistische Tätigkeit
Die Empfindsamkeit ist eine sogenannte 'weibliche Haltung', das heißt: das Leben
und die Stellung der Frau einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht bietet eine
größere Chance zum Ergreifen dieser Haltung als das Leben und die Stellung eines
Mannes derselben Schicht. Deshalb haben wir es mit einer breiten empfindsamen
Frauenintelligenz zu tun, [...]. Dabei müssen wir zwei Gruppen unterscheiden: die
produzierende Frauenintelligenz [...] und die rezipierende [...]. Die Produktion der
34 Briefe werden dafür geschrieben, in den Salons vorgelesen zu werden.
35 Becker-Cantarino, a.a.O., S. 98.
36 Becker-Cantarino, Weg zu Mündigkeit, S. 289 f Marilyn French spricht von einer „Be-
wußtseinsverschiebung“ im gesellschaftlichen Denken des 18. Jahrhunderts, in deren Folge
„nur noch lineares Denken als wissenschaftlich [galt], während assoziative und meditative
Handlungsweisen den Dichtem überlassen blieben“ (Jenseits der Macht, S. 288 f). Die
Entstehung der empfindsamen Literatur kaim als Ausdmck dieser Entwicklung gesehen
werden. Interessant dabei ist, daß erst mit dieser Epoche Frauen als Protagonistinnen, Re-
zipientinnen und auch Autorinnen in die ‘Männerbastion Literatur’, damit aber nicht mehr
in die die Gesellschaft prägenden Wissenschaften Vordringen können. Sie werden so von
der Beschäftigung mit gesellschaftspolitisch relevanten Fragen femgehalten.
28
ersten Gruppe trifft auf eine breite Schicht von aufnahmebereiten und sich offenbar
in einer analogen Situation befindenden Frauen,
Sophie von LaRoche wird zur Verkörperung des Empfindsamen in Dichtung
und Leben. Sie wird zum Vorbild für andere Frauen, die die von ihr verwen-
deten empfindsamen - sentimentalen und auch wirklichkeitsfremden - Ele-
mente gern übernehmen. Vor allem durch ihren Roman Die Geschichte des
Fräuleins von Sternheim macht sie sich überall bekannt; sie ist aber auch die
erste Frau, die eine wirklich erfolgreiche Zeitschrift selbst herausgibt. Um die
Position, die Sophie von LaRoche innehat, zu begreifen, lohnt es sich, einen
Blick auf ihre Biographie zu werfen.
Am 6.12.1731 als Sophie Gutermann geboren, stammt auch LaRoche, wie
schon Luise Gottsched, aus einer Arztfamilie. Der dominante Vater hält die
Familie unter strengem pietistischem Reglement, und nur die stark natur-
verbimdene Mutter bietet dem Mädchen eine emotionale Zuflucht. Während
ihre Brüder eine umfangreiche Erziehung genießen, wird ihre Ausbildung, die
der Vater übernommen hat, nicht so vertieft, wie sie selbst es sich wünscht.
Sophie lernt den italienischen Arzt Bianconi kennen und verliebt sich in ihn.
Die Verlobung der beiden muß wieder aufgelöst werden, weil der Vater den
Katholiken als Schwiegersohn ablehnt^^. Kurz darauf stirbt die Mutter, und
Sophie lebt einige Zeit bei ihren Großeltern in Biberach, wo sich ein intensi-
ver Kontakt zu ihrem Vetter Christoph Martin Wieland entwickelt. Wieland
verehrt die knapp zwei Jahre Ältere schwärmerisch; als er sich jedoch für
längere Zeit in der Schweiz niederläßt, geht der Kontakt zurück^^. 1754 ver-
heiratet der Vater sie mit dem wesentlich älteren Kurmainzer Hofrat von
LaRoche, und die nächsten Jahre verbringt sie als Ehefrau und Mutter von
fünf Kindern. Auch während der Ehe bleibt die geistig-seelische Verbindung
zu Wieland, der inzwischen auf ihre Vermittlung hin geheiratet hat^^, beste-
37 Halpehn, Schriftstellerinnen, S. 18 f
38 Er zwingt seine Tochter dabei, sämtliche Erinnerungsstücke zu vernichten; im Gegenzug
schwört sie, sich nie wieder mit Mathematik oder der italienischen Sprache - diese beiden
Disziplinen hat Bianconi sie gelehrt - zu beschäftigen.
39 Wieland geht 1 752 auf Einladung Bodmers nach Zürich und lebt dort 1754/58 als Hausleh-
rer; anschließend wechselt er nach Bern und kehrt erst 1760 nach Biberach zurück.
40 Wieland heiratet 1765 die Augsburger Patiziertochter Anna Dorothea von Hildebrand, die
seinen intellektuellen Ansprüchen nicht genügt, wohl aber seinen Vorstellungen von einer
guten Ehefrau. Er selbst schreibt über sie, wenn sie auch nicht wisse, was ein Vers sei, so
sei sie doch „ein unschuldiges, von der Welt unangestecktes, sanftes, fröhliches, gefälliges
Geschöpf; die bloße Natur, [...] hübsch genug für einen ehrlichen Mann, der gern für sich
selbst eine Frau hat” (zitiert nach Hanstein, Frauen im Geistesleben, S. 1 14). Angesichts
des Lektürekanons, den Wieland 1750 in seinem Brief an LaRoche als verbindlich für die
29
hen. Als sie den Briefroman Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim
verfaßt, gelingt es ihr 1771 mit Wielands Hilfe, ihn zu veröffentlichen. Dies
geschieht anonym, die Fiktion eines tatsächlich existierenden Fräuleins von
Stemheim unterstützt Wieland mit einer Vorrede, die LaRoche zu einer ent-
mündigten Autorin degradiert, die ohne Wieland nicht nur nicht in der Lage
wäre, zu veröffentlichen, sondern deren Text ohne ihn nicht einmal der Ver-
öffentlichung würdig sei: Der Roman, so Wieland, entspreche zwar nicht den
Regeln der Kunst und weise erhebliche Mängel auf, doch sei er „eine ‘Frucht
def blossen Natur’ - jener Natur, die die Frau selbst ist‘“^^. Das Publikum
nimmt das Werk begeistert auf und verehrt bald weniger den Roman als viel-
mehr LaRoche als vermeintliches Fräulein von Stemheim. Ihre empfindsam-
tugendhafte Heldin entspricht dem Weiblichkeitsideal der Zeit. Sie vertritt die
Auffassung der Mädchenerziehung im Hinblick auf den Mann wie sie durch
Rousseau populär geworden ist, stellt dabei aber auch Anforderungen an die
Männer: „Die Ideale der Tugendhaftigkeit und des aufgeklärten Verstandes
gelten für beide“^^. Entsprechend den Idealen der Zeit besitzt LaRoches
Heldin ein Tugendbewußtsein, das ihr erst die Eheschließung ermöglicht;
dieses Tugendbewußtsein wird ihr als naturgegeben zugeschrieben^^. Neu ist,
daß ihre Heldin aktiv in ihren Lebensweg eingreifen kann, indem sie sich
einen den Anforderungen der Tugendhaftigkeit genügenden Mann aussucht.
Tugend, Vernunft und Gefühl verschmelzen so zu einer Einheit, die sowohl
den empfindsamen als auch den aufklärerischen Idealen der Zeit genügt.
Sophie von LaRoches Haus wird in der Folge zu einem TrefQ)unkt der
Empfindsamen, der jungen Schriftstellergeneration, die sie als ihre ‘Mutter’
apostrophiert. Durch einen erneuten Bemfswechsel ihres Mannes^"^ etwa zur
‘ideale Geliebte’ aufgestellt hat (vgl. Anm. 18), zeigt sich auch hier die Diskrepanz zwi-
schen theoretischen Idealen und praktischen Erwartungen, die an Frauen gestellt werden.
Die eher intellektuelle Beziehung zu Sophie von LaRoche jedenfalls ist durch diese Ehe
kaum bedroht.
41 Vgl. Dotzler, ‘Seht nur, wie ihr vor Eifer schäumet’, S. 364.
42 Möhrmann, Die andere Frau, S. 21.
43 Ln der Differenz zwischen Tugen dbewußstsein einerseits und dem (unbewußten) Ziel der
Eheschließung als Form des sozialen Aufstieges andererseits offenbart sich die Tugendhaf-
tigkeit - sprich; Negierung von Sexualität und individuellen Bedürfnissen - als Mittel zum
Zweck. Luhmann fuhrt dies auf den Intimcode der Zeit zurück, der dem Sittenverfall der
höfischen Welt die „Einheit von Liebe, Ehe und geschlechtlichen Beziehungen“ unter der
Maxime „unberührt bleiben bis zur Hochzeit“ entgegensetze und nur über den Roman
kommuniziert werde: Nur der Romanleser, so Luhmann, kann „die Geschichte unter der
Differenz von bewußt/unbewußt lesen“ und damit die wahren Gründe der Tugendhaftigkeit
erkennen (Liebe als Passion, S. 159 f).
44 1762 war ihr Mann Gutsverwalter und Sekretär bei seinem Gönner, dem Grafen Stadion,
geworden, eine für LaRoche weniger repräsentative Tätigkeit.
30
selben Zeit - er wird 1771 Geheimer Konferenzrat des Kurfürsten von Trier -
nehmen auch ihre repräsentativen Aufgaben als Ehefrau wieder zu: „Ihre
melancholisch-gefuhls- und tränenvolle Haltung verband sich mit dem hö-
fisch-witzigen, koketten Ton, da sie nun gezwungen war, in beiden Welten zu
verkehren und in keiner ihr Prestige einbüßen wollte^^^^. Dies gelingt ihr, und
sie bleibt auch weiterhin literarisch produktiv. 1775 veröffentlicht sie in der
Iris ihren (Fortsetzungs-)Roman ,JRosaliens Briefe“^^, weitere Veröffentli-
chungen in anderen Zeitschriften wie dem Magazin für Frauenzimmer oder
dem Teutschen Merkur folgen. Als ihr Mann 1780 beim Kurfürsten in Un-
gnade fällt und die Familie nach Speyer umziehen muß, hat Sophie von La-
Roche bereits ein so breites Publikum erreicht, daß sie mit ihren Veröffentli-
chungen zum nun knapp gewordenen Lebensunterhalt beitragen kann. Dies
bringt aber auch Nachteile mit sich: Abgesehen davon, daß sie aufgrund der
angespannten finanziellen Situation der Familie zur Vielschreiberei gezwun-
gen ist, muß sie sich als Frau gerade in der empfindsamen Epoche vorsehen,
wegen ihrer Arbeit nicht als ‘unweiblich’ zu gelten, was etwa durch den An-
schein zu großer Gelehrsamkeit hervorgerufen werden kann. Sophie von La-
Roche begegnet dieser potentiellen Gefahr für ihren Ruf und damit für ihren
Erfolg, indem sie die gefühlvoll-empfindsamen Anteile ihrer Arbeit wenn
möglich noch verstärkt"^^.
1783 schließlich geht sie von der publizistischen Mitarbeit zur selbstän-
digen Publizistik über und beginnt, die Zeitschrift Pomona herauszugeben
(Januar 1783 bis Dezember 1784). Sophie von LaRoche ist nicht die erste
Frau, die sich auf dieses Wagnis einläßt^^, doch hat sie, wohl auch bedingt
durch ihre Prominenz, als erste Herausgeberin Erfolg und ist damit die direkte
Vorgängerin Marianne Ehrmanns. Selbstbewußt im Wissen um das Innovato-
rische ihres Tuns, betont sie in ihrer Vorrede zur Pomona die Notwendigkeit,
45 Schriftstellerinnen, S. 17.
46 In der Zeitschrift unter dem Titel „Freundschaftliche Frauenzimmer-Briefe“.
47 Vgl. Krull, Wirken der Frau, S. 144: „Aus der übertriebenen Angst, unweiblich zu wirken,
überspitzt sie die Merkmale vermeintlicher Weiblichkeit ins Zerfließend-Sentimentale.“ Ich
würde dies allerdings nicht als ‘übertriebene Angst’, sondern eher als Verinnerlichung zeit-
genössischer Maximen bezeichnen.
48 1756/60 ist bereits Die Frau von einer Amalie Richardin erschienen, doch muß angezwei-
felt werden, daß es sich hier tatsächlich um eine Frau handelt. Als Mitherausgeberin der
Hamburger Beiträge zu den Werken des Witzes und der Sittenlehre hat sich schon vorher
(1753/54) Johanna Charlotte Unzer, geb. Ziegler betätigt. 1779 erscheinen dann die Zeit-
schriften Für Hamburgs Töchter, herausgegeben von Ernestine Hofinann, die allerdings
vorgibt, ein Mann zu sein, und das Wochenblatt fiirs schöne Geschlecht von Charlotte
Hetzel\ 1780/83 schließlich gibt Dorothea Lilien die Zeitschrift Papiere einiger Freunde
heraus (alle Angaben nachÄTr«//, a.a.O., S. 186 ff)
31
weibliche Belange durch eine Frau als Herausgeberin zu vertreten. Anders als
später Marianne Ehrmann, hat sie es ,^ioch nicht nötig, ihre Herausgeberin-
nentätigkeit zu legitimieren“^^. Ihre gesellschaftliche Stellung, Freunde und
Förderer wie Wieland und Jacobi, ihre wachsende Berühmtheit und nicht zu-
letzt auch der eher regressive Charakter ihrer Zeitschrift mögen dafür aus-
schlaggebend sein, daß sie sich erfolgreich hält. Der Name der Herausgeberin
ist dem Publikum bekannt, und das unterhaltende und belehrende Blatt zeich-
net sich durch die Mannigfaltigkeit seiner Inhalte - Briefe, Dialoge, Erzählun-
gen, moralisierende Beiträge, Gedichte, Übersetzungen u.v.a.m. - aus. LaRo-
che veröffentlicht Beiträge einiger Mitarbeiterinnen, und natürlich wird die
Zeitschrift von etablierten Männern unterstützt^^. LaRoche, die einen siche-
ren Platz in der Gesellschaft innehat und nicht darauf erpicht ist, diesen in
Frage zu stellen, klammert gesellschaftskritische Aspekte aus und beschränkt
sich auf eine Art „geschlechtsspezifische Didaktik: die moralische Erziehung
der ‘Frau’“^^ wenn sie zum Beispiel in den ,3riefen an Lina“ als Erzieherin
ihrer jüngeren Freundin, die sie in allen Fragen ihres Frauendaseins berät,
auftritt. In ihrer Rubrik „Briefe und Antworten“ korrespondiert LaRoche mit
ihren Leserinnen. Dieser Dialog wie auch die Orientierung an - traditionellen
- Frauenthemen läßt die Zeitschrift so viel Anklang finden, daß die Leserin-
nen nach ihrer Einstellung im Dezember 1784 eine Fortsetzung fordern. Nach
1784 verlegt sich LaRoche jedoch wieder auf Veröffentlichungen in
Fremdpublikationen.
Die Beschränkung der Frau auf Haus imd Familie, wie LaRoche sie be-
schreibt, läßt Rückschlüsse zu auf den Stand und den Stellenwert von Bildung
für Frauen. Sie zeugt von der Rückführung des Frauenideals von der gebilde-
ten Frau der Frühaufklärung hin zur sentimentalen Leserin, zur ‘schönen
Seele’ im rousseauschen Sinne. Ein Mädchen soll zwar belesen sein, um Hei-
ratschancen zu haben, aber doch nicht ihr ‘natürliches’ Empfinden darüber
verlieren. Von daher ist die Lektüreauswahl erheblich eingeschränkt: Frauen
49 Brandes, Frauenzimmer-Joumal, S. 456. In ihrer Korrespondenz allerdings betont sie
immer wieder, sie habe diese Zeitschrift nur zum (finanziellen) Wohl ihrer beiden jüngsten
Söhne begründet, so schreibt sie z.B. am 27.10.1782 an Johann Christoph Lavater.
„Wollen Sie beitragen, daß ich Leserinnen bekomme? Sie tun Gutes an meinen Söhnen,
denn ich schreibe Pomona für meinen Carl und meinen Wilhelm, um in etwa zu ersetzen,
was ihnen die Feinde ihres Vaters raubtenC (zit. nach: Ich bin mehr Herz als Kopf S.
245).
50 So ist der Rektor Hutten für die technische und buchhändlerische Leitung des Blattes
verantwortlich; Johann Georg Jacobi steuert Gedichte bei, so wie LaRoche umgekehrt an
seiner Zeitschrift Iris mitgearbeitet hat.
51 Brandes, 2i.2i.O.,SAS^.
32
sollen keine gelehrten Werke lesen, aber auch keine verzärtelnden Romane.
Wichtig ist vielmehr der moralische Gehalt der Literatur^^. Von Frauen wird
theoretisch intellektuelle Aufgeschlossenheit erwartet, die sich praktisch in
der Beschäftigung mit der familiären Welt erschöpfen soll.
2.4. Lesen und Schreiben in ‘Nebenstunden’:
Formung und Begrenzung weiblicher Öffentlichkeit
Die Gesellschaft, die der Frau die literarische Emanzipation gestattet und auch abge-
fordert hatte, gestand ihr noch nicht die Freiheit zu, den familiären Kreis zu verlas-
sen, um sich im Berufsleben auf eigene Füße zu stellen. Man kann beinahe behaup-
ten, daß die literarische Emanzipation, wennschon der erste Schritt zur allgemeinen,
vorerst auch das Ventil bildete, um Bestrebungen nach beruflicher und bürgerlicher
Freiheit auszuschalten.
Die bürgerliche Öffentlichkeit des 18. Jahrhunderts ist zunächst eine litera-
rische und weniger eine politische. Privatleute gruppieren sich zu einem lite-
rarischen Publikum; die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen
findet in der Literatur statt. Ausschlaggebend dafür sind die Möglichkeiten,
die die neu entstehenden Literaturgattungen bieten. Mit den Moralischen Wo-
chenschriften entsteht ein literarisches Genre, das mit Hilfe von Periodizität,
von Offenheit in Form und Inhalt ein Forum für öffentliches Räsonnement
bildet. Die Publizisten und ihr Publikum „unterlaufen in ihren Machtansprü-
chen das Prinzip der bestehenden Herrschaft, dem sie das Prinzip der Kon-
trolle, die Publizität, entgegensetzen“^^. Jürgen Habermas, der die Entste-
hung der bürgerlichen Öffentlichkeit des 18. Jahrhunderts als erster analysiert
hat, bezeichnet die Moralischen Wochenschriften als Schlüsselphänomen:
Hier sind die Momente noch beisammen, die später auseinandertreten. Die kritischen
Journale haben sich vom gesellschaftlichen Gesprächskreis bereits eben so abgelöst
wie von den Werken, auf die sie sich räsonnierend beziehen. Jene Wochenschriften
sind hingegen Teil der Kaffeehausdiskussionen unmittelbar und verstehen sich doch
auch als ein Stück Literatur - mit gutem Grund hat man sie periodische Essays ge-
nannt. {...] Das Publikum, das derlei liest und bespricht, hat sich darin selbst zum
Thema.^^
52 Vgl. Sander, Gefahren empfindsamer Vollkommenheit, der Heinzmanns „Entwurf zu einer
Damenbibliothek“ aus dem Jahr 1780 analysiert.
53 Engelsing, Bürger als Leser, S. 338.
54 Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 39.
55 Ibid., S. 54 f
33
Mit gutem Grund sind in Habermas' umfassender Analyse kaum Informatio-
nen über eine weibliche Öffentlichkeit zu finden. Das gern als ‘Jahrhundert
der Frau’ gepriesene 18. Jahrhundert ist eher ein Jahrhundert des Fraueni/7-
des. Frauen werden in der Öffentlichkeit Äßsprochen, sind jedoch nicht oder
nur selten präsent. So bleiben auch die Frauenzeitschriften des ausgehenden
Jahrhunderts stärker als die übrige Zeitschriftenliteratur dem Prinzip der Mo-
ralischen Wochenschriften, Belehrung und Unterhaltung, verhaftet und bieten
kaum Platz für Räsonnement. Weibliche Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert
bedeutet die rezeptive Bestätigung und Optimierung des gesellschaftlichen
Frauenbildes. Neu daran ist, daß dies unter Einbeziehung der Betroffenen ge-
schieht. Das weibliche Lesepublikum gilt dabei weiterhin als erziehungsöe-
dürftig; was sich verändert, ist der Erziohungsschwerpunkt. Nachdem die Mo-
ralischen Wochenschriften die Teilnahme der Frauen am kulturellen Leben im
Namen der Vernunft ausdrücklich vorangetrieben haben, wird sie unter der-
selben Maxime wieder eingeschränkt: „Indem sich die Argumentation vom
Bereich der blossen Körperkraft auf jenen der Geisteskraft verlagert hatte,
passte sie sich subtil den neuen Gegebenheiten des Rationalismus an“^^. Spä-
testens mit Jean-Jacques Rousseaus Erziehungsroman Emile oder über die
Erziehung setzt eine Flut von geschlechtsphilosophischen Schriften ein, die
die untergeordnete Stellung der Frauen auf biologistischer Ebene untermauern
und gleichzeitig als ‘edler’ erhöhen. Bei Rousseau erscheint die Frau als not-
wendige Ergänzung des Mannes, deren ‘natürliche’ Eigenschaften (etwa
Sanftmut, Emotionalität oder Passivität) als komplementär zu den seinen gel-
ten. Ziel ihrer Erziehung ist nicht ihre Eigenentwicklung, sondern die Mutter-
schaft; die Frau muß „den Ort ‘füllen’, der bei Emil und seiner Bildung ‘leer’
bleiben muß“^^.
Mit der Verdrängung der kulturellen und politischen Öffentlichkeit aus
der privaten Sphäre, dem Salon, wird der Aktionsradius der Frau auf den pri-
vaten Bereich beschränkt. Eine Luise Gottsched kann noch den Vorlesungen
ihres Mannes im eigenen Hause, wenn auch verborgen hinter der Tür des
Nachbarzimmers, lauschen; am Ende des Jahrhunderts werden Vorlesungen
in den Universitäten gehalten, und diese sind für Frauen tabu. Selbst die pas-
sive Teilnahme an normgebender Bildung und Wissenschaft ist ihnen damit
verwehrt. Ihre Rolle ist jetzt endgültig und ausschließlich in der Familie ver-
ankert^^. Gleichzeitig füllt sich die Literatur mit idealisierten Frauengestalten
56 Bless-Grabner, Liederliche Weibsbilder, S. 158.
57 Meise, Die Unschuld und die Schrift, S. 41 .
58 Wie Habermas feststellt, entspricht in der Kleinfamilie „der Selbständigkeit des Eigentü-
mers auf dem Markte und im eigenen Betrieb die Abhängigkeit der Frau und der Kinder
34
- die Polarisierung der Geschlechter kommt in Gang. Die Frau gilt als Träge-
rin der Natur, der Mann als Träger des Geistes, der „sich anschickt, die Natur
zu beherrschen“^^. Gelehrsamkeit wird zum Pseudonym für Unweiblichkeit,
da intellektuelles Wissen der Vorstellung ‘naturbelassener’ Bildung in jeder
Hinsicht entgegengesetzt ist. Die Abspaltung der Mädchenerziehung von
wissenschaftlicher Bildung^^ geht einher mit der Idealisierung des Frauen-
bildes in der Literatur, die die Notwendigkeit oder auch nur die Möglichkeit
von Bildung negiert, weil dadurch die natürlichen Ressourcen, aus denen die
Weiblichkeit gespeist werde, zerstört würden. Frauen nehmen gewissermaßen
als Topoi teil an der Entwicklung der Literatur - die Gelehrte, die Kokette, die
Tugendhafte, die verführte Unschuld, die Kindsmörderin u.s.w. Gerade im
Prototyp des Dramas des 18. Jahrhunderts, dem bürgerlichen Trauerspiel,
werden sie zum Dreh- und Angelpunkt gesellschaftlicher Konflikte, doch
ohne eigenes Zutun. In der Auseinandersetzung zwischen Adel und Bürger-
tum ist ihre Rolle auf die eines symbolischen Streitgutes beschränkt, das die
moralische Überlegenheit des Bürgertums zu illustrieren hilft.
Die Abspaltung des Genres ‘Frauenzeitschrift’ von anderen Periodika
und der Frauenromane, d.h. Briefromane, von ‘anspruchsvoller’ Literatur bie-
tet die Möglichkeit, die Weiterentwicklung des weiblichen Lesepublikums
mit Hilfe der auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Publizistik deutlicher und
klarer zu determinieren, als das in geschlechtsneutralen Publikationen mög-
lich wäre. Ihre Normgebung erfolgt weitgehend unabhängig von den Wün-
schen und Fähigkeiten der Leserinnen und beschränkt sich auf die familiäre
Rolle. Der Abstand zum männlichen Bürgertum, das in Form von
,,Männerbünde[n] und Männerbande[n] [...] das gesamte außerhäusliche Le-
ben, die Öffentlichkeit, Staat und Gesellschaft“^^ kontrolliert, wächst.
Dennoch stellt die Literaturform, die die Reglementierung weiblichen
Lebens betreibt, eine Nische dar, die den Frauen die - passive - Teilnahme am
öffentlichen Leben erlaubt. Die aktive Teilnahme einiger weniger Frauen be-
vom Familienvater; die Privatautonomie dort setzte sich hier in Autorität um und machte
jene prätendierte Freiwilligkeit der Individuen illusorisch.“ (Strukturwandel der Öffentlich-
keit, S. 59).
59 Dotzler, ‘Seht doch wie ihr vor Eifer schäumet’, S. 35 1 .
60 Von ‘Abspaltung’ kann hier insofern die Rede sein, als die Möglichkeit umfassender Bil-
dung schichtenunabhängig erst im 1 8. Jahrhundert zu greifen begiimt. Das heißt nicht, daß
Frauen vorher die Möglichkeit tiefergehender Bildung gehabt hätten, es bedeutet aber, daß
sie in dem Moment, als Bildung zur Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs wird,
explizit von ihr ausgeschlossen werden.
61 Becker-Cantarino, Zur Theorie der literarischen Freundschaft, S. 70. Statt ‘Bürgertum’
steht an der Zitatstelle ‘Patriarchat’.
35
wegt sich thematisch wie inhaltlich zumeist in erlaubten Bahnen und geht
kaum über gängige Geschlechterauffassungen hinaus. Durch die Diffamierung
wissenschaftlicher Bildung als unweiblich, ja sogar als krankmachend^^ ist
die Motivation, sich eine eigene, möglicherweise konträre Meiaung zu bilden,
bereits eingeschränkt; hinzu kommt die rechtliche, materielle und auch ideelle
Abhängigkeit der Frau von Vater, Ehemann oder Vormund^^. Die Vorstel-
lung einer bürgerlichen Öffentlichkeit, wie sie Habermas vertritt, wird, was
Frauen anbelangt, aus seinen eigenen Überlegungen heraus zu einer Illusion.
Habermas schreibt einerseits, die bürgerliche Öffentlichkeit stehe und falle
,^nit dem Prinzip des allgemeinen Zugangs. Eine Öffentlichkeit, von der an-
gebbare Gruppen eo ipso ausgeschlossen wären, ist nicht etwa nur unvoll-
ständig, sie ist vielmehr gar keine Öffentlichkeit“^"^ und stellt andererseits
fest, daß „Frauen und Unselbständige [...] von der politischen Öffentlichkeit
faktisch wie juristisch ausgeschlossen“ seien^^. Habermas' Einschränkung,
daß Frauen dagegen an der literarischen Öffentlichkeit „oft stärkeren Anteil“
hätten, seine Unterscheidung von literarischem und politischem Räsonne-
ment^^ hinkt insofern, als Frauen auch am meistenteils literarischen Räson-
nement keinen bzw. nur einen rezeptiven Anteil haben. Der breiten Masse der
Leserinnen stehen wenige Autorinnen gegenüber, und ihnen allen ist die Be-
schränkung auf Trauenthemen’ gemeinsam. Davon zeugen nicht zuletzt die
Frauenzimmer-Bibliotheken in den Moralischen Wochenschriften, die in
Form von Rezensionen und Literaturvorgaben in den späteren Zeitschriften
fortgesetzt werden. Aus rechtlichen Abhängigkeiten ergibt sich eine regle-
mentierte Teilnahme an der literarischen Öffentlichkeit. Die häusliche Lek-
türe unterliegt der Kontrolle durch den Ehemann oder Vater, Literaturemp-
fehlungen werden als bindend angesehen, bestimmte Bereiche der Sach- wie
auch der schönen Literatur werden von vornherein ausgeklammert. Hier von
einer stärkeren Teilnahme an der literarischen Öffentlichkeit als die
(männlichen) Bürger zu sprechen scheint kurzsichtig, wenn Öffentlichkeit
62 Vgl. bei Meise, Die Unschuld und die Schrift, S. 1 14 ff. Nach Meise steht die Ehe für die
‘gesunde Norm’: „Die Krankheit wird gerade an dem Punkt angesiedelt, wo dieses Verhal-
ten aus den Fugen geraten könnte. “(S. 126 f).
63 Bezeichnend für die Auffassung des weiblichen Standes ist z.B. ein juristisches Bändchen
aus dem Jahr 1791, in dem die bürgerlichen Rechte der Frau „als Jungfern, Bräute, Ehe-
weiber, schwanger und gebärend betrachtet“ untersucht, Frauen also nur über ihre Bezie-
hung zu einem Mann definiert werden (Die vorzüglichsten Rechte der deutschen Weibsbil-
der, Wien 1791).
64 Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 95.
65 Ibid., S. 67.
66 Ibid.
36
dann als garantiert gilt, „wenn die ökonomischen und sozialen Bedingungen
jedermann die gleichen Chancen einräumen, die Zulassungskriterien zu erfül-
len: eben die Qualifikationen der Privatautonomie, die den gebildeten und
besitzenden Mann [sic!] ausmachen, zu erwerben“^^. So gesehen, ist von
bürgerlicher Öffentlichkeit nur dann zu sprechen, wenn mit Bürgertum Patri-
archat gemeint ist und die Ausgrenzung des weiblichen Teils der Bevölkerung
als normal empfunden wird.
Tatsächlich wird also die Teilnahme an der literarischen Öffentlichkeit für
Frauen mit dem Fortschreiten des Jahrhunderts nach und nach stärker einge-
schränkt. Lesen und Schreiben gelten grundsätzlich als Tätigkeiten in
‘Nebenstunden’ und nicht als ernsthafte Beschäftigung; daraus einen Beruf zu
machen, wird gar nicht erst diskutiert. In den Genres Journal und Briefi'o-
man^^ formiert sich eine abgeschlossene ‘Frauenliteratur’, die die zeitgenös-
sischen Rollenvorgaben nahezu kritiklos untermauert, und nur hier wird Frau-
en Produktivität zumindest ansatzweise zugestanden. ‘Ernsthafte’ Literatur,
wissenschaftliche Werke gar, gelten nach wie vor als Tabu. Für die Teilnah-
me einer Frau an der kulturellen Öffentlichkeit der Zeit stellt Maya Nadig
daher fest,
[...] dass jene kulturellen Bereiche, in denen sie tätig ist, aus der öffentlichen Kultur,
in der Entscheidungen gefällt werden und ‘Geschichte gemacht wird’, ausgeklam-
mert werden. [...] Wenn der ‘weibliche’ Lebens- und Arbeitsbereich zur Unkultur
erklärt wird, heisst das, dass die Frau nicht über jene entscheidenden kulturellen
Muster verfugen soll, die dazu führen, dass sie ihre Lage besser begreift, um sie unter
Umständen verändern zu können. Die Frau wird systematisch daran gehindert, auf
den historischen Wandel der Gesellschaft Einfluss zu nehmen.
In den ihnen zugestandenen Nischen gibt es vereinzelt Frauen, die versuchen,
über die zugestandenen Artikulationsformen hinaus zur Meinungsbildung
beizutragen. Eine der unkonventionelleren und dabei erfolgreichen unter ih-
nen ist Marianne Ehrmann, die vor allem in ihren beiden Zeitschriften pro-
gressive Töne anschlägt. Ihre publizistische Tätigkeit erlaubt einen Einblick
in die Ambivalenz zwischen Autonomiebestrebungen und gesellschaftlicher
Konditionierung, einen Einblick auch in Formung, Begrenzung und Möglich-
keiten einer ‘weiblichen Öffentlichkeit’.
67 Ibid., S. 99.
68 Letzterer ja der Prototyp des ‘Privaten’ .
69 Nadig, ‘Weiblichkeit’ als Kulturbarriere, S. 49.
37
3. Marianne Ehrmann:
Bi(bli)ographisches
3.1. Kindheit, Jugend und Verlust der Unschuld:
Zum Verständnis des ‘gefallenen Mädchens’
Es ist wohl anzunehmen, daß ihre Stellung außerhalb der Gesellschaft, ihr Schau-
spieler- und Literatenleben sie befähigte, die Schäden dieser Gesellschaft gerade be-
züglich des weiblichen Geschlechts klarer zu sehen als ihre Zeitgenossinnen, die ja
alle dieser Gesellschaft angehörten und sogar eine Rolle in ihr spielten, wie z.B. So-
phie von LaRoche. ^
Marianne Ehrmann, vermutlich am 25.11.1755^ unter dem Mädchennamen
(von) Brentano^ in Rapperswil am Zürcher See in der Schweiz geboren, ge-
hört nicht nur einer neuen Generation nach Luise Gottsched (geh. 1713) und
Sophie von LaRoche (geh. 1731) an, sondern unterscheidet sich von ihnen
auch in ihrer vollkommen anderen gesellschaftlichen Position. Während diese
1 Krulh Wirken der Frau, S. 242.
2 In einem Brief an Friedrich David Gräter vom 11.1.93 (unveröff. Mskr., WLB Stuttgart)
schreibt sie, ihr Mann stehe im 31. Lebensjahr und sei vier Jahre jünger. Angesichts der
zahlreichen Datierungen auf 1755 nehme ich an, daß sie mit dieser Aussage den Altersun-
terschied zu ihrem Mann verringern will. Die Angaben der meisten Nachschlagewerke und
die Recherchen Friedrichs’ zu ihrem Schriftstellerinnenlexikon stimmen überein. T. F.
Ehrmann nennt in der Biographie seiner Frau den 25. 1 1 . 1 755 als Geburtsdatum (Denkmal,
S. 23), gleiches findet sich im Nachruf in der Neuen Nürnberger gelehrten Zeitung vom
September 1795 sowie in dem biographischen Abriß Johannes Brentanos (Die Schriftstel-
lerin und Dichterin Marianne Ehrmann, S. 1), auf den der Stadtarchivar der Gemeinde
Rapperswil verweist (vgl. Friedrichs, a.a.O.). Vom 25.11.1755 weichen ab: Raßmann im
„Literarischen Handwörterbuch“ (1735), Haug im „Gelehrten Wirtemberg“ (1757) sowie
Krull in ihrer Dissertation und Brandes in „Das Frauenzimmer-Journal“ (1753).
3 Die Familie wandert Ende des 17. Jahrhunderts aus Griante am Corner See in die Schweiz
ein {Brentano, Die Schriftstellerin und Dichterin Marianne Ehrmann, S. 1). Daß sie adelig
gewesen sei, wie die Einträge in den meisten Lexika vorgeben, wird bei Brentano (a.a.O.)
nicht bestätigt. T.F. Ehrmann (Denkmal, S. 23) und der Autor des Nachrufs (a.a.O.) nen-
nen als Mädchennamen von Brentano. Trotz des gemeinsamen Herkunftslandes ist eine
Verbindung zur Familie Clemens Brentanos (italienische Kaufleute) nicht nachzuvollzie-
hen. Solche Parallelen scheint allerdings die Allgemeine Deutsche Biographie zu ziehen,
wenn sie angibt, Ehrmann sei als geborene Brentano in Frankfurt aufgewachsen (ADB; Bd.
5), wo später Clemens Brentano groß wird. Diese falschen Angaben übernehmen Lang
(Die Zeitschriften der deutschen Schweiz, S. 1 1) und Wurst (Frauen und Drama, S. 79).
38
beiden in gebildeten Familien aufwachsen, in denen sie behütet werden und
wo man ihnen schon früh Wissen vermittelt, um dann von dort in eine der ge-
sellschaftlichen Stellung entsprechende, gutbürgerliche Ehe verheiratet zu
werden, muß sich Marianne Ehrmann nach dem Tod ihrer Eltern und Ge-
schwister in einer an ihr nicht interessierten Welt zurechtfinden und rutscht
dadurch zunächst in eine Außenseiterinnenposition.
Marianne Ehrmanns Vater Franz Xaver Brentano (geb. 28.1.1727), ein
Kaufinann"^, scheint schon zu Lebzeiten sein Vermögen verloren zu haben.
Mit seiner Frau Maria Sebastiana, geb. Corti, hat er zehn Kinder. Neben bei-
den Eltemteilen verliert Marianne Ehrmann als junges Mädchen auch alle Ge-
schwister. Wann genau Marianne Ehrmann verwaist ist, ist nicht überliefert;
es handelt sich etwa um den Zeitraum zwischen 1771 imd 1775^. Marianne
Ehrmann ist also frühestens mit 16, spätestens mit 19 Jahren auf sich allein
gestellt. Während über den Tod der Mutter und acht ihrer Geschwister nichts
überliefert ist, schreibt Marianne Ehrmann über den Tod ihres Vaters und die
Konsequenzen:
Der bedauerungswürdige, [...] starb im Elend und hinderlies meine jüngere Schwe-
ster und mich als hülflose Waisen. Meine einzige innig geliebte Schwester starb
nachher unter den rohen geizigen Händen unseres Vormunds, ich hingegen blieb
lange den schröklichsten Schiksalen gewis.^
Statt aus der Geborgenheit einer Familie in die Sicherheit einer Ehe überzu-
wechseln, muß Marianne Ehrmann sich schon bald gegen Übergriffe materiel-
ler wie auch sexueller Art von seiten ihres Vormunds wehren^. Einzig ihr
Verwandter Dominik von Brentano^ setzt sich ein wenig für sie ein. Der in
Kempten lebende Pfarrer und zu seiner Zeit bekannte Bibelforscher (1738 -
1797)^ kann oder will sie, sei es aufgrund religiöser oder auch moralischer
4 Brentano, Die Schriftstellerin und Dichterin Marianne Brentano, S. 1. Marianne Ehrmann
erlebt einen zweifachen Absturz: den Verlust des Vermögens und der familiären Bindung.
5 Laut Brentano stirbt Franz Xaver am 5.2.1775 (a.a.O., S. 2); laut T.F. Ehrmann im Alter
von 44 Jahren (Denkmal, S. 27). Angesichts der genaueren Datierung scheint mir Brenta-
nos Angabe die glaubwürdigere zu sein.
6 Marianne Ehrmann an Johann Caspar Lavater, 29.9. 1789. (unveröff. Mskr., ZB Zürich).
7 Vgl. Gräter, Besuch bey Amalien, S. 146.
8 Anders als in den Nachschlagewerken berichtet, ist Dominik nicht ihr Onkel, sondern der
Sohn des Cousins ihres Vaters. Dir Großvater und der Dominiks, Anton und Josef Brenta-
no, sind Brüder. Daß Dominik als ihr Onkel angesehen wird hängt wohl damit zusammen,
daß sie sich gegenseitig als Oheim und Nichte bezeichnen. Dies läßt sich aus dem Alters-
unterschied von 17 Jahren und Dominiks Beschützerfunktion für Marianne Ehrmann erklä-
ren.
9 Während Baur (Allg. histor. Handwörterbuch, S. 140), als Geburtsdatum den 6.10.1740
angibt, nennen Brentano (Die Schweizer Vorfahren, S. 5) und ein zeitgenössischer Nachruf
(Biographische Skizze auf das Grab des Herrn Dominikus von Brentano, S. 1) 1738.
39
Erwägungen, nicht zu sich nehmen^ So verliert sie auch diesen Zufluchtsort
und muß von ihm als Haushälterin zu einem anderen Verwandten wechseln,
der ihre Lage offensichtlich ausnutzt. Über diese Zeit berichtet Gräten
In ihrer ersten Jugend war sie voll Feuer und Unbändigkeit. Als Waise lernte sie
beide in einer harten Vormundschaft bändigen. Ihr einer nun längst gestorbener
Onkel, dessen Mündel sie war, und der sie zu sich nahm, brachte sie durch den
schmutzigsten Geist fast um ihr ganzes Vermögen. Ihr anderer, bey weitem edlerer
und noch lebender Oheim, der berühmte Herr von Brentano in Kempten, Verf. der
neuen Bibelübersetzung, rettete sie zwar aus den Klauen dieses Unmenschen,
konnte aber vermöge seines Standes und der verschiedenen Religion (Amal. Mutter
war eine Protestantin) nicht mehr für sie thun, als daß er sie zu einem andern vor-
nehmen Verwandten als Hausjungfer brachte. Allein dieser trug Schalk im Herzen,
machte Amalien niedrige Zumuthungen, u. da sie ihm mit ihrem Feuer und Spott
widerstand, so führte er sie aus Rache in eine bekannte Stadt und ließ sie ohne alle
Unterstützung sitzen. ^ ^
Als Marianne Ehrmann im Alter von 21 Jahren^^ ihre erste Ehe eingeht, wird
es sich dabei wohl weniger um eine romantische Liebe, als vielmehr um Er-
wägungen materieller und auch gesellschaftlicher Art handeln. Sie hat zu die-
sem Zeitpunkt bereits erfahren, daß eine Frau ohne Vater und Ehemann ein
schutzloses Leben fuhren muß, das unabhängig zu gestalten ihr nicht möglich
ist. Es ist anzunehmen, daß sie ein geregeltes Leben in den Strukturen, die die
Gesellschaft der Zeit zur conditio sine qua non für das möglichst unbescha-
dete Überleben als Frau erhebt, auch anstrebt, um dort Geborgenheit und Zu-
flucht vor dem Ausgeliefertsein an andere Männer zu finden. Marianne Ehr-
manns Wahl fällt auf einen Offizier, der zu einem Zeitpunkt um ihre Hand
anhält, zu dem die Abhängigkeit von ihren Verwandten ihr unerträglich ge-
worden sein muß. Die Ehe, geschlossen zu einer Zeit, zu der eine Ehejfrau
zwar gegen Übergriffe von außen geschützt, dabei aber der Willkür ihres
Mannes, der auch als ihr Vormund eingesetzt ist, ausgeliefert ist^^, erweist
sich als sehr unvorteilhaft für Marianne Ehrmann. Sie ist an einen Trinker und
1 0 Dies im Gegensatz zu einigen Nachschlagewerken wie auch der Dissertation Krulls, wo es
heißt, Marianne Ehrmaim sei von Dominik von Brentano erzogen worden.
1 1 Besuch bey Amalien, S. 146. Offensichtlich ist es nicht ganz so gewesen, deim T.F. Ehr-
mann berichtet, sie sei von diesem Verwandten in die Stadt zu einem anderen gewechselt
(Denkmal, S. 35 f).
12 Das Datum der Eheschließung ist nicht überliefert; da aber in allen Nachschlagewerken,
der Primär- und der Sekundärliteratur eine Heirat im Alter von 21 Jahren bzw. „im 22.
Jahr“ angegeben wird, dürfte es sich um das Jahr 1777 handeln.
13 Vgl. Becker-Cantarino, Weg zur Mündigkeit, S. 59 f: „Der Ehemann ist der gerichtliche
Vormund der Frau, [...]. Die Frau darf in der Regel ohne Hinzuziehung ihres Ehemannes
keinen Prozeß führen und keine Rechtsgeschäfte abschließen, woraus ihr irgendwelche
Verpflichtungen erwachsen [...]“ (s. dazu auch Bless-Grabner, Liederliche Weibsbilder).
40
Spieler geraten, der zudem nicht vor körperlicher Gevv^alt zurückschreckt.
Gräter berichtet:
Sobald der erste Rausch der Liebe und Ehe vorbey war, [...] ergab [er] sich wie vor-
her wieder leidenschaftlich der Spiele und dem Weine, [...] verschwendete, verlor,
betrog und wurde ertappt, kam oft erst nach Wochen wieder zu der unglücklichsten
Gattin, und wenn diese ihn mit Thränen bat, sein Leben zu ändern, so wurden ihr
die grausamsten Mishandlungen zu Theil.
und Theophil Friedrich Ehrmann beschreibt:
Wenn er abends vom Spieltische mit leerer Börse nach Hause kam, so Hess er seine
Wuth an der Unschuldigen aus, und behandelte sie oft unmenschlich, sobald sie ihm
ein Wort entgegenredete. Sie war inzwischen schwanger, und da er sie in diesen
Umständen eben so wenig schonte, als sonst, und sie einst mit barbarischer Wuth
mishandelte, so kam sie zu frühe nieder, und gebar ein todtes Kind.^^
Diese erste Ehe, nach Marianne Ehrmanns eigenen Worten ,,eine der unglük-
lichsten auf Gotteserdboden‘'^^, wird so lange aulBrecht erhalten, bis ihr Mann
nach einer größeren Veruntreuung verschwindet. Sie haftet für seine Schul-
den, bei deren Begleichung ihr Dominik von Brentano behilflich ist^^. Erst
nach dieser Verfehlung ihres Mannes wir von Seiten ihres Oheims die Schei-
dung eingeleitet; die Ehe hat knapp zwei Jahre gedauert. Als Marianne Ehr-
mann nach längerer Krankheit^ ^ und der Rückkehr von einer Reise durch
Deutschland und Italien, die ihr Dominik von Brentano zu Erholungs- und
Bildungszwecken ermöglicht, geschieden wird, muß sie ihren Lebensunterhalt
selbst verdienen. In Wien soll sie eine Stellung als Gouvernante antreten, was
ihr jedoch nicht gelingt^^. Sie findet sich als das gefallene Mädchen wieder,
das später in ihren Schriften zu einem ihrer Hauptthemen werden wird.
Marianne Ehrmann, deren gesellschaftliche Stellung durch die Scheidung
wie auch ihre Mittellosigkeit zu diesem Zeitpunkt bereits ruiniert ist, hat nicht
die Möglichkeit, sich zu einem Verwandten zu flüchten, auch eine zweite Ehe
ist nicht in Sicht. So entscheidet sie sich für die einzige Alternative, die ihr als
14 Besuch bey Amalien, S. 147.
15 Denkmal, S. 43 f. Der Name des Mannes ist bezeichnenderweise ebensoweinig wie das
Datum der Eheschließung überliefert.
16 Brief an Lavater, 29.9. 1789.
17 Vgl. bei Gräter, Besuch bey Amalien, S. 147; auch bei T.F. Ehrmann, Denkmal, S. 47 f
18 „Amalie gerieth in einen hohen Grad von Wahnsinn, wurde monatelang enge bewacht;
[...]“ {Gräter, a.a.O., S. 147); vermutlich handelt es sich um einen Nervenzusammen-
bruch.
19 Laut Gräter habe sie bei ihrem Umzug nach Wien bereits eine Stellung in Aussicht gehabt,
die ihr dann abgeschlagen worden sei, während T.F. Ehrmann nur berichtet, sie habe nichts
gefunden (Besuch bey Amalien, S. 147 und Denkmal, S. 53).
41
geschiedener Frau offensteht^^ und schließt sich etwa um 1780 unter dem
Bühnennamen Madame Sternheim einer Schauspieltruppe an, die sich zu die-
ser Zeit gerade in Wien aufhält^^. Diese Entscheidung bedeutet für sie die
einzige Möglichkeit der materiellen wie auch der ideellen Unabhängigkeit:
zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie ganz allein für sich selbst verantwort-
lich, eine Erfahrung, die sich prägend auf ihre weiteres Leben auswirkt.
Andererseits begibt sie sich in die Position einer gesellschaftlichen Au-
ßenseiterin, die vom Bürgertum wenn möglich noch mehr geächtet wird als
das ‘gefallene Mädchen’. Wie Ruth Dawson feststellt, stehen Schauspielerin-
nen „in erster Linie als Schauspieler und in zweiter als Wandernde [...] au-
sserhalb der bürgerlichen Gesellschaft. Das [trifft] die Frauen in der Truppe
besonders schwer, denn in der Bewertung von Schauspielern und Schauspie-
lerinnen [gilt] unübersehbar eine doppelte Moral“^^, die die Frauen als se-
xuell verfiigbar begreift. Marianne Ehmiann selbst warnt Jahre später in ihrer
ersten Zeitschrift vor den Gefahren dieses Berufsstandes^^ und äußert in
ihrem 1798 posthum erschienenen Komdin. Antonie von Wanstein die Ansicht,
die Obrigkeit solle über die Sitten der Wandertruppen wachen. Neben dem
moralischen mag dabei auch der gesundheitliche Aspekt eine Rolle spielen;
eine Anzahl von Krankheiten gelten bei Schauspielern als berufsbedingt^^.
Doch Marianne Ehrmann hat Glück. Nach vierjährigem Umherziehen ge-
lingt ihr nach ihrem Debüt als Schriftstellerin der Absprung:
20 Vgl. Becker-Cantarino, Weg zur Mündigkeit, S. 56:“[...] die geschiedene Frau hatte zur
weiteren Existenz nur die Möglichkeit, sich wieder von einem Mann zur Ehe erwählen zu
lassen, wollte sie nicht zum fahrenden bettelnden Volk ausgestoßen werden,
21 Viel mehr als ihr Pseudonym, unter dem sie später auch einige Schriften veröffentlicht, ist
über diese Zeit ihres Lebens nicht bekannt. Daß ihr Bühnenname als Zeichen der bevmßten
Zugehörigkeit zur Empfindsamkeit zu werten sei, ist eine in der Sekundärliteratur geäußer-
te Ansicht (z.B. bei Touaillon, Der deutsche Frauenroman, S. 79), der ich mich nicht an-
schließen kann. LaRoches Roman war populär, der Name als Pseudonym beliebt und we-
gen seines Bekarmtheitsgrades möglicherweise dem Publikumsinteresse zuträglich. Allen-
falls könnte man darin eine Verdeutlichung der Situation sehen, in die Marianne Ehrmann
sich gedrängt fühlt, nämlich die der an sich ehrbaren jungen Frau, die Anfechtungen ihrer
Umwelt ertragen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen muß.
22 Dawson, Frauen und Theater, S. 422.
23 AE 3/1792, Bd. 4, H. 10., S. 15 („Ueber weibliche Beschäftigung“).
24 Peter Schmitt zählt hierzu „alle Formen von Erkältungskrankheiten von den erfrorenen Ze-
hen, die zum Markenzeichen der Wandertruppenmitglieder wurden, bis hin zu den Hais-
und Lungenkrankheiten der Musiktheaterdarsteller, [...]. Hinzu kamen das bis heute noch
nicht gelöste Problem des Alkoholismus und eine Reihe von Nervenleiden, die sich dem
Symptomenkomplex der vegetativen Dystonie zuordnen lassen.“ (Schauspieler und Thea-
terbetrieb, S. 84). Einige dieser Symptome treten auch bei Marianne Ehrmann selbst
auf(vgl. Consbruch [ihr Arzt] an Gräter, 28.8.1795, unveröff. Mskr., WLB Stuttgart).
42
Nachdem sie [...] Deutschland, die Schweitz, Holland, Ungarn und Siebenbürgen in
vielerley Lagen gesehen hatte, fiihrte sie endlich auch ein günstiger Genius nach
Strasburg. Sie hatte eben damals kurz zuvor in Wien ihre Philosophie eines Weibes
herausgegeben,
Marianne Ehrmann trennt sich 1784 in Straßburg von der Truppe, um nach
dem kleinen Erfolg der Philosophie künftig als Schriftstellerin tätig zu sein.
Zu dieser Zeit arbeitet Theophil Friedrich Ehrmann, promovierter Jurist, dort
als Rezensent für einige politische und literarische Zeitschriften. Ob Marianne
Ehrmann ihren zukünftigen Ehemann vor oder nach ihrer Absage an das
Schauspielerinnendasein kennenlemt, ob er sie erst zur Schriftstellerei ani-
miert oder ob die beiden, wie Gräter es romantisierend schildert^^’ über seine
Rezension der Philosophie Zusammenkommen, ist nicht mehr zu rekonstruie-
ren; es ist aber eher zu vermuten, daß Marianne Ehrmann sich mit der Unter-
stützung Theophil Friedrichs von der Truppe trennt^^. Neben der Verbindung
zu literarischen Zeitschriften aufgrund seiner Rezensententätigkeit wird sie
sich vor allem persönliche Unterstützung von ihm erhoffen, denn er hat sich
in sie verliebt und möchte sie heiraten - für sie vielleicht die einzige Chance,
das Schauspielerinnendasein hinter sich zu lassen. Da seine Familie, dem
wohlhabenden Bürgertum angehörig, sich vehement gegen diese nicht stan-
desgemäße Verbindung mit einer älteren, geschiedenen und mittellosen Frau
sträubt, wird die Ehe etwa um 1785/86 zunächst heimlich in Deutschland ge-
schlossen. Wie Theophil Friedrich selbst berichtet, versteckt er seine Frau
danach erst auf dem Land, später in einer Stadtwohnung vor seiner Familie.
Während er bei seinen Eltern wohnen bleibt, setzt sie „ein ganzes Jahr lang,
um verborgen zu bleiben, den Fuss nicht hinaus In dieser Zeit - vom Be-
25 Gräter, Besuch bey Amalien, S. 147. Ob die Philosophie eines Weibs in Wien herausgege-
ben worden ist, ist nicht sicher. Hadley gibt Kempten als Druckort an (Romanverzeichnis,
S. 109); auf dem von mir eingesehenen Originaldruck ist kein Druckort verzeichnet.
26 A.a.O., S. 147.
27 Er selbst äußert sich nicht klar dazu. Er erzählt, sie hätten sich ein halbes Jahr nach seiner
Rezension der Philosophie auf einer Gesellschaft kennengelemt und berichtet, Marianne
Ehrmann habe in Straßburg die Bühne verlassen (Denkmal, S. 59 ff). Daraus geht nicht
hervor, ob die Beendigung ihrer Bühnentätigkeit vor oder nach dem Kennenlemen erfolgt
ist. Angesichts der Tatsache, daß Marianne Ehrmann praktisch mittellos ist, halte ich es für
wahrscheinlich, daß ihre Entscheidung von der Aussicht auf eine zweite Ehe beeinflußt
wird. Dies entspricht den statistischen Erhebungen Peter Schmitts, aus denen hervorgeht,
daß die große Mehrzahl der von der Bühne gehenden Schauspielerinnen dies in Verbin-
dung mit einer Heirat tue (Schauspieler und Theaterbetrieb, S. 45). Eine Heirat mit einem
studierten Juristen verspricht ihr jedenfalls eine immense Verbesserung ihres gesellschaft-
lichen Status (vgl. dazu Bruford, Die gesellschaftlichen Grundlagen der Goethezeit, S.
246).
28 T.F. Ehrmann, Denkmal, S. 83. Bedenkt man, welche Demütigung hinter einem solchen
Vorgehen steckt, so kann die spätere Schaffenskraft Marianne Ehrmanns nur erstaunen.
43
ginn der Bekanntschaft mit ihm bis zu ihrem Weggang von Straßburg 1787 -
erscheinen die ersten drei Veröffentlichungen Marianne Ehrmanns^^. Wäh-
rend Theophil Friedrich von einer Versöhnung mit seiner Familie schreibt,
berichtet Gräter, er habe „wzY der Gattin aus fremden Landen die eifersüch-
tige Vaterstadt” verlassen müssen^^. 1787 gehen die beiden nach Isny, wo sie
versuchen, sich auf der Basis ihrer literarischen Produktion eine Existenz auf-
zubauen und sich, vermutlich mit einem Eigenverlag, selbständig zu ma-
chen^ doch fuhrt sie dieses Unternehmen direkt in den finanziellen Ruin.
1788 wechselt das Ehepaar nochmals den Wohnort, diesmal nach Stutt-
gart, wohin sie die Gunst Franziskas von Hohenheim^ der Gattin des regie-
renden Herzogs Karl Eugen, zieht^^. Ausschlaggebend dafür ist wohl die Tat-
sache, daß der Herzog Theophil Friedrich eine Professur an der Hohen Karls-
schule in Aussicht stellt. Obwohl sich dieses Angebot später zerschlägt, bleibt
das Ehepaar seßhaft und lebt sich in die Stuttgarter Gesellschaft ein. 1790
kommt eine Haustochter zur Familie, und 1792 nimmt das Ehepaar einen un-
ehelich geborenen Säugling an Kindes Statt an. Mit ihren Publikationen, vor
allem den Zeitschriften Marianne Ehrmanns, finden sie ein halbwegs geregel-
tes Auskommen.
Bis zu ihrem 33. Lebensjahr also hat Marianne Ehrmann vorrangig eines
erfahren müssen: Daß eine Frau ohne Mann hilflos ist, daß sie aber gleichzei-
tig vor ihrem Mann keinen Schutz besitzt und auch dann die Last zu tragen
hat, wenn die Ehe an ihm scheitert. Sie hat erfahren, daß eine geschiedene
Frau mit einer ‘schlechten’ Frau gleichgesetzt wird und interpretiert die Vor-
stellungen der Gesellschaft ihrer Zeit, die nur verheiratete Frauen respektiert,
auf ihre Weise:
[...] man muß junge Mädchen [...] beweisen, daß sie nicht blos von ihrer Äuffüh-
rungsart und Sitten, sondern auch von der Denkungsart der Männer abhänge[vi\.
[Dann würden Mädchen] nie nach dem ersten Schein eine Mannsperson beurthei-
len, weil sie wissen, daß die Männer sonderbare wunderliche Geschöpfe sind, die
oft das mit dem Mund tadeln, was sie im Herzen hochschätzen [...]. Wir übergeben
eben unser Glück der Verwaltung unseres Gatten. ^
29 Philosophie eines Weibs und Müssige Stunden eines Frauenzimmers 1784, Leichtsinn und
gutes Herz 1786.
30 Besuch bey Amalien, S. 148.
31 T.F. Ehrmann schreibt von einer „merkantilisch-literarischen Unternehmung“ (a.a.O., S.
89), ebenso Ersch/Gruber in der „Allgemeinen Encyclopädie“ (S. 466). Tatsächlich er-
scheint Marianne Ehrmanns Roman Graf Bilding (1788) in Isny in einem „Verlag der neu-
errichteten typographischen Gesellschaft“ (jt Titelblatt).
32 Der Umzug erfolgt wohl auf Anregung der Herzogin. Theophil Friedrich berichtet: „Wir
wurden nach Hohenheim eingeladen, mit Gnadenbezeugungen überhäuft, und förmlich in
Herzoglichen Schuz aufgenommen.“ (a.a.O., S. 92).
33 Philosophie eines Weibs, S. 44 ff
44
Ihren Leserinnen gibt Marianne Ehrmann die Erkenntnis mit auf den Weg,
daß ,,die Ehre einer Frau [...] gar sehr und beynahe gänzlich von der Ehre
ihres Mannes aft[hängt], und eine vernünftige tugendhafte Frau sucht sie
stets aufrecht zu erhalten
Diese Erfahrungen münden für Marianne Ehrmann in einer zweiten Ehe,
die ihr sehr viel mehr Möglichkeiten bietet als sie zuvor gekannt hat, gerade
deshalb aber auch im späteren Verlauf mit Problemen behaftet sein wird. Zu-
nächst beginnt sie jedoch zusammen mit ihrem Mann, sich auf der Basis ihrer
bisherigen Erfahrungen eine neue Existenz als Literatin, Publizistin und Her-
ausgeberin aufzubauen, die ihr weiterhin ihre selbständige Existenz sichert
und die von einem eigentümlichen, aber für die Zeit typischen Selbstver-
ständnis geprägt ist.
3.2. Selbstverständnis als Publizistin:
„Von der Nähnadel zur Schreibfeder“
Ich theile meine Stunden ein, gehe nur selten in Gesellschaften, besorge hurtig mei-
ne kleinen Hausgeschäfte, habe keine Kinder, und bleibt mir zu dieser Arbeit [dem
Schreiben] immer noch genug Zeit übrig?^
Das Ehepaar Ehrmann ist von Anfang an auf seine Einkünfte aus der Schrift-
stellerei angewiesen, und so ergibt es sich, daß Marianne Ehrmann, die mit
der Philosophie eines Weibs ein wenig bekannt geworden ist, einen großen
Teil zum gemeinsamen Einkommen beisteuert. Es ist anzunehmen, daß ihr
Mann sie darin bestärkt, denn daß Literatur für und auch von Frauen zu dieser
Zeit gut verkäuflich ist, wird ihm bei seiner Tätigkeit als Rezensent nicht ver-
borgen geblieben sein.
Inwieweit Theophil Friedrich als ‘Motor’ dieser Schriftstellerehe zu ver-
stehen ist, bleibt unklar. Marianne Ehrmann, die immerhin schon vor der Ehe
mit der Philosophie eines Weibs erfolgreich debütierte, schreibt dazu an Grä-
ter: ,yMein Gatte machte mich, als ich ihn vor 6 Jahren heurathete, zur
Schriftstellerin um des Brodes willeW^^, Das ist eine für die Zeit typische
Formulierung: Eine Frau ist niemals Schriftstellerin aus eigenem Antrieb,
sondern sie wird dazu gemacht. Immer wieder finden sich in den Korrespon-
34 Ibid, S. 57 ff
35 AE 1/1790, 1. Bd, H. 1, S. 2 („Antrittsrede“).
36 Brief an Gräter, 2.10.1792 (unveröff Mskr., WLB Stuttgart). Diese Aussage. Marianne
Ehrmann mag auch eine Konzession an zeitgenössische Wertvorstellungen sein; ihre
Schriften strafen den Eindruck Lügen, daß sie ohne eigenen Antrieb schreibt.
45
denzen Marianne Ehrmanns Hinweise darauf, daß sie .fürs Brod'' schreibe
oder sie ..mehr Noth als Neigung zur Schriftstellerin machte Ihre Schrif-
ten scheinen mehr oder weniger fremdbestimmt zustande zu kommen. Be-
rücksichtigt man andererseits die Tatsache, daß sie in den vorangegangenen
Jahren die Diskriminierung unverheirateter Frauen, aber auch Ansätze von
Selbständigkeit erfahren hat, so ist kaum vorstellbar, daß sie nach der Heirat
problemlos zm* gesellschaftlichen Tagesordnung übergehen kann. So mag ihr
die finanzielle Notwendigkeit weiterer Berufstätigkeit ganz gelegen kommen,
zumal sie in den gutbürgerlichen Gesellschaftskreisen, wie sie bereits an der
Familie ihres Mannes erfahren hat, kaum noch eine Chance hat, als ‘ehrbare’
Frau anerkannt zu werden. Da ihr die gesellschaftliche Achtung zunächst
verwehrt ist, kann sie ohne ein zu großes Risiko als Schriftstellerin arbeiten,
dabei ihre Erfahrungen festhalten und so zu ihrem und ihres Mannes Unter-
halt beitragen. Aus ihrer Sicht hat sie keinen Ruf mehr zu verlieren, sondern
vielmehr einen als Schriftstellerin zu gewinnen. Durch ihre Ehe mit Theophil
Friedrich ist sie dabei gegen den Vorwurf des Außenseiterinnentums gefeit.
Doch nicht nur finanzielle und gesellschaftliche Aspekte spielen eine Rolle;
Marianne Ehrmann läßt auch immer wieder erkennen, daß ihr die Schriftstel-
lerei Spaß macht^^.
Dennoch lebt Marianne Ehrmann, gerade wegen ihrer erzwungenermaßen
unorthodoxen Vergangenheit, mit einem starken Zwang der Rechtfertigung
ihres Tuns, wenn sie nicht durch die fortlaufende Verletzung gesellschaftli-
cher Normen auch den Ruf ihres Mannes schädigen will. Zu Beginn ihres lite-
rarischen Schaffens kann sie auf keinerlei gesellschaftliche Unterstützung zu-
rückgreifen, weder auf einflußreiche, noch auf interessierte Freunde. Sie ist
keinesfalls eingebettet in eine wohlwollende und sie protegierende Umge-
bung, wie es z.B. Sophie von LaRoche durch die Stellung ihres Mannes und
V. a. die Freundschaft zu Christoph Martin Wieland war. Im Gegenteil muß
Marianne Ehrmann streng darauf bedacht sein, die gesellschaftlichen Gepflo-
genheiten, in denen sich zu bewegen sie bislang noch nicht einmal gewöhnt
ist, nicht noch mehr zu verletzen, als sie dies durch ihre Vergangenheit schon
37 Brief an Lavater vom 29.9. 1 789.
38 So in ihrer Mitteilung an die Leserinnen der Einsiedlerinn aus den Alpen Ende 1794, in
der sie die Beendigung der Zeitschrift ankündigt: Da sie angesichts ihrer Krankheit nicht
, mehr regelmäßig arbeiten könne, bleibe ihr .^nichts anderes übrig, als daß ich [...] eine
Zeitschrift schließe, deren Herausgabe seit fünf Jahren meine Lieblingsbeschäftigung
war. “ (2/1794, 3. Bd., S. 284). Wulf Köpkes Feststellung, daß die Schriftstellerinnen des
ausgehenden 18. Jahrhunderts „nur mit großem Widerwillen an die Veröffentlichung ihrer
Schriften gingen, und wenn, dann normalerweise nur aus ökonomischer Notwendigkeit“
(Die emanzipierte Frau, S. 99) scheint angesichts solcher Äußerungen wie auch des Ge-
samtwerks von Frauen wie Marianne Ehrmann oder Sophie von LaRoche vorschnell ge-
troffen.
46
getan hat. Obwohl ihr also nichts anderes übrig bleibt, als für Geld zu schrei-
ben, und obwohl sie aus ihren Erfahrungen heraus gar nicht anders handeln
kann, muß sie gleichzeitig den Schein wahren:
Ach ja wohl, viele Köpfe, viel Sinn! Dies ist der fürchterliche Wahlspruch, der mir
zentnerschwer aufs Herz fällt, wenn ich mich dem Schreibpult nähere, um da aus
einem besondern, nicht sehr erfreulichen Verhängnis, die Nähnadel mit der
Schreibfeder zu vertauschen! - Ich gestehe es recht gerne selbst ein, wenn alle Frau-
enzimmer thun wollten, was ich izt thue, so gäbe dies in unserer guten Welt eine Un-
ordnung, die nicht zu ertragen wäre!
Indessen giebt es ja doch keine Regel ohne Ausnahme.^^
Neben ‘abstrakten’ geschlechtsphilosophischen Normen mögen hier auch
ganz praktische Überlegungen eine Rolle spielen. Wie bereits erwähnt, ist das
Ehepaar Ehrmann auf Anregung des württembergischen Regentenpaares und
vor allem der Herzogin nach Stuttgart gekommen, weil es sich dort eine gesi-
cherte Stellung, möglicherweise eine Professur an der Akademie, erhofft.
Während jedoch die Herzogin den Kontakt zu Marianne Ehrmann aufrecht
erhält^^, scheint der Herzog weder an ihr noch an ihrem Mann interessiert zu
sein. Im Gegenteil muß Marianne Ehrmann darauf achten, daß sie sich - und
ihren Mann - bei ihm nicht unbeliebt macht. Im Oktober 1792 schreibt sie an
Gräter, die Herzogin sei ihre Wohltäterin und Freundin, deren Wirkungskreis
jedoch beschränkt sei. Der Herzog hingegen „hat vermuthlich Vorurtheil
gegen gelehrte Weiber, wenn ich Gottlob schon nicht darunter gehör e
Marianne Ehrmann sichert sich deshalb von vornherein gegen den Vorwurf
ab, ein schlechtes Beispiel für andere Frauen zu sein und ihren Pflichten nicht
zu genügen: Sie führt in ihren Veröffentlichungen ihre unglückliche Vergan-
genheit und ihre Kinderlosigkeit, in ihren. Briefen außerdem den Willen ihres
Mannes als Rechtfertigung ihres Tuns an.
Während sie mit ihren Schriften bald das finanzielle Auskommen sichert -
zeitweilig sind die Einkünfte aus ihren Zeitschriften der einzige Verdienst des
Ehepaars"^^ - erweist sich der Erfolg, den sie bald genießt, als problematisch
für ihr Privatleben. Ihr Mann, so berichtet Gräter, hat Schwierigkeiten, sich
mit seiner Rolle im Hintergrund abzufinden:
39 AE 1/1790, 1. Bd, H. 1, S. 1 f („Antrittsrede“).
40 Bereits in ihrem Tagebuch aus dem Jahr 1788 berichtet Franziska von Hohenheim des
öfteren von Begegnungen oder Verabredungen mit Marianne Ehrmann, und auch diese er-
wähnt in ihren Briefen immer wieder, sie habe regen Kontakt zu der Herzogin.
4 1 Brief an Gräter vom 2. 1 0. 1 792.
42 So schreibt sie am 20.3.1793 an Heidegger. „Wir haben jetzt wirklich keine Einkünfte als
die Einnahmen von üfer jE[insiedlerinn]“ (unveröff. Mskr., ZB Zürich).
47
[...] nur halb ins Ohr diese geheime Bemerkung: mich dünkte, es thue dem edlen
und gelehrten Ehrmann zuweilen wehe, sich hie und da etwas hintangesetzt zu se-
hen, während seiner Gattin von allen ein eben nicht unverdienter Weyhrauch ge-
streut wird. Dieser geheime Schmerz mag ihn in schwachen Stunden übermannen,
und ihn verleiten, bey Freunden sich auf Kosten der Edlen zeigen zu wollen. So et-
was ungefähr fing er auch gegen mich an, und suchte mich geflissentlich auf einige
kleine Uebereilungen der Guten aufinerksam zu machen und dergl.
Neben gesellschaftlichen Konventionen muß Marianne Ehrmann also auch
auf den verletzlichen Stolz ihres Mannes, von dem sie letztlich abhängig ist,
Rücksicht nehmen. Theophil Friedrich, der seine Frau in die Publizistik ge-
führt hat, nimmt ihr nun den Erfolg und die Tatsache übel, daß sie die Emäh-
rerrolle übernommen hat und für das nötige Einkommen sorgt, während er
sich in nie verwirklichte Pläne und Projekte verwickelt^"^. In seinem Selbst-
verständnis ist er ein ernsthafter Wissenschaftler, dessen Können nur bislang
noch nicht anerkannt worden ist. Wenn seine Frau mehr Erfolg hat als er,
dann muß er zumindest immer wieder verdeutlichen, daß er es ist, der sie zur
Schriftstellerin gemacht hat, und daß sie eigentlich nicht sehr intelligent ist.
Wehren kann sich Marianne Ehrmann dagegen nur durch Krankheit, durch
Depressionen und ein Krankheitsbild, das heute als psychosomatisch be-
schrieben werden würde"^^. Der beruflich geringere Erfolg ihres Mannes wird
für sie zum Problem, sie wird deshalb bloßgestellt oder lächerlich gemacht,
weil nicht sein kann, was aus männlicher Sicht nicht sein darf: Der auf ihrem
Können und ihrer Persönlichkeit beruhende Erfolg"^^.
Dennoch betont sie immer wieder, wie glücklich sie in dieser zweiten Ehe
sei, was im Hinblick auf bereits Erlebtes nicht unbedingt verwunderlich ist. In
ihren Augen hat Theophil Friedrich Ehrmann ihr zu einer zweiten, gesell-
schaftlich legitimen Existenz verhelfen. Er hat sie bei ihrem Einstieg in die
Schriftstellerei unterstützt und verwehrt ihr auch jetzt nicht eine selbständige
und sie erfüllende Tätigkeit. Es fallt jedoch auf, daß sie in ihren Briefen im-
43 Besuch bey Amalien, S. 138.
44 Manche Pläne teilt er Heidegger in seinen Briefen (unveröff Mskr., ZB Zürich) mit: Er
plant ein Erziehungsinstitut oder einen Verlag zu gründen, glaubt an den (wissenschaft-
lichen) Durchbruch seiner geographischen Werke, wartet auf eine Professorenstelle in
Stuttgart, hofft auf eine Stellung, falls er nach Straßburg zurückkehren sollte u.v.a.m.
45 Gräter berichtet in diesem Zusammenhang von konvulsivischen Anfällen (d.i. Zuckungen
und Verkrampfungen), Ohrunachten, depressiven Verstimmungen über mehrere Tage und
hohem Fieber (Besuch bey Amalien, S. 138).
46 Kritik an ihrem Mann und seiner Arbeit wird dementsprechend für sie zur Psychose. Dies
wird ersichtlich bei Gräter, der Theophil Friedrich Ehrmann den Erfolg auch und vor allem
Marianne Ehrmann zuliebe wünscht, damit diese in Ruhe weiter publizieren kann: „Sie
empfindet den öffentlichen, zum Theile so hämischen Tadel, welchem sich ihr Gatte durch
flüchtige, nur ums Geld geschriebene Broschüren aussetzt, so tief, daß man alles anwen-
det, jede Recension von ihr zu entfernen, [...]“ (a.a.O., S. 149).
48
mer, wenn sie über das Glück ihrer Ehe spricht, gleichzeitig auf ihre Unter-
ordnung unter Bedürfiiisse und Launen ihres Mannes eingeht^^.
Erschwerend für unbefangenes Schreiben ihrerseits und sicher auch die
Spannungen in der Ehe verstärkend ist die höchst zögerliche Aufiiahme in die
Stuttgarter Gesellschaft, in der das Ehepaar neben der Sympathie einiger
Zeitgenossen auch immer wieder auf versteckte oder offene Ablehnung
stößt^^. Während Theophil Friedrich in den Stuttgarter Gelehrtenkreisen ver-
kehrt"^^, sind diese Marianne Ehrmann als Frau offiziell verwehrt. Sie muß
sich auf diejenigen Personen beschränken, die ihr Mann oder die Herzogin ihr
vorstellen^^. Freundschaften zu Frauen scheinen sich in Stuttgart kaum zu
entwickeln, sieht man einmal von den Damen ab, die sie durch die Herzogin
kennenlemt^^. Offenbar ist der weibliche Teil der Stuttgarter Gesellschaft von
einer Publizistin in seiner Mitte, die noch dazu als Protegee der Herzogin gilt,
nicht sonderlich begeistert. Ohne dies explizit auszusprechen, beschreibt Ma-
rianne Ehrmann es in der m Amaliens Erholungsstunden'.
Jede Stadt hat in ihren Gesellschaften gewöhnlich so ihren ganz eigenen Ton, ihren
ganz eigenen Schlendrian, die freilich oft nicht die erbaulichsten sind. Tritt dann
eine in diese Gesellschaften, die richtiger denkt, reineres Teutsch spricht, in ihrem
Betragen offener, ungezierter ist, frei von der Brust ihre Meinung heraus sagt, nicht
immer alles bejaht, weil sie es mit Grund zu belegen weiß; dann treten ihre minder
kultivirten Schwestern aus dem Winkel hervor und begeifern sie hinter dem Rüken
mit dem Geist der Verläumdung, wissen ihre Worte zu verdrehen, ihr dieses und je-
nes aufzubürden, an das ihr Herz nie dachte, finden sich bloß darum beleidigt, weil
sie mehr weiß als sie, und bekleksen sie nicht selten mit den ausgesonnensten Bos-
heiten, um sie zu verdunkeln.
Marianne Ehrmanns inhaltlich oft massiv gegen die Zustände in der zeitge-
nössischen Gesellschaft gerichteter, dabei meist mit sehr viel Vorsicht formu-
47 So schreibt sie in einem Brief vom 31 . 12. 1789 an Lavater, es gebe natürlich Streitigkeiten,
aber diese „[...] eilen vorüber wie das fliegende Wetter, aber ich weis zu schweigen, wenn
der Sturm am ärgsten tobt - aus Grundsäzen zu schweigen so sehr es auch im Innern wüt-
rer.“ (unveröff. Mskr., ZB Zürich). In ihrer Korrespondenz mit Heidegger bittet sie diesen
wiederholt, ihren Mann auf berufliche oder private Notwendigkeiten anzusprechen; auf sie
höre er nicht, mit einer Äußerung verärgere sie ihn und er handele dann erst recht anders.
48 Gräter spricht von Verleumdungen und Demütigungen (a.a.O., S. 167), auf die er nicht
näher eingeht. Marianne Ehrmann werde darüber hinaus von einigen Leuten als Nichts-
könnerin bezeichnet, deren Schriften in Wahrheit ihr Mann verfaßt habe (ibid., S. 189).
49 Er besucht z.B. das Stuttgarter (Metzlersche) Lesekabinett und die Bibliothek der Akade-
mie; von dort kennt er u.a. die Herren Conz, Franz, Haug, Petersen oder Stäudlin.
50 Zu den mit Theophil Friedrich und Marianne Ehrmann bekannten Personen vgl. das Perso-
nenverzeichnis im Anhang zu dieser Arbeit.
51 Insbesondere die Gräfin zu Sayn-Wittgenstein und die bei ihr beschäftigte Gouvernante,
eine Mademoiselle Beck.
52 AE\ni90, l.Bd.,H.l,S. 8.
49
lierter Schreibstil und ihre Angewohnheit, ihre Arbeit immer abzuschwächen
und zu rechtfertigen, können im Hinblick auf die beschriebenen äußeren Um-
stände ihres Schaffens nicht nur als Auswirkung der Vorurteile gegen schrei-
bende Frauen im 18. Jahrhundert gewertet werden, sondern auch als Ergebnis
ihrer ganz persönlichen Situation. Dies wird deutlich beim Vergleich Marian-
ne Ehrmanns mit der gesellschaftlich etablierten Sophie von LaRoche^^. Das
Selbstverständnis Marianne Ehrmanns als Publizistin ist so zwiespältig wie
ihre Situation als zwangsläufig gegen gesellschaftliche Normen rebellierende,
gleichzeitig aber auf Abwendung erneuter gesellschaftlicher Ausgrenzung
bedachter Frau mit unorthodoxer Vergangenheit. Ihre Werke, die Romane,
Erzählungen, Schauspiele und vor allem ihre beiden Zeitschriften, sind denn
auch gekennzeichnet von der Auseinandersetzung mit einem Gesellschaftssy-
stem, das Frauen nur in der Abhängigkeit von Männern ein Überleben zusi-
chert.
3.3. „Von einer Beobachterin^^:
Marianne Ehrmanns Werke
Die Kunst erfordert so unendlich viel, um gut und mit Nuzzen schreiben zu können,
und die vielen öffentlichen Anfechtungen, [...] die persönlichen Ausfälle gegen
Schriftstellerinnen. [...] dies sind lauter Dinge, die das Bischen Wey brauch und be-
friedigte Eitelkeit gar sehr überwiegen! Mich wenigstens hält für alles dies bloß der
Gedanke schadlos, hier und da etwas Gutes gestiftet zu haben, wenn sich der Miß-
muth meiner nicht selten bemeistern will; ob ich gleichwohl das unerwartete Glück
geniesse, bei einem großen Theile des bessern Publikums nicht unbeliebt zu seyn.^^
Als erste Veröffentlichung Marianne Ehrmanns erscheint 1784 die schon
mehrfach erwähnte Philosophie eines Weibs^“^. Ob es sich dabei um das erste
von ihr geschriebene Werk handelt, ist nicht schlüssig, da im selben Jahr auch
das Bändchen Massige Stunden eines Frauenzimmers erscheint, von dem
Theophil Friedrich behauptet, sie habe es während der Zeit ihres Aufenthalts
in Wien (also bereits um 1780) verfaßt^^. Mit der Philosophie eines Weibs
wird Marianne Ehrmann jedenfalls bekannt. Das 71 Seiten starke Büchlein im
gängigen Oktavformat erscheint anonym, nur mit dem Zusatz von einerBeob-
53 Vgl. hierzu Brandes, Frauenzimmer- Journal, S. 464.
54 AE 3/1792, 3. Bd, H. 8, S. 141 („lieber weibliche Beschäftigung“).
55 Über den Druckort besteht Unklarheit; nach Gräter (Besuch bey Amalien, S. 147) er-
scheint sie in Wien; Hadley gibt in seinem Roman Verzeichnis Kempten als Druckort an.
Auf dem Titelblatt ist nur das Erscheinungsjahr - 1784 - festgehalten.
56 T.F. Ehrmann, Denkmal, S. 54.
50
Abb. 1 : MARIANNE Ehrmann (Kupferstich, um 1788)
51
acht er in versehen, der Neutralität und Objektivität assoziieren läßt. In der
Vorrede schildert ein fiktiver oder tatsächlicher Herausgeber, ähnlich wie
Wieland bei LaRoches erstem Roman, das Manuskript sei ihm von der Ver-
fasserin - ,, einer meiner Freundinnen, [...] [die] aus der Nebenmenschen
Schicksale sammelte - zugetragen worden. Wie schon bei LaRoche wird
auch hier das Werk als überarbeitet dargestellt. Der Herausgeber bittet um
Verständnis,
wenn vielleicht hie und da eine launige Stelle, die das Gepräge der Heiterkeit ihrer
Schöpferin auf der Stirne trug, unvorsätzlich unter meiner Feder ins Ernsthaftere
sich umwandelte^^ , [aber]
im Gemählde der Welt [...] [sei] der männliche Ernst Schatten gegen den weiblichen
Witz^^.
Die Autorin erscheint so als aufgeweckte, unverbildete Frau. Für die
schwerwiegenderen Stellen in der Philosophie eines Weibs zeichnet der Her-
ausgeber verantwortlich^^. Inhaltlich und formal handelt es sich um eine
Aneinanderreihung von Überlegungen zum Verhältnis und Verhalten von
Männern und Frauen, getragen von dem Grundgedanken, daß ,,ein Frauen-
zimmer ohne System gegen die Liebe - gegen die Männer'' ein „elendes Ding"
sei^^, womit Marianne Ehrmann meint, daß eine Frau sich den Mann, dem sie
sich in die Hand gibt, nicht mit Leidenschaft, sondern mit Vernunft aussuchen
solle, da von dem Verhalten dieses Mannes ihre gesellschaftliche Stellung
abhängen wird. Der Vorstellung von der romantischen Liebe wird damit ab-
geschworen:
Man muß sie die Liebe [...] erkennen lehren, damit sie selbst auf der Hut dagegen
seyn kann. [.,.] Die Vernunß allein hält diese Macht im Zaum [...]- sie hat das Licht
der Sonne, ohne ihre Glut.
In Anlehnung an die Rousseausche Geschlechterauffassung, die die Frau dem
Mann als Ergänzung seiner Unvollkommenheit zuordnet, weshalb sie im
Hinblick auf ihn erzogen werden müsse, scheint Marianne Ehrmann dabei zu-
nächst im Rahmen üblicher Vorstellungen zu bleiben. Die in der Forschung
getroffene Feststellung, es handele sich daher bei der Philosophie eines Weibs
51 Philosophie eines Weibs, S. EQ f
58 Ibid, S. IV f.
59 Ibid, S. V.
60 Ich halte es für möglich, daß Marianne Ehrmann selbst diese Vorrede geschrieben haben
könnte, um den im Text folgenden Angriffen auf die Männer ihre Spitze zu neben.
61 Philosophie eines Weibs, S. 8.
62 Ibid, S. 22 ff
52
nur um „eine Wiederholung Rousseauscher Ansichten“^^, berücksichtigt nicht
die Folgerungen, die Marianne Ehrmann im selben Atemzug im Hinblick auf
den moralischen Wert der Männer tätigt. Ihre Einmischung in die Geschlech-
terphilosophie besteht darin, daß sie die Doppelmoral des gängigen Weltbil-
des erkennt und auch anprangert. Sie spricht die Männer direkt an:
Schreibt nicht alle eure Schwachheiten auf unsre Rechnung, denn gab euch gleich
die Natur das Recht, uns aufzufordern, so billigt sie doch deßwegen die Bosheit
nicht, euch sogleich vor uns wieder zu ekkeln. Die Natur gestattet euch eben so we-
nig, als uns den Mißbrauch ihrer Triebe, und doch führt ihr politische Grundsätze
zu eurer Bequemlichkeit ein, - und doch verdammt ihr die Ausschweifungen eines
Weibes mehr, als die eurigen?^^
In der Rezeption zeitgenössischer Ansichten bleibt sie insofern im Rahmen
gängiger Thesen, als sie die soziale Abhängigkeit der Frau vom Mann als na-
turgegeben anerkennt. Gleichzeitig wird, wie Eva Kammler feststellt, „die
Philosophie Rousseaus [...] bei Ehrmann fimktionalisiert“: Sie macht die
Männer für weibliches Fehl verhalten verantwortlich^^. Die anerkannte natür-
liche Ordnung stehe im Widerspruch zum Fehlverhalten des Mannes. Damit,
so Kammler, sei das Verhältnis von Männern und Frauen eher das von Täter
und Opfer^^ als das zweier komplementärer Gruppen in der Natur. Marianne
Ehrmann scheint mit ihrem Beitrag zur Geschlechterphilosophie den Nerv
ihrer Zeit durchaus getroffen zu haben, denn das Bändchen erscheint ein Jahr
später in der zweiten Auflage und wird auch ins Französische übersetzt.
1786 erscheint als nächste Veröffentlichung das Schauspiel Leichtsinn
und gutes Herz, oder Folgen der Erziehung^'^ , und bereits der Titel läßt er-
kennen, daß Marianne Ehrmann auch hier die Notwendigkeit vemunflbezo-
gener Erziehung vertritt, wenn Frauen nicht dem Schicksal - also dem Mann -
anheimfallen sollen. Mit Amalie und Minna, eine wahre Geschichte in Brie-
fen von der Verfasserinn der Philosophie eines Weibs^^ erscheint 1787 ihr
erster Briefroman, auch er im Trend der Zeit und offensichtlich erfolgreich^^.
Das Werk wird in der Frauenzimmer-Zeitung angekündigt^^, von der Theo-
phil Friedrich 1787 in Kempten sechs Probehefte herausgibt und an der Mari-
63 Touaillon, Der deutsche Frauenroman, S. 196. Auch bei Hanstein, Frauen in der Ge-
schichte, S. 299.
64 Philosophie eines Weibs, S. 10 f
65 Kammler, Zwischen Professionalisierung, S. 88 f
66 Ibid., S. 89.
67 „Originalschauspiel in 4 Aufzügen“, Straßburg 1786. 8.
68 2 Tie, Bern 1787. 8. Hadley spricht von drei Teilen (Romanverzeichnis, S. 133).
69 Nach T.F. Ehrmann soll es sich bei diesem Werk um eine autobiographische Arbeit han-
deln (Denkmal, S. 172).
70 Probehalbjahr 1787, H.l, Juli 1787, S. 23 f
53
anne Ehrmann mitarbeitet. Im Inhaltsüberblick des ersten Heftes wird sie als
Mitarbeiterin in der Rubrik „Vermischte Aufsätze“ unter ihrem Pseudonym
Verfasserin der Philosophie eines Weibs genannt^ Mit ihren , ^riefen aus
der Schweiz“, den ,J^ragmenten für Denkerinnen“, Fortsetzungsromanen,
moralischen Betrachtungen zu Tugend und Vernunft u.a. präsentiert sie sich
als ,,[t]emperamentvoll mit empfindsamen Zügen, stilistisch gewandt und von
entschlossener und eindeutiger Stellungnahme“^^. Schon in dieser Zeitschrift
findet eine Arbeitsteilung zwischen dem Ehepaar statt; während Marianne
Ehrmann die belletristischen und gesellschaftskritischen Beiträge liefert, ist
ihr Mann für populärwissenschaftliche geographische, geschichtliche oder
politische Beiträge sowie für Übersetzungen zuständig^^.
Das später so erfolgreiche Konzept scheint hier noch nicht aufgegangen
zu sein, denn die Zeitschrift kommt über die sechs Probehefte, die im Selbst-
verlag erscheinen, nicht hinaus. Marianne Ehrmanns dort publizierte
„Fragmente für Denkerinnen“ finden allerdings so viel Anklang, daß sie im
Anschluß an die Zeitschrift unter dem Titel Kleine Fragmente für Denke-
rinnen veröffentlicht und zweimal aufgelegt werden^"^. Es handelt sich dabei
um eine Sammlung von Aphorismen zu menschlichem Verhalten; auch hier
steht im Mittelpunkt ihrer Überlegungen das Verhältnis von Mann und Frau.
Die Kleinen Fragmente för Denkerinnen erscheinen wie ihre vorhergehenden
Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Verfasserin der Philosophie eines
Weibs. Hier jedoch ist ein Kupferstich der Autorin vorangestellt, der ihr Profil
im Scherenschnitt zeigt, die Autorin also erstmals ein wenig personalisiert.
Marianne Ehrmann hat außerdem ihre Vorrede selbst geschrieben und geht
darin erstmals auf Kritik an ihren Vorstellungen ein: ,ßs ist mir leid, wenn ich
über manche Gegenstände anders denke als andere. Es ist nun so! - Ich will
meine Grundsäzze Niemandem aufdringen. Finden sie nur hie und da ein
offenes Herz - so bin ich hinreichend belohnt'^^. Auch wenn ihr Name noch
nicht genannt wird, tritt sie hier erstmals aus Anonymität und Unsichtbarkeit
heraus; sie tritt als Autorin für ihr Werk ein, ohne ihr Werk durch die Vorrede
eines wohlmeinenden Herausgebers zu legitimieren.
71 Ibid.,o.S.
72 Krull, Wirken der Frau, S. 238.
13> Allerdings wird in der Frauenzimmer-Zeitung Marianne Ehrmanns Name nicht genannt
(sie ist die Verfasserin der Philosophie)-, Theophil Friedrich firmiert als Der Herausgeber.
74 Von der Frau Verfasserinn der Philosophie eines Weibs. 0.0. [Bregenz], 1788. Marianne
Ehrmann merkt in der Einsiedlerinn an: ,JDie kleinen Fragmente för Denkerinnen haben
zwar den Drukort Issny auf dem Titel, sind aber bei Buchhändler Brentano in Bregenz ge-
drukt und verlegt."" (1/1793, 2. Bd., H. 4, S. 60). Auf dem Titelblatt des von mir eingese-
henen Exemplars der zweiten Auflage von 1789 ist jedoch gar kein Druckort vermerkt.
75 2. Aufl. 1789, S. 4. T.F. Ehrmann betont im „Denkmal“, daß diese zweite Auflage nicht
von ihm korrigiert sei.
54
1788 erscheint der Briefroman Nina's Briefe an ihren Geliebten, auch er
quasi-anonym, diesmal jedoch mit der Angabe Von der Verfasser inn der Ge-
schichte Amaliens^^, präsentiert als die Sammlung der Briefe Ninas an ihren
Verlobten, von dem sie getrennt ist, weil seine Familie wegen ihrer Vergan-
genheit keine Verbindung mit ihr wünscht^^ und versehen mit einem ent-
sprechenden Vorwort des herausgebenden Ehemannes, der die Authentizität
der Briefe bestätigt und ihre Herausgabe mit ihrem ideellen Wert begründet.
Im selben Jahr erscheint auch Graf Bilding. Eine Geschichte aus dem mittle-
ren Zeitalter'^ ebenfalls mit dem Vorwort eines Herausgebers. Hier werden
die Leserinnen auf vorhergegangene Veröffentlichungen der Autorin - die
immer noch als Verfasserin der Philosophie eines Weibs benannt wird - auf-
merksam gemacht: „Wer den Namen [sic!] Verfasserinn der Philosophie
eines Weibs kennt, weiß zum voraus, was er zu erwarten haV'^^, So werden
einerseits die Leserinnen auf vorhergegangene Schriften, so sie sie noch nicht
kennen, hingewiesen, andererseits wird die offenbar populäre Philosophie
eines Weibs zum Werbeträger. Der Inhalt von Graf Bilding entspricht der ge-
wohnten Thematik Marianne Ehrmanns wie auch des bürgerlichen Trauer-
spiels in leichter Variation: Der verruchte Graf vergewaltigt eine tugendhafte
Ritterstochter, bereut dies jedoch und möchte sie nachträglich heiraten, was
von einer neidischen älteren Gräfin verhindert wird. Der Roman endet tra-
gisch, mit dem Tod der tugendsamen Heldin, und seine Leser und Leserinnen
werden in der Gewißheit entlassen, daß einmal begangenes Unrecht nicht so
einfach ungeschehen gemacht werden kann.
1788/90 veröffentlicht Theophil Friedrich die Zeitschrift Der Beobach-
ter^^, an der auch Marianne Ehrmann anfänglich mitarbeitet. Die Herausgabe
dieser Zeitschrift überschneidet sich mit der ihres ersten Journals: Ab 1790
erscheinen Marianne Ehrmanns eigene Zeitschriften, zunächst Amaliens Er-
holungsstunden, später Die Einsiedlerinn aus den Alpen. Während dieser
Zeit, in den Jahren 1790 bis einschließlich 1794, erscheinen keine weiteren
Veröffentlichungen von ihr; die Veröffentlichung der Zeitschriften fordert
ihre volle Schaffenskraft. Erst nach ihrem Tod^^ gibt ihr Mann noch einige
76 0.0. [Bern], 1788. 8. In einigen Nachschlagewerken und auch bei T.F. Ehrmann wird der
Briefroman auf 1787 datiert, auf dem Titelblatt ist jedoch 1788 angegeben.
77 Gräter zufolge (Besuch bey Amalien, S. 148) ist dieser Roman als autobiographisch aufzu-
fassen; auch nach T. F. Ehrmann handelt es sich um die Umarbeitung echter Briefe Mari-
anne Ehrmaims an ihn.
78 Dialogisirt von der Frau Verfasserinn der Philosophie eines Weibs. Isny, Verlag der
neuerrichteten typographischen Gesellschaft, 1788. 8.
79 Graf Bilding, S. 5.
80 „Eine Wochenschrift politisch-moralisch-satyrischen Inhalts“. Probeband August - Dezem-
ber 1788, 1/1789, 2/1790. Stuttgart: Verlag der Expedizion des Beobachters.
81 Marianne Ehrmann stirbt am 14.8. 1795 in Stuttgart.
55
Schriften heraus, die aus ihrem Nachlaß stammen: Bereits 1795 die Erzäh-
lungen^^ und jeweils in den Jahren 1796/98 Amaliens Feyerstunden. Auswahl
der hinter lass enen moralischen Schriften von Marianne Ehrmann^^ sowie
den Roman Antonie von Wanstein. Eine Geschichte aus unserem Zeitalter
von Marianne Ehrmann^^, den ,,einzige[n] [...] deutsche[n] Frauenroman der
Zeit, der das Schauspielerinnenleben darstellt“^^.
Mit ihren Zeitschriften ist Marianne Ehrmann so berühmt geworden, daß
ihr Mann bei der Herausgabe ihres Nachlasses wie selbstverständlich auf ein
Pseudonym verzichtet.
3.4. Publizistik als „öffentliches Amt“:
Die Zeitschrift als Weg in die Öffentlichkeit
Wer ein öffentliches Amt antritt, hält gewöhnlich auch eine Rede, in welcher er sich
seinen Zuhörern empfiehlt. Warum sollte denn eine Schriftstellerinn, wenn sie wie-
der zum ersten Male die Feder ansezt, nicht auch den gütigen Leserinnen ihre ehr-
furchtsvolle Verbeugung machen, da sie es doch mit einem weit vielköpfigem Pu-
blicum zu thun hat, als unsere gewöhnliche Äntrittsredner?^^
Mit ihrer Zeitschrift Amaliens Erholungsstunden tritt Marianne Ehrmann
erstmals und bewußt als Schriftstellerin in die Öffentlichkeit. Sie tritt aus der
Anonymität ihrer fiftheren Veröffentlichungen heraus, ist nicht länger eine
Beobachterin oder die Verfasserin der Philosophie eines Weibs, sondern ver-
öffentlicht die Zeitschrift als Marianne Ehrmann und macht dies bereits im
Titel deutlich^^. Damit zeichnet sie verantwortlich für die im Blatt befindli-
chen Aussagen, muß sich aber auch nicht mehr hinter einem wohlmeinenden
Herausgeber verstecken. Sie behält ihre Persönlichkeit, und erst dies ermög-
licht ihr, ihre eigenen Ansichten in ihren Artikeln darzulegen. Sie wird zur
Trägerin der publizistischen Aussage^^, deren Inhalte öffentliche Aufinerk-
82 Erzählungen von Marianne Ehrmann. Verfasserin von Amaliens Erholungsstunden. Hei-
delberg, bei F.L. Pfähler, 1795. Bei diesen Erzählungen handelt es sich um eine Sammlung
größtenteils bereits in Amaliens Erholungsstunden veröffentlichter Geschichten.
83 Drei Teile. Hamburg 1796/98.
84 Zwei Teile. Hamburg 1796/98.
85 Touaillon, Der deutsche Frauenroman, S. 77.
86 AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 1 („Antrittsrede“).
87 Sie nennt ihre Zeitschrift Amaliens Erholungsstunden. Teutschlands Töchtern geweiht von
Marianne Ehrmann.
88 Zur publizistischen Aussage vgl. Hagemann (Grundzüge der Publizistik, S. 23 ff), der die
publizistische Aussage als „bestimmenden F^tor für das Miterleben zeitgenössischer ak-
tueller Bewußtseinsinhalte“ benennt (ibid., S. 32).
56
samkeit finden und der ein Öffentlichkeitswille vorangestellt ist. So gesehen,
ist Amaliens Erholungsstunden ihre erste selbständige Veröffentlichung, in
der sie weder ihre Person noch ihre Persönlichkeit verbirgt, sondern sich im
Gegenteil mit Lust in gesellschaftliche Belange einmischt.
Marianne Ehrmann gibt damit die passive Teilnahme an der Öffentlichkeit
zugunsten einer aktiven auf Nachdem sie in ihren vorangegangenen Veröf-
fentlichungen Stil und Form der jeweiligen Gattungen - Briefi-oman, Erzäh-
lung, Schauspiel u.a. - wahren mußte und ihren persönlichen Ansichten wie
auch ihrer Spontaneität nur im vorgegebenen Rahmen Raum lassen konnte,
eröffnet sich ihr nun mit der Zeitschrift ein Medium, in dem sie ihren Talen-
ten wie auch ihrer Zielsetzung entsprechend temperamentvoll und zuweilen
auch bissig die Gesellschaft skizzieren und kommentieren, dabei auf die Re-
sonanz von seiten der Leserinnen und Leser Bezug nehmen und so eine le-
bendige, aktualitätsbezogene Arbeit fern vom ‘einsamen Kämmerlein’ der
Literatin leisten kann. Was Marianne Ehrmann in ihren Zeitschriften betreibt,
ist nichts anderes als gesellschaftspolitisches Räsonnement, eingebettet in ein
literarisches Genre, das sich langsam zu einem journalistisch-politischen
entwickelt. Nie eine Ästhetikerin, eine gelehrte Vertreterin der Dichtung als
Kunst, ist Marianne Ehrmann im journalistischen Metier in ihrem Element:
Ihr Anliegen ist nicht die Präsentation literarischer Texte, sondern die Dis-
kussion gesellschaftlicher und besonders weiblicher Lebensformen und -be-
dingungen. Sie entwickelt in ihrer Zeitschrift eine neue Form journalistischen
Schreibens, weg von der literarischen Zeitschrift, mit einem stärkeren An-
spruch an Aktualität in Form der Diskussion des zeitgenössischen Lebens.
Daß sie ihre persönliche Meinung dazu deutlich äußert (und auch ihre Lese-
rinnen zur Meinungsäußerung auffordert) geht, wie Helga Brandes treffend
feststellt, schon in Richtung des journalistischen Kommentars und macht ihre
Zeitschrift „zum Forum weiblichen Meinungs- und Erfahrungsaustauschs“^^.
Marianne Ehrmann hat die ungeschriebenen Grenzen der passiven - re-
zeptiven oder im vorgegebenen Rahmen produktiven - Teilnahme an der Öf-
fentlichkeit überschritten. Dessen ist sie sich sehr wohl bewußt und beeilt sich
bereits in ihrer durchgehend kämpferisch klingenden Antrittsrede, ihre Positi-
on dadurch zu rechtfertigen, daß sie keine Kinder habe und ihre häuslichen
Pflichten erfülle. Wird sie mit ihren Zeitschriften auch tatsächlich zu einer
Person des öffentlichen Lebens, so stellt sie sich doch ihrem Publikum als
Privatmensch dar. Damit beugt sie einerseits eventuellen Angriffen vor und
bietet andererseits ihren Leserinnen überhaupt erst die Möglichkeit der Iden-
tifikation mit der Herausgeberin, die nötig ist, um Einfluß auf die öffentliche
(weibliche) Meinung zu nehmen.
89 Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 462.
57
Am Beispiel der Zeitschriften ihres Mannes hat Marianne Ehrmann gese-
hen, daß diese Form des Schreibens aktiver und direkter auf Meinungsbildung
und -äußerung Einfluß nehmen kann als literarisches Schreiben. Neben der
Möglichkeit eines regelmäßigen Einkommens bietet ihr die Zeitschrift die
Chance, sich in den öffentlichen Diskurs einzumischen. Sie ergreift sie in der
Hoffiiung, zur Wertschätzung der Frauen beitragen zu können.
58
4. Amaliens Erholungsstunden (1790 - 1792):
Erfolg und Wandel
4.1. Literatursoziologische Voraussetzungen:
Entstehung, Zielsetzung, Rezeption, Verlag
Die Monatschrift, die ich hier ankündige, soll einen doppelten Gegenstand haben.
Erstens Bildung und Belehrung, zweitens Unterhaltung und Erweiterung der
Kenntnisse des feinem Geschlechts. [...] Die Verfasserin begiebt sich aller Ansprü-
che auf eigentliche Schulgelehrsamkeit, sie will blos als Denkerinn auftreten, um ih-
re Erfahrungen, Bemerkungen und Urtheile über die Gegenstände, die sich ihr im
gesellschaftlichen Leben darbieten, mitzutheilen; doch wird sie sich die Freiheit
nehmen, auch hier und da in dieser zwoten Abtheilung ein Wörtchen mitzusprechen
Amaliens Erholungsstunden erscheinen zunächst - im ersten Jahrgang 1790 -
im Selbstverlag des Ehepaars Ehrmann, dem Verlag der Expedizion des Be-
obachters in Stuttgart^. Von Anfang an ist Marianne Ehrmann bemüht, für
ihre Zeitschrift zu werben. Den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend, zu der
die Verbreitung von Literatur noch hauptsächlich über private Wege erfolgt,
verschickt sie Vorankündigungen an Bekannte, Freunde und potentielle Gön-
ner mit der Bitte, diese im Bekanntenkreis zu verteilen imd damit Subskriben-
ten zu werben. Ihr nicht persönlich bekannte Adressaten versucht sie auf
‘Umwegen’ zu gewinnen, etwa bei GottMed August Bürger, dessen männli-
cher Eitelkeit sie schmeichelt^, oder bei Johann Caspar Lavater, bei dem sie
eher an seine Nächstenliebe appelliert^^. Außerdem erscheinen Ankündigun-
1 Journal des Luxus und der Moden, 4.Jg./1789, Intelligenzblatt, S. CLXm.
2 Über diesen Selbstverlag, vermutlich nach der von Theophil Friedrich Ehrmann herausge-
gebenen Zeitschrift benannt, ist weiter nichts bekannt. Er scheint jedoch das Ehepaar fi-
nanziell bald überfordert zu haben, denn beider Veröffentlichungen erscheinen in späteren
Jahren in fremden Verlagen.
3 Sie legt den Ankündigungen ein im Beobachter anonym erschienenes, an Bürger gerichte-
tes Liebesgedicht eines „Schwabenmädels“ bei. Tatsächlich zeigt der alternde Dichter In-
teresse und hält den Kontakt zu Marianne Ehrmann so lange, bis er die Autorin - Elise
Hahn - kennenlemt und heiratet. Diese dritte Ehe Bürgers geht nach zwei Jahren in die
Brüche; Marianne Ehrmann wird später der Vorwurf der Kuppelei gemacht (vgl. Ebeling,
G.A. Bürger, S. 67). Sie selbst hat keine Vorteile aus der Verbindung, da Bürger weder
Subskribenten noch Beiträge zu ihrer Zeitschrift liefert.
4 Sie schildert ihm in knappen Zügen ihr Leben und ihre finanziellen Schwierigkeiten und
bittet ihn abschließend, er möge „ßich gütigst in der Verbreitung dieser meiner Ankündi-
59
gen und, nach den ersten Heften, Rezensionen in anderen, zum Teil weitver-
breiteten Zeitschriften, so im Intelligenzblatt des Journals des Luxus und der
Moden oder im Journal von und für Deutschland. Da von vornherein kein nur
regionales Publikum angestrebt wird, sind solche weitgestreuten Werbemaß-
nahmen nötig.
Nach den ersten sechs Probeheften, die jeweils einen Zuwachs um etwa 60
Subskribenten verzeichnet haben sollen^, kann Marianne Ehrmann die Zeit-
schrift fortsetzen. Der Vertrieb geht bereits jetzt an Außenstehende, und zwar
an das örtliche Postamt. Wie Theophil Friedrich Ehrmann berichtet, hat er zu
Beginn des Jahres 1790 zwar die alten Schulden aus der Isnyer Zeit abge-
zahlt, kann jedoch die erforderlichen Ausgaben fiir Amaliens Erholungsstun-
den nach dem ersten Halbjahr 1790 nicht mehr auslegen und sieht sich von
daher gezwungen, den Verlag der Amalie und des Beobachters an das Post-
amt abzutreten^. Das bedeutet zunächst nichts anderes als daß das Postamt
Bestellungen an- und die Verbreitung bzw. Verteilung übernimmt. Auch im
zweiten Halbjahr steht der Verlag der Expedizion des Beobachters auf den
Titelblättern beider Zeitschriften.
Der Erfolg überfordert den Ehrmannschen Selbstverlag jedoch nicht nur
in finanzieller Hinsicht, sondern auch vom Arbeitsaufwand her, zumal Mari-
anne Ehrmanns Gesundheit nicht sehr stabil ist. Offenbar gelingt es ihr nicht
immer, die Hefte jeden Monat pünktlich fertigzustellen. Da das Ehepaar auf
die Einkünfte aus Amaliens Erholungsstunden angewiesen ist, entschließt es
sich, den Verlag ganz abzugeben und sich nur noch auf die Redaktion und das
Schreiben von Beiträgen zu konzentrieren. Man einigt sich mit der J.G. Cot-
taischen Verlagsbuchhandlung in Tübingen, und im Januarheft 1791 teilt
Marianne Ehrmann ihren Leserinnen mit:
Für die langsamere Erscheinung dieses und des vorigen Heftes muß ich meine ge-
ehrteste Leserinnen um Verzeihung bitten. Eine schwere Krankheit unterbrach mei-
ne Arbeiten.[...] Die Hefte werden nun schneller aufeinander folgen, da meine jezzi-
gen Herren Verleger die Herausgabe mit aller Thätigkeit und Sorgfalt betreibend
Alle Rechte an den im Jahrgang 1790 erschienenen Heften einschließlich des
vollständigen oder teilweisen Nachdrucks werden mit dem Vertrag vom
gungen unter ihre Menge von Bekannten für das Wohl einer Familie verwenden, die es
leider euserst bedarf (Brief an Lavater vom 29.9.1789, unveröff Mskr., ZB Zürich).
5 Vgl. Krull, Wirken der Frau, S. 243, die sich auf die Subskribentenlisten der Hefte beruft.
Ich konnte selbst die ersten beiden Bände des ersten Jahrgangs nur in der zweiten Auflage
einsehen, in der keine Subskribentenlisten enthalten sind.
6 Brief an die Hermannische Buchhandlung vom 24.4.1791 (unveröff. Mskr.,WLB Stutt-
gart).
7 AE 2/1791, 1. Bd., H. 1, S. 96 („An meine Leserinnen“).
60
24.11.1790^ der Cottaischen Verlagsbuchhandlung überschrieben. Ab Januar
1791 sollen Amaliens Erholungsstunden bei Cotta verlegt werden. Der Ver-
lag ist berechtigt, die Höhe der Auflage beliebig anzusetzen und alle Hefte
ohne besondere Genehmigung und Honorarzahlung nachzudrucken. Marianne
Ehrmann übernimmt die Verantwortung für den rechtzeitigen Eingang und die
Vollstäudigkeit der Manuskripte sowie die finanziellen Verpflichtungen ge-
genüber eventuellen Mitarbeitern. Sie erklärt sich weiterhin bereit, die Zeit-
schrift so lange fortzusetzen, wie der Verlag es wünscht. Als Entschädigung
für die Rechte an den bisher erschienen Heften verpflichtet sich die Cot-
taische Verlagsbuchhandlung im Gegenzug zur Zahlung von 250 fl. in bar
zum 1.1.1791 sowie zur Ausstellung eines ebenfalls am 1.1.1791 fälligen
Wechsels über 200 fl. Für jedes zukünftig erscheinende Heft soll Marianne
Ehrmann ein Honorar von 11 fl. je Druckbogen - das sind bei sechs Bogen
pro Heft 66 fl. im Monat - erhalten. Dieses Honorar soll auf 16 1/2 fl./Bogen
erhöht werden, sobald die Subskribentenzahl die 2000 überschreitet. Sie
erhält außerdem jeweils 12 Freiexemplare für sich und sieben für die Kom-
missionäre. Der Verlag verpflichtet sich, für zeitgerechten Druck und Kor-
rektur zu sorgen sowie die Qualität und den Subskriptionspreis des ersten
Jahrgangs beizubehalten. Damit hat Marianne Ehrmann zunächst den Kopf
frei für ihre herausgeberische und publizistische Arbeit. Sie bittet im Januar-
heft 1791 ihre Leserinnen, sich in geschäftlichen Belangen zukünftig aus-
schließlich an den neuen Verlag zu wenden^.
Die Zeitschrift ist recht erfolgreich; die Auflagenhöhe von mindestens
1000 Exemplaren ist für ein rein auf Frauen ausgerichtetes Blatt relativ
hoch^^. Darüber hinaus scheint der Verlag sich eine Umsatzsteigerung zu
erhoffen, wenn er eine Erhöhung des Honorars bei auf 2000 steigender Sub-
skribentenzahl in Aussicht stellt. Der überraschende Erfolg einer eher unbe-
kannten Publitzistin wie auch das allgemeine Interesse an unterhaltenden
Blättern läßt diese Annahme durchaus zu. Zum Subskriptionspreis von 2
Gulden (oder 1 Taler 4 Groschen) für das halbe Jahr^^ über die Postämter
Cannstatt und Stuttgart, die den Hauptversand übernommen haben, erhältlich,
8 Vertrag über den Verlag von Amaliens Erholungsstunden (unveröfF. Mskr., Cotta- Archiv).
9 AE 2I\19\, Bd, H. 2, S. 192: „Ueberhäufte Geschäfte nöthigen mich zu der Bitte, daß
sich meine güthigen Leser und Leserinnen mit Bestellungen, Geld, und Briefen ganz allein
an die J.G.Cottaische Buchhandlung in Tübingen wenden möchten,
10 Als erfolgreiche Publikumszeitschriften des ausgehenden Jahrhunderts nennt Rolf Engel-
sing Nicolais Allgemeine Deutsche Bibliothek (1800 Ex.), Wielands Teutschen Merkur
(1500 Ex.) und das Deutsche Museum (1000 Ex.); das Journal des Luxus und der Moden
kommt auf 1200 Exemplare (Analphabetentum und Lektüre, S. 61). Laut Walter
ist die am besten eingefiihrte Zeitschrift die Jenaer Literaturzeitung mit einer Auflage von
2000 Exemplaren (Die gesellschaftlichen Grundlagen, S. 264).
1 1 Verlagsnachricht in AE 1/1790, 4. Bd, H. 10, Umschlagseite.
61
kann die Zeitschrift auch bei anderen Postämtern und Buchhändlern bezogen
werden^^. Das aus den Subskribentenlisten zu rekonstruierende Publikum
stammt in der Hauptsache aus Süddeutschland, v.a. aus Württemberg, aber
auch aus anderen Gebieten Deutschlands (Leipzig, Berlin, Hamburg...) und
aus dem Ausland (Schweiz, Italien, Frankreich, Dänemark...). Die Subskri-
bentinnen und Subskribenten^^ gehören größtenteils dem gehobenen Bürger-
tum an (Hofgerichtsrätin, Doktor, Professor...), aber auch der Adel ist vertre-
ten (verschiedene Fürstinnen, Barone, Grafen). Außerdem gehört eine große
Zahl von Buchhändlern zu den Subskribenten, und auch eine Lesegesellschaft
(Eisenach) ist vertreten^^. Amaliens Erholungsstunden kommen insgesamt
auf knapp 1000 Subskribenten, bei der damals gängigen Praxis des Vor- oder
Zusammenlesens oder des Zusammenschließens zu einer Lesergruppe, die
von verschiedenen Blättern je ein Exemplar abonniert, das dann kursiert,
jedoch sicherlich auf einen wesentlich größeren Leserinnenkreis.
Diesen Leserinnen nun möchte Marianne Ehrmann ihre Vorstellung von
gesellschaftlichen Strukturen nahebringen. Ihr erklärtes Ziel ist es nicht nur,
„belehrend und veredelnd auf Verstand und Gemüt ihrer Mitschwestem zu
wirken“, wie im Damen-Conversations-Lexicon von 1835 nachzulesen ist,
sondern auch, Gesellschaftsstrukturen zu beurteilen und ,,ein Wörtchen mitzu-
sprechen‘‘^^ , Diese Zielsetzung bedeutet, daß sie in ihrer Zeitschrift ein Fo-
rum des Meinungsaustausches und der Gesellschaftskritik bieten will. Ihr
gesellschaftspolitisches Interesse ist dabei besonders auf die Situation der
Frauen gerichtet. Dabei stellt sich auch die Frage nach der Zensur. Obwohl
über Zensurbedingungen speziell bei der Herausgabe von Amaliens Erho-
lungsstunden keine Informationen überliefert sind, kann man davon ausgehen,
daß die Zensurbestimmungen des württembergischen Souveräns Karl Eugen,
in dessen Hoheitsbereich die Zeitschrift erscheint, von Marianne Ehrmann
und ihrem Verlag bei der Zusammenstellung des Manuskripts zumindest
12 Peter Schmidt schreibt, der Vertrieb der Zeitschriften des ausgehenden Jahrhunderts könne
weder über die Messe noch über die üblichen Postwege laufen (Gründe dafür gibt er keine
an) und gestalte sich von daher schwierig: „In der Regel läuft die Distribution direkt vom
Drucker, noch häufiger vom Verfasser zum Konsumenten - [...], in jedem Fall außeror-
dentlich dilettantisch. Dadurch blieb der Vertrieb in der Regel auf einen sehr kleinen loka-
len Bereich beschränkt.“ (Buchmarkt, Verlagswesen und Zeitschriften, S. 87). Das bedeu-
tet, daß Marianne Ehrmanns Zeitschriften spätestens nach der Partnerschaft mit Cotta eine
ungewöhnlich professionelle Verbreitung erfahren und auch deshalb so erfolgreich sind.
1 3 Bei subskribierenden Männern kann man davon ausgehen, daß sie die Zeitschrift für ihre
Frauen oder Töchter abonnieren. Auch wenn die Anspielungen oder Artikel in der Zeit-
schrift auf Zuschriften märmlicher Leser schließen lassen, so ist sie doch deutlich an ein
weibliches Publikum gerichtet.
14 Vgl. die Subskribentenlisten in AE 1/1790, Bde 3 u. 4; 2/1791, Bd. 1; 3/1792, Bde 1, 2
und 4.
1 5 Journal des Luxus und der Moden, 4. Jg./l 789, Intelligenzblatt, S. CLXm.
62
berücksichtigt werden^ Daß mit dem Fürsten nicht zu spaßen ist, ist minde-
stens seit der Arretierung Schubarts^^ hinlänglich bekannt.
Karl Eugen erläßt 1791 eine Zensurverordnung, die die periodische Presse
einer Vorzensur unterstellt^^ und die für Marianne Ehrmann also ab dem
zweiten Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden in Kraft tritt. Er will damit
erreichen,
dass durch die hier herauskommende politische Zeitungen, welche so grossen Ein-
fluss auf die Denkungsart der ungebildeten und zahlreichen Classe Unserer lieben
und getreuen Unterthanen haben, gute Eindrücke veranlasst und derselben Bildung
in jeder Rücksicht eher befördert als zurückgesetzt, auch durch richtige Würdigung
der guten und schlimmen Ereignisse wahre Aufklärung wo nur immer möglich ist
ausgebreitet werde; ^
Die Zensoren können bei ihnen jfragwürdig erscheinenden Artikeln den Druck
verhindern. Autoren oder Herausgeber werden auf die fragliche Stelle hin-
gewiesen und ihnen wird fi*eigestellt, sie ganz zu streichen oder im Sinne der
Zensur abzuändem. Diese Vorzensur für periodische Schriften begreift sicher
auch eine Frauenzeitschrift wie Amaliens Erholungsstunden als im weitesten
Sinne politisch und stellt sie von daher unter Kontrolle. Zusammen mit der
geschäftlichen Einflußnahme durch den Verlag bedeutet dies für Marianne
Ehrmann die Notwendigkeit, möglichei*weise gesellschaftskritische Inhalte
vorsichtiger zu formulieren, eine Notwendigkeit, die durch die unorthodoxen
Inhalte der bereits veröffentlichten Hefte noch verstärkt worden sein mag^^.
16 Zur Frage der Zensurbestimmungen im ausgehenden 18. Jahrhundert vgl. Krempel (Das
Zensurrecht in Deutschland) oder Sashegyi (Zensur und Geistesfreiheit).
17 Daniel Christian Schubart ist von Januar 1777 bis Mai 1787 auf der Festung Hohenasperg
inhaftiert, weil er in seiner Deutschen Chronik politische Kritik am Fürstenregime geübt
hat. Besondere Brisanz erhält diese Arretierung dadurch, daß Schubart, der von Karl Eugen
bereits 1773 des Landes verwiesen worden ist, gezielt zum Zwecke der Verhaftung auf
württembergischen Boden gelockt und in der Folge zehn Jahre lang auf dem Hohenasperg
festgehalten wird. Marianne Ehrmann ist mit Schubart und seiner Familie bekannt. Es ist
anzunehmen, daß sein Schicksal nachhaltigen Einduck bei ihr hinterläßt.
18 Es sollen „keine Stelle und Ausdrücke im geringsten gestattet werden, welche wider die
Religion, Moralität, StaatsVerfassung, gute Sitten und allgemeinen Wohlstand laufen,
oder wodurch die Ehre einzelner oder mehrerer beleidigt wird; [...]“ (Censur- Verordnung
vom 13. Juli 1791, Abdruck in: Krempel, Zensurrecht, Beilage V, o.S.).
1 9 Censur- Verordnung, a. a.O.
20 Zwar sieht Marianne Ehrmann die Herzogin Franziska von Hohenheim als ihre Gönnerin
an, doch auch ihre Bekanntschaft mit der Fürstin ändert nichts an der Tatsache der Vorzen-
sur. Als ‘Neubürgerin’ in Stuttgart muß sie vielmehr ebenso wie ihr Mann darauf achten,
dem Fürstenpaar nicht unangenehm aufzufallen, zumal Theophil Friedrich Ehrmann auf
eine Berufung an die Hohe Karlsschule hofft und die Einkünfte aus der Zeitschrift einst-
weilen ihrer beider Auskommen sichern.
63
4.2. Erscheinungsweise, Präsentation, Struktur:
Das Journal als literarische Gattung
Amaliens Erholungsstunden, [...] verdienen wegen ihres eben so unterhaltenden, als
lehrreichen Inhalts besonders empfohlen zu werden. [...] Das Aeußere dieser Mo-
natsschrift entspricht ihrem innern Gehalt vollkommen, und macht dieselbe zu ei-
nem beliebten Lesebuch für Frauenzimmer?'^
Die Zeitschrift ist ein Medium, das formal zwischen der schönen Literatur
und der Zeitung steht: Kein reines Informationsinstrument, aber auch keine
nur fiktionale Literatur. Sie unterscheidet sich durch die für die Publizistik
maßgeblichen Komponenten Aktualität, Periodizität, Kontinuität, Öffentlich-
keit, Universalität und Kommerzialitä?^ zunehmend von anderen literari-
schen Gattungen wie dem Roman oder dem Drama. Zeitschriften sind, einer
Definition Paul Gehrings folgend, „literarische Veröffentlichungen in gewollt
iterativer Form [...], also in Teilen, deren jeder grundsätzlich die Zeitschrift
als ganzes repräsentiert und die, wenn ihr Inhalt bestimmungsgemäß auf das
Neueste aus aller Welt, wie auch bei der Zeitung, gerichtet ist, von ‘sekundä-
rer Aktualität’ [...] sind, d.h. nicht auf das Neueste um des Neuen willen aus
sind, sondern auf seine wertende Einbeziehung in einen historisch-politischen
Gesamtablauf.“^^
Als eine der ersten Frauenzeitschriften beginnen Amaliens Erholungsstun-
den, dieser Definition in ihrer publizistischen Grundhaltung zu entsprechen.
Die Hefte erscheinen monatlich in gleicher Aufinachung: Auf 6 Bogen (96
Seiten) Text im Oktavformat verteilen sich verschiedenartige Beiträge in
nahezu gleichbleibender Abfolge. Alle drei Monate werden die Hefte zu
einem Bändchen zusammengefaßt und mit Musikbeilagen sowie einem Ti-
telkupfer versehen. Subskribiert werden kann nur mindestens auf ein halbes
Jahr; die Lektüre einzelner Hefte scheint aufgrund der einander fortsetzenden
oder aufeinander aufbauenden Beiträge auch nicht ratsam.
Amaliens Erholungsstunden präsentieren sich ihrer Leserschaft als eine
Zeitschrift mit weniger literarischer denn journalistischer Motivation. Ein
Blick auf die Inhaltsverzeichnisse verrät eine formal und thematisch abwechs-
lungsreiche Gestaltung: Briefe, ‘wahre’ Geschichten, Anekdoten, Erzählun-
gen, populärwissenschaftliche Beiträge zu Geschichte und Geographie, ak-
tuelle Neuigkeiten, Buchanzeigen, Glossen zu gesellschaftlichen und sittli-
chen Fragen etc. wechseln einander ab und werden durch Gedichte, Musik-
21 Ankündigung im Journal von und für Deutschland, 7/1790, 5. St., Umschlagseite.
22 Gmndlegend für ein theoretisches Verständnis der Publizistik ist Walter Hagemanns Arbeit
„Grundzüge der Publizistik“. Hagemann entwickelt die genannten Begriffe und beschreibt
Methoden, den publizistischen Prozeß nachzuvollziehen.
23 Gehring, Anfänge des Zeitschriftenwesens, S. 1 .
64
beilagen und Titelkupfer aufgelockert und ergänzt. Fortsetzungsbeiträge und
wiederkehrende Rubriken tragen zum Profil der Zeitschrift bei. Die Beiträge
werden im wesentlichen von Marianne Ehrmann und ihrem Mann verfaßt und
sind mit Namen oder Abkürzung gekennzeichnet. Der Aufbau der Hefte folgt
einem bestimmten Schema, das mit geringen Abweichungen in fast allen
Heften eingehalten wird: Auf Romane, Erzählungen und andere Beiträge
Marianne Ehrmanns zu zeitgenössischen Frauenthemen folgen kurze Szenen
und Gedichte, dann Anekdoten, populärwissenschaftliche Beiträge Theophil
Friedrich Ehrmanns, tagespolitische Notizen und zum Abschluß Bücheran-
zeigen^4 ]y[it dieser Abfolge ‘wandert’ jedes Heft von eher literarischen und
essayistischen Beiträgen gesellschaftspolitischer Prägung über unterhaltende
bis hin zu berichtenden, bildenden und informativen Beiträgen. Marianne
Ehrmann selbst sieht ihre Zeitschrift als aus zwei Teilen bestehend, deren
erster ,^eckmäßige moralische und auch satyrische Aufsätze‘‘ enthält, die
„zww Nachdenken über sich selbst und über andere^^ anregen sollen, während
der zweite Teil .ßeiträgen zur Unterhaltung aus allen Fächern geweihef"
ist^^.
Die am Anfang der Hefte stehenden Beiträge Marianne Ehrmanns, der
‘erste Teil’ der Zeitschrift, behandeln vordergründig private, familiäre Be-
lange, die durchaus von gesellschftspolitischer Relevanz sind.. Sie beschäfti-
gen sich mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft und der Alltagswelt der
Leserinnen. Marianne Ehrmann wählt dafür verschiedene Schreibformen:
Romane und ‘wahre’ Geschichten^^, Szenen in Dialogform, Erzählungen,
24 Zur Illustration hier der Inhalt des Februarheftes 1790:
Die unglükliche Hanne. Eine völlig wahre Geschichte (M.A.E., S. 97-132, Forts.)
Ueber die eheliche Glükseligkeit. Ein Fragment ^.A.E., S. 133 - 153)
Meine Glossen über das Wort: Mann. Aus Amaliens Tagebuche (M.A.E., S. 153 - 160)
Die Baurenleiche. Eine ländliche Szene (Joseph***, S. 160 - 165)
Gedichte: Unsre Freuden sind Täuschung (Joseph***, S. 166 - 167), Der glückliche Bauer
(Asmus, S. 167 - 170), An sein Herz / Der gesetzte Muth / Die Schiffahrt des Lebens
(Herder, S. 170/171).
Zwo Anekdoten: Die arme Verführte. Ganz neu und wahr (S. 172 - 175), Das Neujahrsge-
schenk (S. 175 - 178, beide M.A.E.)
Ueber die Ehen verschiedener Völker. Fortsetzung (T.F.E., S. 178 - 184, Forts.)
Uebersicht der neuesten Weltbegebenheiten (T.F.E., S. 184 - 190, feste Rubrik)
Kurze Bücheranzeigen (o.Z. [T.F.E.], S. 190 - 192, feste Rubrik).
25 Ankündigung im Journal des Luxus und der Moden 4/1789, Intelligenzblatt, S. CLXin.
26 Die ‘Wahrheitsfiktion’ der Romanbeiträge, die im 18. Jahrhundert immer mehr um sich
greift, hat ihre Ursache neben der von der Publizistik erwarteten Aktualität und Lebensnä-
he vor allem, wie Helga Brandes erläutert, in dem Kampf der Autorinnen um gesellschaft-
liche Anerkennung (Der Frauenroman und die publizistische Öffentlichkeit, S. 48). Dabei
mag auch eine Rolle spielen, daß den Autorinnen die theoretische, ‘wissenschaftliche’
Auseinandersetzung mit ihren Lebensumständen als außerhalb ihres Bildungsbereiches lie-
gend nicht zugestanden wird. In der Theorie gesellschaftliche Gegebenheiten za diskutieren
65
Anekdoten und Essays. Anhand von Einzelschicksalen illustriert sie sowohl
die weibliche Lebensrealität als auch männliches wie weibliches Fehl verhal-
ten. Neben einem moralischen Diktum ist eine unverkennbar gesellschaftskri-
tische Haltung vorhanden. Marianne Ehrmann zieht sich in ihren eher litera-
rischen Beiträgen nicht auf eine fiktive Welt zurück, sondern präsentiert sie
als wahre Begebenheiten, die den Leserinnen Hinweise auf mögliche Gefah-
ren wie auch erstrebenswerte Tugenden geben können. Darauf weist sie selbst
immer wieder hin, z.B. in der Einleitung zu der „ganz wahren Geschichte“ mit
dem Titel „Weiberreiz und Männerliebe“: Jhr Zwek ist Aufinunterung zur
weiblichen Geisteskultur. Sie soll zum Beispiel dienen, wie weit es das weib-
liche Geschlecht mit Kopf und Herz auch im Alter noch brngen kann‘'^'^.
Oft ist die Thematik schon im Titel enthalten, z.B. bei ,J)ie Folgen des
ersten Fehltritts, eine wahre Geschichte“^^ oder ,JR.osalie, oder wer sichert
Unschuld vor Verfuhrerslist“^^. Edith Krull charakterisiert sie als
,,Verfuhrungsgeschichten und Lebensläufe gefallener Mädchen, die 50 Jahre
später in einer Mädchenzeitschrift vollkommen undenkbar gewesen wären“^^.
Sie sind meist äußerst dramatisch aufgebaut, nicht selten enden die Geschich-
ten mit dem Tod der Protagonistin, nachdem diese alle nur möglichen Wi-
drigkeiten (Verlust der Familie, Verführung, Schwangerschaft, Verarmung,
Gefängnis u.s.w.) erfahren hat. In ihrer Melodramatik dürften sie dem zeitge-
nössischen Publikumsgeschmack entsprechen^ ^ Sie bieten ein unterhaltendes
ist zudem weniger wirkungsvoll als am praktischen Beispiel die Auswirkungen dieser Ge-
gebenheiten zu demonstrieren. Nachdem das Journal zum „Sprungbrett für schreibende
Frauen“ geworden ist, findet dort eine inhaltiche wie auch formale Weiterentwicklung des
Romans statt. Das Journal als Publikationsort für den Roman des ausgehenden 18. Jahr-
hunderts hat vielfältige Auswirkungen auf die Romanstruktur, so die Vorliebe für kürzere
Texte (etwa Novellen oder Erzählungen) oder bei Fortsetzungsromanen den Zwang zur in-
haltlichen Gliederung (vgl. dazu Brandes, a.a.O., hier besonders S. 48 ff).
27 AE 1/1790, 3, Bd., H. 9, S. 193.
28 AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 30 - 38.
29 AE 1/1790, 4. Bd., H. 10, S. 1 - 34.
30 Krull, Wirken der Frau, S. 248.
31 Diese Beiträge werden in der Sekundärliteratur oft als die Zeitschrift bestimmend darge-
stellt, so spricht Paul Gehring von ,,reinste[r] Unterhaltungsware [...] mit einer in morali-
scher Entrüstung versteckten Freude am Schlüpfrigen“ (Die Anfänge des Zeitschriftenwe-
sens, S. 19), Dorothea Kuhn charakterisiert Marianne Ehrmanns Journal als aus
„lehrreichen Moritaten“ bestehend und untermauert dies mit dem Zitat eines ausgespro-
chen melodramatischen Passus aus einer Erzählung (Cotta und das 19. Jahrhundert, S. 44).
Man kann jedoch weder Amaliens Erholungsstunden allein auf diese Beiträge reduzieren,
noch darf man ihre stilistische wie thematische Zugehörigkeit zur zeitgenössischen Tri-
vialliteratur übersehen. Geschichten dieser Art werden im ausgehenden 1 8. Jahrhunderts
gern und viel gelesen. Marianne Ehrmann bedient damit den Publikumsgeschmack und
sorgt auch auf diesem Wege für den Absatz ihres Journals (vgl. zur Frage von Triviallitera-
tur und Massenlektüre Beaujean: Frauen-, Familien-, Abenteuer- und Schauerroman, dies.:
Philanthropie und Gesellschaftskritik oder Plaul, Illustrierte Geschichte der Trivialliteratur,
66
Element, das Marianne Ehrmann durch die Mischung verschiedener Schreib-
weisen noch verstärkt: Sie versetzt ihre Romane und Erzählungen mit Briefen
der Protagonisten und wechselt bei spannenden Stellen vom Erzählstil zur
szenischen Darstellung. Mit einem Umfang von etwa 30 Seiten füllen diese
Geschichten knapp das erste Drittel eines jeden Heftes.
Danach folgen Beiträge allgemeineren Inhalts, deren Thematik im weibli-
chen Lebensalltag wurzelt; zumeist handelt es sich um populärphilosophische
Aufsätze zu Themen wie „Ueber die eheliche Glükseligkeit“, „Ueber die
Haushaltungskunst“ oder „Ueber gesellschaftliches Leben und Sittlichkeit des
Umgangs“^^. Anders als die Titel zum Teil vermuten lassen, werden hier
keine praktischen Ratschläge gegeben, vielmehr gesellschaftliche Aufgaben
und Rollen definiert, geschlechterphilosophische Überlegungen wie auch
allgemeine Betrachtungen zu menschlichem Verhalten angestellt. Marianne
Ehrmann ordnet diese Traktate dem Bereich ,JVIenschenkenntnis“ zu. Da-
durch entsprechen sie den Anforderungen der Herausgeberin an die Wirkung
einer richtig gewählten weiblichen Lektüre: ,JDurch sie geleitet, erhält [...]
das Weib Keuschheit, Frömmigkeit, häusliche Klugheit, reife Vernunft, ge-
sellschaftlichen Ton, gesunde Beurtheilungskrqft, Erfahrung und Menschen-
kenntniß'"^^ . Auch diese Beiträge sind mit etwa 20 Seiten relativ umfangreich
und stammen meist aus der Feder Marianne Ehrmanns.
Zu den wesentlichen Bestandteilen von Amaliens Erholungsstunden gehö-
ren neben den Beiträgen Marianne Ehrmanns vor allem die von Theophil
Friedrich Ehrmann verfaßten populärwissenschaftlichen und tagespolitischen
Artikel, die am Ende eines jeden Heftes stehen und zusammen mit Gedichten
und Musikbeilagen den ‘zweiten Teil’ bilden. Ziele und Inhalte seiner histori-
schen, geographischen und anthropologischen Artikel erläutert Theophil
Friedrich Ehrmann in einer im ersten Heft der Zeitschrift erscheinenden Ein-
leitung in diese „Frauenzimmer-Geographie“^^^: Jhre Haupttheile sind: die
Erdkunde, im allgemeinen - die Länderkunde, die Völkerkunde und die
Staatenkunde“^^. Da besonders die Lebensumstände anderer Frauen für die
Leserinnen von Belang seien, wolle er den Schwerpunkt auf ,JSkizzen aus der
hier besonders S. 107 ff und 120 ff). Im Gesamtkontext der Zeitschrift Marianne Ehr-
manns erfahren diese Beiträge eine nicht stilistische, jedoch inhaltliche Aufwertung.
32 AE 1/1790, 1. Bd., H. 2, S. 133-153; 2. Bd., H. 5, S. 125-148; 3. Bd., H. 9, S. 206-222.
33 AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 14 („Ueber die Lektür“). Die Thematik der Beiträge ist ge-
schickt gewählt, da jeder Frau die Beschäftigung mit häuslichen Themen angeraten und
hinter solchen Titeln keine Gesellschaftskritik vermutet wird.
34 AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 60 - 66 („Frauenzimmer-Geographie. Als Einleitung zu künfti-
gen Gemälden aus der Länder- und Völkerkunde“). Geschäftlich geschickt weist Theophil
Friedrich Ehrmann an dieser Stelle auch auf eine in Planung befindliche Publikation Geo-
graphie für Frauenzimmer hin, die diese Beiträge ergänzen würden (ibid., S. 66).
35 A.a.O., S. 62 (Hervorh. im Original).
67
SImalten j
(Stflcfl SSäflb^en.
^eutfc&lönbö ^oc&fern
S e w e i M
von
Snartonnc mannt
3»*te äluflage.
tCütmgen 1790.
ln t)er 2f* Sottatfc^on iSud^^anMung.
Abb. 2: Titelbild 1/1790
68
Schilderung der weiblichen Sitten*‘^^ legen. Seine Beiträge befassen sich
vorrangig mit der Frage der Frauenrechte und -pflichten in anderen Ländern,
der dortigen Stellung und Rolle der Frau^^. Sie bieten ‘unterhaltende Wissen-
schaft’, die Thematik bleibt dabei jedoch auf Ehe- und Familienfragen be-
schränkt. Neben der Schilderung von Sitten, Riten und Gesetzen anderer
Länder wird in diesen Artikeln mit einem durchschnittlichen Umfang von
sechs bis acht Seiten die Lebensweise anderer Völker mit der der Deutschen
verglichene^. Theophil Friedrich Ehrmanns populärwissenschaftliche Beiträ-
ge überschreiten zwar die engen räumlichen Grenzen, in denen die Leserinnen
leben, gehen jedoch thematisch nicht über die ihnen zugestandenen Lebens-
und Interessensbereiche Ehe und Familie hinaus. Die Beschäftigung mit
fremden Kulturen bereichert die Zeitschrift dabei um ein die zeitgenössische
Mädchenbildung ergänzendes Element.
Innovativer für das Genre des Frauenjoumals ist die bis zum Aprilheft des
zweiten Jahrgangs monatlich erscheinende Rubrik „Uebersicht über die neue-
sten Weltbegebenheiten“, für die ebenfalls Theophil Friedrich Ehrmann ver-
antwortlich zeichnet^^. Er faßt hier auf etwa zwei bis vier Seiten die politi-
schen Ereignisse des jeweiligen Vormonats für die verschiedenen europäi-
schen Länder zusammen. Dabei nimmt Theophil Friedrich Ehrmann die ak-
tuellen Ereignisse im benachbarten Frankreich zum Anlaß, die politische
Lage in Deutschland grundsätzlich positiv zu beurteilen, so daß diese Bei-
träge trotz einer spürbaren SympatWe des gebürtigen Straßburgers für das
französische Volk im Ganzen eher restaurativ ausfallen"^^. Mit diesem starken
36 A.a.O., S. 66.
37 Teilweise wird diese Thematik in allgemeinen Beiträgen wie „lieber die Ehen verschiede-
ner Völker“ (Fortsetzungsreihe in den Heften 1 - 6 des ersten Jahrgangs) abgehandelt,
manchmal beschäftigen die Artikel sich auch mit Einzelthemen (z.B. „Moral der Indier“, in
AE 1/1790, 4. Bd., H. 12, S. 150 - 152).
38 Die auf Treue, Tugend und Sittlichkeit basierende abendländische Lebensweise wird hier
als die vergleichsweise zivilisierteste bestätigt, Kritik an der eigenen Gesellschaft wird in
diesen Artikeln kaum geübt.
39 In den ersten beiden Heften des zweiten Jahrgangs unter dem Titel „Bruchstükke aus der
neuesten Welt- und Menschheitsgeschichte“. Nur im Maiheft des ersten Jahrgangs er-
scheint die Rubrik mit dem Verfasserkürzel „J.J.K.“, wohinter sich Theophil Friedrich
Ehrmanns Gehilfe Johann Jakob Keller verbirgt, sonst wird sie von Theophil Friedrich
Ehrmann selbst verfaßt. Damit kommt Marianne Ehrmann zwar das Verdienst zu, politi-
sche Beiträge in ihre Zeitschrift zu integrieren, sie betrachtet jedoch keinesfalls, wie Mar-
got Lindemann behauptet, Politik „vom Standpunkt der Frau“ (Deutsche Presse bis 1815,
S. 246). Lindemanns Folgerung, daß ein „Eintreten für Frieden und Ordnung“ deshalb auf
das Geschlecht der Schreiberin zurückzuführen sei (ibid.), wird damit ad absurdum ge-
führt.
40 Bedenkt man, daß Theophil Friedrich Ehrmann in der Hoffnung auf eine Professur an der
Hohen Karlsschule nach Stuttgart gekommen ist, erscheint dies nicht weiter verwunderlich.
Daneben muß berücksichtigt werden, daß Theophil Friedrich Ehrmann als Immigrant aus
69
und direkten Bezug zum aktuellen Weltgeschehen bieten Amaliens Erho-
lungsstunden einen für eine Frauenzeitschrift ungewöhnlichen politischen
Gehalt. Während die Vorstellung, Frauen könnten sich für Politik nicht nur
interessieren, sondern gar die intellektuellen Voraussetzungen für die Be-
schäftigung mit politischen Ereignissen mitbringen und daraus womöglich ei-
nen Nutzen ziehen, noch als vollkommen indiskutabel gild^ gehört die Be-
schäftigung mit politischen Belangen, ,4^n Begriffen unstudirter Lektur-
freundinnen angemessen“^^ , bereits zum Profil von Amaliens Erholungs-
stunden. Vertieft wird dieser Aspekt in den in diesem Teil der Zeitschrift
erscheinenden Anekdoten, die neben moralisch-ethischen auch politische
Themen aufgreifen. Neben einem versteckten politischen Gehalt^^ werden
hier starke Frauenpersönlichkeiten geschildert, deren bewußter und aktiver
Umgang mit der politischen Realität grundsätzlich als positiv beschrieben
wird^^. Mehr noch als Theophil Friedrich Ehrmanns „Uebersicht“ tragen
diese Anekdoten, die zu einem großen Teil mit dem Kürzel Marianne Ehr-
manns erscheinen, zur politischen Brisanz der Zeitschrift bei. In ihnen werden
politische Ereignisse nicht nur aufgegriffen, sondern sie werden auch mit
Kommentaren versehen und dabei zum Anlaß genommen, die Einbeziehung
von Frauen in politische Aktivitäten voranzutreiben"^^. Diese in der eher
Straßburg auf das Wohlwollen des württembergischen Souveräns angewiesen ist. In seiner
Zeitschrift Der Beobachter (1788/90) ist er bemüht, sich Karl Eugen mit schwäbisch-
heimatverbundenen Artikeln anzudienen (vgl. hierzu Volz, Schwabens streitbare Musen, S.
41 f). Er wird in Amaliens Erholungsstunden, wo die Publikation politischer Artikel per se
ein unorthodoxes Vorgehen bedeutet, keine unnötigen Risiken eingehen.
41 Jacobi stellt in der Iris Politik als „nicht-moralisches, der weiblichen Tugend abträgliches
Geschäft in der großen Welt, die sowieso nicht zum Lebensbereich der Frau gehört“ dar
(Böhmel-Fichera, Frmenzimmer und die Mannsperson, S. 136).
42 Ankündigung im Journal des Luxus und der Moden, 4/1789, Intelligenzblatt, S. CLXIII.
43 Z.B. schildert Theophil Friedrich Ehrmann den Verfall des religiösen Glaubens am Bei-
spiel französischer Hofdamen, die nur dann in die Kirche gehen, wenn auch der König dort
erscheint. Neben dem Vorwurf der religiösen Heuchelei enthalten diese Anekdoten einen
Angriff auf die Verlogenheit und Künstlichkeit der Hofgesellschaft (AE 1/1790, 1. Bd., H.
1, S. 84 - 86). Versteckt wird hier also Kritik am Adel geübt.
44 U.a. eine Anekdote über Straßburgerinnen, die einen „patriotischen Bund“ begründet
haben {AE 1/1790, 3. Bd., H. 7, S. 81 - 83) oder über die Französin Morat, die der franzö-
sischen Nationalversammlung Vorschläge zur Mädchenerziehung vorgelegt hat {AE
1/1790, 2. Bd., H. 4, S. 73/74). Zu diesen Anekdoten vgl. auch Kap. 4.3.4. dieser Arbeit.
45 Wie Eva Kammler feststellt, ist die Französische Revolution für Marianne Ehrmann „vor
allem unter dem Aspekt interessant, welche Veränderungen sich für die Lage der Frau er-
geben“ (Professionalisierung und Dilettantismus, S. 164). Frauenspezifische Geschehnisse
im Zuge der Französischen Revolution behandelt sie in ihren Anekdoten als Ergänzung zu
der „Uebersicht ueber die neuesten Weltbegebenheiten“, die solche Ereignisse kaum be-
rücksichtigt (zum politischen Gehalt von Amaliens Erholungsstunden im Hinblick auf die
Französische Revolution vgl. Kammler, a.a.O., S. 161 ff).
70
harmlos anmutenden Form der Anekdote enthaltenen Beiträge stellen so eine
Art frauenpolitischer Ergänzung zu den monatlichen „Uebersichten“ dar.
Das Gesamtprofil der Zeitschrift wird abgerundet durch eingestreute Ge-
dichte, Bücheranzeigen und Musikbeilagen. Zunächst finden sich nur wenig
Fremdbeiträge, meist in Form von Übersetzungen, die von Marianne Ehr-
mann oder ihrem Mann angefertigt werden, außerdem als die Eigenbeiträge
auflockemde Gedichte oder sie ergänzende Artikel"^^. Damit ist die Zeitschrift
in Gestaltung und Inhalten ein Produkt Marianne Ehrmanns. Die wenigen
Mitarbeiter zeichnen mit kaum auflösbaren Pseudonymen wie
J.E.R., H. oder Franz'^'^*, daneben erscheinen Gedichte von J.A. Sulzer,
Herder und J.D.W. Seel. Allein Joseph*'^*^'^ veröffentlicht neben Gedichten
auch mehrmals Beiträge über weibliche Eigenschaften. Ab dem Aprilheft
1790 entsteht zusätzlich eine Rubrik, in der alt- und mittelhochdeutsche Lyrik
zusammen mit ihrer neuhochdeutschen Übersetzung abgedruckt wird. Wenn
auch kein absolutes Novum im Genre der Frauenzeitschriften'^^, trägt doch
auch diese Rubrik, die ebenso wie die ans Ende jedes Bändchens gesetzten
Musikbeilagen weder als Fremd- noch als Eigenbeitrag zu werten ist, zu einer
ungewöhnlich abwechslungsreichen Gestaltung der Zeitschrift bei. Sie kann
als Versuch der direkten Vermittlung von Literaturgeschichte angesehen
werden.
Die Formen- und Themenvielfalt von Amaliens Erholungsstunden ermög-
licht ein Zusammenwirken von unterhaltenden, räsonierenden, didaktischen
und informativen Elementen. Darüber hinaus beteiligt Marianne Ehrmann
ihre Leserinnen am publizistischen Prozeß und schafft damit ein Forum der
Meinungsäusserung, ein Klima der nicht mehr nur rezeptiven, sondern auch
aktiven Teilnahme an öffentlichen Belangen. Die Leserinnen werden immer
wieder direkt angesprochen. Die Beiträge werden ihnen präsentiert als ebenso
unverzichtbares wie auch unverfängliches Mittel, ihren Wissenshorizont zu
erweitem'^^, aber auch als Möglichkeit, Einblicke in die Probleme und Gege-
46 So erscheint z.B. im Anschluß an Marianne Ehrmanns Beitrag „lieber die Haushaltungs-
kunst“ (AE 1/1790, Bd. 2, H. 5, S. 125 - 148) Louise v. „Brief einer Mutter an ihre
Tochter über Oekonomie“ (ibid, S. 148 - 157).
47 Hinter Joseph*** verbirgt sich der 1763 in Augsburg geborene Peter Neuss (vgl. Rass-
mann's kurzgefaßtes Lexikon, S. 94 und Lexicon pseudonymorum S. 282). Ein weiterer re-
gelmäßiger Mitarbeiter ist Johann Jakob Keller, unter dessen Kürzel JJ.K. zwar nur einmal
die „Uebersicht“ sowie eine Anekdote erscheinen, der aber laut ADB (Bd. 15) und Grad-
mann (S. 283) als Gehilfe Theophil Friedrich Ehrmanns an den verschiedenen Ehrmann-
schen Zeitschriften mitarbeitet, was zuweilen für Mißstimmungen im Ehrmannschen Hau-
se sorgt, (vgl. auch das Personenverzeichnis im Anhang zu dieser Arbeit).
48 Ein ähnlicher Beitrag ist bereits in Jacobis Iris erschienen („Minne-Lieder“, 4. Bd., 1. St.,
Juli 1775, S. 60/61). Möglicherweise ist also die Iris Marianne Ehrmann bekaimt.
49 Theophil Friedrich Ehrmann nennt in der „Uebersicht über die neuesten Weltbegebenhei-
ten“ die Zeitgeschichte als zugehörig zu den „nützlichen und unterhaltenden Wissenschaf-
71
benheiten gesellschaftlicher, besonders geschlechtsspezifischer Strukturen zu
erhalten und sie zu hinterfiragen. Sie werden aufgefordert, durch eigene Bei-
träge, die sie der Herausgeberin schicken können, zum Gedankenaustausch
beizutragen^^. Dadurch setzt bei den Leserinnen ein aktiver Prozeß des
Nachdenkens über die in der Zeitschrift behandelten Themen ein. Diese Dia-
logstruktur wird unterstützt durch Veröffentlichungen von Leserbriefen, die
zum Teil eine Diskussion erst in Gang bringen und die Marianne Ehrmann
zur Verstärkung ihrer Aussagen einsetzt^^. Damit wird, so Helga Brandes, die
„literarisierende Tendenz der Wochenschriften [...] zugunsten eines direkten
Realitätsbezuges abgebaut“, die Zeitschrift wird zum ,,diskursintegrative[n]
Medium“^^.
4.3. Frauen und gesellschaftliche Realität:
Die Präsentation emanzipatorischer Inhalte
Hinter der herkömmlichen Fassade dieser Zeitschrift verbirgt sich die radikale Posi-
tion der Herausgeberin und Autorin, die das traditionelle Selbstverständnis der Frau
in Frage stellt. [...] Sie will unterhalten und belehren, sie schreckt vor der Satire nicht
zurück, um dem 'hochweisen Männervölckchen' zu beweisen, daß es in den 'Weiber-
köpfen' deshalb immer so leer und 'alltäglich' aussieht, weil Vorurteile und vernach-
lässigte Erziehung die 'weiblichen Schwachheiten' in einem langen kulturellen Pro-
zeß haben entstehen lassen.
Vorstellungen und Ziele Marianne Ehrmanns liegen keineswegs so klar vor
uns, wie Sabine Schumann es im oben zitierten Absatz darstellt. Obwohl
Marianne Ehrmann das „traditionelle Selbstverständnis der Frau“ durchaus in
Frage stellt, sind ihre Beiträge immer gleichzeitig von Entschuldigungen,
Abschwächungen und der Rechtfertigung ihres Tuns geprägt. Die Diskrepanz
zwischen dem Wunsch nach größerer Selbständigkeit und der gleichzeitigen
Anerkennung zeitgenössischer Rollenzuweisung zeigt Marianne Ehrmann in
tert\ die man beobachtend überschauen könne, ,,ohne eben in politische Kannengießerein
zu verfallen^ {AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 75).
50 Marianne Ehrmaim bittet z.B. ihre Leserinnen bevor sie ihre Anekdoten über .schöne und
schädliche Züge von unserem Geschlecht veröffentlicht, eigene Erfahrungen als ‘wahre
Geschichten’ aufzuschreiben und einzusenden {AE 1/1790, 3. Bd., H. 7, S. 77 f).
51 Vgl. Z.B. den sich an ihren „Glossen über das Wort: Mann“ {AE 1/1790, 1. Bd., H. 2, S.
153 - 160) entzündenden Austausch mit einem Leser L.Ch.N., an den sich Reaktionen an-
derer Leser anschließen und der sich bis zum zweiten Heft des dritten Jahrgangs {AE
3/1792, 1. Bd., H. 2, S. 117 - 130) fortsetzt.
52 Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 462.
53 Schumann, Das lesende Frauenzimmer, S. 1 56 f
72
der Situation einer Frau in einer Gesellschaft, die an Männer gerichtete Kritik
nur abgeschwächt und mit Selbstkritik durchsetzt gestattet. Daß sie ihren
Vorsätzen zumindest teilweise gerecht werden kann, verdankt Marianne Ehr-
mann vor allem ihrem schriftstellerischen wie auch psychologischen Ge-
schick.
4.3.1 Aussage und Anspruch: Die Antrittsrede
Als Marianne Ehrmann beginnt, Amaliens Erholungsstunden herauszugeben,
hat sie neben finanziellen Gründen auch eine deutliche Motivation und ein
klares Konzept vorzuweisen. Während sie als Literatin und als Mitarbeiterin
an den Zeitschriften ihres Mannes unter nicht-öffentlichen Bedingungen
(Anonymität) nur begrenzt in öffentliche Belange eindringen konnte (fiktive
oder sog. ‘wahre’ Geschichten), hat sie sich nun entschlossen, sich in ihrer
Eigenschaft als Frau, erkennbar als die Person Marianne Ehrmann, in öffent-
liche Fragen einzumischen, wobei ihr das Wohl ihrer Geschlechtsgenossinnen
besonders am Herzen liegt. Wesentlich für die Verbesserung weiblicher Le-
bensumstände scheint ihr die Frage der bislang zögerlich betriebenen Mäd-
chenerziehung^^. Sie will ihre Leserinnen dazu motivieren, sich intellektuell
fortzuentwickeln, um dadurch ihre gesellschaftliche Position zu stärken:
Muthig meine theuersten Leserinnen! Lassen sie uns durch Nachdenken vorwärts
eilen, durch Selbstbekenntnis das Gute zu erhaschen suchen, und das Schwache
durch Grundsäzze in seinem Wachstum hindern, durch Thätigkeit und Kopf über
Vorurtheile hinweghüpfen, und durch Ueberzeugung das herrliche Ziel erreichen! -
Lassen sie uns mit Festigkeit an diesem Zwek arbeiten, mit Aufrichtigkeit unsere
Thorheiten verbessern, mit festem Vorsatz [...] ausharren, mit männlicher Standhaf-
tigkeit durchdringen und siegen!
Marianne Ehrmann begreift ihre Tätigkeit als ein ,,öjfentliches und ihr
Journal dementsprechend als frauenpolitische Zeitschrift. Mit großem Enthu-
siasmus betreibt sie die weibliche Variante der Aufklärung: Vorurteilen und
der Überlieferung will sie Vernunft und Mut zu eigenverantwortlichem Han-
deln entgegenstellen^^. Sie stellt dabei auch klar, wen sie für die vorhandenen
Mängel verantwortlich macht:
54 ,yMan kümmert sich im Ganzen so wenig um dieses Geschlecht, man hat so wenig Gedult
mit seiner Erziehung und Bildung, man opfert es so gerne alten Gewohnheiten und Vor-
urtheilen auf! Frau Mama wußte nicht besseres, folglich darf die Tochter auch nichts Bes-
seres wissen; dies sind die schiefen Schlußfolgerungen, denen man so manches hoffnungs-
volle Mädchen Preiß giebt (AE 1/1790, 1. Bd, H. 1, S. 3f , „Antrittsrede“).
55 „Antrittsrede“, a.a.O., S. 10 f.
56 Ibid.,S. 1.
57 Vgl. Madland, An Introduction, S. 185: „Ehrmann urges women to use reason and com-
mon sense, to think and to act, in Order to rise above a numbing vegetative existence.“
73
[Die meisten Männer] sind zufrieden, wenn ihre Weiber sich im Denken nicht von
der Magd unterscheiden, [...]. Sie sind zufrieden, wenn sie bei ihren Weibern über
die faden Unterhaltungen gähnen können, um mit mehr Recht dem Zeitvertreib au-
ßer dem Hause nachlaufen zu dürfen. Sie sind zufrieden, wenn ihre Weiber [...] un-
ter dem prahlerischen Namen guter Haußweiber an der Seele die elendesten Krüp-
pel, in der Denkungsart die niedrigsten Schwachköpfe, und in den Sitten die pöbel-
haftesten Geschöpfe sind! - Ich sage die meisten Männer sind zufrieden, wenn ihre
Töchter in die rühmlichen Fußstapfen der Mutter treten; [...] wenn sie dann nur ei-
nen Mann bekömmt, Kinder zeugt, sich zu vuzzen weiß, ein bischen Kochen, strik-
ken, tolles Zeug plaudern kann, und stirbtr^
Um den insgesamt recht provokativen Ton zu mildem^^, rechtfertigt sie
gleich zu Beginn ihrer Antrittsrede ihre Tätigkeit als Publizistin im Sinne der
Zeit als Tätigkeit in Nebenstunden^^. Darüber hinaus relativiert sie ihren
Angriff auf die Männer, indem sie als maßgebliche Instanz Jene vortrejfli-
chen Männer, die unser Geschlecht gebessert wünschten"‘^^ ins Spiel bringt
und begibt sich in die Position einer vermeintlich neutralen Beobachterin^^.
In diesem Sinne spricht sie sich auch gegen wissenschaftliche Gelehrsamkeit
58 „Antrittsrede“, a.a.O., S. 4 f
59 Tatsächlich wird dieser ihr noch in der Forschung neueren Datums zum Vorwurf gemacht;
so schreibt Margot Lindemann 1969: „Wie Frauen darüber [über Bildungsbedingungen,
denken konnten und dachten, dokumentiert die boshafte Redakteurin Marianne Ehrmann
1790 in dem ‘Meine Antrittsrede’ betitelten Vorwort [...]“ (Deutsche Presse bis 1815, S.
129; Hervorhebung von mir, BAK).
60 ,Jch theile meine Stunden ein, [...] besorge hurtig meine kleinen Hausgeschäfte, habe kei-
ne Kinder, und bleibt mir zu dieser Arbeit immer noch genug Zeit übrig. " („Antrittsrede“,
a.a.O., S. 2). Dies entspricht dem zeitgenössischen Selbstverständnis der meisten Autorin-
nen: Als Ersatz zur Kindererziehung dürfen sie die Erziehung ihrer Geschlechtsgenossin-
nen übernehmen (vgl. Wurst (Hrsg.), Frauen und Drama, S. 33). In der Ankündigung der
Zeitschrift im Journal des Luxus und der Moden schlägt Marianne Ehrmann schärfere Tö-
ne an: Sie rechtfertigt ihre Tätigkeit damit, ,4<^ß ich die Muße, die ich zur Bearbeitung
dieser Monatschrift verwenden werde, von den unnützen Putzgeschäften und von ienen
seichten Schwatzgesellschaften entlehne, die uns Frauenzimmer so sehr erniedrigen, und
so weit von dem hohen Zwecke entfernen, zu dem wir geschaffen sind“ (4/1789, Intelli-
genzblatt, S. CLXI). Ihre Einstellung zu den Frauen zugestandenen Beschäftigungen wird
selten deutlicher als an dieser Stelle. Tatsächlich hat sie, wie die meisten Hausfrauen des
Bürgertums, eine Magd und daneben eine Haustochter zur Seite stehen (vgl. Gräter, Be-
such bey Amalien, S. 142) und beschäftigt sich statt mit den genannten ‘Tätigkeiten’
hauptsächlich mit ihrem Beruf als Publizistin,von dem letztendlich der ganze Haushalt
lebt. Ihr ‘Hausfrauendasein’ beschränkt sich darauf, dem Haushalt vorzustehen; die haus-
fraulichen Tätigkeiten werden vorrangig von der Haustochter, die seit 1790 im Ehr-
mannschen Haus lebt, und der Magd verrichtet. Was sich hingegen ihr Ehemann unter ei-
ner Ehe- und Hausfrau vorstellt, darauf läßt die Tatsache schließen, daß er bereits drei Mo-
nate nach Marianne Ehrmanns Tod die Haustochter, Johanne Christiane Husuadel heiratet.
61 „Antrittsrede“, a.a.O., S. 5.
62 ,JEs thut mir leid, daß ich diese Entdekkung geradezu zur Schau stellen muß; lange
drükkte sie mich bei meinen geheimen Beobachtungen, [...]“ („Antrittsrede“, a.a.O., S. 5;
Hervorhebung von mir, BAK).
74
und für die häuslichen und gesellschaftlichen Tugenden“^^ aus. Sie polemi-
siert außerdem gegen die bei Frauen verbreiteten Vorurteile gegen Bildung
und nimmt damit die Männer ein Stück weit aus der Pflicht. Ein denkendes
Mädchen solle sich nach Marianne Ehrmanns Ansicht
nicht durch weibliche Feigheit, und eisgraue Vorurtheile, nicht durch schwachköp-
fige Einwendungen superkluger Matronen, nicht durch drohende Dummheit, nicht
durch zähnefletschende Verläumdung hindern lassen, ihre Bahn unerschütterlich
fort zu wandern, wenn sie anders den lauten Beifall des Denkers und die Be-
wunderung der Edlen erhalten will.^^
Obwohl sie ihre Ansichten über gesellschaftliche Mängel und die Rolle der
Männer bei der Verhinderung weiblicher Selbständigkeit nicht verschweigt,
ordnet Marianne Ehrmann in ihrer „Antrittsrede“ den Frauen selbst die Ver-
antwortung für ihr Dasein zu. Sie zählt die gesellschaftlichen Mißstände, die
sie an einer vernünftigen Bildung hindern, auf, verbittet sich jedoch ,,alle
Auslegungerf" ihrer ,JSatyre‘‘^^ . In ihren Forderungen bleibt sie insofern vage,
als sie den Weg, nämlich die ‘Verbesserung’ des weiblichen Geschlechts,
zum Ziel macht und auf mögliche Konsequenzen größerer weiblicher Selb-
ständigkeit kaum eingeht. Der gesellschaftspolitischen Brisanz ihrer Ansich-
ten ist sie sich jedoch bewußt, und um diese zu verschleiern, bedient sich
eines Schreibstils, den Helga Brandes charakterisiert durch die drei Strategien
Selbstschutz, Anpassung und Umgehung^^, die ich im Folgenden für die
Analyse der publizistischen Aussagen Marianne Ehrmanns übernehmen und
ergänzen werde.
4.3.2 Selbstschutz: Die Rechtfertigung
Als Selbstschutz kann schon Marianne Ehrmanns Rechtfertigung ihrer publi-
zistischen Arbeit gesehen werden, die in ihren Artikeln immer wieder auf-
taucht. Sie ist deutlich bemüht, ihr Trausein’, also die Anerkennung und
Erfüllung weiblicher Pflichten, erkennbar zu machen. Der Haushalt gilt ihr als
„erste und wichtigste Beschäftigung des weiblichen Geschlechts'^^'^ , häusliche
Arbeiten übertreffen ihrer Ansicht nach „die Verdienste manchen Mü-
ssiggängers mit seiner wichtigen Amtsmiene''^^. Damit grenzt Marianne
Ehrmann ihre publizistische Aussage dahingehend ein, daß sie sich den ge-
63 Ibid, S. 6.
64 Ibid., S. 9. Dies bedeutet aber indirekt auch, daß jeder Mann, der sich gegen die intellektu-
elle Aufgeschlossenheit von Frauen stellt, kein ‘Denker’ ist.
65 Ibid., S. 11.
66 Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 464 ff
67 AE 1/1790, 2. Bd, H. 5, S. 125 („lieber die Haushaltungskunst“).
68 AE 1/1790, 2. Bd., H. 5, S. 128f („An meinen Spinnrrokken“).
75
sellschafllichen Wertvorstellungen unterordnet, die einer Frau das Haus als
Lebensraum zuweisen. Sie paßt ihre Grundhaltung der der Gesellschaft an
und beugt so dem Vorwurf einer Außenseiterinnenposition vor. Die bei wei-
tem geschicktere Methode des Selbstschutzes ist es jedoch, Männer zur
Rechtfertigimg ihrer eigenen Aussagen heranzuziehen. Dies erfolgt schon
durch die massive Mitarbeit ihres Ehemannes am populärwissenschaftlichen
Teil der Zeitschrift.
Kritik an der „weiblichen Bildungsmisere“^^ wird dementsprechend ent-
weder von Theophil Friedrich Ehrmann selbst oder aber mittels in Marianne
Ehrmanns Artikel integrierter Beruftmgen auf Aussagen oder Ansichten von
Männern geäußert. So fordert Theophil Friedrich Ehrmann im Juniheft 1790
^.weibliche Erziehungsanstalten in Deutschland^'.
Jedes Frauenzimmer, von dem man mehr als Magddienste fordert, sollte doch billig
in der Anleitung zu vernünftigem Denken, in der Sittenlehre, in den Anfangs gründen
der Erd=, Natur= und Geschichtskunde u.s.w. unterwiesen werden.
Erst nach diesem Artikel ihres Mannes unternimmt Marianne Ehrmann selbst
einen , Entwurf einer Töchterschule“ - als Antwort auf die .fClagen, die mei-
nem Gatten letzthin [...] entschlüpftet''^ ^ . Die publizistische Aussage Mari-
anne Ehrmanns wird also nicht von ihr als Einzelperson getragen, sondern
vielmehr von einem (z.T. fiktiven) Kollektiv von Aussageträgem, nämlich
aufgeklärten Männern, auf deren Aussage Marianne Ehrmann sich dann bem-
fen kann. Die Forderung nach adäquaten Bildungsmöglichkeiten für Frauen
wird den Leserinnen als bereits bestehende öffentliche Meinung präsentiert.
Zusätzlich wird sie durch die Bemfimg auf Männer als ‘höhere Instanzen’
verfestigt.
4.3.3 Anpassung: Die vordergründige Zustimmung
Marianne Ehrmann versucht, wie Helga Brandes es nennt, „den ‘Schmuggel’
emanzipatorischer Ideen [...]. Der bewährte Trick ‘neuer Wein in alten
Schläuchen’ war auch Marianne Ehrmann nicht unbekannt“^^. Sie greift die
intellektuellen, moralischen und politischen Beschränkungen, die für Frauen
69 Vgl. Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 465. Daß Marianne Ehrmann sich, wie Brandes
an dieser Stelle angibt, im Februarheft (1. Jg., 1. Bd., S. 189) auf ihre männlichen Mitar-
beiter beruft, kann ich in der von mir eingesehenen Ausgabe, die in zweiter Auflage nach-
gedruckt worden ist, nicht bestätigt finden.
70 AE 1/1790, 2. Bd., H. 6, S. 273 („Etwas über weibliche Erziehungsanstalten in Deutsch-
land“).
71 AE 1/1790, 3. Bd., H. 8, S. 176 („Entwurf einer Töchterschule“).
72 Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 465.
76
gelten, an, ohne die gesellschaftliche Rolle der Frau als Hausfrau, Ehefrau
und Mutter in Frage zu stellen. Stattdessen präsentiert sie ihre Forderungen
als Möglichkeit, die Erfüllung zeitgenössischer Frauenpflichten zu verbes-
sern. Auf diese Weise macht sie nicht nur ihre Leserinnen empfänglich für
ihre Ideen, sondern sie will auch den männlichen Lesern vermitteln, mit einer
gebildeten Frau werde ihr Leben bequemer (bessere Hausfrau, klügere Mut-
ter, verständnisvollere Gattin). Sie stellt die Ehe in ihrer herkömmlichen Form
nicht in Frage, sondern sucht nach Möglichkeiten, die Position der Frau in der
Ehe zu verbessern. In ihrem Beitrag „lieber die eheliche Glükseligkeit“ wird
die Zwiespältigkeit dieser Vorgehensweise deutlich:
Eine Gattinn, die denkt und lieht, muß da, wo die Leidenschaften des Mannes toben,
schweigen und dulden können, um dann, [...] mit einer sanften Zurükerinnerung an
das Vergangene, ihren Sieg durch Vernunft desto rühmlicher zu krönen. L.] [Wofür
sie] seine Grundsäzze genau kennen, sich darein schmiegen können muß.
Mit diesem Rat an die Leserinnen unterläuft Marianne Ehrmaim die her-
kömmliche Struktur der Ehe, in der der Mann ungefragt immer Recht hat. Die
Machtfrage wird damit von der materiellen auf die ideelle Ebene verlagert
und den Leserinnen die Manipulation ihres Ehemannes ans Herz gelegt. Die
Erkenntnis der grundsätzlichen materiellen und rechtlichen Abhängigkeit der
Frau vom Mann führt bei Marianne Ehrmann dazu, den Frauen Verhaltensre-
geln aufzuzeigen, die diese Abhängigkeit erträglich machen und einen ‘Sieg
durch Vernunft’ ermöglichen. Während sie gesellschaftliche Machtverhält-
nisse vordergründig bestätigt, indem sie sich immer wieder auf die Notwen-
digkeit weiblicher häuslicher Pflichterfüllung beruft, arbeitet sie an der Um-
kehrung privater Machtverhältnisse. Junge Mädchen sollen einerseits als
^freue Gattinnen und liebenswürdige Gesellschafterinnen”'^^ erzogen und
zum Denken angeregt werden:
Ganz gewiß, meine Freundinnen, ist es die Gedankenlosigkeit, die der weiblichen
Bildung am meisten im Wege steht, sie ist es, [...] die den ohnehin weichen weibli-
chen Karakter so unbestimmt macht, ihn nie zu keiner Vestigkeit gedeihen läßt, ihm
die Fähigkeithen zu häuslichen Pflichten raubt.
Andererseits kann größere Autonomie im Denken und Handeln der Frauen für
die Männer unangenehme Folgen haben, wenn Frauen damit die Möglichkeit
73 AE 1/1790, 1. Bd, H. 2, S. 143 ff. Die Zwiespältigkeit dieser Aussage läßt andererseits
auch Rückschlüsse auf ihre Ehe mit Theophil Friedrich Ehrmann zu, der, trotzdem Mari-
anne Ehrmann die Familie ernährt, nach außen hin stets der ‘Herr im Haus’ bleibt und kei-
ne Einschränkung seiner Autorität zuläßt.
74 AE 1/1790, 3. Bd., H. 8, S. 1 76 („Entwurf einer Töchterschule“).
75 AE 2/1791, 2. Bd., H. 6, S. 224 („Etwas über weibliche Gedankenlosigkeit“).
77
der subtilen Machtausübung gegeben wird: ,, Verachten kann die deutsche
Denker inn, und dies schmerzt oft weit mehr, als Degenhiebe, und Dolchsti-
che!""'^^.
Marianne Ehrmann zieht sich damit auf eine Aussage zurück, die einer-
seits konservativen Kreisen eine Übereinstinimung mit ihren Zielen vorspie-
gelt, andererseits ihren Leserinnen Mut zur Autonomie macht, eine Aussage
auch, die wohl weitgehend ihren eigenen Erfahrungen in der Ehe mit Theo-
phil Friedrich Ehrmann entspricht.
4.3,4 Umgehung: Die mildernde Distanz
Marianne Ehrmann mildert vor allem ihre politischen Aussagen oft dadurch
ab, daß sie sie nicht in den zeitgenössischen deutschen Kontext stellt. Sie
kennzeichnet sie als Übersetzungen fremdsprachiger Autoren, bezieht sich auf
Ereignisse im Ausland oder aus der Vergangenheit imd bedient sich beson-
ders gern der harmlos anmutenden Form der Anekdote. So berichtet sie über
eine an die französische Nationalversammlung gerichtete Schrift der Madame
Morat, „Ueber die besten Mittel die weibliche Erziehung zu vervollkomm-
nen“, mit den Worten: ,ßs ist in unseren Zeitten sehr erfreulich zu sehen, daß
es auch Weiber wagen, ihre Geisteskräfte dem allgemeinen Beßten anzubie-
ten; In der Folge fordert Marianne Ehrmann ihre deutschen Leserin-
nen auf, diesem Beispiel zu folgen und „ [...] ihre für die Erziehung im Stillen
blühenden Verdienste, dem allgemeinen Besten zu widmen'^'^^.
Ihren Abdruck der „Briefe einiger griechischer Frauenzimmer“ präsentiert
Marianne Ehrmann als lehrreich für die zeitgenössischen Leserinnen auch im
Hinblick auf ihre eigene Denkungsart^^. So werden die Briefe als historisches
Dokument zu einer Lektion im Hinblick auf die schon immer vorhandene
Fähigkeit zum eigenständigen Denken.
Besonders deutlich im Hinblick auf ein politisches Engagement der weib-
lichen Öffentlichkeit wird Marianne Ehrmann aber in ihrem (als Anekdote
veröffentlichten) Bericht über Straßburger Bürgerinnen, denen ein „patrio-
tischer Bund“ verboten wurde. Sie fordert mit größter Deutlichkeit und Ve-
hemenz nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz dieses politischen Engage-
ments, sondern wirft den Gegnern einer politischen weiblichen Öffentlichkeit
darüber hinaus Engstirnigkeit und Unterdrückung vor:
76 AE 1/1790, 1. Bd, H. 3, S. 270 („Anekdoten“).
77 AE 1/1790, 2. Bd., H. 4, S. 73 („Anekdoten: Noch ein edles Weib“).
78 Ibid, S. 74.
79 Die Veröffentlichung leitet sie mit den Worten ein: Jhr Stoff ist für das weibliche Ge-
schlecht zwekmäßig, und beweißt uns, wie hell, wie unbefangen, wie aufgeklärt die dama-
ligen Griechinnen dachten."" {AE 1/1790, 2. Bd., H. 6, S. 229).
78
Warum soll es [...] nicht auch Weibern erlaubt seyn, Liebe fürs Vatterland zu fühlen
und zu äussern? [...] Man hat ja Beweise, daß Weiber im Nothfall sich eben so
standhaft verteidigten als die Männer. [...] Man lasse doch dem weiblichen Ge-
schlecht auch einmal Freiheit, zu denken, zu handeln,[...]. Soll denn dieses tiranni-
sirte Geschlecht ewig von dem Genuß der Freiheit ausgeschlossen bleiben, und nur
von dem männlichen Geschlechte erachtet werden, wenn es ihm Liebe erbetteln
will? Ist das nicht eigennützig, nicht despotisch, nicht weit unter der Würde des
Mannes?^^
Betrachtet man die Überlegungen, die Marianne Ehrmann daran knüpft, so er-
scheint es bezeichnend, daß sich gerade dieser Beitrag, den Helga Madland
als ihre mutigste politische Stellungnahme bezeichnet^ mit einem Ereignis
im Ausland beschäftigt: Handelt es sich bei dem Anlaß ihrer Klage und ihrer
Forderungen um ein ausländisches Ereignis, so kann man ihr zumindest nicht
vorwerfen, inländische Gepflogenheiten und damit die deutschen bzw. würt-
tembergischen Instanzen zu kritisieren.
Mit der Verschiebung gesellschafts- bzw. fi'auenpolitischer Feststellungen
und Forderungen ins Ausland oder in die Vergangenheit erreicht Marianne
Ehrmann mehreres. Erstens stellt sie ihre publizistische Aussage in einen
Kontext, der sie weniger angreifbar macht. Sie entzieht sich dem Vorwurf,
den Staat und die Gesellschaft, in der sie und ihre Leserinnen leben, zu kriti-
sieren. Sie spricht den Nationalstolz an, wenn sie z.B. das Verhalten der
Französin Morat als positiv und nachahmenswert oder die Griechinnen als
besonders hell, unbefangen und aufgeklärt präsentiert. Mit historischen Bei-
spielen und Erzählungen schafft sie darüber hinaus eine Art Traditionsbe-
wußtsein für Frauen, eine Art Beweis dafür, daß Frauen schon immer in der
Lage waren, sich ihre eigenen Gedanken zu machen:
Für Weiber, die mehr sind, als bloß redende Thier e, ist es ein schmerzlicher Vor-
wurf, daß man Schwachheit, Wankelmuth, Kleingeisterei, Furchtsamkeit, Karakter-
losigkeit, Seelenschwindsucht, [...] in dem Wort: Weib, vereinigt finden will. [...] Ich
wünschte durch Beispiele, wie ich sie nach und nach aus der Geschichte zu liefern
gedenke, jenem schönen, ehemaligen Tugend-Heroismus wieder emporhelfen zu
können,[...'\.
Ihre Forderungen nach größerer Autonomie und stärkerer Aktivität werden so
in einen Kontext von Tradition und weiter Verbreitung gestellt, ohne daß sie
den Staat als solchen direkt angreifen muß. Im Gegenteil wird die Legitima-
tion einer Gesellschaft, in der solche Aktivitäten nicht möglich sind, durch
80 AE 1/1790, 3. Bd, H. 7., S. 81 ff.
81 Madland, An Introduction, S. 188: „Her most courageous political Statement concems an
action taken by the women of Strasbourg.“
79
diesen Kontext indirekt in Frage gestellt. Die publizistische Aussage Mari-
anne Ehrmanns erhält eine Art raum- und zeitübergreifender Legitimation.
4.3.5 Selbstentlarvung: Vorführung und Lächerlichkeit
Marianne Ehrmann plaziert ihre Angriffe auf gesellschaftliche Konventionen
und das alltägliche Verhalten von Männern indirekt: Sie läßt Figuren in ihren
Erzählungen oder Leser in - z.T. vermutlich fingierten - Zuschriften
‘sprechen’ und stellt so ihre Doppelmoral und Selbstgefälligkeit zur Schau.
Da gibt es zum einen den skrupellosen, bösartigen, trieborientierten Mann,
der immer wieder in ihren ‘wahren Geschichten’ auftaucht und vor dem sie
nie müde wird, ihre Leserinnen zu warnen. Die Lehre dieser meist äußerst
dramatisch verlaufenden Geschichten ist deutlich. Sie dienen der Entwicklung
von Mißtrauen gegen Männer und deren Doppelmoral, die von der Gesell-
schaft, in der sie leben, weitgehend akzeptiert wird. Männer werden als nicht
vertrauenswürdig vorgefuhrt; Frauen wird daher die Bildung ihres Verstandes
als dringende Überlebenshilfe angeraten, vor Eitelkeit und Koketterie wird
eindringlich gewarnt. Mittelbar enthalten ist dabei die Anklage einer Gesell-
schaft, die Männern ein solches Verhalten zugesteht und Frauen die mögli-
chen Konsequenzen (Schwangerschaft, Ausgestoßenheit) aufbürdet^^. Mari-
anne Ehrmann bedient sich dabei gängiger Topoi der zeitgenössischen Litera-
tur (verführte Unschuld, Kindsmörderin) als Basis ihres Kampfes gegen die
Bildungs- und Rechtlosigkeit von Frauen^^, die ein solches männliches Ver-
halten erst ermöglichen.
Interessanter und weitaus geschickter ist Marianne Ehrmanns Taktik, die
Männer sich selbst als eitel, selbstgefällig und ängstlich auf ihren Vorteil be-
dacht entlarven zu lassen. Dieses in Anekdoten, Szenen und Briefen vermit-
telte Männerbild kommt ihrem Talent zur Gesellschaftssatire entgegen und
hebt sich in Stil und Ausdruck erfi-ischend ab von den oft recht melodramati-
schen ‘wahren Geschichten’^^. Vor allem in diesen Beiträgen kann Marianne
82 In einem Fürstentum, dessen Regent dafür bekannt ist, in seiner Jugend das ius primae
noctis weidlich ausgenützt und so zahlreiche seiner Landestöchter geschwängert zu haben,
dürfte diese Anklage im Hinblick auf Zensurmaßnahmen nicht unproblematisch sein, hatte
doch gerade dieses nicht sehr fürstliche Verhalten Karl Eugens in der württembergischen
Bevölkerung lange Zeit für Unruhe gesorgt. Franziska von Hohenheim verdankt ihre Be-
liebtheit im Lande vor allem der Tatsache, daß der württembergische Souverän sich seit der
Verbindung mit ihr solcher Amüsements enthält.
83 Während im bürgerlichen Trauerspiel oder im Sozialdrama Schillerscher Prägung diese To-
poi Mittel zur Kritik an gesamtgesellschaftlichen Strukturen, vor allem an der Vormacht-
stellung des Adels sind, werden sie bei Marianne Ehrmann zu Transporteuren frauenpoliti-
scher Aussagen.
84 Helga Brandes rechnet sie zur Umgehungsstrategie, während ich der Ansicht bin, daß diese
Taktik der Entlarvung nicht mit der Umgehung gleichzusetzen ist.
80
Ehrmann sich einen für Männer äußerst provokativen Ton nicht versagen. Sie
umgeht nicht die Kritik an der Männergesellschaft, sondern fuhrt diese vor.
Der erste dieser Beiträge sind ihre „Glossen über das Wort: Mann“, zu-
gleich das beste Beispiel für Marianne Ehrmanns satirisches Talent^^. Sie
schildert hier eine Diskussion ihres Mannes und seiner Freunde über die Vor-
aussetzungen von Männlichkeit, die sie, neugierig gemacht durch die Laut-
stärke der Auseinandersetzung, belauscht habe. Nachdem die Herren allerlei
unsinnige Eigenschaften erörtert haben (männlicher Modeputz, Leidenschaft,
Selbstgefälligkeit, Rachsucht, Labilität...), die in den zeitgenössischen Kli-
schees noch dazu oft genug auf Frauen angewendet werden, betritt sie die
Szene mit der Feststellung:
Ichßihhe fiir dieses Wort [das Wort Mann] immer so große Ehrfurcht, dachte mir
darunter so unbegreifliche Vollkommenheiten, und muß izt nach dem eignen Män-
nergeständnis hören, daß weiter nichts darunter stekke als ... gebrechliche Men-
schenr^
Das ist natürlich mehr als provokant, und prompt erscheint im darauffolgen-
den Heft eine Art Gegendarstellung, „Meine Glossen über das Wort: Weib“,
gezeichnet mit dem Kürzel L.Ch.N., deren Verfasser^^ versucht, satirisch zu
kontern, indem er sich über weibliche Klatschsucht ,,aus wahrer Menschen-
liebe'" lustig macht. Marianne Ehrmann kommentiert spitz:
Ein Beweis, wie ungern sich das männliche Geschlecht etwas sagen läßt, was seine
Eigenliebe reizt. Ich mußte dem H. Einsender schon die Gefälligkeit erweisen und
seine Schmerzensgeburt einrükken, blos um ihn zu überzeugen, daß wir nicht die
Ohren verstopfen, wenn man die Fehler rügt, die unserm Geschlechte ankleben.
So entlarvt sie männliche Denkungsart als kleingeistig und gibt sie der Lä-
cherlichkeit preis, während sie gleichzeitig weibliche Kritikfähigkeit beweist.
Neben solchen Briefwechseln baut Marianne Ehrmann in ihre Erzählun-
gen und Szenen immer wieder Männer ein, die sich ebenso lächerlich verhal-
ten, etwa im Dialog „Der Stuzzer und die Dame“, wo ein Galan eine verheira-
tete Frau durch Schmeichelei und Eigenlob zu verführen versucht. Seine
Reaktion auf ihre intelligenten Konter entlarvt das Vorurteil gegen ‘gelehrte
Weiber’ als Mittel männlichen Machterhaltes:
85 ^^ 1/1790, 2, S. 153 - 160.
86 Ibid., S. 160.
87 Von den Initialen her könnte es sich bei dem Verfasser um Christian Ludwig Neuffer (1760
- 1839) handeln, der nach seinem Theologiestudium ab 1791 als Geistlicher in Stuttgart
lebt. Neuffer liefert später Beiträge für die Einsiedlerinn aus den Alpen. Ein Anhaltspunkt
für die Identität des Schreibers liegt jedoch nicht vor.
88 AE 1/1790, 1. Bd., H. 3, S. 258.
81
D.: O diese Bescheidenheit, sie übersteigt meine Erwartung, aber nicht meine Be-
wunderung, mit der ich diesen männlich schönen Wuchs, diese feurigen Augen, die-
se milchweiße glatte Haut, diese sanft lispelnde Silberstimme, diesen prächtigen,
eleganten Anzug, diesen geschmeidigen, biegsamen Rükken, diese Honigworte an-
staune!
R. [der Stuzzer]: Madame, ich glaube gar, sie parodiren mich?
D.: Nicht doch, ich zahle nur mit gleicher Münze.
R. : (^ringt auf) Es ist doch wahrlich nie gut, wenn die Weiber zu viel Kopf ha-
ben!^
Höhepunkt ihrer kritischen Auseinandersetzung mit männlichem Verhalten ist
der ab dem Juniheft des zweiten Jahrgangs erscheinende offene Briefwechsel
mit einem - tatsächlich existierenden oder auch fiktiven - Leser, der sich um
Marianne Ehrmanns Tätigkeit, ihre Vorstellungen und Forderungen, kurz ihre
gesamte publizistische Aussage dreht. Der anonym bleibende Schreiber lobt
zwar ihr Vorhaben, „Jze Töchter Teutschlands besser und verständiger zu
machen'‘^^, glaubt jedoch nicht, daß dieses gelingen könne, denn die deut-
schen Frauen stünden zu tief, als daß sie solch wohlformulierter Rat erreichen
könne. Der Briefwechsel, der sich bis zum Februarheft des dritten Jahrgangs
fortsetzt, bietet den Leserinnen einen Einblick in die gängigen Vorurteile, die
der Frauenbildung entgegenstehen und deren Fazit kurz und bündig darin
besteht, daß „es nichts nützt, mag man sagen, was man wilf"^^,
Marianne Ehrmann übernimmt in ihren Beiträgen zu diesem Briefwechsel
vordergründig die zeitgenössische Auffassung von der Fehlerhaftigkeit des
weiblichen Geschlechts, die sie zu einem Argument für die Dringlichkeit der
Frauenbildung umfunktioniert. Im Gegensatz zu dem anonymen Schreiber,
der als stellvertretend für die Gesellschaft der Zeit gelten mag, sucht sie nach
Gründen und findet sie bei den Männern, die sich gegen jede Bildung von
Frauen sträuben, weil diese ihrer Vormachtstellung Abbruch tun könnte. In
ihrem letzten Brief faßt sie ihre Einstellung zusammen:
[Ich] weiß selbst recht gut, welche Hauptfehler bei meinem Geschlechte gang und
gäbe sind. Wenn ich sie bis izt zu entschuldigen suchte, so geschah es wahrlich blos,
weil Sie solche bitter genug rügten, und doch dabei ihres Geschlechts vergaßen.
[...]. Freilich ist es für den Fehlenden keine Entschuldigung, wenn er sich mit dem
Fehlerhaftem vergleicht. So bald aber die Schadenfreude des letztem zu laut
kreischt, dann ist dem angegriffenen Theile unstrittig eine solche Vergleichung er-
laubt.
89 AE 1/1790, 2. Bd., H. 4, S. 60 f. Diese Szene entlarvt die Ablehnung von Frauenbildung
als puren Eigennutz, und stellt Männer solcher Denkungsweise als dümmlich dar.
90 ^^2/1791,2. Bd.,H. 6, S. 264.
91 3/1 792, l.Bd.,H. 2, S. 124.
92 A.a.O., S. 125 f.
82
Marianne Ehrmann versteckt damit in der Wiedergabe gängiger Ansichten -
Frauen seien fehlerhaft - einen nahezu ungeheuerlichen Angriff: Sie bezeich-
net den Mann als Fehlerhaftem Solch despektierlicher Umgang mit
Männern ist zu einer Zeit, da Frauen selbst die einfachsten bürgerlichen
Rechte abgesprochen werden, mehr als ungewöhnlich und wird von Marianne
Ehrmann verpackt in einen Vorgang der Selbsteinsicht, was nach den über-
heblichen Briefen des anonymen Schreibers auf die Leserinnen umso edler
wirken muß. Der Schreiber wird sowohl in seinen eigennützigen Motiven
entlarvt als auch in seiner Selbstgefälligkeit lächerlich gemacht:
Ihre Klagen über einen Theil des weiblichen Umgangs sind übrigens ganz gegrün-
det. [...] Warum stimmten die Männer in Frauenzimmer-Gesellschaften nicht schon
längst einen bessern Ton an! [...], dann müssen die Weiber mit einstimmen, oder ih-
e entsagen. [...]. Beherzigen Sie dies ja recht gut, mein Herr Weiber-
rem
ankläger!
Umgar^
Mit der Entlarvung männlicher Eigenliebe und männlichen Machtstrebens^^
wird Marianne Ehrmanns publizistische Aussage, wird ihr Kampf um qualifi-
zierte Frauenbildung vielschichtiger und gesellschaftskritischer als alles, was
im deutschsprachigen Raum sonst dazu geäußert wird. Statt sich über Symp-
tome zu beklagen, zeigt Marianne Ehrmann Ursachen auf und beweist den
Mut zu einer Gesellschaftskritik, die die Männer nicht nur in die Pflicht
nimmt sondern auch in letzter Konsequenz die Sinnhaftigkeit der eher wissen-
schaftlich ausgerichteten, soziale Kompetenzen nicht berücksichtigenden
zeitgenössischen Männerbildung in Frage stellt. Um die vorhandenen Mängel
beider Geschlechter darzustellen, bedient sich Marianne Ehrmann dabei eines
Vorfuhreffektes, der ihre publizistische Aussage illustriert und damit legi-
timiert.
4.3.6 Begrenzung der publizistischen Aussage
Die Möglichkeiten einer weiblichen Öffentlichkeit im ausgehenden 18. Jahr-
hundert sind im Gegensatz zu der sich jetzt formierenden politischen
(männlich-bürgerlichen) Öffentlichkeit stark eingeschränkt. Strategien wie
Selbstschutz, Anpassung und Umgehung sind notwendig, um erfolgreich
publizieren zu können. Wenn Marianne Ehrmann diese Strategien verwendet,
wird ihre publizistische Aussage dadurch jedoch behindert. Sie wird zwangs-
93 ^^3/1792, 2,S. 129.
94 Marianne Ehrmann faßt sie zusammen in dem Satz ^Bescheidenheit muß der Grundstein
weiblicher Bildung sein, wo diese durch hochweise Sentenzen und superkluge Machtsprü-
che verdrängt wird, da herrscht nur ÄfterbildungF (AE 3/1792, 1. Bd, H. 2., S. 128), was
angesichts der hochweisen Sentenzen des anonymen Schreibers nichts anderes bedeutet, als
daß hier die Männererziehung nicht funktioniere.
83
läufig eingegrenzt auf die Anerkennung des Geschlechterverhältnisses und die
Forderung nach Verbesserungen innerhalb desselben. Die grundsätzliche ma-
terielle und rechtliche Abhängigkeit vom Mann ist auch bei Marianne Ehr-
mann nicht in Frage gestellt; ihre Forderungen beziehen sich auf moralisch-
ethische Machtverhältnisse. Letztendlich geht es ihr um eine Verbesserung
der Wertschätzung von Frauen, um die Forderung, daß die Frau als Individu-
um respektiert und emstgenommen wird. Dies beweist ihre Kritik am Verhal-
ten der Männer, die sie besonders mit dem Mittel der Entlarvung vorantreibt.
Ihre Forderung nach besserer Erziehung und Ausbildung für Frauen schließt
die Forderung nach der ‘Verbesserung’ der Männer mit ein. Wenn die gebil-
dete Denkerinn selbstgefällige Männer verachten kann, werden diese dazu
gezwungen, ihr eigenes Verhalten zu korrigieren. Das ist für Marianne Ehr-
mann der Weg zu einer im moralischen und rechtlichen Sinne humaneren
Abhängigkeit vom Mann. Während die zeitgenössische Weiblichkeitsdiskus-
sion damit beschäftigt ist, die Frauen allgemein zu idealisieren, als Einzelper-
son jedoch abzuwerten^^, geht es Marianne Ehrmann um die Verbesserung
individueller Lebenssituationen. Dabei entsteht ein Widerspmch zwischen der
Anpassung an die gängige Auffassung von Weiblichkeit und der Kritik am
weiblichen Status quo.
Daß Marianne Ehrmann den gängigen Klischees grundsätzlich erst einmal
zustimmt, ist aus dem zeitgenössischen Kontext heraus mehr als verständlich.
Sie muß nicht nur mit ihrer Zeitschrift überleben, d.h. ihr Publikum halten
und dabei der Zensur entgehen, sondern neben geschäftlichen Belangen auch
an ihr eigenes Privatleben denken, das gerade wegen ihrer bewegten Vergan-
genheit mehr als bei anderen sich in der Öffentlichkeit bewegenden Frauen
von ihrer Stellung als verheiratete Frau und der Demonstration damit verbun-
dener Wertvorstellungen abhängig ist^^. Obwohl Marianne Ehrmann keines-
falls eine ‘Revolutionärin’ ist, die die gesamte Gesellschaft in Frage stellt,
gehen ihre Aussagen im ersten Jahrgang ihrer Zeitschrift zunächst deutlich
95 Die Idealisierung der Frau als Trägerin der Natur, des Privaten und die daraus hergeleiteten
‘weiblichen Eigenschaften’ (Sanftmut und Güte als Verhaltensvorgaben, aber auch Kör-
perlichkeit und Unbeherrschtheit als Reglementierungsgründe) in Abgrenzung zum Mann
als Träger des Geistes und der Öffentlichkeit bedeuten gleichzeitig ein zweigeteiltes
Weltbild, in dem Frauen jegliche geistige Kompetenz abgesprochen wird. Wie Bernhard
Dotzler feststellt, erfährt die Frau damit „durch die Erhöhung [...] ihre Unterwerfung“
(‘Seht doch wie ihr vor Eifer schäumet’, S. 354. Einen umfassenden Einblick in die Ent-
wicklung des Frauenbildes bietet Silvia Bovenschens Untersuchung „Imaginierte Weib-
lichkeit“).
96 Es liegt die Annahme nahe, daß der Widerspruch zwischen der Auflehnung gegen das
Frauenbild (Unselbständigkeit, Oberflächlichkeit) einerseits und der Akzeptanz der Frauen-
rolle (Hausfrau in rechtlicher, ideeller und materieller Abhängigkeit) andererseits von Ma-
rianne Ehrmann, die mit ihren Zeitschriften die Ernährerin ihrer Familie ist, auch in ihrem
Privatleben nicht aufgelöst werden kann.
84
über zeitgenössische Weiblichkeitsdiskussionen hinaus. Der Widerspruch
zwischen ihren Vorstellungen und den Ansprüchen der Gesellschaft zeichnet
sich jedoch jetzt schon ab und wird am Wandel des Zeitschriftenprofils ab
dem zweiten Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden immer deutlicher.
4.4. Zurück zur Konvention:
Der Wandel des Zeitschriftenprofils
Im Ganzen bezieht sich die Ehre blos auf die Meinung, die Andere von dem Werth
unserer Handlungen haben. [...] Ein Wahn, der, wie Kant sagt, an sich selbst sehr
nützlich, aber auch sehr leicht ist, da das Urtheil anderer den Werth unserer
Q 7
Handlungen nicht bestimmen kann/ ‘
Der zweite Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden beginnt zunächst im
Stil des vorangegangenen ersten. Die Hefte werden nach wie vor beherrscht
von den Beiträgen Marianne Ehrmanns und ihres Mannes. Bald jedoch tau-
chen erste Veränderungen auf.
Zunächst gehen die populärwissenschaftlichen Artikel Theophil Friedrich
Ehrmanns zurück. Audi seine politische Rubrik „Uebersicht über die neue-
sten Weltbegebenheiten“, in den ersten beiden Heften des zweiten Jahrgangs
unter dem Titel ,3nichstükke aus der neuesten Welt- und Menschheitsge-
schichte“, erscheint im dritten Heft gar nicht, im vierten noch einmal unter
dem alten Titel und danach überhaupt nicht mehr. Seine geographischen und
historischen Beiträge nehmen zusehends ab, schließlich ist Theophil Friedrich
Ehrmann fast nur noch mit Übersetzungen fremdsprachlicher Anekdoten und
Erzählungen vertreten.
Marianne Ehrmanns Beiträge bleiben indessen dominant, sind jedoch zu-
nehmend zurückhaltender formuliert. Während ihre Klagen über die Unvoll-
kommenheit des weiblichen Geschlechts weiter bestehen, gehen ihre Angriffe
gegen die Männer stark zurück^^. Sie weicht damit im Sinne ihrer Zeit auf die
Auflistung von Symptomen aus, ohne den Ursachen weiter auf den Grund zu
gehen. Ihre Bemühungen um die Verbesserung des weiblichen Daseins be-
schränken sich nun weitgehend darauf, den Frauen ihre Fehlerhaftigkeit vor-
zuhalten. Dazu verwendet sie häufig Charakterskizzen^^, in denen sie ver-
97 Marianne Ehrmann in „Einige Gedanken über das Ehrgefühl“ {AE 3/1792, 1. Bd., H. 1, S.
17).
98 Eine Ausnahme bleibt der ab Heft 6 des zweiten Jahrgangs veröffentlichte, bereits zitierte
offene Briefwechsel mit dem anonymen Leser, der aufgrund seiner fiktiven Authentizität
vielleicht nur eine geringe Angriffsfläche für Kritiker bietet.
99 Z.B. in „Karakterschilderungen“, AE 2/1 791 , Hefte 2-6.
85
schiedene negative Charakterausprägungen beschreibt und hart über ihr Ge-
schlecht urteilt. So schreibt sie über Koketterie:
Die Kokette hat unstreitig ihre eigentliche Geburt in der unersättlichen Eitelkeit,
und der rastlosen Eroberungssucht von uns Weibern zu verdanken. [...] Auch ist der
männliche Karakter, [...] viel zu offen, viel zu redlich, viel zu gerade, um diesem
schändlichen Gewebe von Verstellung, Falschheit, und Heuchelei gewachsen zu
seyn.^^^
Nur durch den Nachsatz .fJebrigens begreife ich nicht, wie man auch einen
gutartigen Hang, durch reelle Vorzüge gefallen zu wollen, der unter dem
Namen Ehrgeiz selbst den Männern anklebt, den unverdienten Namen der
Koketterie außleben konnte?‘‘^^^ ist in dieser Passage noch die Handschrift
Marianne Ehmanns zu erkennen. Ihre Kritik beschränkt sich nun auf die
unterschiedliche Beurteilung von Frauen und Männern. Angriffe auf den
männlichen Teil der Gesellschaft erscheinen wesentlich versteckter als bisher,
so wenn sie in einem Beitrag über Bigotterie einleitend schreibt, das weibli-
che Geschlecht habe „zwr überspannten Andächtelei, [...] ohnehin eine stär-
kere Änlage“^^^, im anschließenden Beitrag aber einen Mann als religiösen
Heuchler entlarvt. Deutlich wird die Veränderung der Zeitschrift auch an den
‘wahren’ Geschichten und Fortsetzungsromanen, die sich kaum mehr mit den
Schicksalen ‘gefallener Mädchen’ befassen. Publiziert werden nun Liebesge-
schichten oder historische Romane, ab dem dritten Jahrgang der Zeitschrift
auch Märchen, die weniger gesellschaftskritisch als literarisch-unterhaltend
sind. Nur noch wenige der Romane sind von Marianne Ehrmann selbst ver-
faßt, sie stammen zunehmend von (männlichen) Mitarbeitern.
In Heft 6 des zweiten Jahrgangs veröffentlicht Marianne Ehrmann ganz
zeitgemäß ,JEin paar Worte zu den neuesten Pariser Moden“, die ab dem fol-
genden Juliheft als feste Rubrik unter dem Titel „Nachrichten von den Pariser
Moden“ erscheinen. Marianne Ehrmann, deren Konzept eines Journals solche
für Frauenzeitschriften inzwischen typischen Rubriken eigentlich widerspre-
chen, löst dieses Problem zunächst auf ihre Weise, indem sie die gängige
Mode zwar beschreibt, dies aber mit ironischen Bemerkungen spickt:
Ende des Kopfs ist der Hut mit einer zwei Finger breiten Goldtresse um-
schlungen, [...]. Ach, das ist trefflich! Nun glänzt doch wenigstens mancher
Kopf von aussen'‘^^^.
100 AE 2/1791, 1. Bd., H. 2, S. 111 („Karakterschilderungen“). Sicherlich kann man heute die-
sen Abschnitt auch ironisch verstehen, im zeitgenössischen Kontext jedoch ist das eher
unwahrscheinlich.
101 Ibid.
102 ^^2/1791, l.Bd.,H.2,S. 121.
103 AE2/n9\, 2. Bd, H. 6, S. 279.
86
Marianne Ehrmann paßt ihre eigenen Beiträge in Thematik und Inhalt we-
sentlich stärker den zeitgenössischen Wertvorstellungen an. Das journalisti-
sche Profil der Zeitschrift, ihre publizistische Aussage verändert sich außer-
dem maßgeblich mit der steigenden Zahl von Fremdbeiträgen, die, mit Kür-
zeln gezeichnet oder anonym ohne Verfassemennung, meist von Männern
stammen und thematisch wie inhaltlich Marianne Ehrmanns frauenrechtleri-
sche und gesellschaftskritische Tendenzen, die im ersten Jahrgang deutlich
dominieren, untergraben.
Das Frauenideal dieser Beiträge ist die sanfte Schöne, das gefügige Weib-
chen mit ein wenig oberflächlicher Bildung. Nur ein knappes Jahr nachdem
Marianne Ehrmann angesichts des verbotenen patriotischen Bundes einiger
Straßburgerinnen erklärt hat, daß ihrer Ansicht nach Frauen durchaus das
Recht auf politisches Engagement haben, verweist der anonym bleibende
Verfasser des Beitrags ,JEinige Gedanken über den Einfluß des schönen Ge-
schlechts auf Staatsgeschäfte und Staatsbegebenheiten‘‘ die Frauen in die
private Sphäre. Sich „mit Hintansetzung ihrer wahren und heiligsten Pflich-
ten in Staatsangelegenheiten oft zum großen Nachtheile des Staats zu mi-
schen"'^^^, so der Verfasser, sei ein Mißbrauch des der weiblichen Bevölke-
rung im Rahmen der Aufklärung zugestandenen Kontaktes zur männlichen
(öffentlichen) Welt. Spätestens mit dem Beitrag „Schönheit über Geist“ im
letzten von der Zeitschrift erscheinenden Heft^^^ sind die bildenden und ge-
sellschaftskritischen Tendenzen Marianne Ehrmanns verschwunden, Frauen
sind wieder ins Haus und den Dienst am Mann verwiesen.
Diese Veränderung der Zeitschrift ab ihrem zweiten Jahrgang, von Helga
Madland treffend benannt als völlige Zurückweisung von Marianne Ehr-
manns Ansichten und ihres Vorhabens wird dadurch ermöglicht, daß
Marianne Ehrmann im Verlauf des Geschäftsverhältnisses zur Cottaischen
Verlagsbuchhandlung zunehmend den Einfluß auf ihre Zeitschrift verliert.
Dies ist nicht nur durch die Entfernung der Herausgeberin vom Druckort,
bedingt, sondern liegt vor allem im Ungleichgewicht des Geschäftsverhältnis-
ses - Geld und Macht befinden sich auf Seiten des Verlages - begründet. Be-
reits im Juliheft des zweiten Jahrgangs sieht Marianne Ehrmann sich aufgrund
dieser Entwicklungen genötigt, ihre Leserinnen daraufhinzuweisen.
104 Ibid, S. 273. Vielleicht kann man Marianne Ehrmanns zitierten Beitrag über die neue
Mode bzw. ihre spitze Bemerkung über glänzende Köpfe als direkte Replik auf diesen
Beitrag verstehen.
105 AE 3/1792, 4. Bd., H. 12, S. 201 ff Der Titel des Beitrags gibt in komprimierter Form
seine inhaltliche Aussage wieder.
106 "It is a complete rejection of Ehrmann's views and of her project." {Madland, An Intro-
duction, S. 186).
87
daß nur diejenigen Aufsäzze in dieser Monatsschrift von mir sind, welche mit den
Anfangsbuchstaben M.A.E. unterzeichnet sind; daß ich Alles Uebrige nicht auf mei-
ne Rechnung nehme, und daß ich an den Bücheranzeigen ganz und gar keinen
Antheil habe [...]. Die ganze äussere und einen Theil der inneren Einrichtung habe
ich [...] meinen Herren Verlegern überlassen}^'^
Über die Buchbesprechungen hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine Aus-
einandersetzung mit dem Verlag, der die bisher von Theophil Friedrich Ehr-
mann verfaßten Rezensionen weder inhaltlich noch thematisch gutheißt, ent-
wickelt. In einem Brief vom 30.3.1791 wehrt Theophil Friedrich Ehrmann
sich gegen das Ansinnen des Verlages, diese abzugeben^^^, hat damit aber
keinen Erfolg. Sie werden von einem anonymen Mitarbeiter übernommen,
den der Verlag in einer Mitteilung an die Leserinnen als einen Mann bezeich-
net, dessen rechtschaffenem Karakter und tiefen Einsichten unsre Lese-
rinnen immer richtige und unpartheiische Urtheile erwarten dürfen^^^^^ und
dessen erklärtes Ziel es sei, das weibliche Geschlecht mit seiner Literaturaus-
wahl Jn den Kreiß seiner Bestimmungen^'" zurückzufuhren^
Marianne Ehrmann selbst hat im ersten Heft von Amaliens Erholungsstun-
den ihre Auffassungen von Sinn und Zweck weiblicher Lektüre dargelegt^^^.
Deren Ziel, so schreibt sie, sei es, ,,uns Frauen jene Karakterfestigkeit [zu]
geben, die wir bedürfen, um nicht immer wie Halbmenschen nach Zufall,
Instinkt und Leidenschaft zu handeM'^^^. Marianne Ehrmann verwirft hier
wissenschaftliche Lektüre (als in der männlichen Sphäre liegend) und emp-
fiehlt stattdessen religiöse, geographische und historische Literatur, um den
Frauen Urteilskraft und Prinzipien zu vermitteln. Auch wenn sie sich damit
der zeitgenössischen Ablehnung wissenschaftlicher Bildung anschließt, ist
ihre Literaturauswahl doch von dem Ziel einer umfassenden Allgemeinbil-
dung geleitet. Davon ist bei dem vom Verlag gewählten Rezensenten nicht
mehr die Rede. Kurz und knapp erfahrt hier jede an wissenschaftlicher Lektü-
re interessierteste Leserin, daß dieses Interesse ihrer Bestimmung zuwider-
läuft:
Frauenzimmer lieben anstrengende Lesereien nicht, und dürfen sie nicht lieben. [...]
ein schöner Mund ist tausendmal schöner, wenn er eine unwissende Frage naiv her-
107 ^^2/1791,3. Bd,H. 7,S. 173f.
108 „Was die Recensionen betrifft, so bleibt es beim Alten. [...] Ich bin selbst zu mehreren
litterarr. Zeitschriften Recensent, und kann Ihnen immer solche - auch bessere Recensio-
nen liefern, als die Ihnen gestern zugesandte waren.'' (Theophil Friedrich Ehrmann an die
Cottaische Verlagsbuchhandlung, 30.3.1791, unveröff. Mskr., Cotta- Archiv).
109 ^£'2/1791, 3. Bd., H. 7, S. 174.
110 Ibid.,S. 81.
1 1 1 „Ueber die Lektür“ {AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 1 - 29).
112 A.a.O., S. 29.
88
vorbringt, als wenn er professormäßig belehrt. Wir verzeihen gerne, wenn ein Weib
etwas nicht weiß, was es wissen könnte, sogar sollte; ^
Die Beschränkung der intellektuellen und moralischen Fähigkeiten von Frau-
en, die Marianne Ehrmann bekämpft, wird mit diesem Beitrag in ihrer eige-
nen Zeitschrift zum Ideal der Weiblichkeit deklariert. Der bereits erwähnte
offene Briefwechsel mit einem Leser vom Juniheft 1791 bis zum Februarheft
1792, in dem Marianne Ehrmann noch einmal männliche Selbstgefälligkeit
und Machtstreben vorfuhrt, erscheint vor diesem Hintergrund wie ein letzter
Versuch der Herausgeberin, die publizistische Aussage ihrer Zeitschrift sich
nicht in der Bestätigung des zeitgenössischen Ideals der aimable ignorante
erschöpfen zu lassen.
Im dritten Jahrgang treten Marianne Ehrmanns Ziele und Ideale endgültig
zurück. Die Zeitschrift wird zunehmend konventioneller. Von Theophil
Friedrich Ehrmann, ihrem ehemals eifi*igsten Mitarbeiter, dessen Artikel den
Bildungsanspruch der Herausgeberin stets untermauert haben, erscheint ab
dem vierten Heft kein Beitrag mehr, und auch die Artikel Marianne Ehrmanns
nehmen zusehends ab. Ab Heft 5 des dritten Jahrgangs veröffentlicht sie eine
Abhandlung „lieber weibliche Beschäftigung“, die bis Heft 10 fortgesetzt
wird und ab Heft 7 der einzige Beitrag ist, der noch aus Marianne Ehrmanns
Feder stammt. Hier haben ihr Ton an Brillanz, ihre Spitzen an Schärfe verlo-
ren. Ihre vormalige klare Forderung nach größerer intellektueller Bildung
klingt kaum mehr durch, stattdessen findet sie sich nun in einer Defensivposi-
tion wieder, die sie zwingt, die Beschränkungen des weiblichen Aktionsradius
vorbehaltlos anzuerkennen und ihre Bildungswünsche nurmehr zaghaft an-
klingen zu lassen:
Man fordert in der Gesellschaft nicht mehr von ms, als daß wir gute Gattinnen,
gute Mütter, und vernünftige Gesellschafterinnen werden. [...] Wenn schon unsere
Beschäftigungen weniger Kopfanstrengungen kosten, so sind sie doch mannigfaltig,
und bedürfen eben so wohl einen durchdachten Ueberblik und einen vesten
Plan.^^^
Die Zeitschrift wird in ihrer publizistischen Aussage nun, unbeeinflußt vom
der Herausgeberin, von Fremdbeiträgen bestimmt, deren Grundtenor es ist,
die Leserinnen für das Dasein einer Ehefi’au fast ohne Rechte, dafür mit klar
bestimmten Pflichten zu formen:
Muß sich nicht der Mensch, wenn er ruhig und zufrieden seyn und bleyben will,
nach der Denkart seiner Mitmenschen richten unter denen er lebt? [...] Kein Mann
\\3 AE 2/1791, 3. Bd, H. 7, S. 80. Hervorh. von mir, BAK.
1 14 AE 3/1792, 2. Bd, H. 5, S. 228.
89
darf sich über diese Maxime hinaussezzen, um wieviel weniger ein so unselbständi-
ges abhängiges Wesen, als ein Mädchen! Das Geschlecht muß und darf sich immer
nur leidend verhalten, ^ ^ ^
Amaliens Erholungsstunden verlieren so ihre emanzipatorische Tendenz
zugunsten der Anpassung an zeitgenössische gesellschaftliche Werte, ohne
dabei an Qualität zu gewinnen^ Von dem journalistischen Profil der Zeit-
schrift in ihren Anfängen, von Aktualität, Universalität und Offenheit, ist
kaum noch etwas zu spüren. Nach der „Neukonzeptionierung“^^^ der Zeit-
schrift durch den Verlag, die einer Rückführung zu konventionellen Werten
gleichkommt, bleibt, um mit Helga Brandes zu sprechen, ‘alter Wein in alten
Schläuchen’ übrig.
Im Titel des Oktoberheftes des dritten Jahrgangs taucht nicht einmal mehr
Marianne Ehrmanns Name auf: Die Zeitschrift heißt nun Amaliens Erho-
lungsstunden. Teutschlands Töchtern geweiht. Im selben Heft informiert die
Cottaische Verlagsbuchhandlung ihre Leserinnen, man habe sich von Marian-
ne Ehrmann und ihrem Mann getrennt, nachdem das Ehepaar sich gegen die
inhaltliche Veränderung der Zeitschrift, die zu deren eigenem Wohl unter-
nommen worden sei, gesträubt habe. Marianne Ehrmann habe dem Verlag zu
Beginn des dritten Jahrganges freiwillig die Redaktion überlassen und sich
nun dazu entschlossen, auch ihre Tätigkeit als Mitarbeiterin zu beenden. Eine
weitere Zusammenarbeit sei durch das uneinsichtige Verhalten Theophil
Friedrich Ehrmanns, der ja als offizieller Vertragspartner fungiert, unmöglich
geworden:
So lebten wir denn in bestem Einverständnis zusammen, und uns träumte von kei-
nem Bruche, als Herr Ehrmann, der wahrscheinlich schon längst andere Pläne ent-
worfen hatte, im Julius dieses Jahres darauf drang, die Redaktion, die uns durch
ausdrükliche und stillschweigende Einwilligung überlassen war, wieder allein ha-
ben zu wollen. [...] Er verlangte dies unter dem Vorwand, ‘daß unter den von uns
1 1 5 „Gedanken über den Umgang eines bürgerlichen Frauenzimmers mit einem Officier“, an-
onym {AE 3/1792, 3. Bd, H. 8, S. 123 f).
1 1 6 Während in den frühen Heften die Qualität der Beiträge an deren unorthodoxer publizisti-
scher Aussage festzumachen war, fällt diese nun ersatzlos weg.. Edith Krull merkt zwar an,
die Beiträge würden „harmonischer und wertvoller“, fügt jedoch an, die Fremdbeiträge
seien „seichte Anekdoten, Erzählungen und Gedichte im Zeitstil. [...] Nur einmal findet
sich ein wirklich bedeutender Beitrag, nämlich Schillers berühmtes Gedicht ‘An die Freu-
de’“ (Wirken der Frau, S. 253 f). Damit widerlegt Krull sich selbst.
1 1 7 Der Begriff ‘Neukonzeptionierung’ wird von Verlag und Herausgeberin verwendet. Ge-
meint ist eine inhaltliche und thematische Veränderung der Zeitschrift, ihres Programms
und Grundgedankens. Da er heute nicht mehr ungebräuchlich ist, ersetze ich im Folgenden
diesen Begriff durch ‘neue Konzeption’.
90
gelieferten Beiträgen Stükke wären, die er Ehren halber nicht auf die Rechnung der
Herausgabe seiner Frau sezzen lassen könnte. ’ Man denke ß ^ ^
Marianne Ehrmann selbst wird in ihrer Zeitschrift keine Möglichkeit gegeben,
sich zu den Vorgängen zu äußern, ihre Sicht der Dinge wird den Leserinnen
von Amaliens Erholungsstunden vorenthalten. Die erhaltenen Geschäfts-
unterlagen erhellen, was zwischen den Vertragsparteien vorgefallen ist.
4.5. Einblick in die Verlagspraxis:
Der Bruch mit Cotta
Die Ursachen, die Madame Ehrmann bewogen, sich von uns zu trennen, mögen
vielleicht für einige unserer Leserinnen einiges Interesse haben. Wir glauben es da-
her der Achtung, die wir gegen dieselbe haben, schuldig zu seyn, in der Beylage die
ganze Geschichte unseres Thuns und Lassens mit Madame Ehrmann zu erzählen. Es
ist uns eine traurige Pflicht, ^
Statt der Rechte mag er [Cottas Associe Zahn] Intrigen studiert haben, welches aus
seinem Verfahren wider Amalie und ihren Gatten so ziemlich hervorgeht. Doch zur
Sache; Deutschlands edle Töchter mögen urtheilenr^^
Die Streitigkeiten, die sich zwischen dem Ehepaar Ehrmann und der Cottai-
schen Verlagsbuchhandlung entwickeln und bis zum Bruch fuhren, sind an-
hand einiger Verträge und Briefe zu rekonstruieren^^^ Da ausschließlich
Briefe des Ehepaars Ehrmann an den Verlag erhalten sind, können über die
Forderungen von seiten des Verlags allerdings nur Rückschlüsse gezogen,
nicht aber definitive Aussagen gemacht werden.
118 AE 3/1792, 4. Bd, H. 10, S. 107. Diese Darstellung, die impliziert, der Bruch sei alleine
durch Theophil Friedrich Ehrmann zustande gekommen, während die Herausgeberin mit
sämtlichen formalen wie inhaltlichen Änderungen einverstanden gewesen sei, wird schon
durch ihre bereits im Juliheft erfolgte Distanzierung von allen nicht mit ihrem Kürzel ge-
kennzeichneten Beiträgen widerlegt. Ein Körnchen Wahrheit mag darin jedoch stecken,
denn alle Auseinandersetzungen, die Marianne Ehrmann jetzt und in Zukunft mit ihren
Verlegern ausficht, werden von ihrem Mann in seiner Eigenschaft als deren Geschäftspart-
ner mit unnötig großer Vehemenz und Unerbittlichkeit geführt.
119 Mitteilung der Cottaischen Verlagsbuchhandlung in^.^ 3/1792, 4. Bd., H. 10, S. 99.
120 Verteidigung des Ehepaars Ehrmann durch den Straßburger Bürger Meiburg\ zit. nach
Krull, Wirken der Frau, S. 260.
121 Ich bin an dieser Stelle dem Cotta-Archiv des Schiller-Nationalmuseums / Deutsches Lite-
raturarchiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) in Marbach am Neckar zu großem Dank ver-
pflichtet. Ohne die Möglichkeit, die dort befindlichen Autographen einzusehen, wäre ich
nicht in der Lage gewesen, diese Problematik eingehend zu behandeln. Alle zitierten Ver-
träge und Briefe an Cotta stammen aus diesen Beständen.
91
4.5.1 Vertragliche Voraussetzungen
Neben dem Honorar für die ab Januar 1791 erscheinenden Beiträge - 11
fl./Bogen - soll das Ehepaar Ehrmann laut Vertrag vom 24.1 1.1790^^^ für die
Rechte an den bisher erschienenen und zukünftig erscheinenden Heften eine
Abfindung erhalten. Wie aus einer Quittierung, unterzeichnet von Theophil
Friedrich Ehrmann und Christian Jakob Zahn^^^, hervorgeht, werden dem
Ehepaar am 3.12.1790 zunächst 50 fl. ausgezahlt; außerdem ward ihnen ein
Wechsel über 200 fl., zahlbar am 1.1.1791, ausgestellt. Ebenfalls zum
1.1.1791 erfolgt ein Vorschuß von weiteren 200 fl.; zur selben Zeit soll dann
der Beweis erfolgen, daß die dem Verlag angegebene Zahl von 959 Subskri-
benten der Wahrheit entspricht. Ist dies nicht der Fall, so gilt der Vertrag als
gebrochen; der Wechsel wird hinfällig.
Der Vorschuß von 200 fl. soll darüber hinaus in Monatsraten von 11 fl.
vom Honorar abgezogen und erst dann als endgültige Abfindung wieder aus-
gezahlt werden, wenn die Subskribentenzahl bis zum Jahr 1792 mindestens
gleichbleibt. Von der Abfindung in einer Höhe von insgesamt 450 fl., von der
hier die Rede ist, sind dem Ehepaar Ehrmann also vorerst nur 50 fl. sicher.
Der Erhalt des restlichen Geldes hängt vom gleichbleibenden Absatz der
Zeitschrift ab.
Theophil Friedrich Ehrmanns Problem ist nun, daß er anhand der von den
für den Versand zuständigen Postämtern geführten Listen seine 959 Subskri-
benten nicht nachweisen kann^^^. Seine Liste stimmt mit der der Postämter
nicht überein. Der Verlag wirft ihm daher Vertragsbruch vor und droht ihm
an, den Vertrag aufzukündigen; er seinerseits fühlt sich dadurch in seiner
Ehre verletzt und beschuldigt in einem Brief vom 30.3.1791 die auf den Post-
ämtern zuständigen Beamten der Verleumdung. Eine andere Erklärung für die
Unterschiede in den Subskribentenlisten - bei ihm sind es 956, beim Postamt
901 Subskribenten - könne er nicht finden. Er räumt allerdings ein, zurückge-
sandte Kommissionsexemplare nicht einkalkuliert zu haben:
122 Vertrag über den Verlag von Amaliens Erholungsstunden vom 24.1 1.1790, unterzeichnet
von Marianne und Theophil Friedrich Ehrmann sowie Johann Friedrich Cotta und Christi-
an Jakob Zahn (unveröff. Mskr., Cotta- Archiv).
123 Quittierung: Limitierung von Amaliens Erholungsstunden, unterzeichnet von T.F. Ehr-
mann und Zahn in Tübingen am 3.12.1790 (unveröff. Mskr., Cotta- Archiv).
124 Wenn im Folgenden von Theophil Friedrich, nicht aber von Marianne Ehrmann die Rede
ist, so ist zu bedenken, daß alle Begebenheiten sie und ihre Arbeit sehr wohl betreffen. Da
eine Frau Ende des 18. Jahrhunderts jedoch nicht als geschäftsfähig gilt, sondern ihr Ehe-
mann in rechtlichen wie geschäftlichen Dingen als ihr Vormund bestellt ist, verhandelt
ausschließlich ihr Mann mit dem Verlag. Im Hinblick auf die dominante Persönlichkeit ih-
res Mannes und die Streitigkeiten, die dieser mit sämtlichen Verlagen, mit denen zusam-
menarbeitet, austrägt, ist dies für Marianne Ehrmann nicht gerade von Vorteil.
92
Ich wiederhole es - die rothe Liste ist in meiner Gegenwart und im Beisein des Ib.
Postsekr. Le Vetre mit dem Postbuche verglichen worden, und als ganz gleichlau-
tend befunden worden, - Von Commissions-Sprb. wußte ich nichts, da ist Gott mein
Zeuge. Ich verstehe den Buchhandel nicht genug, um entscheiden zu können, ob
man bestellte Sprb. zurükschicken könne am Ende des Jahres. Ich wenigstens ließe
mir sowas nicht träumen.
Statt also nur den festen Leserkreis anzugeben, hat Theophil Friedrich Ehr-
mann auch diejenigen Abnehmer in seine Liste aufgenommen, die die Zeit-
schrift nur auf Kommission bestellt haben - vor allem Buchhandlungen und
Kollektionäre - und offensichtlich sind einige Exemplare wieder zurückge-
schickt worden, so daß die Gesamtabnehmerzahl des Jahres 1790 sich verrin-
gert hat.
Da dem Ehepaar Ehrmann das Kapital fehlt, um die Zeitschrift selbständig
fortzusetzen und es darüber hinaus auf die Einkünfte aus der Zeitschrift ange-
wiesen ist^^^, will Theophil Friedrich Ehrmann einen Bruch mit dem Verlag
nicht riskieren und entschließt sich vorerst zu einem versöhnlichen Ton. Er
zieht die Möglichkeit in Betracht, den auf Raten abzustottemden Vorschuß
von 200 fl. nicht mehr zurückzubekommen, möchte aber nicht auch noch das
Geld aus dem Wechsel oder gar die Einkünfte aus der Zeitschrift verlieren.
Um dies zu gewährleisten, möchte er den Verlag darauf festlegen, den Ver-
trag aufrechtzuerhalten:
Daß ich die auf gesagten fl. 200 verliere, wenn am Ende dieses Jahres die Subskri-
bentenzahl geringer ist, als sie in der rothen Liste angegeben war, dies ist nicht nur
dem Contracte gemäß, sondern auch billig: und gleiche Billigkeit sollen Sie immer
bei mir finden, wenn Sie mir bei dem Contracte bleiben. Mehr verlange ich
nicht}'^‘
Inzwischen geht es jedoch nicht mehr nur darum, oh die Zeitschrift fortgesetzt
werden soll; die Cottaische Verlagsbuchhandlung behält sich nun auch vor,
über das Wie zu bestimmen. Die eigentliche Auseinandersetzung beschäftigt
sich denn auch explizit mit diesem Streitpunkt.
125 Brief an Cotta vom 30.3. 1791 (unveröff. Mskr., Cotta- Archiv).
126 In einem Brief an die Hermannische Verlagsbuchhandlung vom 24.04.1791 (unveröff.
Mskr., WLB Stuttgart) bestätigt Theophil Friedrich Ehrmann dies: , Md Neujahr 1791. ha-
ben wir nun ganz und gar kein anderes Einkommen (vorderhand) als das Honorar für
Amaliens Erholst, welches monatl. - o staunen Sie! - fl. 55. beträgt r" Das entspricht den
vereinbarten 66 fl./Heft abzüglich der 11 fl. Vorschußrückzahlung. Vielleicht mischt
Theophil Friedrich Ehrmann sich auch deshalb so in die Verhandlungen ein, um den Ver-
dacht zu zerstreuen, er lasse sich von seiner Frau aushalten.
127 Brief an Cotta vom 30.3.1791.
93
4.5.2 Abbestellungen und Inhalte
Bereits zu diesem Zeitpunkt, kurz nachdem die Cottaische Verlagsbuchhand-
lung das dritte Heft verlegt hat, wirft der Verlag dem Ehepaar Ehrmann man-
gelnde literarische Qualität der Beiträge vor. Da die SubsMbentenzahl offen-
bar tatsächlich gesunken ist, nimmt Theophil Friedrich Ehrmann in seinem
Schreiben vom 30.3.1791 zu diesen Vorwürfen Stellung und verspricht, sich
zukünftig selbst mehr um die Korrekturen der Beiträge und die Redaktion zu
kümmern. Außerdem macht er dem Verlag das Zugeständnis, pro Heft einen
Bogen von ihm fi*emden - folglich vom Verlag gestellten - Mitarbeitern anzu-
nehmen. Die Kritik an seinen Beiträgen und den Arbeiten Marianne Ehr-
manns weist er allerdings vehement zurück. Er verweist auf positive Kritiken
und hohe Honorare ihrer Publikationen und wirft dem Verlag vor, selbst nicht
sorgfältig auszuwählen und zu arbeiten:
doch aber darf ich noch anmerken, daß ich mir auf meiner Uebersezzerkunst eben-
soviel einbilde, als der Ib. Uebersezzer der Georgina, welche Erzähl, im Vor-
beigehen gesagt, von Sprachschnitzern wimmelt, [...] wie wer Häring feilbietet pp.
Die Druhf ehlerliste, die ich Ihnen schikken werde, sobald ich zu diesem Geschäfte
Zeit finde, wird sie überzeugen, daß nicht Schreibfehler, sondern grobe Drulrfehler
in Mengen da sind, z. B. Freiheit statt Feinheit, u. dgl Dies sei nicht zum Vorwurfe
- sondern zu einer Warnung gesagt, die auch ich mir merken werde.
Die Diskussion verlagert sich nun von der Frage des Vertragsbruches immer
mehr auf die Inhalte der Zeitschrift. Der Verlag möchte das Blatt durch eine
neue Konzeption verkäuflicher machen. Das bedeutet in diesem Fall nichts
anderes als den Abbau der Artikel Marianne Ehrmanns. Um dies gegen den
Willen der Herausgeberin durchzusetzen, bedient man sich des finanziellen
Drucks: Falls sie nicht dem Wandel des Zeitschriftenprofils zustimmt, will
der Verlag die Geschäftsbeziehung beenden. Der Wechsel über 200 fl. würde
dann hinfällig. Da aus Sicht des Verlages der Vertrag bereits wegen der fal-
schen Subskribentenzahlen gebrochen ist, behält man sich offenbar vor, die
Zeitschrift entweder nach eigenen Konditionen oder gar nicht fortzusetzen.
Aus einem weiteren Brief Theophil Friedrich Ehrmanns vom 9.10.1791
geht hervor, daß der Verlag sich beklagt, die Zeitschrift rechne sich finanziell
gesehen nicht und daß er vielleicht sogar verlangt, sie müsse gekürzt wer-
den^ Theophil Friedrich Ehrmann schlägt vor, der Verlag solle ,,wie bisher
128 Brief an Cotta vom 30.3.1791. Leider läßt sich nicht genau rekonstruieren, was der Verlag
ihm alles vorhält, da nur dieser Brief Theophil Friedrich Ehrmanns zu dieser Thematik vor-
handen ist. Die Intensität seiner Verteidigung läßt zumindest darauf schließen, daß die
Vorwürfe des Verlages mit einiger Schärfe formuliert sind.
129 Nachtrag zum Vertrag zu Amaliens Erholungsstunden, unterzeichnet von Theophil Fried-
rich Ehrmann am 9.10.1791 (unveröff. Mskr., Cotta- Archiv). Es handelt sich hierbei um
94
monatl 5 1/2 Drukb. '' drucken, wozu das Ehepaar .^Materialien zu 5 Drukb. ”
liefern werde. Damit nimmt er das Angebot, monatlich einen Bogen mit Bei-
trägen von vom Verlag ausgewählten Autoren aufzunehmen, zurück. Daß
über diese Fremdbeiträge Uneinigkeit besteht, zeigt die bereits zitierte, von
Marianne Ehrmann im Juliheft 1791 eingerückte Mitteilung an die Le-
serinnen, in der sie sich von nicht mit ihrem Kürzel gekennzeichneten Beiträ-
gen und besonders von den Rezensionen distanziert^^^. Was die finanzielle
Seite betrifft, so schlägt Theophil Friedrich Ehrmann vor, den monatlichen
Honorarabzug von 11 fl. (wegen der Rückzahlung des Vorschusses von 200
fl.) mit Januar 1792 zu beenden imd sich stattdessen auf ein Honorar von 44
fl./Heft zu einigen; der Wechsel über 200 fl. müsse allerdings gültig bleiben.
Er rechnet dem Verlag vor, daß ihn eine solche Regelung billiger käme, als
wenn bei gleichbleibendem Honorar die noch ausstehenden 68 fl. - von den
200 fl. Vorauszahlung wären bis dahin 132 fi. abgezogen - weiter abbezahlt
würden. In seiner Rechnung geht Theophil Friedrich Ehrmann von einem
Honorar von 51 fl./Heft und einem Heftumfang von 5 1/2 Bogen aus. Wenn
das vertraglich vereinbarte Bogenhonorar von 1 1 fi. gleichgeblieben ist, lie-
fert das Ehepaar Ehrmann also im Herbst 1791 noch etwa 4 1/2 Bogen Text,
ein Bogen enthält vom Verlag ausgewählte Beiträge. 5 1/2 Bogen entsprechen
88 Seiten Text, und tatsächlich weisen die Hefte ab dem Juliheft des zweiten
Jahrgangs einen entsprechend geringeren Umfang auf. Das neue Profil der
Zeitschrift hat also auch ökonomische Gründe, nämlich die Senkung der Pro-
duktionskosten durch Verkürzung der Hefte bei gleichbleibendem Preis.
Theophil Friedrich Ehrmann geht es inzwischen vor allem darum, nicht
aus der Zeitschrift gedrängt zu werden. Er bietet deshalb an, ein Festhonorar
von 44 fl./Heft zu akzeptieren, das unabhängig von der tatsächlich gedruckten
Bogenanzahl gezahlt werden soll. Offenbar rechnet er bereits damit, daß der
Verlag keine 5 Bogen Text, die nur aus Ehrmannscher Feder stammen, mehr
drucken wird und versucht, sich zumindest gegen einen größeren Einkom-
mensverlust abzusichem. Da dieses Schreiben im Cotta-Archiv als Nachtrag
zum Vertrag von Amaliens Erholungsstunden geführt wird, scheint der Verlag
auf diese finanzielle Regelung eingegangen zu sein. Im letzten Absatz des
Briefes weist Theophil Friedrich Ehrmann noch darauf hin, daß seine Frau
nicht bereit sei, die Zeitschrift bei weiteren Honorarabzügen fortzusetzen; mit
einen nur von ihm selbst Unterzeichneten Brief, während der Vertrag noch die Unterschrift
Marianne Ehrmanns trägt.
130 AE2I\19\, 3. Bd., H. 7, S. 173 f
95
dieser Drohung hofft er, den Verlag zum Einlenken in der Honorarfirage be-
wegen zu können.
Noch geht Theophil Friedrich Ehrmann davon aus, daß auch für den Ver-
lag die Zeitschrift mit der Persönlichkeit Marianne Ehrmanns verknüpft ist.
Daß im dritten Jahrgang allerdings die Fremdbeiträge nicht nur überwiegen,
sondern auch inhaltlich der ursprünglichen publizistischen Aussage wider-
sprechen, zeigt, daß es dem Verlag nicht nur um finanzielle Belange zu tun
ist. Ohne sich um die Persönlichkeit der Herausgeberin, ihre Ziele und An-
sichten zu kümmern, nimmt der Verlag gegen den Willen des Ehepaars Ehr-
mann die Zeitschriftenredaktion in die Hand.
4.5.3 Der Streit um die Redaktion
Nach dem Schreiben Theophil Friedrich Ehrmanns vom 9.10.1791 sind keine
weiteren Dokumente aufzufinden, die die Zusammenhänge des nun rasch
eskalierenden Streites erhellen können. Einzig die Verlagsanzeige der
Cottaischen Verlagsbuchhandlung im Oktoberheft 1792 sowie eine im De-
zember 1792 von einem gewissen Meiburg, der sich als Freund des Ehepaars
Ehrmann bezeichnet, verfaßte Verteidigungsschrift, die als Antwort auf die
Verlagsanzeige gedacht ist, bieten einige Anhaltspunkte^^ Beides sind an
die Öffentlichkeit gerichtete Erklärungen in polemischem Ton, deren Ziel es
ist, die jeweils andere Seite als schuldig am Bruch zwischen Verlag und Her-
ausgeberin darzustellen. Sie sind daher nicht nur in ihren Ausführungen un-
sachlich, sondern teilweise sogar inhaltlich verfälschend.
Die Cottaische Verlagsbuchhandlung stellt den Sachverhalt so dar, daß
Theophil Friedrich Ehrmann dem Verlag von sich aus die Rückzahlung eines
Teils der Abfindung angeboten habe, als die Subskribentenzahl als Vertrags-
grundlage vom Postamt nicht bestätigt wurde. Der Verlag habe sogar die
Erstattung der Rückzahlung angeboten, falls die Subskribentenzahl um nicht
mehr als 347 niedriger sei als anfänglich angegeben. Stattdessen seien jedoch
hoch mehr Abbestellungen eingelaufen, so daß der Verlag neben der Reduzie-
rung des Honorars auf eine Begrenzung der Eigenbeiträge zugunsten fi-emder,
vom Verlag ausgewählter Artikel habe bestehen müssen, um den Fortbestand
der Zeitschrift garantieren zu können. Die Herausgeberin habe positiv darauf
reagiert und dem Verlag sogar die Übernahme der Zeitschriftenredaktion
1 3 1 Beide Texte sind im Anhang zu dieser Arbeit vollständig abgedruckt. In ihrem Briefwech-
sel mit dem Ansprechpartner bei dem Verlag der Einsiedlerinn aus den Alpen, Johann
Heinrich Heidegger, erwähnen sowohl Theophil Friedrich als auch Marianne Ehrmann au-
ßerdem die „Verteidigung eines Schweizermädchens“ ihrer Freundin Maria Dorothea
Mezger, die dem ersten Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen offenbar beigelegt gewesen
sein muß. In dem von mir eingesehenen Exemplar war sie nicht enthalten. Erstaunlich ist
nebenbei die Tatsache, daß trotz eines bislang regen Briefwechsels die handschriftlichen
Dokumente gerade zu diesem brisanten Zeitpunkt abbrechen.
96
angeboten: ^^adame Ehrmann erkannte nicht nur die Vortrefflichkeit der
von diesen [den neuen Mitarbeitern] gelieferten Stükke, sondern überließ uns
von nun an die Redaktion ganz, und schenkte unserer Bemühung den vollen
Dank‘^^^^.
Man habe daraufhin bald festgestellt, daß diese Veränderungen dem Absatz
der Zeitschrift zuträglich seien^^^, und so habe man in der Hoffiiung auf Er-
satz des erlittenen finanziellen Schadens Marianne Ehrmann weiterhin das
verabredete Honorar gezahlt, obwohl sie zum dritten Jahrgang nicht so viele
Beiträge beigesteuert habe, wie sie dafür hätte liefern sollen. Im Juni 1792
habe Theophil Friedrich Ehrmann dann plötzlich auf der Rückgabe der re-
daktionellen Belange bestanden, was der Verlag als indiskutabel habe zu-
rückweisen müssen:
Da es unser Vorsatz war, dem Journal durch immer wachsenden Werth mehr und
mehr Dauer zu geben, so konnten wir die Redaktion ihm nicht überlassen, weil wir
alsdann fiirchten mußten, daß das Journal bald wieder dahin sinken wollte, woher
wir’s gehoben hatten. Wir stüzten uns daher auf unsere Verabredung, wie wir's
konnten, und stellten theils seine Verbindlichkeit, das Journal für uns fortzusezzen,
theils die Gefahr, welche die Trennung für ihn hätte, vor, aber vergebens!
Nach einem verdrießlichen Briefwechsel wählten wir die Trennung von Herrn Ehr-
mann, weil die Ueberlassung der Redaktion schlechthin uns unthunlich schien. ^
Fazit der Verlagsanzeige: Die Cottaische Verlagsbuchhandlung habe sich be-
müht, das Niveau der Zeitschrift zu heben, um so ihr Fortbestehen und das
Wohlwollen des Publikums zu sichern und habe dafür auch finanzielle Ein-
bußen in Kauf genommen. Obwohl das Ehepaar selbst nicht in der Lage ge-
wesen sei, die Zeitschrift vernünftig zu redigieren und Marianne Ehrmann
diese Ansicht geteilt habe, habe ihr Mann sich uneinsichtig gegen die Über-
nahme der Redaktion durch den Verlag gestellt und damit den Erfolg der
Zeitschrift gefährdet.
Gegen diese Verlagsanzeige richtet sich eine Verteidigungsschrift zur
Wiederherstellung der schriftstellerischen Ehre Marianne Ehrmanns mit dem
Titel An die Leserinnen von Amaliens Erholungsstunden betitelt. Eine Not-
wehr für die boshaft angegriffene Verfasserin und ihren Gatten, die laut
Edith Krull als Beilage zum zweiten Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen
veröffentlicht und vermutlich auch als Sonderdruck an die Subskribenten von
132 Verlagsanzeige, AE 3/1792, 4. Bd, H. 10, S. 103.
133 Diese Behauptung basiert auf keinerlei Beweisen; ein Anstieg der Subskribentenzahlen
wird vom Verlag in dieser Anzeige nicht nachgewiesen.
134 Verlagsanzeige, a.a.O., S. 108.
97
Abb. 3 : T.F. Ehrmann AN Cotta ( 03 . 12 . 1790 )
98
Amaliens Erholungsstunden verschickt wird^^^. Als Verfasser zeichnet
ein‘ Straßburger Bürger’ namens Meiburg\ seine Darstellung der Geschehnis-
se unterscheidet sich deutlich von der des Verlages.
Nachdem die Angaben über die Subskribentenanzahl sich als fehlerhaft
erwiesen hätten, seien Marianne Ehrmann, so Meiburg, das Honorar von 12
auf 1 1 fl./ Bogen und die Abfindung für alle Rechte an der Zeitschrift von
500 auf 400 fl. gekürzt worden. Von letzterer habe sie außerdem 200 fl. in
Form von Honorarabzügen zurückzahlen müssen. Als weitere Abbestellungen
eingelaufen seien, habe man Marianne Ehrmann genötigt, ein noch niedrige-
res Honorar von 44 fl./ Heft zu akzeptieren sowie einer Reduzierung des
Heftumfangs von 6 auf 5 1/2 Bogen zuzustimmen, wovon nur 4 Bogen von
ihr geliefert werden sollten. Die verstärkte Aufiiahme von Fremdbeiträgen sei
nach Cottas eigener Aussage nicht vorrangig zum Zwecke der Verbesserung
der Zeitschrift, sondern vor allem aus Gründen der Ersparnis erfolgt. Die
daraufhin erscheinenden Fremdbeiträge seien Marianne Ehrmann anfangs zur
Einsicht zugesandt worden, doch als sie einige abgelehnt hatte, habe der Ver-
lag später eigenmächtig ausgewählt. Daß Marianne Ehrmann dies zunächst
zugelassen habe, sei fälschlicherweise als Übertragung der redaktionellen
Rechte verstanden worden. Schwierigkeiten seien aufgetreten, als der Verlag
begonnen habe, Marianne Ehrmanns eigene Beiträge zu verwerfen:
Es mochte noch so viel Manuscript von ihr in Tübingen sein, so war doch, wenn das
Heft erschien, kaum ein Bogen von ihr eingerückt. [...] Als aber endlich Hr. Zahn
das Siegel auf seine Frechheit drückte und einen ganzen Vorrat an Manuscripten
als unbrauchbar zurückschickte, da brach die Geduld. Zugleich liefen von mehreren
Seiten Briefe an Amalien ein, worin sie über die Seltenheit ihrer und einiger frem-
der Aufsätze wegen zur Rede gesetzt wurde. Kein Mensch ließ sich einfallen, daß sie
keine Gewalt über ihr eigenes Journal haben sollte. Dies alles bewog ihren Gatten,
einen empfindlichen Brief an Herrn Zahn zu schreiben, worin er ihm [...] Meldung
tat, daß Amalia die nie abgegebene Redaktion wieder fordere usw. Herr Zahn
wollte das nicht, brach den Kontrakt zuerst, [...]- man trennte sich.^^^
Nach Meiburgs Darstellung geht es der Cottaischen Verlagsbuchhandlung
also ausschließlich um eine möglichst billige und gewinnbringende, nicht aber
um eine inhaltlich attraktive Zeitschrift. Man habe sich deshalb bemüht, das
135 Krull, Wirken der Frau, S. 265. In dem von mir eingesehenen Exemplar der Einsiedlerinn
aus den Alpen ist die Verteidigungsschrift nicht enthalten. Ich übernehme deshalb den
Wortlaut nach der Dissertation von Edith Knill, die offensichtlich die Orthographie dem
moderneren Standard angeglichen hat. Aus der Korrespondenz Marianne Ehrmanns mit
Johann Heinrich Heidegger vom Verlag Orell, Gessner, Füßli & Cie. geht nur hervor, daß
sie ihn bittet, diese Verteidigung ins zweite Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen zu über-
nehmen (Marianne Ehrmann an Heidegger, 18.12.1792, unveröff. Mskr., ZB Zürich).
136 Verteidigung, zit. nach: Krull, Wirken der Frau, S. 262. Zahn ist der Teilhaber Cottas und
in diesem Fall offenbar der Ansprechpartner für das Ehepaar Ehrmann.
99
Ehepaar Ehrmann aus der Zeitschrift zu drängen, indem man ihm unter Aus-
nützung der finanziellen Situation die Redaktion entzogen habe. Das un-
rechtmäßige Bestehen des Verlages auf den redaktionellen Rechten sei als
Vertragsbruch zu werten; man habe damit die Trennung provoziert.
Beide Darstellungen haben ihre Schwachpunkte. Der Verlag verschweigt,
daß die Rückzahlung des Vorschusses von 200 fl. bei nicht zutreffender Sub-
skribentenzahl von vornherein verabredet worden ist und Theophil Friedrich
Ehrmann sie daher nicht von alleine, gewissermaßen als Schuldeingeständnis,
angeboten haben kann. Außerdem unterschlägt er, daß das Honorar, das dem
Ehepaar trotz Hinzuziehung anderer Mitarbeiter weiter gezahlt worden ist,
laut der Vereinbarung vom 9.10.1791 ein Festhonorar ist, das nicht ohne
vertragsbrüchig zu werden gekürzt werden kann. Vor allem kann der Verlag
aber nicht nachweisen, daß ihm die Redaktion tatsächlich übertragen worden
ist. Bezeichnend ist die Formulierung, Marianne Ehrmann habe ihm ^,von nun
an die Redaktion ganz'‘ überlassen. Marianne Ehrmann ist als Frau im ausge-
henden 18. Jahrhundert nicht der offizielle Vertragspartner. Die Abgabe der
Redaktion würde eine schriftliche Vereinbarung erfordern, die dann von
Theophil Friedrich Ehrmann, mit dem der Verlag auch über alle anderen
Fragen verhandelt, unterzeichnet sein müßte. Die Aussage des Verlages, im
Streit um die Redaktion habe man sich auf Theophil Friedrich Ehrmanns
Verbindlichkeit gestützt, das Journal fortzusetzen, ist ebenfalls irreführend.
Die Verpflichtung zur Fortsetzung der Zeitschrift hat nichts mit der Abgabe
der Redaktion zu tun. Der Verlag benutzt diese Verpflichtung vielmehr zu-
sammen mit der Drohung, sich voneinander zu trennen, wenn die Zeitschrift
nicht nach dem Willen des Verlags fortgefuhrt werde, als Druckmittel gegen
das finanziell vom Verlag abhängige Ehepaar. Weil Marianne und Theophil
Friedrich Ehrmann die Degradierung zu nicht mitspracheberechtigten Mitar-
beitern ablehnen, trennt man sich schließlich. Dementsprechend ist die Aussa-
ge des Verlages zu Beginn der Anzeige falsch, Marianne Ehrmann habe dem
Verlag zu Anfang des Jahres 1792 die Redaktion überlassen und sich neben
anderen, vom Verlag herangezogenen Mitarbeitern als Mitarbeiterin zur Ver-
fügung gestellt.
Der größte Schwachpunkt bei Meiburgs Argumentation sind die offen-
sichtlich falschen Zahlen, die er angibt. Ein Honorar von 12 fl./ Bogen, das
dann auf 1 1 fl. gekürzt worden ist, wurde ebensowenig vertraglich vereinbart
wie eine Abfindung von 500 fl. fiir die Rechte an der Zeitschrift. Mit diesen
falschen Angaben macht Meiburg sich von Anfang an verdächtig, und obwohl
seine weitere Argumentation, abgesehen von den polemischen Ausfallen
gegen Zahn, durchaus plausibel scheint, muß davon ausgegangen werden, daß
auch andere Angaben nicht stimmen.
100
Aus den Aussagen beider Vertragspartner ist zumindest zu schließen, daß
die nicht bestätigten Subskribentenzahlen nicht nur zu Honorar-, sondern
auch zu konzeptionellen Streitigkeiten führen. Der Verlag strebt seit der
Übernahme der Zeitschrift deren Veränderung an^^^. Aus welchen Gründen
der Verlag so sehr auf den redaktionellen Rechten besteht, ob er die Trennung
nur in Kauf nimmt oder sogar bewußt provoziert, darüber können auf der
Basis der Anklagen und Rechtfertigungen beider Vertragspartner nur Vermu-
tungen angestellt werden.
4.5.4 Mögliche Motive
Marianne und Theophil Friedrich Ehrmann haben der Cottaischen Verlags-
buchhandlung gegenüber sowohl aus finanzieller (Einkommen) als auch aus
vertraglicher Sicht (Vorwurf des Vertragsbruchs) eine ungünstige Position.
Die im Jahr 1791 eintreffenden Abbestellungen, die der Verlag heftig beklagt,
verschlechtern diese weiter. Die eigentlichen Differenzen, durch den schlep-
penderen Absatz der Zeitschrift verursacht, liegen im Inhalt der Zeitschrift
begründet, wie der Verlag den Leserinnen unmißverständlich deutlich macht:
,JtIerr Ehrmann wollte unter diesen Abbestellungen Cabale wittern, aber wir
möchten wohl fragen: Läßt ein Werk von wahrem Werth sich durch Cabale
sprengen?"^^^^
Aus den öffentlichen Stellungnahmen beider Seiten geht hervor, daß über
geschäftliche, finanzielle Erwägungen die Redaktionsfrage in den Mittelpunkt
rückt. Während der Verlag dies mit dem Verweis auf den Absatz der Zeit-
schrift eher qualitativ-literarisch begründet, zielt die Argumentation Marianne
Ehrmanns bzw. ihres Fürsprechers in eine andere Richtung. Ihrer Auffassung
nach ist es das Ziel des Verlags gewesen, die von der Zeitschrift zu erwarten-
den Gewinne voll auszuschöpfen. Der anfängliche Streit um die Subskriben-
tenzahlen scheint in jedem Falle für den Verlag eine Gelegenheit gewesen zu
sein, sich Einfluß auf die Zeitschrift zu verschaffen.
Berücksichtigt man, daß dem Verlag zum Zeitpunkt des Vertragsabschlus-
ses fast ein ganzer Jahrgang der Zeitschrift bekannt gewesen und wegen der
großen Nachfrage sogar eine zweite Auflage unternommen worden ist, so
scheinen die Klagen über die mangelnde Qualität der Ehrmannschen Beiträge
tatsächlich unglaubwürdig zu sein. Eher werden Marianne Ehrmanns Artikel
dem Verlag, den an Amaliens Erholungssfunden vor allem ein möglichst breit
gestreutes Publikum interessiert, in ihrer Offenheit zu brisant sein. Die erfolg-
reichen Publikumszeitschriften konventioneller Prägung, die die Zeitschrif-
tenszene beherrschen, sind ihm sicher bekannt. Während Marianne Ehrmann
137 Das geht aus der Verlagsanzeige hervor: „[•••] ^^7* hatten seit Anfang des J791ger Jahres
auf Aufnahme fremder Beiträge gedrungen'' {AE 3/1792, 4. Bd., H. 10, S. 102).
138 Verlagsanzeige, a.a.O., S. 99.
101
mit ihrer Zeitschrift ein inhaltliches Anliegen vertritt, das in seiner Deutlich-
keit nicht immer mehrheitsfahig sein dürfte, geht es dem Verlag vorrangig um
einen problemlosen Absatz. Johann Friedrich Cotta hat erst 1787 den Betrieb
von seinem Vater übernommen und versucht nun mit Hilfe des als Teilhaber
1789 hinzugekommenen Christian Jakob Zahn, den heruntergewirtschafteten
Verlag zu einem lukrativen Unternehmen umzuwandeln^^^. Die von Cotta
geäußerte qualitativ-literarische Kritik dürfte demnach auf Differenzen in der
Frage einer mehrheitsfahigen publizistischen Aussage Zurückzufuhren sein,
von der nach Ansicht des Verlags der Absatz der Zeitschrift abhängt.
Einem Brief Marianne Ehimanns an Johann Heinrich Heidegger, ihren
Ansprechpartner bei ihrem zweiten Verlag, zufolge, sind die Eingriffe der
Cottaischen Verlagsbuchhandlung in die Zeitschrift auf ablehnende Reaktio-
nen beim Publikum gestoßen. Von Marianne Ehrmann anhand empörter Zu-
schriften zur Rede gestellt, habe Cotta zugegeben, daß der Absatz indessen
durchaus den Vorstellungen des Verlages entspreche und es ihm vor allem
um die Brisanz der Inhalte und des Stils der von ihr selbst verfassten Beiträ-
ge gehe:
Auch gab er mir noch den Trost, es sei nicht nur für ein Jahr, sondern für 10 Jahre
Fortsezung auf welche ich zu rechnen habe, wenn ich das meinige beitrüge. Ei, wie
zuversichtlich, tiefen Respekt für eine solche Lehre! Der einsichtsvolle Mann hat in
139 Cotta hat sich im März 1789 auf eine Teilhaberschaft mit Zahn geeinigt, die bis 1797 an-
dauert. Zahn bringt Vermögen in den Verlag ein und verfugt über die nötigen betriebswirt-
schaftlichen und rechtlichen Kenntnisse. Er übernimmt die Verwaltung des Verlages, wäh-
rend Cotta die Kontakte zu wichtigen Autoren knüpft. Als Verleger Goethes und Schillers
wird er zum einflußreichsten Verleger des beginnenden 19. Jahrhunderts. Zahns schöpferi-
sche Beteiligung des Verlags ist auf die Herausgabe der Zeitschriften beschränkt, die Ama-
liens Erholungsstunden folgen: der Flora und der Horen. Er gilt als außerordentlich kor-
rekt, konservativ und weniger risikobereit als Cotta. Nachdem der Verlag saniert ist, zahlt
Cotta Zahn aus und trennt sich von ihm. Möglicherweise wäre Marianne Ehrmanns Ge-
schäftsverhälnis zu Cotta ohne Zahn völlig anders verlaufen. Zur Geschichte des Verlages
vgl. Lohrer, Cotta - Geschichte eines Verlages.
140 Jch bewies ihm nehmlich durch einen Haufen Briefe von Nord und West, wie sehr man in
manchen Stükken mit der Redaktion, besonders aber mit dem Mangel an meinen Aufsäzen
unzufrieden sei, noch sezte ich hinzu, daß der Absaz darunter gewis gelitten haben würde.
Jezt war er in der Falle, und gestund ganz treuherzig, daß der Absaz noch gut sei, und
sich nur in eine andere Gegend gezogen habe. Mehr wollte ich nicht wissen, die Auflage
will ich nun bald erfahren."' (Marianne Ehrmann an Heidegger, unveröff. Mskr., ZB Zü-
rich). Der Brief ist nicht datiert, es handelt sich aber offensichtlich um das erste Schreiben
Marianne Ehrmanns an Heidegger; sie bedankt sich darin für ein Angebot, das er ihr ge-
macht habe. Theophil Friedrich Ehrmann dankt Heidegger in einem Brief vom 8.4.1792
für ein Schreiben an seine Frau; am 5.9. 1792 berichtet er ihm, man habe auf seinen Rat hin
mit Cotta gebrochen. Der Brief Marianne Ehrmanns datiert demnach etwa im Frühjahr
1792. Auf dem in der Zentralbibliothek Zürich befindlichen Brief wurde später, offen-
sichtlich von fremder Hand, die Datierung „April 1792“ angebracht.
102
Zeit von 2. Jahren sich noch nicht einmal überzeugen gelernt, ob ich mit Leiden-
schaft für Lust und moralischen Nuzen, oder bloß aus mechanischer Gewohnheit
arbeite?^^^
Das Ehepaar Ehrmann hat bereits im April 1792 keinen Einblick mehr in den
Absatz seiner Zeitschrift und ist nicht einmal über die Auflagenhöhe infor-
miert^^^. Wegen der Subskribentenzahlen von vornherein in der schlechteren
Position und immer der Kritik ausgesetzt, sind sie in die Defensive gedrängt.
Aus ihrer angespannten finanziellen Situation heraus und in der Hoffiiung auf
ein geregeltes Einkommen sehen sie sich zunächst gezwungen, auf die Forde-
rungen des Verlages einzugehen. Offenbar kann Marianne Ehrmann jedoch
die völlige Mißachtung ihrer Ideale und Ziele durch den Verlag nicht akzep-
tieren. Ihr Drängen auf Rückgabe der redaktionellen Befugnisse dürfte eher
einem persönlichen, auf die publizistische Aussage der Zeitschrift gerichteten
denn einem geschäftlichen Interesse entsprechen. Immerhin wären ihr ja die
44 fl. Festhonorar monatlich sicher, wenn sie sich auf die Bedingungen des
Verlages einließe. Daß sie dennoch nicht einlenkt und sich stattdessen einen
anderen Verlag sucht, beweist, welche Bedeutung ihre publizistischen Ziele
für sie haben. Ein Frauenjoumal zu veröffentlichen ist für Marianne Ehrmann
nicht nur eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Der Gedanke liegt nahe, daß
eine publizistische Kapitulation für diese Frau, die in ihrer Rolle als Ernähre-
rin der Familie unkonventionell genug ist, einer privaten Kapitulation vor der
Überlegenheit des männlich geprägten Weltbildes gleichkommt.
Die Trennung von der Cottaischen Verlagsbuchhandlung erfolgt im Streit;
beide Parteien beteuern ihr Recht. Der Verlag erklärt sich zu einer richterli-
chen Prüfung des Sachverhaltes bereit^"^^ und hat Marianne und Theophil
Friedrich Ehrmann offenbar vorher bereits mit einem Prozeß über die Ho-
norarfi'age gedroht^^"^. Theophil Friedrich Ehrmann seinerseits will dem Ver-
lag die Fortführung der Zeitschrift unter dem ursprünglichen Titel verbieten
lassen^"^^; er beruft sich dabei mehrfach auf die Unterstützung von seiten der
141 Marianne Ehrmann an Heidegger, o.J. [April 1792].
142 Am 15.8.1792 schreibt Mariaime Ehrmann an Heidegger, ihr Drucker berichte von einer
noch zu steigernden Auflage von 1500 Exemplaren (unveröff. Mskr., ZB Zürich). Solche
Angaben sind mit Vorsicht zu genießen, da Heidegger ja der zukünftige Geschäftspartner
ist und Marianne Ehrmann ihm sicher ein positives Bild ihrer Arbeit zu bieten bemüht ist.
143 ,f>ie Wahrheit von jedem gesagten Wort können wir jedem befugten Richter, juridisch
streng, auf Verlangen sogleich erweisen“ (Verlagsanzeige, a.a.O., S. 109).
144 Marianne Ehrmann schreibt an Heidegger, Cotta mache Jzt Miene einen Prozeß anzufan-
gen, für dessen Ausgang mir aber nicht bange ist. Entweder muß er den Contract aufs
Honr. halten, oder es bricht, [...]“ (o.J. [April 1792]).
145 Theophil Friedrich Ehrmann an Heidegger, 5.9.92 (unveröff. Mskr., ZB Zürich). Zumin-
dest damit scheint er Erfolg gehabt zu haben: das Cottaische Blatt erscheint schließlich
unter dem Titel Flora.
103
Herzogin von Württemberg, als deren Protegee Marianne Ehrmann gilt, und
auch des Herzogs, an den Theophil Friedrich Ehrmann sich zusätzlich wen-
det^"^^. Die eigentliche Streitfrage der redaktionellen Rechte kann weder die
eine noch die andere Seite mit Hilfe rechtlich gültiger Beweismittel klären.
Weder kann das Ehepaar Ehrmann beweisen, daß der Verlag sie unbefugt aus
der eigenen Zeitschrift habe drängen wollen, noch kann der Verlag die Über-
tragung der Redaktionsrechte schriftlich nachweisen.
Alle Beteuerungen beider Seiten haben dies auch nicht zum Ziel; sie die-
nen vielmehr der Rechtfertigung und der Sympathiewerbung beim Publikum.
Als der Bruch publik wird, sind beide Parteien bereits entschlossen, eine
andere Zeitschrift herauszugeben. Die Äußerungen zur Trennung von Verlag
und Herausgeberin sind nichts anderes als Werbung für die Nachfolgezeit-
schriften: Die Flora der Cottaischen Verlagsbuchhandlung und Die Einsiedle-
rinn aus den Alpen, die Marianne Ehrmann nun in Zürich bei Grell, Gessner,
Füßli & Cie. verlegen läßt.
146 Vgl. seinen Brief an Heidegger vom 5.9.1792. Die Cottaische Verlagsbuchhandlung sieht
sich daraufhin genötigt, der Herzogin die Flora zu widmen, um sie gnädig zu stimmen. In
einem Schreiben vom 24.11.1792 (unveröff. Mskr., Cotta- Archiv) bedankt sich Franziska
von Hohenheim bei dem Verlag mit den Worten: ,Just da ich Glaubte, um derentwillen
vor die ich mich bey Ihnen Interesirt habe, Beleidiget zu sein, verbinden Sie mich, durch
die Zueignung Ihrer Flora, Teutschlands Töchter geweiht, zum Dank, u. in der That ich
vergesse [den] Gedanken darieber: daß Sie nicht ganz auf meine Bitte Gehört, [...]“. Ein
Beispiel dafür, wie wenig hilfreich die Gunst einer Fürstin in praktischen Dingen sein
kann.
104
5. Die Einsiedlerinn aus den Alpen (1793 - 1794):
Ein zweiter Versuch
5.1. Vorbedingungen und Werbung:
Konkurrenz zu Cottas Flora
Ich bitte also inständig so schnell als möglich vorwärts zu machen - den C. [Cotta]
druckt drauflos wie unsinnig!^
Bevor die Trennung von Verlag und Herausgeberin öffentlich bekannt wird,
beginnen bereits die Vorbereitungen für die beiden Nachfolgezeitschriften.
Theophil Friedrich Ehrmann hat wegen seiner Zeitschriften Der Zuschauer
und Der Weltbürger, die in Zürich herausgegeben werden, Kontakt zu dem
Zürcher Verlag Orell, Gessner, Füßli & Cie?. Im Frühjahr 1792 bietet der
Geschäftsführer des Verlages, Johann Heinrich Heidegger, der offenbar von
Theophil Friedrich Ehrmann über die Probleme mit dem Tübinger Verlag
informiert worden ist, Marianne Ehrmann an, ihre publizistische Tätigkeit
gegebenenfalls in Zürich fortzusetzen. Etwa ab dem Sommer 1792 beginnt
eine hektische Betriebsamkeit; man möchte die neue Zeitschrift ebenso
schnell herausbringen, wie die Cottaische Verlagsbuchhandlung es mit der
Flora beabsichtigt. In ihrem nicht datierten ersten Schreiben an Heidegger, in
dem Marianne Ehrmann die Auseinandersetzung mit Cotta beschreibt^, betont
sie bereits, es käme im wesentlichen „auf recht schnellen Druk, äußerst frühe
Spedition, und Posaunenton'''' an. Während Cottas Flora am selben Ort ent-
1 Marianne Ehrmann an Heidegger, 25. 1 0. 1 792. Sämtliche hier zitierten Briefe an Heidegger
und den Verlag Orell, Gessner, Füßli & Cie. befinden sich als unveröffentlichte Manuskrip-
te im Besitz der Zentralbibliothek Zürich.
2 Der früheste erhaltene Brief datiert vom April 1791 Die Geschäftsleitung des Verlages
(heute Orell Füßli, Graphische Betriebe AG) teilte mir in einem Schreiben vom 15.5. 1990
mit, daß sich im Verlagsarchiv keinerlei Verträge oder Korrespondenzen aus dieser Zeit
mehr befanden, da diese alle zerstört worden seien. Tatsächlich sind in der Sammlung von
Briefen an Heidegger, der von 1756 bis 1798 Teilhaber von Orell, Gessner, Füßli & Cie.
war, auch Briefe an die Geschäftsleitung des Verlages erhalten; einzig Verträge, die wohl
im Verlagsarchiv aufbewahrt wurden, sind nicht mehr aufzufinden.
3 Im April 1792 dankt Theophil Friedrich Ehrmann Heidegger für einen Brief an seine Frau,
das ein „Angebot“ enthalte. Handschriftlich ist auf Marianne Ehrmanns erstem Brief
nachträglich von fremder Hand das Datum „April 1792“ vermerkt, ihr zweites Schreiben
stammt vom 15.8.1792.
105
steht, an dem sie herausgegeben wird, hat Marianne Ehrmann wieder die
Distanz zum Verlags- und Druckort zu überwinden und klagt dementspre-
chend häufig über Transportprobleme. Da der Postwagen von Stuttgart nach
Zürich nur einmal wöchentlich fahrt^ und für die Strecke etwa drei Tage be-
nötigt^, muß schnell gearbeitet werden, um mögliche Verzögerungen aus-
gleichen zu können. Mit der Versicherung, Cotta drucke ,4^auflos wie un-
sinnig'\ versucht Marianne Ehrmann am 25.10.1792 Heidegger zu bewegen,
die Zensur, die auch in Zürich in Form einer Vorzensur ausgeübt wird, zu
umgehen, da sie „/iwr Aufenthalt" mache. Er möge, so schlägt sie vor, doch
einfach versichern, ,,g/« Frauenzimmer könne nichts Anstössiges schreiben""^.
Anfang Dezember 1792 ist das erste Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen
fertiggestellt; in Briefen vom 16. und 18.12.1792 bestätigen Theophil Fried-
rich und Marianne Ehrmann den Empfang der ihnen zustehenden Freiexem-
plare. Zu diesem Zeitpunkt ist das Januarheft der Flora bereits im Handel,
und Marianne Ehrmann klagt, daß in den Buchhandlungen die Flora gekauft
werde, weil die Einsiedlerinn aus den Alpen noch nicht ausgeliefert sei^. Der
Kampf um die Leserinnen, besonders um diejenigen, die nicht gleich auf eine
Zeitschrift subskribieren, sondern zunächst einzelne Hefte beziehen, ist auch
ein Wettlauf mit der Zeit. Erschwerend für Marianne Ehrmann kommt hinzu,
daß Amaliens Erholungsstunden, ihre eigene Zeitschrift, zum Werbeträger für
die Flora wird, während sie selbst andere Wege finden muß, ihre Leserinnen
zu erreichen.
Der Kampf um die Gunst der Leserinnen ist für das Ehepaar Ehrmann
auch ein finanzieller Überlebenskampf Die Cottaische Verlagsbuchhandlung
will die Zeitschrift Amaliens Erholungsstunden unter dem alten Titel fort-
setzen. Wie Theophil Friedrich Ehrmann in einem Brief an Heidegger vom
05.09.1792 schreibt, will er Cotta dies durch richterlichen Beschluß verbieten
4 .Ärgerlich ists daß der Postwagen nur einmal in der Woche geht, es darf dann da nur das
geringste dazwischen kommen, so wird er oft versäumt.'' (Marianne Ehrmann an Heideg-
ger, 18.11. 1792).
5 In der Einsiedlerinn aus den Alpen beschreibt Marianne Ehrmann eine Reise nach Zürich,
während der sie zweimal übernachten muß („Bemerkungen auf einer kleinen Reise von
Stuttgart nach Zürich, und von da wieder zurük“, EaA, 2/1794, 1. Bd, H. 1, S. 43 - 73).
6 Mit diesem Zitat ist belegt, daß die Vorzensur grundsätzlich bei allen Periodika in Kraft
tritt, gleichzeitig aber eine unterschiedliche Bewertung der von Frauen bzw. von Männern
verfaßten Artikel möglich ist, da Frauenliteratur als unpolitisch begriffen wird.
7 „Von einigen kleinen Buchhandlungen besonders aber von Pfähler in Heidelberg höre ich
daß mehrere Leserinnen drum die Flora vorzogen weil keine Einsiedlerin zu haben war.
Der zudringliche C. hat izt wirklich schon den Februar fertig. Wie unverschämt! [...] Wir
haben es mit einem jähischen Rivalen zu thun, der eine rasende Thätigkeit besizt, [...]“
(Marianne Ehrmann an Heidegger, 18.12.1792). Dabei kommt für Cotta erleichternd hin-
zu, daß Herstellung und Vertrieb von Amaliens Erholungsstunden nahtlos in die Flora
übergehen können.
106
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S^acifttine n.
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1. ^
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6f? Oreff/ gftpü «n> Ccmp. 1793»
Abb. 4 : Titelblatt, 1/1793
107
lassen. Er werde deshalb an den Herzog schreiben, die Herzogin sei schon
von Marianne Ehrmann unterrichtet worden^. Cotta scheint daraufhin einzu-
lenken und gibt seiner Zeitschrift, die ab Januar 1793 erscheinen soll, den
Namen Flora. Teutschlands Töchtern geweiht von Freunden und Freundin-
nen des schönen Geschlechts. In den letzten drei Heften von Amaliens Erho-
lungsstunden startet Cotta einen umfangreichen Werbefeldzug für die Flora.
Außer dem Titel der Zeitschrift, so der Tenor, ändere sich für die Leserinnen
im nächsten Jahrgang nichts. Nach der Verlagsanzeige im Oktoberheft, die
die Leserinnen über die Trennung von Marianne Ehrmann informiert hat,
veröffentlicht der Verlag im Novemberheft erneut eine Anzeige, die den neu-
en Titel der angeblich gleichbleibenden Zeitschrift erläutert^. Das No-
vemberheft trägt bereits den Titel Amaliens Erholungsstunden - Nicht von
Marianne Ehrmann - oder Flora - Teutschlands Töchtern geweiht. Dieser
Titel, so argumentiert der Verlag, sei nach Ehrmanns Entschluß, Amaliens
Erholungsstunden in einem anderen Verlag fortzusetzen, gewählt worden,
,,um der unangenehmen Verwechslung unserer Monatsschrift mit der Ehr-
mannischen auszuweichen‘‘^^ . Die Leserinnen sollen damit langsam an den
neuen Titel gewöhnt werden, der, so der Verlag im Novemberheft, ^für das
künftige Jahr [...] bloß Flora" lauten werde. Das Dezemberheft schließ-
lich beinhaltet gleich zwei Anzeigen für die Flora, auf der Umschlagseite
eine Subskribentenwerbung und im Textteil eine Verlagsmitteilung, in der die
Flora nochmals als legitime Fortsetzung der den Leserinnen bekannten Zeit-
schrift genannt wird. Nur hier, so der Verlag, könnten die Leserinnen die
Fortsetzungen einiger bereits begonnener Beiträge verfolgen und weiterhin
Artikel der Autoren finden, „welche im Jahrgang 1 792. sich den allgemeinen
Beifall erworben haben"'^^. Die Cottaische Verlagsbuchhandlung hat damit
einen geschickten Bogen von Amaliens Erholungsstunden zur Flora geschla-
gen und ohne großen Aufwand alle bisherigen Leserinnen erreicht.
Marianne Ehrmann selbst kann sich nur außerhalb ihrer ersten Zeitschrift
für Die Einsiedlerinn aus den Alpen - deren Titel in Amaliens Erholungs-
stunden selbstverständlich nie genannt wird - stark machen. Dies geschieht
zunächst durch öffentliche Stellungnahmen vermeintlich Außenstehender wie
des bereits erwähnten Meiburg, der in seiner „Verteidigung“ die Flora als
8 Jch werde ihm dies unbefugte Verfahren durch den Richter absprechen lassen. Ich
schreibe nächste Woche deshalb an den Herzog, der unser gütiger Beschüzzer ist; an die
Herzogin hat meine Frau schon alles gemeldet." (Brief an Heidegger vom 5.9.1792). Da
der Verlag den Titel der Zeitschrift ändert, ist anzunehmen, daß der Herzog eingreift.
9 ^j 5:3/1792,4. Bd.,H. 11,S. 198 f
10 AE 3/1792, 4. Bd., H. 10, S. 108. Dies ist der einzige Hinweis für die Leserinnen, daß
Marianne Ehrmann sich nicht etwa vom Journalismus zurückzieht, sondern vielmehr eine
neue Zeitschrift in Angriff nimmt.
1 1 AE 3/1792, 4. Bd., H. 12, S. 292.
108
billiges Imitat von Amaliens Erholungsstunden massiv angreift^^. Edith
Krulls Vermutung, daß Meiburgs Verteidigungsschrift an die Subskribentin-
nen und Subskribenten von Amaliens Erholungsstunden verschickt worden
sei^^, bestätigt sich im Briefwechsel des Ehepaars Ehrmann mit Heidegger
bzw. Orell, Gessner, Füßli & Cie. nicht. In seinem Schreiben vom 5.9. 1792
spricht Theophil Friedrich Ehrmann von einem ,,Circular-Schreiben'\ das an
die bisherigen Leserinnen versendet werden solle. Diese können wohl nur
über die anfänglichen Subskribentenverzeichnisse rekonstruiert werden; falls
im dritten Jahrgang neue dazugekommen sind, so sind deren Anzahl, Namen
und Anschrift der Herausgeberin nicht mehr bekanntgegeben worden^^ tat-
sächlich schreibt Theophil Friedrich Ehrmann am 31.10.1792 denn auch, man
habe von den Zirkularschreiben 150 Stück ^^nebst Ankündigungen an Freunde
und Sammler versandf'^^\ von den Leserinnen von Amaliens Erholungsstun-
den ist nicht mehr die Rede. Der gezielten Werbung der bisherigen Leserin-
nen durch die Cottaische Verlagsbuchhandlung kann das Ehepaar Ehrmann
nur eine möglichst breit gestreute Werbung entgegensetzen. In einem Schrei-
ben an Orell, Gessner, Füßli & Cie. vom 14.10.1792 spricht Theophil Fried-
rich Ehrmann z.B. von einer Antwort auf Zahns Anzeige, die er in einer
3000er Auflage gedruckt sehen möchte. Davon sollen 600 Exemplare an ihn
persönlich gehen, ein Teil ins erste Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen
aufgenommen und ein Teil an den Buchhandel verteilt werden; außerdem
solle sie in seinem Journal Der Weltbürger abgedruckt werden^ Daneben
erscheinen Vorankündigungen gleichen Wortlauts in Blättern wie der Jenaer
Allgemeinen Litteraturzeitung^ der Hamburger Zeitung, dem Journal des
Luxus und der Moden oder dem Journal von und für Deutschland}'^ . Der Ehr-
12 Er schreibt u.a., Zahn wolle die Leserinnen durch seine einseitige Darstellung der Gescheh-
nisse ,^mgen, seine Romanensammlung, deren es doch noch eine Menge anderer gibt
(vielleicht gerade, weil er das weiß), sich anzuschaffen'\ Die Flora aber sei ein ,JAngriff in
Amaliens Rechte. [...] Amalia war genötigt, das Journal wieder an sich zu ziehen, um es
nicht ßir immer zu verlieren, worauf es augenscheinlich angelegt war. Zahn sah, woran
man nicht zweifeln kann, daß es so kommen mußte, darum die unvollendeten Erzählungen
in diesem Jahr, er wollte also die Leserinnen zwingen, seine Flora sich anzuschaffen:
[...]“ (vgl. Krull, Wirken der Frau, S. 263 f).
1 3 Krull, Wirken der Frau, S. 265.
14 Dies ist aus Marianne Ehrmanns Äußerungen in ihrem ersten Schreiben an Heidegger zu
schließen, wenn sie sich äußert, sie kenne die- genaue Auflage nicht, aber Cotta habe ihr
gesagt, der Absatz sei gleichgeblieben und habe sich in eine andere Gegend gezogen.
1 5 Brief an Orell, Gessner, Füßli & Cie. , 3 1 . 1 0. 1 792.
1 6 Weder in der von mir eingesehenen Ausgabe des Weltbürgers noch in der der Eitisiedle-
rinn aus den Alpen ist eine solche „Antwort“ enthalten; aus der Korrespondenz mit Hei-
degger geht jedoch nicht hervor, daß dieses Vorhaben fallen gelassen worden wäre.
17 Theophil Friedrich Ehrmann spricht von 13 Zeitungen, in die man die Ankündigung auf
Kosten des Verlages habe einrücken lassen (Brief an Orell, Gessner, Füßli & Cie.,
31.10.1792).
109
mannsche Webefeldzug beginnt mit einer Vorankündigung Marianne Ehr-
manns im Septemberhefl 1792 des Journals von und für Deutschland. In den
Ankündigungen geht das Ehepaar Ehrmann weder auf das Zerwürfiiis mit
Cotta noch auf die Konkurrenz zur Flora ein. Die Anzeigen dienen allein der
Subskribentenwerbung. Erst in der Einsiedlerinn aus den Alpen wird Marian-
ne Ehrmann deutlicher werden. In deren erstem Heft äußert sie sich selbst zu
den Geschehnissen:
Mein voriger Verleger hatte mir nach und nach alle Macht über jenes mein eigent-
hümliches Werk genommen, und es mit Aufsäzen nach seinem eigenen Belieben an-
gefüllt. [...]
Jezt, da ich dieses neue Werk in dem Verlag einer rühmlichst bekannten Handlung,
bey Männern herausgebe, die Billigkeit und Edelmuth mit Sachkenntnis verbinden;
[...] - iezt kann ich den deutschen Lesefreundinnen versprechen, wieder zu dem er-
sten Plane meiner schriftstellerischen Arbeiten zurükzukehren - und diese neue Zeit-
schrift wird jene gehässige Anzeige Lügen strafen!^ ^
Marianne Ehrmann überläßt den aggressiven Teil der Werbung, die Angriffe
auf Cotta bzw. Zahn, anderen, ‘neutralen’ Personen. Wie aus der Korrespon-
denz mit Heidegger hervorgeht, erscheint neben Meiburgs Verteidigungs-
schrift als Beilage zum ersten Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen Maria
Dorothea Mezgers ,Aufinf eines Schweitzermädchens an ihre Landsmännin-
nen“^^. Im Intelligenzblatt des Journals des Luxus und der Moden erscheint
außerdem eine weitere Stellungnahme, ,^An Teutschlands Töchter“, unter-
zeichnet mit dem Kürzel E.W., die die Cottaische Verlagsbuchhandlung und
besonders Zahn ebenfalls deutlich angreift^^. Ziel dieses Textes ist vor allem
die Werbung für die Einsiedlerinn aus den Alpen, deren Lektüre zur emanzi-
patorischen Handlung erklärt wird, die der Welt die intellektuellen Fähigkei-
ten von Frauen verdeutliche. Zahn, so die Verfasserin, besitze die Frechheit
18 EaA 1/1793, 1. Bd, H. 1, S. 17 f. Sieht man einmal ab von der aus verkaufstechnischen
Gründen erforderlichen Distanzierung von der Cottaischen Verlagsbuchhandlung, so mag
dieses Zitat als Beleg dafür gelten, daß vor allem die von Marianne Ehrmann für Amaliens
Erholungsstunden gewählten Inhalte den Grund für den Bruch mit Cotta abgeben.
19 Titel nach Gräter, Besuch bey Amalien, S. 159. Die Beilage ist im in Zürich befindlichen
Exemplar nicht erhalten; aus Briefen Marianne Ehrmanns (18.12.1792) und ihres Maimes
(16.12.1792) an Heidegger geht aber eindeutig hervor, daß ein solcher Text gedruckt und
der Einsiedlerinn aus den Alpen beigefügt wird.
20 8/1793, S. Xin/XIV. Die Autorin bezeichnet sich als „Verehrerin Marianne Ehrmanns“.
Die Identität der Autorin bleibt im Dunklen. Krulls Vermutung, die Schrift könne von Ma-
rianne Ehrmann oder ihrem Mann stammen, wird von ihr nicht begründet (Wirken der
Frau, S. 259); es finden sich dafür keine klaren Anhaltspunkte. Aus der Korrespondenz mit
Heidegger lassen sich keine Rückschlüsse auf diese Schrift ziehen. Theophil Friedrich
Ehrmann spricht außer von den Texten Meiburgs und Mezgers noch von Ankündigungen,
einer Antwort auf Zahns Anzeige und einem Circular-Schreiben an die bisherigen Leserin-
nen, jedoch nicht von einer weiteren von einer Außenstehenden verfaßten Schrift.
110
zu sagen, nur er habe den sinkenden Werth dieses Journals wieder empor gehoben;
da es bekannt ist, daß seitdem er unrechtmäßig sich das Redactionsrecht anmaßte,
wir nur Erzählungen und Mährchen zu lesen bekamen, so heist dies ohngefähr so
viel als: nur diese gefielen uns! -Auf, meine Lieben! beweisen Sie der Welt, daß dem
nicht so ist, daß wir das Verdienst einer Schriftstellerin für Kcmf und Herz zu erken-
nen fähig sind und sie faselnden Romanen vorzuziehn wissenr^
Marianne Ehrmann hat bei ihren neuen Verlegern die Möglichkeit, ihr in den
Anfängen von Amaliens Erholungsstunden erprobtes Zeitschriftenprofil wie-
der aufleben zu lassen, und der Erfolg gibt ihr Recht. Dennoch ist die über
zwei Jahre erscheinende Einsiedlerinn aus den Alpen heute aus der Sekun-
därliteratur so gut wie verschwunden^^. Cottas Strategie, die Flora als Nach-
folgezeitschrift von Amaliens Erholungsstunden zu präsentieren, hat so nach-
haltige .Wirkung gezeigt, daß es - Ironie des Schicksals - in der Sekundärlite-
ratur zuweilen heißt, Marianne Ehrmann habe die Flora herausgegeben oder
zumindest an ihr mitgearbeitet^^.
5.2. Die persönlichen Arbeitsbedingungen:
Berufs- und Privatleben
Was nun die Einsiedlerinn betrifft, die muß dann freilich fortgehen wie bis jezt,
denn wenn ich Beiträge [...], Kopistenlohn und Porto abziehe, so bleibt mir nicht
einmal mehr genug zu Bestreittung meiner monathlichen Haushaltungsausgaben
übrig}^
Während über die Umstände, unter denen Amaliens Erholungsstunden ent-
standen sind, nur wenig bekannt ist, bietet die umfassende, in der Zentral-
bibliothek Zürich erhaltene Korrespondenz Marianne und Theophil Friedrich
Ehrmanns mit Johann Heinrich Heidegger einen Einblick in die Arbeitsbe-
dingungen, die Die Einsiedlerinn aus den Alpen begleiten. Mit dem Beginn
ihrer Zusammenarbeit mit dem Zürcher Verlag scheint sich Marianne Ehr-
21 A.a.O., S. XIV.
22 Edith Krull schließt allein aus der Dauer des Erscheinens, der Erfolg habe „dem Cot-
taischen Unternehmen recht gegeben“ (Wirken der Frau, S. 267). Sie berücksichtigt dabei
nicht die Tatsache, daß Marianne Ehrmanns zweite Zeitschrift kurz vor ihrem Tod aus ge-
sundheitlichen Gründen eingestellt wurde. Im Gegensatz zur kommerziell ausgerichteten
Flora hing die Fortführung der Einsiedlerinn von ihrer Herausgeberin ab.
23 Etwa bei Gering, Anfänge des Zeitschriftenwesens in Württemberg, S. 1 8, in Herzog Karl
Eugen, S. 470 oder in dem Band O Freyheit!, S. 456. Bei Eva Kammler heißt es, Amaliens
Erholungsstunden breche 1792 ab, ohne daß auf die zweite Zeitschrift eingegangen wird
(Zwischen Professionalisierung und Dilettantismus, S. 162 u. 164).
24 Marianne Ehrmann an Heidegger, 18.8.1793.
111
manns geschäftliche Position im Vergleich zu den Arbeitsbedingungen bei
der Cottaischen Verlagsbuchhandlung verbessert zu haben. Der Verlag ist an
ihr als Herausgeberin interessiert und sie hat mit Johann Heinrich Heidegger,
der Teile der Geschäftsführung betreut, einen offenen und ihr zugeneigten
Ansprechpartner. Mit dem Wechsel zu Grell, Gessner, Füßli & Cie. ist wieder
ein Grundeinkommen gesichert, das sich auf etwa 60 fl. monatlich beläuft^^.
Marianne Ehrmann hat inzwischen an das finanzielle Auskommen einer klei-
nen Familie zu denken - neben einer Magd und der Haustochter Johanne
Christiane Husuadel, die bereits seit 1790 in der Familie leben, hat sie 1792
einen unehelich geborenen Säugling an Kindes Statt angenommen - und kann
nun erst einmal aufatmen. Die rechtliche Seite der Geschäfte betreut wie
bereits bei Amaliens Erholungsstunden ihr Mann, bei drucktechnischen Fra-
gen verläßt sie sich auf Heidegger. Am Ende des Jahres 1792 ist sie mit den
Vorarbeiten zu den ersten Heften der Einsiedlerinn aus den Alpen vollauf
beschäftigt und hofft, so weit zur Ruhe zu kommen, daß sie sich beruflich
ausschließlich auf die inhaltliche Gestaltung ihrer Zeitschrift konzentrieren
kann. Wie sie Heidegger am 18.11.1792 mitteilt, beabsichtigen sie und ihr
Mann, in absehbarer Zeit wieder nach Straßburg zu ziehen, wo Theophil
Friedrich Ehrmann auf eine nicht näher definierte ‘Versorgung’ hoffe, die sie
in die Lage setze, ^^nicht mehr jede Nerve zum unausgesezten Arbeiten an-
strengen zu dürferi‘\
Marianne Ehrmanns Zeitschriften sind bislang der Garant fiir ein regel-
mäßiges Grundeinkommen gewesen, und auch im Jahr 1793 ändert sich daran
nichts. Theophil Friedrich Ehrmann, dessen Zeitschrift Der Weltbürger Ende
1792 eingestellt wird, trägt mehr als unregelmäßig zum Familieneinkommen
bei. Bei Grell, Gessner, Füßli & Cie. hat er Ende 1792 mehrere Projekte in
Planung, die jedoch alle abgelehnt werden: Den geographischen Roman Lo-
bo's Reisen, ein „Archiv zur Geschichte der Menschheit“ und ein Handwör-
terbuch der Geographie. Erzürnt teilt er Heidegger in diesem Zusammenhang
am 20.3.1793 mit, daß er als Reaktion auf diese Ablehnungen dem Verlag nie
wieder Arbeiten von sich oder seiner Frau anbieten werde. Das Verhältnis
zwischen Theophil Friedrich Ehrmann und dem Verlag verschlechtert sich
zusehends, und da er als Rechtsvormund seiner Frau auch deren Geschäfte
fuhrt, bleibt dies nicht ohne Wirkung auf die Einsiedlerinn aus den Alpen. Im
Gktober 1793 kündigen Grell, Gessner, Füßli & Cie. den Vertrag über den
Verlag der Einsiedlerinn aus den Alpen auf, offenbar wie Cotta mit der Be-
gründung, man befurchte einen Umsatzrückgang. Während Theophil Fried-
25 Theophil Friedrich Ehrmann nennt diese Zahl in einem Schreiben an Heidegger vom
5.9. 1792. Verträge sind, wie bereits erwähnt, keine erhalten.
112
rieh Ehrmann sich auf stolzes Schweigen zurückzieht, sucht Marianne Ehr-
mann nach einem Kompromiß. Am 13.10.1793 schreibt sie an Heidegger:
Freund, ich weiß alles! - [...] Mein Mann schrieb zwar vor wenigen Posttagen an
die Handlung im festen Sinn, doch vergaß er dabei nicht ihnen einen Verlust von
monathlichen 12 ß. Honorar anzubieten. [...] Freund die E. darf bei Gott nicht auf-
hören, und sollte ich noch mehr nachlassen.
Am 30.10.1793 erhält Marianne Ehrmann die Nachricht, daß der Verlag sich
zur Fortsetzung der Zeitschrift bereiterkläre - aus der erhaltenen Korrespon-
denz geht nicht hervor, zu welchen Konditionen. In der nun folgenden Zeit
beschränkt sich der Kontakt auf Briefe Marianne Ehrmanns. Von Theophil
Friedrich Ehrmann sind bis zum Tod seiner Frau nur noch wenige Briefe an
Heidegger erhalten, weitere offizielle Schreiben an den Verlag sind nicht
überliefert. Marianne Ehrmaim hat in Heidegger offenbar einen Fürsprecher
gefunden, der zwischen ihr und den anderen Verlagsinhabem^^ vermittelt und
ihr durch diese Haltung auch ihre von den Launen ihres Mannes abhängige
publizistische Existenz ein wenig erleichtert. Die Fortsetzung der Einsiedle-
rinn aus den Alpen bleibt jedoch weiterhin von Schwierigkeiten begleitet, die
vor allem in Marianne Ehrmanns Privatleben begründet sind.
Theophil Friedrich Ehrmann sorgt nicht für ein geregeltes Einkommen,
sondern verläßt sich in dieser Hinsicht auf die Publikationen seiner Frau. Er
betrachtet sich als Geographen, dessen Ruf durch ‘Brotschreiberei’ Schaden
nehmen könnte^^ und wartet auf den wissenschaftlichen Durchbruch. Ur-
sprünglich ist er mit der Hoffiiung nach Stuttgart gekommen, als Professor an
die Hohe Karlsschule berufen zu werden, lehnt jedoch im Januar 1793 eine
Professur der englischen Sprache ab, weil ihm das Jahresgehalt von 156
rheinischen Gulden zu niedrig ist^^ und plant Anfang 1793 die Rückkehr in
seine Heimatstadt Straßburg. Dennoch teilt er Heidegger am 3.2.1793 mit, er
26 Heidegger ist nicht nur Teilhaber des Verlags: Als Bruder von Gessners Frau Judith ist er
auch der Schwager des Mitinhabers (vgl. Ich bin mehr Herz als Kopf S. 442).
27 Offenbar hat er mit Beginn der publizistischen Tätigkeit Marianne Ehrmanns beschlossen,
sich aus Alltagsgeschäften zurückzuziehen und sich als Wissenschaftler zu profilieren. Be-
reits am 13.7.1790 schreibt er an die Hermannische Buchhandlung in Frankfurt, bei der
seine Geschichte der merkwürdigsten Reisen verlegt werden soll, er habe Jzt der Belletri-
sterei den Abschied gegeben [...], zu welcher Umstände mich gezwungen hatten. [...] Mei-
ne Frau begünstigt izt meine Neigungen zu den geographischen Wissenschaften. [...] Jezt
kann ich nach Laune, nach Müsse arbeiten, [...]"( unveröff. Mskr., Stadtarchiv Stuttgart).
28 Seine Forderung von 300 fl. wird von den herzoglichen Unterhändlern als Unverschämtheit
angesehen, Theophil Friedrich hat sich ihr Wohlwollen verscherzt. Wie so oft bemüht sich
Marianne Ehrmann, die Ungeschicklichkeit ihres Mannes gutzumachen, doch diesmal hat
sie keinen Erfolg. Theophil Friedrich Ehrmann schreibt: „A/eme Frau hat darüber zu unse-
rer Entschuldigung an die Herzogin geschrieben, aber ... keine Antwort erhalten! - Nun
denken Sie sich unsere Lage hier!“ (Brief an Orell, Gessner, Füßli & Cie, 18.01.1793).
113
wolle in Württemberg bleiben, da es in Straßburg zu unruhig sei und er immer
noch auf eine Versorgung von Seiten des württembergischen Herzogs hoffe.
Neben zahlreichen literarisch-geographischen Projekten, die nur zum Teil
realisiert werden, verbringt er den Rest seiner Zeit mit anderen Plänen, die nie
Gestalt annehmen^^. Um dabei seine wissenschaftlichen Arbeiten verfolgen
zu können, stellt er mit dem Pfarramtskandidaten Johann Jakob Keller einen
Gehilfen an, der mitemährt werden muß und auf Ehrmanns Kosten Schulden
macht^^.
Auch Theophil Friedrich Ehrmann verschuldet sich. Im Mai 1793 leiht er
sich von seinem Nachbarn Liesching 600 fl., die er nicht zurückzahlen kann,
dem Hauswirt schuldet er im Februar 1794 etwa 300 fl. Mietzahlungen und
auf Kosten des Verlags stellt er Wechsel aus, die er nicht abarbeitet^^. Diese
Gelder werden für seine wissenschaftlichen Projekte verwendet, statt in das
Familieneinkommen zu fließen. Daneben verschleppt er die Fertigstellung der
Manuskripte zur Einsiedlerinn aus den Alpen, die erst dann das Haus verlas-
sen dürfen, wenn er sie korrigiert hat^^. Marianne Ehrmann, die es selbst
nicht wagt, ihren Mann zu kritisieren, bittet des öfteren Heidegger, ihm ins
Gewissen zu reden. So schreibt sie am 28.9.1794:
Aber nur ins Ohr eine Bitte, eine Bitte Herzensfreund, die alle Bitten in der Welt
übertrifft? - Deswegen schreibe ich ihnen in der Stille - und Sie lassen vom Brief
nichts merken! - Ich kann zwar nicht sagen, daß mein Gatte nicht streng arbeitet,
aber die Verschiebelust die sie kennen stekt noch in ihm. So verschiebt er oft das
Korigieren der E. ungeheuer lang - und sagen darf ich nichts - wenn ich ihn nicht
für alles verstimen will! - Thun Sie mir den Gefallen, und dringen Sie jezt auf
schnelles M.S. zum 8ten Heft, und das mehr als einmal, und dann so fort mit jedem
Posttag wo Sie glauben das es nöthig ist.
29 Unter anderem plant er, zusammen mit dem Straßburger Arzt Kramp in Öhringen, der
hohenlohischen Hauptstadt, eine Verlagsbuchhandlung mit Druckerei zu eröffnen, in der
neben einem „Allgemeinen Litteratur-Archiv“ und einem literarischen Intelligenzblatt zu-
nächst seine eigenen und die Werke Johann Gottfried Pahls veröffentlicht werden sollen
(Theophil Friedrich Ehrmaim an Heidegger: „Das Project“ und „Beilage. Das Project be-
treffend“. o.J. [etwa Herbst 1793]). Falls er weder mit einer Professur noch mit diesem
Projekt Erfolg haben sollte, so teilt er Heidegger in einem weiteren Brief vom 20.1 1.1793
mit, dann werde er ein Erziehungsinstitut eröffnen.
30 Marianne Ehrmann beschwert sich bei Heidegger am 21.7.1793 über Keller und will ihm
keine Arbeit mehr geben; am 28.9.1794 berichtet sie jedoch, er sei während einer vierwö-
chigen Vakanz wieder als Gehilfe im Haus. Laut ADB (Bd. 15) hält sich Keller seit 1790 in
Stuttgart auf und arbeitet dort bei dem Ehepaar Ehrmann.
31 In einem Schreiben an Heidegger vom 4.5.1796 ist von einer Gesamtschuld von 3030 fl.
die Rede.
32 Daß die Zeitschrift mindestens orthographisch unter seiner Kontrolle steht, läßt sich an
kleinen Eigenheiten wie der erkennen, daß Marianne Ehrmann in ihren Briefen anfangs
„Einsidlerin“ schreibt, Theophil Friedrich jedoch „Einsiedlerinn“, wie es auch auf dem Ti-
tel und später in ihren Briefen zu lesen ist.
114
Daß Heidegger und damit der Verlag die Geschäflsbeziehung nur aus Ach-
tung vor Marianne Ehrmann und ihrer Zeitschrift aufrechterhält, wird aus den
Briefen Theophil Friedrichs Ehrmann nach ihrem Tod deutlich^^.
Marianne Ehrmann, juristisch von ihrem Mann abhängig, muß also das
Familieneinkommen sichern, ohne auf Theophil Friedrich Ehrmanns Hilfe
hoffen zu können. Neben der an sich schon anspruchsvollen Aufgabe, jeden
Monat ein Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen zu liefern, für das sie ver-
antwortlich zeichnet, bedeutet das auch ein ständiges Bemühen darum, die
Löcher, die das großzügige finanzielle Gebaren ihres Mannes in die knappe
Haushaltskasse reißt, wieder zu füllen. Marianne Ehrmann muß einen minde-
stens aus fünf Personen bestehenden Haushalt finanziell wie auch emotional
versorgen und ist zusätzlich für alltägliche Belange wie das tägliche Essen
oder die Erziehung des kleinen Jungen zuständig.
Daß sie zunehmend auch ‘männliche’ Verantwortungsbereiche in der
Familie übernehmen muß, beweist ein Brief an Heidegger vom 12.2.1794:
Die Familie muß die Wohnung wechseln, und die damit zusammenhängenden
Probleme einschließlich der Zahlung der Mietrückstände scheint Marianne
Ehrmann allein zu bewältigend"^. Dennoch ist sie - schon aus juristischen
Gründen, aber auch wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung - weiterhin auf
ihren Mann angewiesen. Sie muß sich mit den Personen oder Institutionen,
mit denen er sich überwirft, wieder arrangieren, und sie muß, notfalls hinter
seinem Rücken, anfallende Arbeiten erledigen, die er als seine Aufgabe be-
trachtet und dennoch liegenläßt:
33 Theophil Friedrich Ehrmann wehrt sich darin gegen Vorwürfe Heideggers, er sei unglaub-
würdig, schlampig und arbeitsscheu (wie genau Heidegger formuliert hat, ist nicht bekannt,
da leider nur die Briefe des Ehepaars Ehrmann erhalten sind). Trotzdem er ihn ,,bei Amali-
ens Schatten'' beschwört, ihn zu „retten" (Brief vom 6.1.1796), weigert sich Heidegger,
weitere Wechsel zu akzeptieren. Im Mai 1796 will Heidegger ihn zur Zahlung seiner
Schulden zwingen und dabei notfalls vor Gericht gehen, um ihn pfänden zu lassen. Der
Ausgang der Auseinandersetung ist nicht belegt.
34 Dabei scheint Marianne Ehrmann das Familienleben und das Leben ihres Mannes nicht
mehr als eine Einheit anzusehen. Auffällig ist, daß Marianne Ehrmann diese Situation als
von ihr zu lösendes Problem ansieht, das von den finanziellen Schwierigkeiten ihres Man-
nes getrennt ist: .. "Ich soll bis Georgi das Logis verändern, weil sich der Sohn des Hauses
verheurathet, und soll dann eine Summe von Ibis 300 fl. im Hause zahlen, die sich seit
dem lezten Schlag häuften. Dies soll ich, und weiß nicht woher nehmen, da mein Mann bis
dahin blos Jur die Ihnen bekannte grosse Schuld arbeitet. Der Posten im Hause und L.
[d.i. Liesching] sind zwar Kleinigkeiten weggerechnet meine einzigen Schulden - aber sie
drükken doch noch so das ich nicht viel vom Frühling mit offnen Sinnen werde genießen
können." (Alle Hervorhebungen von mir, BAK). Theophil Friedrich Ehrmann jedenfalls
scheint sich für diese familiären Probleme nicht verantwortlich zu fühlen; gleichzeitig
nimmt er seiner Frau, wie sowohl aus Gräters Bericht Besuch bey Amalien als auch aus
Anspielungen in ihren Briefen zu erkennen ist, ihren Erfolg übel.
115
Fritz will heute noch an Matthisson schreiben aber ich glaube es wird nichts draus -
mich wolte er deswegen nicht schreiben lassen, aber ich thue es doch auf jeden Fall
heimlich. That ich nicht recht da die Sache pressiert?^^
Zu diesen beruflichen wie privaten Belastungen kommt hinzu, daß Marianne
Ehrmann schon seit Jahren kränkelt und ihr Gesundheitszustand sich im Zuge
der vielfältigen Anstrengungen und des psychischen Drucks, dem sie auf-
grund ihres eher unkonventionellen Berufs- wie Privatlebens an der Seite
eines in seinem Frauenbild gar nicht so unkonventionellen, beruflich aller-
dings erfolglosen Ehemannes unter den Augen mindestens der Stuttgarter
Öffentlichkeit ausgesetzt ist, zunehmend verschlechtert. Die Herausgabe der
Einsiedlerinn aus den Alpen wird für sie zu einer immer weniger zu bewälti-
genden Aufgabe, was sich ab Mitte des zweiten Jahrgangs in langen Verzöge-
rungen bei der Erscheinung der Hefte niederschlägt. Am Ende sieht sich Ma-
rianne Ehrmann gezwungen, ihre publizistische Tätigkeit und damit die Ver-
sorgung ihrer Familie wegen ihrer immer häufiger auftretenden Krankheiten
einzustellen^^.
5.3. Erscheinungsweise und Struktur:
Folgen der Produktionsbedingungen
Im ganzen soll der Plan dieses neuen Werks eben derselbe seyn, wie bey den Erho-
lungsstunden, die drey Jahrgänge hindurch von einem zahlreichen Publikum so gü-
tig unterstützt werden; doch werde ich die Winke meiner einsichtsvollen Freunde
und Freundinnen zu jeder noch nöthigen Verbesserung der inneren Einrichtung und
zur strengsten Auswahl der Aufsätze benutzen?"^
An der äußeren Gestaltung und der Erscheinungsweise der Einsiedlerinn aus
den Alpen ändert sich im Vergleich zu Amaliens Erholungsstunden kaum
etwas. Der Umfang der monatlich erscheinenden Hefte von jeweils 6 Bogen
(96 Seiten) bleibt gleich; jeweils drei Hefte werden weiterhin zu einem mit
35 Brief an Heidegger vom 31.8.1793. „Fritz“ ist die Kurzform von Theophil Friedrich Ehr-
manns zweitem Vornamen, mit dem er von seiner Frau angeredet wird. Hinter solchen
kleinen Briefausschnitten steht die Verantwortung, die Marianne Ehrmann an Stelle ihres
Mannes für die Familie übernimmt ebenso wie die Ignoranz, mit der er sowohl seiner Frau
als auch seinen Aufgaben als ‘Familienoberhaupt’, als das er sich begreift, begegnet.
36 Nach ihrem Tod am 14.8.1795 schreibt ihr behandelnder Arzt, Consbruch, an Gräter: "Die
Seelige hatte schon längst, wie Euer Wohlgeboren wissen, eine schwache, und durch Ku-
mer, durch Anstrengung ihrer Seelenkräfte und durch Krankheiten mancher Art zerrüttete
Gesundheit. ” (Brief vom 28.8. 1795, unveröff Mskr., WLB Stuttgart).
37 Voranzeige im Journal von und für Deutschland, 9/1 792, o.S.
116
Musikbeilagen und Titelkupfer ausgestatteten Bändchen zusammengefaßt^^.
Der Preis bleibt für diejenigen, die bis Ostern 1793 subskribieren, bei 4 fl. für
den Jahrgang, anschließend tritt der Ladenpreis von 5 fl. 30 Kr. in Kraft.
Außer über Buchhändler und Subskriptionssammler kann die Zeitschrift nach
wie vor über Zeitschriftenexpeditionen und Postämter, vorrangig das Postamt
Stuttgart, bezogen werden.
Auch die Zusammensetzung des Publikums bleibt weitgehend gleich. Der
Wechsel vom Tübinger zum Zürcher Verlag beeinflußt nicht die Zielgruppe,
auf die die Zeitschrift ausgerichtet ist: In beiden Fällen wird ein möglichst
breit gestreutes weibliches Publikum aus dem deutschsprachigen Raum ange-
strebt. An dem dem Oktoberheft 1793 vorangestellten Subskribentenver-
zeichnis ist abzulesen, daß der Erfolg der Einsiedlerinn aus den Alpen dem
von Amaliens Erholungsstunden entspricht^^. Das beigefugte Verzeichnis
fuhrt 792 zu versendende Subskriptionsexemplare auf und Marianne Ehrmann
bittet Leser, Kommissionäre und Subskriptionssammler, zur Vervollständi-
gung des Verzeichnisses beizutragen, da noch zahlreiche Subskribenten nicht
genannt seien^^. Auch die Verteilung der Leserschaft ist gleichgeblieben. Die
Zeitschrift wird vor allem in Süddeutschland (Württemberg, Nordbayem), der
Schweiz und dem österreichisch-böhmischen Raum gelesen, ist jedoch bis in
die nördlichsten deutschsprachigen Gebiete verbreitet. Neben dem gehobenen
Bürgertum subskribieren auch wieder zahlreiche Adlige. Insgesamt, so faßt
Edith Krull zusammen, ,Jcann man ein ziemlich weites Streugebiet für die
Blätter annehmen, und das spricht für ihre Beliebtheit;
Trotz dieser Ähnlichkeiten ist die Einsiedlerinn aus den Alpen ein wenig
anders konzipiert als Amaliens Erholungsstunden’. Beiträge der verschieden-
sten Genres lassen zwar ein abwechslungsreiches Zeitschriftenprofil entste-
hen, feste Rubriken wie die Bücheranzeigen oder der „Ueberblick“ fehlen je-
doch^^. Inhaltlich und formal ist die Einsiedlerinn aus den Alpen weniger klar
strukturiert als ihre Vorgängerin: Von der ‘Zweiteilung’ der Hefte, wie sie sie
als grundlegend für ihre erste Zeitschrift benannt hat^^, ist Marianne Ehrmann
38 Die vier Bände des zweiten Jahrgangs beinhalten zusätzlich je ein farbiges („illuminiertes“)
Kupfer (1. Bd. zw. S. 178/179, 2. Bd. zw. S. 86/87, 3. u. 4. Bd. jeweils vorangestellt).
39 Dies im Gegensatz zu Barbara Becker-Cantahno, die behauptet, Marianne Ehrmann habe
sich „mit ihrer privat verlegten [sic!] Einsiedlerin in den Alpen [siel] nicht durchsetzen“
können (Weg zur Mündigkeit, S. 291).
40 Später wird kein weiteres Subskribentenverzeichnis in der Einsiedlerinn veröffentlicht.
41 Wirken der Frau, S. 274.
42 Bücheranzeigen erscheinen sporadisch und in unregelmäßiger Folge: Im ersten Jahrgang in
den Heften 2, 3, 4 und 12, im zweiten Jahrgang in den Heften 2, 3, 4, 5 und 1 1. Es handelt
sich zum großen Teil um Anzeigen von Verlagen und Autoren, nicht um Rezensionen.
43 Vgl. die Ankündigung im Journal des Luxus und der Moden 4/1789, Intelligenzblatt, S.
CLXm: erstens wahre Geschichten, moralische und satirische Aufsätze sowie Erzählungen
118
abgerückt. Am Anfang eines jeden Heftes steht wie bisher ein (Fortsetzungs-)
Roman bzw. eine ‘wahre’ Geschichte, die Abfolge der anderen Beiträge vari-
iert jedoch. Jedes Heft enthält dabei wie zuvor Romane, Erzählungen, Ge-
dichte und populärphilosophische Essays. Populärwissenschaftliche Beiträge
und Anekdoten erscheinen sporadisch. Bei einem Vergleich mit dem ersten
Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden fallt auf, daß Marianne Ehrmann
wesentlich stärker auf Fremdbeiträge zurückgreift. Theophil Friedrich Ehr-
mann liefert nur noch wenige Artikel, hat allerdings, wie aus dem Briefwech-
sel mit Heidegger hervorgeht, die Korrektur der Beiträge unter sich. Im Ge-
gensatz zu Amaliens Erholungsstunden, wie sie unter Cottaischer Verleger-
schaft erschienen sind, sucht Marianne Ehrmann sich ihre Mitarbeiter und
deren Beiträge grundsätzlich selbst. Dabei handelt es sich nicht mehr, wie im
ersten Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden, nur um Gedichte. Geprägt
wird die Zeitschrift neben Marianne Ehrmanns Beiträgen von den Artikeln
ihrer zahlreichen Mitarbeiter. Im ersten Jahrgang 1793 ist vor allem Friedrich
David Gräter vertreten^^. Während eines Besuchs bei Marianne Ehrmann
vom 24.7. - 12.8.1793 arbeitet der Nordist und Altertumsforscher, der selbst
die Zeitschrift Bragur herausgibt, intensiv an der Erstellung des Manuskripts
für die Einsiedlerinn aus den Alpen mit. Er vermittelt Marianne Ehrmann
auch seinen Freund Johann Gottfried Pahl, dessen Beiträge die populärwis-
senschaftlichen Artikel Theophil Friedrich Ehrmanns ersetzen"^^. Pahl steuert
mittelalterliche historische Szenen, Erzählungen, historische, anthropologi-
sche und gesellschaftspolitische Aufsätze bei^^. Auch ein mit dem Kürzel Rr.
zeichnender Mitarbeiter"^^ liefert ab dem Novemberheft 1793 neben Gedich-
ten gesellschafts- und frauenpolitische Artikel. In ihrer Korrespondenz mit
Heidegger nennt Marianne Ehrmann als Mitarbeiter die Herren Abicht, Frink,
Gräter, Hiesberg, Neuffer, Pahl, Pfeffel, Reibiger, Roller, Staufer, Stäudlin,
Marianne Ehrmanns, zweitens Unterhaltung, Bildung und Information verschiedener Mit-
arbeiter, vorrangig aber aus der Feder Theophil Friedrich und Marianne Ehrmaims.
44 Marianne Ehrmann verbindet zu dieser Zeit eine enge Freundschaft mit Gräter. Offenbar
ist der anfangs enge Kontakt später abgekühlt. Außer zwei Beiträgen in den ersten beiden
Heften 1794, die mit „Gr.“ gekennzeichnet und wohl ihm zuzuordnen sind, erscheinen im
zweiten Jahrgang 1794 keine Beiträge von Gräter mehr. Marianne Ehrmann und Friedrich
David Gräter korrespondieren seit 1792; der Gräter-Biograph Dieter Narr berichtet, daß
der Kontakt in den Jahren 1794/95 zunehmend zurückgegangen sei: „1793 habe er von
Mariaime- Amalie noch 115 Briefe erhalten; im Jahre 1795 hätten sie sich aber auf 5 - 6 re-
duziert.“ (Studien zur Spätaufklärung, S. 415). Die Gründe hierfür können jedoch auch in
der seit 1794 fast ununterbrochen andauernden Erkrankung Marianne Ehrmanns liegen.
45 Beiträge Theophil Friedrich Ehrmaims verschwinden nach und nach aus der Zeitschrift.
46 Z.B. die Beiträge „Ueber die Liebe unter dem Landvolk“ (ßaA 1/1793, 3. Bd., H. 8, S. 128
- 153) oder „Gattenliebe der Römer“ {EaA 2/1794, 3. Bd., H. 8, S. 178 - 182).
47 Möglicherweise handelt es sich um den in Stuttgart lebenden Pädagogen Georg Jakob
Roller, den Mariaime Ehrmann gegenüber Heidegger als Mitarbeiter nennt.
119
Sulzer und Werkmeister sowie Friederike Brun und Frau von Lozenhagen^^.
Neben einem Mitarbeiter mit dem Kürzel W.F.^^ spielt dabei auch Christian
Ludwig Neujfer eine Rolle. Er liefert nicht nur eigene Beiträge^^, sondern
ermöglicht darüber hinaus das Erscheinen der Erstabdrucke dreier Gedichte
Johann Christian Friedrich Hölderlins. In einem Brief bittet Marianne Ehr-
mann Neuffer 1793 um seine Unterstützung bei der Beschaffung von Beiträ-
gen: ^..Wirklich bin ich um kleine Beiträge etwas verlegen, besonders poeti-
sche fehlen mir. Dürfte ich von Ihnen oder Ihrem Freund Hölderlin nicht so
bald möglich etwas erwarten?“^^ . Vermutlich auf diesen Brief hin erhält sie
Hölderlins Gedicht eine Rose“, das im Dezemberheft 1793 veröffentlicht
wird. Später erscheinen noch das „Lied der Liebe“ (6/1794) und ,^An Neuf-
fer“ (7/1794)^^. Neben Hölderlin, der zu diesem Zeitpunkt noch keine Be-
rühmtheit genießt, hat Marianne Ehrmann mit Friederike Brun und Gottlieb
Konrad Pfeffel zwei prominente Mitarbeiter vorzuweisen^^. Auch die Erzäh-
lung Zuluma von Germaine de Stael trägt zu einem gewissen Renommee
bei^^. Der Großteil der Beiträge stammt jedoch von württembergisch-
hohenlohischen Regionalgrößen wie Gräter oder Pahl und von unbekannteren
Mitarbeitern wie Johann Jakob Keller.
Die Redaktion der Zeitschrift liegt allein in der Hand der Herausgeberin;
der Verlag bzw. Heidegger bekommt die fertigen Manuskripte zum Druck
zugesandt. Für Marianne Ehrmann handelt es sich um einen Fiültime-Job: Sie
muß die handschriftlichen Manuskripte anfertigen, Fremdbeiträge aus wählen
und redigieren und eigene Beiträge verfassen. Die Arbeit an einem durch-
schnittlichen Vormittag schildert Gräter.
48 Ich verweise an dieser Stelle auf das „Verzeichnis von Personen, die mit Marianne Ehr-
mann bekannt waren“ im Anhang zu dieser Arbeit, in dem auch die hier genannten Perso-
nen vorgestellt werden.
49 Das Kürzel ist nicht auflösbar. W.F. steuert von Juli 1793 bis Februar 1794 zahlreiche Bei-
träge bei.
50 Fünf Gedichte im Zeitraum zwischen August 1 793 bis April 1 794.
51 Zit. nach: Stuttgarter Hölderlin- Ausgabe Bd. 7, T. 2, S. 14.
52 „An Neuffer“ wird selbigem von Hölderlin im April 1794 mit den Worten zugesandt:
,JHier eine Kleinigkeit für Dich. Du kannst das kleine Ding ja mir halb zur Straffe halb
zum Lohn in die Einsiedlerinn transportiren'' (vgl. Stuttgarter Hölderlin-Ausgabe Bd. 7,
T. 2, S. 15; Raabe, Bücherlust und Leseffeuden, S. 244 und die Einleitung Raabes in Ge-
schichte der Hölderlin-Drucke, S. 15). Zumindest unter den jungen württembergischen
Literaten scheinen sich also Marianne Ehrmanns Zeitschriften eines gewissen Bekannt-
heitsgrades zu erfreuen.
53 Die relativ geringe Anzahl der Beiträge Pfeffels hängt unter anderem mit dessen Kontakt
zur Cottaischen Verlagsbuchhandlung, die eine Mitarbeit an der Einsiedlerinn aus den Al-
pen nicht duldet, zusammen. Ich werde in Kapitel 6 dieser Arbeit näher darauf eingehen.
54 Trotz eigener Bemühungen und mehrerer Bitten an Heidegger, sich für sie einzusetzen,
gelingt es Marianne Ehrmann nicht, Johann Caspar Lavater zur Mitarbeit an der Einsied-
lerinn aus den Alpen zu bewegen.
120
Wir arbeiteten im Hinterstübchen, wo ich jetzt auch schlief um mehr Ruhe zu haben,
an der Einsiedlerin, dh. wir machten Projecte, fiengen Aufsätze an, musterten die
eingelaufenen Beyträge und Gedichte, wählten aus, verwarfen, und kamen von Hun-
dertsten ins Tausendste. Jetzt mußte sich auch der Philosoph über Freundschaft und
Liebe etwas plagen lassen, und ich mochte wollen oder nicht, so war ich genöthigt,
unter dem Friesieren (horribile dictu) der schalkhaften Amalie die Fortsetzung in
die Feder zu dictiren.
Das von Marianne Ehrmann in ebenso unermüdlicher wie mühseliger Arbeit
fertiggestellte Manuskript geht, bevor es nach Zürich versandt wird, zum
Zwecke der Korrektur durch die Hände Theophil Friedrich Ehrmanns - und
bleibt oft dort liegen. Zu dieser Verzögerung kommen dann noch Marianne
Ehrmanns Krankheiten, die sie am konsequenten, regelmäßigen Arbeiten
hindern. So ist sie im Oktober und November 1793 erkrankt^^, und prompt
erscheinen im November- und Dezemberheft ausgesprochen wenig Beiträge
von ihr. Ersatz schafft nicht etwa Theophil Friedrich Ehrmann, dessen Ein-
kommen ja auch vom Erscheinen der Einsiedlerinn aus den Alpen abhängt;
vielmehr werden diese beiden Hefte zu 70% von Fremdbeiträgen bestritten.
Im Dezember 1793 berichtet sie Heidegger, daß es ihr nun besser gehe und
erwähnt erstmals, daß das ständig verspätete Erscheinen der Einsiedlerinn aus
den Alpen zu einem Problem wird^^.
Ab dem zweiten Jahrgang 1794 kommt der Zeitplan vollkommen durch-
einander. Die Zeitschrift erscheint nicht mehr regelmäßig und vor allem nicht
pünktlich zu Beginn jedes Monats. Inzwischen treten nicht nur in der Produk-
tion, sondern auch in der Distribution der fertigen Hefte Probleme auf; so ist
im September 1794 im Rheinland erst das Märzheft erhältlich^^. Ende De-
zember 1794 sind die Manuskripte für die letzten drei Hefte des Jahrgangs
noch nicht einmal fertiggestellt. Dennoch hofft Marianne Ehrmann auf die
Kraft, im nächsten Jahr termingerecht Weiterarbeiten zu können:
Was sagen Sie dazu Freund, mein Mann glaubt, man solle iezt so schnell als mög-
lich ein ganzes Bändchen von den drei noch schuldigen Heften, miteinander liefern.
55 Besuch bey Amalien, S. 162. „Der Philosoph über Freundschaft und Liebe“ ist der Titel
eines Gräterschen Werkes, von dem im Aprilheft 1793 ein Ausschnitt anonym in der Ein-
siedlerinn aus den Alpen erscheint; weitere Beiträge unter diesem Titel folgen nicht.
56 Sie schreibt am 13.11.1793 an Heidegger: Jn 4. Wochen hat man mir bis 3 l. Blut abge-
zapft 7. Tage zu purgieren und zu brechen gegeben; und doch warf die Natur unter den
schröklichsten Krämpfen die Blutsturz drohten noch von selbst Galle aus.''
57 „Großer Gott und wir sollen doch mit der E. jezt rasch vorwärts, die Klagen über die
langsame Erscheinung bringen mich fast um." (Marianne Ehrmann an Heidegger, im De-
zember 1793).
58 Das geht aus einem Schreiben Marianne Ehrmanns an Heidegger vom 28.9.1794 hervor.
Im selben Brief beschwert sie sich auch unmißverständlich über die laxe Arbeitsauffassung
Theophil Friedrich Ehrmanns.
122
um dann doch auch wieder im künftigen Jahre in Ordnung zu körnen? - Es wäre al-
les ^scht, aber 4. Wochen brauche ich doch imer Zeit um so viel Stoff auszuarbei-
ten.
Noch im Februar 1795 ist man mit der Fertigstellung des Septemberheftes
1794 beschäftigt. Ende März stellt Marianne Ehrmann das Manuskript für das
Oktoberheft fertig^^; Anfang April hat Theophil Friedrich Ehrmann es noch
nicht korrigiert. Zwei Monate später schließlich ist das Manuskript zum letz-
ten Heft fertiggestellt^l, Anfang Juni ist es auf dem Weg zum Verlag. Mari-
anne Ehrmann hat den Gedanken an eine Fortsetzung der Zeitschrift inzwi-
schen aufgegeben und ist fi*oh, diese Verpflichtung hinter sich gebracht zu
haben: hätte ich nun meine Schuld beim Publicum bezahlt, und will
Sie bloß noch bitten alles fremde zurük zu schieben, damit alle meine eigene
Äufsäzze hineinkomen“^^. Am 13.7.1795 schließlich bestätigt sie Heidegger
den Erhalt des letzten Heftes. Ihre publizistische Tätigkeit ist damit beendet.
Einen Monat später, am 14.8.1795, stirbt Marianne Ehrmann an einer Lun-
genentzündung als Folge ihrer jahrelangen Krankheiten.
Die Beendigung der Einsiedlerinn aus den Alpen ist dabei dem Publikum
gegenüber nich unbegründet geblieben^^. Bereits im Septemberheft 1794 -
das allerdings erst im März oder April 1795 erscheint - teilt Marianne Ehr-
mann ihren Leserinnen ihr Vorhaben mit, die Zeitschrift einzustellen^^, da sie
gesundheitlich nicht mehr in der Lage sei, jeden Monat ein Heft zu liefern.
Stattdessen kündigt sie Amaliens Feyerstunden an, eine Sammlung ihrer mo-
ralischen Schriften, von denen in loser Folge mehrere Bände erscheinen sol-
len^^. Ein wichtiges Argument für die Einstellung der Zeitschrift ist für Mari-
59 Marianne Ehrmann an Heidegger, 31.12.1 794.
60 Sie beklagt sich bei Heidegger, man glaube „allgemein das Journal habe aufgehört, weil
gar zu lange kein Heft mehr erschien'" (29.3. 1795). Die Hefte haben in der von mir einge-
sehenen Originalausgabe keine eigenen Titelblätter mehr, sondern es erscheinen Bändchen,
die aus drei Heften ‘en bloc’ bestehen. Das bedeutet, daß jeweis drei Hefte gleichzeitig, be-
reits zum Band zusammengefaßt, veröffentlicht worden sind. Dies ist wohl auf das unre-
gelmäßige Erscheinen ab dem zweiten Jahrgang zurückzufiihren. Der Übersichtlichkeit
halber habe ich hier jedoch die Heftzählung beibehalten.
61 Marianne Ehrmann ist darüber erleichtert: ,JEnde gut alles gut - es muß alles hinein was
ich noch aus dem kranken Hirn pressen konnte" (29.5.1795).
62 Marianne Ehrmann an Heidegger, 3.6. 1 795.
63 Solches behauptet Edith Krull (Wirken der Frau, S. 274).
64 9/1794, S. 283 f
65 EaA 9/1794, S. 285 ff Der Titel soll lauten Amaliens Feyerstunden. Deutschlands und
Helvetiens Töchtern geweiht, oder gesammelte und neubearbeitete moralische Schriften
von Marianne Ehrmann. Im letzten Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen erscheint noch
einmal eine Ankündigung (12/1794, S. 287 f). Amaliens Feyerstunden erscheinen post-
hum, herausgegeben von ihrem Mann, mit dem Untertitel „Eine Auswahl der hinterlasse-
nen moralischen Schriften von Marianne Ehrmann“.
123
aime Ehrmann die Tatsache, daß sie angesichts ihrer gesundheitlichen Pro-
bleme immer mehr auf Fremdbeiträge angewiesen ist:
Es ist für meine Leserinnen, und für meine Ehre besser, ich schlage diesen Ausweg
ein, als daß ich, um monatlich sechs Bogen liefern zu können, in den Fall komme,
die Hefte mit den ersten beßten fremden Beiträgen anfüllen zu müssen.^^
Tatsächlich ist die Zahl der Fremdbeiträge in der Einsiedlerinn aus den Alpen
höher als in Amaliens Erholungsstunden^'^ . Sie gewinnen zunehmenden Ein-
fluß auf die publizistische Aussage der Zeitschrift, während Marianne Ehr-
manns Beiträge auch inhaltlich schwächer werden.
5.4. Inhalte und publizistische Aussage:
Ein Vergleich imi Amaliens Erholungsstunden
[...], laßt Euch auf dem Wege der Bildung nicht irre machen, und wenn Vorurtheil
und Mißverstand sich auch noch so sehr dagegen auflehnten! Aber wählt den rech-
ten Weg; lernt richtig denken und nach geprüften Grundsätzen handeln!^^
Auf den ersten Blick fällt im Vergleich der Einsiedlerinn aus den Alpen mit
dem ersten Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden das Fehlen aktueller
politischer Beiträge auf Rubriken wie „Ueber die neuesten Weltbegebenhei-
ten“, von Theophil Friedrich Ehrmann oder seinem Gehilfen Keller verfaßt
und zunächst fester Bestandteil von Amaliens Erholungsstunden, erscheinen
in der Einsiedlerinn aus den Alpen nicht. Dieses Verschwinden primärer
Aktualität bedeutet für die Leserinnen, von tagespolitischen Ereignissen aus-
geschlossen zu bleiben. Die publizistische Aussage der Zeitschrift wird von
vornherein dahingehend eingegrenzt, daß die Ende des Jahrhunderts entste-
66 9/1794, S. 284.
67 Ausgenommen natürlich deren dritter Jahrgang, der unter Zahns Redaktion steht.
68 Anmerkung Marianne Ehrmanns zu dem Beitrag „Ueber die Erziehung der Fürstentöch-
ter“, EaA 1/1793, 1. Bd., H. 2, S. 149. Edith Krull, die dieses Zitat in ihrer Arbeit leicht
abgeändert („Mißverständnis“ statt „Mißverstand“) ebenfalls auffuhrt, stellt es als Beispiel
für Marianne Ehrmanns Grundhaltung in den Kontext des ersten Heftes (Wirken der Frau,
S. 268); tatsächlich handelt es sich um eine erst im zweiten Heft erscheinende Fußnote. Die
von Krull wohl als Angleichung der Orthographie verstandene Abänderung des Wortes
„Mißverstand“ verfälscht zusätzlich die Aussage der Zitatstelle. Während das von Krull
plazierte „Mißverständnis“ das Problem des falschen Verständnisses und der falschen
Auslegung der Möglichkeiten und Folgen weiblicher Bildung assoziiert, ist Marianne Ehr-
manns ursprüngliche Aussage eine wesentlich härtere. „Mißverstand“ bedeutet in diesem
Kontext nichts anderes als C/wverstand: Verständnislosigkeit gegenüber der Notwendigkeit
von Bildung für Frauen und die geistige Unfähigkeit, ihnen eine solche zuzugestehen.
124
hende politische Öffentlichkeit für Frauen kein Thema ist. Auch die sog. se-
kundäre Aktualität, die Paul Gehring als bestimmend für die Zeitschrift be-
schreibt^^, geht damit verloren. Die Möglichkeit des gesellschaftspolitischen
Räsonnements ist ohne einen Einblick in politische und historische Abläufe
nicht mehr gegeben. Aktualität, unabdingWer Bestandteil modernen Publi-
zistikverständnisses, ist in der Einsiedlerinn aus den Alpen nurmehr mittelbar
enthalten: In Beiträgen mit frauen- bzw. gesellschaftspolitischen Inhalten und
im Kontakt zu den Leserinnen und Lesern. Sie beschränkt sich auf die Dis-
kussion der Frauenrolle in der Gesellschaft, ohne diese in politische Kontexte
zu stellen.
Folgerichtig werden Ereignisse wie die Französische Revolution nur in
privaten Kontexten thematisiert, z.B. in den „Kriegsszenen“, die Marianne
und Theophil Friedrich Ehrmann veröffentlichen^^. Hier werden individuelle
Schicksale im Zuge des Einmarsches feindlicher Truppen (Verwundung,
Plünderung etc.) geschildert, ohne daß die Leserinnen über die politischen
Hintergründe informiert werden. Daß in Frankreich große politische Umwäl-
zungen im Gange sind, die zu einem Krieg geführt haben, kann tatsächlich
nur aus solchen Szenen geschlossen werden. Eine Aufforderung zur Beschäf-
tigung mit Politik, wie sie die Anekdote über die Straßburgerinnen in Amali-
ens Erholungsstunden dargestellt hat, ist in der Einsiedlerinn aus den Alpen
nicht mehr enthalten. Im Gegenteil wird den Frauen in dem Beitrag „Ueber
den Einfluß des weiblichen Geschlechts auf Staatsangelegenheiten“ des mit
dem Kürzel Rr. zeichnenden Mitarbeiters^^ die Befähigung dazu ausdrücklich
abgesprochen. Frauen, so der Verfasser, seien aufgrund der ..Gesetzgebung
der Natur'' dem häuslichen Bereich zugehörig, wo sie im Ausgleich herrschen
dürflen^^. Der Verfasser bedient sich hier gängiger Vorurteile^^ und unter-
stützt diese durch eine höchst zweifelhafte Argumentation: Wenn Frauen als
Regentinnen tätig würden, so könnten sie gar nicht erfolgreich sein, da sie
dafür nicht geschaffen seien. Sollten manche Fürstinnen dennoch Erfolge
vorzuweisen haben, so seien diese nicht ihrem politischen Geschick zuzu-
schreiben:
69 Anfänge des Zeitschriften wesens, S. 1.
70 Theophil Friedrich in 1/1793, Bd. 1, H. 2, S. 153 ff und Marianne Ehrmann in 1/1793, Bd.
1, H. 1, S. 72 ff und H. 3, S. 276 ff.
71 EaA 2/1794, Bd. 1, H. 3, S. 208 - 225 und Bd. 2, H. 5, S. 174 - 191. Wie bereits erwähnt,
handelt es sich vermutlich um den Pädagogen Georg Jakob Roller.
72 EaA 2/1794, Bd. 1, H. 3, S. 208 f
73 Frauen seien neugierig, intrigant und machtgierig, was ihre Beschäftigung mit der Politik
unberechenbar mache. Wegen ihrer sinnlichen M^cht über Männer gelinge es ihnen, auf
deren Entscheidungen Einfluß zu nehmen. Dies sei eine nicht zu billigende Nachgiebigkeit
seitens der Männer (a.a.O., S. 211 ff). Falls Frauen innerhalb von Monarchien die Re-
gentschaft errängen, so seien sie damit überfordert {EaA 2/1794, Bd. 2, H. 5, S. 174 ff).
125
Bestand, [...] das Glük und die Grösse dieser Damen nicht grossentheils in der Fü-
gung der Umstände? War es auch jedesmal das Verdienst dieser Frauen, daß die
Umstände benuzt wurden? Wer war es, der zu Schwedens Gunsten das halbe
Deutschland gegen Österreich waffnete? War es Christina, oder die falsche Politik
ihres Gegners?'^
Dieser Artikel erscheint im März- und Maiheft 1794, zu einem Zeitpunkt, als
Marianne Ehrmann aufgrund großer gesundheitlicher und privater Probleme
kaum zur Arbeit an der Einsiedlerinn aus den Alpen kommt. Tatsächlich
besteht das Heft zu 85% aus Fremdbeiträgen. Die restlichen 15%, die aus
ihrer Feder stammen, setzen sich aus der Fortsetzung eines schon längst fer-
tiggestellten Essays^^ und einer Mitteilung an die Leserinnen zusammen, in
der sie sich wegen des zögerlichen Erscheinens der Hefte entschuldigt^^. Es
ist also möglich, daß Marianne Ehrmann diesen Beitrag nicht selbst eingese-
hen und ausgewählt hat. Wenn auch nicht der repressive Inhalt, so ist doch
das Fazit, das der Verfasser „Rr.“ zieht, repräsentativ für die publizistische
Aussage der Zeitschrift. Jede Leserin, so beendet er seinen Beitrag, sei ,,ein
nützliches Mitglied der bürgerlichen Gesellschafi. Das Wohl des Ganzen
beruht grossentheils auch auf dem häuslichen Wohl Lezteres nach allen
seinen Rüksichten zu befördern, steht ganz in ihrer Hand‘^^ .
Die Einsiedlerinn aus den Alpen beschreitet einen Mttelweg zwischen
den ursprünglichen Inhalten von Amaliens Erholungsstunden und deren letz-
tem Jahrgang. Der gesellschaftlich forcierte Rückzug der Frau auf die häusli-
che Sphäre ist in den Artikeln deutlich zu spüren. Dennoch wird auch in der
zweiten Zeitschrift Marianne Ehrmanns die These von der natürlichen Un-
terlegenheit der Frau in Frage gestellt. Sie unterstützt zwar die zeitgenössi-
sche Auffassung von einer natürlichen Verschiedenheit der Geschlechter, die
ihnen unterschiedliche Lebens- und Aktionsbereiche zuordne. Im Rahmen
dieser eher konservativen Aussage bleibt die Zeitschrift jedoch progressiv:
Einer Schwäche des weiblichen Geschlechts, die die Männer berechtige, über
es zu herrschen und zu bestimmen, wird nicht das Wort geredet. Immer noch
ist die Forderung nach Bildung für Frauen aktuell, immer noch werden Män-
ner wegen ihrer Aggressivität gegen gebildete Frauen und Frauen wegen ihres
mangelnden Willens zur Selbstbesserung kritisiert.
74 A.a.O., S. 184 f Daß eine solche Frage, sollte sie denn Sinn machen, ebenso bei einem
männlichen Regenten gestellt werden müßte, übersieht der Autor geflissentlich: Er mißt
mit zweierlei Maß und gesteht Frauen offenbar grundsätzlich keine Verdienste zu.
75 „Ueber die Menschenliebe. Fragmentarischer Versuch“, a.a.O., S.140 - 153. Der erste Teil
ist bereits im Februarheft (S. 141 - 153) erschienen.
76 „An meine Leserinnen“, a.a.O., S. 192: ,ßine sieben Monathe lang daurende Nerven-
krankheit machte mich zu allen Geschäften unfähig''
11 A.a.O.,S. 191.
126
Es sind vor allem die Fremdbeiträge einiger Mitarbeiterinnen^^, die sich
auf einer ähnlich progressiven Ebene wie Amaliens Erholungsstunden in ihrer
Anfangsphase bewegen. So entlarvt die Verfasserin der Briefe „Ueber die
Erziehung der Fürstentöchter“ im Februarhefl des ersten Jahrgangs die selbst-
gefällige Kritik der Männer an weiblichen Fehlem^^. In dieselbe Kerbe
schlägt Maria Dorothea Mezger im Maiheft 1794, in dem sie sich über die
Äußerung ausläßt, es sei das beste, eine dumme Frau zu heiraten (dies aller-
dings unter dem Pseudonym „ein Schweitzermädchen“). Die Ablehnung ge-
bildeter Frauen, so Mezger, habe ihren Ursprung in der weniger als rudimen-
tären Bildung, die die meisten Frauen aus Romanen zögen und die sie deshalb
oberflächlich mache, weil die Männer ihnen eine weitergehende Bildung nicht
zugestünden. Diesen Männern könne sie, im Ton ironisch wie fifther Marian-
ne Ehrmann, nur raten, ^^den Ehrgeiz, sich einst in vernünftigen und guten
Kindern geschäzt zu sehen [zu verachten]. Vergnügen Sie sich mit ihrer
Selbstgefälligkeit
Noch stärker in den Bereich der Gesellschaftskritik wagt sich die Verfas-
serin des Beitrags „Ueber die alten Jungfem“^^ vor, die mit Elise W***
zeichnet. Obwohl sie die Ehe als ‘Bestimmung’ der Frau vordergründig aner-
kennt, verdeutlicht und kritisiert sie im gleichen Atemzug die Mechanismen,
die eine Ehe erforderlich machen. Frauen, so die Verfasserin, würden aus-
schließlich aus materiellen Beweggründen geheiratet (Vermögen, familiäre
Beziehungen u.ä.)^^. Die gesellschaftliche Ächtung unverheirateter Frauen
bei gleichzeitiger Wertschätzung der Junggesellen sei bezeichnend für die
Selbstgefälligkeit der männlichen Gesellschaft:
78 Viele Mitarbeiterinnen bleiben quasi-anonym {Kar ohne v.B., Emilie R., von einem jungen
Frauenzimmer etc.). Bei diesen Veröffentlichungen handelt es sich meist um Gedichte oder
Briefe, die möglicherweise von Leserinnen stammen oder aber diese dazu anregen sollen,
auch einmal, etwa als junges Frauenzimmer aus Baden, einen Brief oder ein Gedicht bei-
zusteuem. Die Beiträge von Friederike Brun und Germaine de Stael geben der Zeitschrift
den Glanz bekannter Namen. Neben der „italienischen Herzogin von Giovanne'' sind es
vor allem die Beiträge Elise W***s (das Pseudonym war nicht aufzulösen) und Maria Do-
rothea Mezgers, die der Zeitschrift ihre ffauenrechtlerische Brisanz bewahren.
79 ,ßs macht ihnen Vergnügen, unsere Fehler zu rügen, aber wir sollen sie behalten, damit
sie uns unter dem Namen schönes aber schwaches Geschlecht als ihre Puppen und ihre
Sklavinnen behandeln können"" (a.a.O., S. 147 f). Die Briefe erscheinen in den Heften 1 -
5 des ersten Jahrgangs 1793; Verfasserin ist laut einer Anmerkung Marianne Ehrmanns
„die italienische Herzoginn von Giovanne, geborne Fräulein von Muttersbach aus Würz-
burg"" (EaA 1/1793, 1. Bd., H. 1, S. 37).
80 „Der Saz: 'Es ist das Beßte, ein dummes Weib zu heurathen!' - Geprüft von einem Schwei-
zermädchen“. (EaA 2/1794, 2. Bd., H. 5, S. 168).
81 „Ueber die alten Jungfern. Ein fragmentarischer Versuch von einem Frauenzimmer“ (EaA
1/1793,4. Bd.,H. 11,S. 138- 150).
82 Ibid., S. 140.
127
Aber dies ist noch keine der geringsten Unbilligkeiten, deren sich die Männer gegen
uns schuldig machen. Sie möchten gerne, daß wir jede ihrer Grillen für einen Ver-
nunftgrund annehmen, und ihr folgten. So wollen sie uns denn auch weismachen,
die alten Junggesellen, [...] seien mehrerer Achtung werth, als die alten Jungfern,
[...]. Zwar fehlen beide auf gleicher Weise darin, daß sie ihre Bestimmung nicht er-
füllen; aber der alte Oheim hätte dies gekonnt; er durfte sich ja nur eine Gattin
wählen! Die alte Tante aber mußte warten, ob sie gewählt werden würde
Auffallend im Kontext einer Zeit, in der sich die romantische Liebe zuneh-
mend entfaltet, ist die Tatsache, daß die Verfasserin erkennen läßt, daß diese
die geringste Motivation zu einer Eheschließung sei und einer Heirat vielmehr
gesellschaftliche, vvirtschaftliche Erwägungen zugrundelägen. Folgerichtig
gesteht sie in ihren Überlegungen dem Jungfemstand im Vergleich zu verhei-
rateten Frauen ein gewisses Maß an verbesserter Lebensqualität zu^"^: Jung-
fern könnten ruhiger, gelassener, fi-eundlicher und lebensnäher leben, weil
kein Mann sie direkt bevormundet^. Damit überschreitet die Verfasserin weit
die zulässige Kritik: Sie stellt nicht die Wertschätzung der Frau im Rahmen
der ihr zugestandenen Stellung in Frage, sondern diese Stellung überhaupt.
Eine Reaktion auf diesen Beitrag ist jedoch in der Einsiedlerinn aus den
Alpen nirgends zu finden. Anzumerken bleibt noch, daß es bezeichnender-
weise ausschließlich Frauen sind, die solche Thesen vertreten und daß Mari-
anne Ehrmann nicht mehr zu ihnen gehört. Die Herausgeberin hat sich, eben-
so wie die Gesamtaussage ihrer Zeitschrift, auf eine Mittlerposition zurückge-
zogen. Die höchste Form frauenpolitischen Engagements von ihrer Seite be-
steht darin, Leser und Leserinnen z.B. bei Mezgers Beitrag zur .JPrüfung
dieser satirischen, beißenden und treffenden Gedanken eines geistvollen
Mädchens^' aufzufordem^^. Damit versucht sie zwar, die Leserinnen in einen
Dialog hineinzuziehen, hält sich selbst jedoch weitgehend aus der Diskussion
heraus.
Marianne Ehrmanns eigene Beiträge und die ihrer männlichen Mitarbeiter
sind bei weitem nicht so emanzipatorisch. Tendenziell herrscht, wie bereits
erwähnt, die Bestätigung zeitgenössischer Vorstellungen vom weiblichen
83 A.a.O., S. 150.
84 ,f)as Vorurtheil aber abgerechnet, worunter der ganze Stand unbillig leidet, ist er übri-
gens nicht so ganz ohne Vorzüge, nicht so ganz unerträglich, als viele ihn sich vorstellen.''
(ibid., S. 147).
85 Die Verfasserin geht an dieser Stelle nicht darauf ein, daß unverheiratete Frauen rechtlich
unter die Vormundschaft eines männlichen Verwandten gestellt werden. Tatsächlich dürfte
eine solche Vormundschaft in bürgerlichen oder adeligen Familien oft nur de iure bestehen,
so daß die unverheirateten Frauen dieser Kreise über ein größeres Maß zumindest ideeller
Autonomie verfugen können als die Ehefrauen, die einem Mann als dessen ‘Eigentum’ di-
rekt verpflichtet sind.
86 EaA 2/1794, 2. Bd., H. 5, S. 171. Und, so fügt sie hinzu, „di^ Beantwortung ihrer Ausfälle
einem turnierfähigen Leser - wenn etwa Einer Beruf in sich fühlte!"
128
Lebensraum ‘Familie’ in den herkömmlichen Strukturen vor. Die Ehe wird als
gesellschaftlich unverzichtbare Lebensform angesehen^^, innerhalb derer eine
Frau ihre Rolle perfekt und unermüdlich zu erfüllen habe. In den meisten
Beiträgen, seien es Erzählungen, Geschichten, Gedichte, Essays oder auch die
mittlerweile raren populärwissenschaftlichen Artikel, wird deshalb den Lese-
rinnen vorgefiihrt, was ihnen zur Perfektion noch fehlt, werden sie zur
‘menschlichen’ Bildung und zur Erfüllung ihrer Pflichten aufgefordert. Wel-
chen Platz Männer in diesem Zusammenhang einnehmen, wird wenig hinter-
fi*agt. Wenn, wie z.B. in den ‘wahren’ Geschichten, eine Frau an einen ver-
kommenen, oberflächlichen oder gar verbrecherischen Mann gerät, so hat sie
dies im Zweifelsfalle ihrer eigenen Unvollkommenheit - nämlich entweder
ihrer mangelnden oder ihrer zu wissenschaftlichen Bildung - zuzuschreiben.
In Amaliens Erholungsstunden hat Marianne Ehrmann die intellektuellen,
moralischen und politischen Beschränkungen, die für Frauen gelten, angegrif-
fen, ohne dabei die Rolle der Frau als solche in Frage zu stellen: Auf dem
Wege der vordergründigen Anpassung an herkömmliche Vorstellungen hat
sie versucht, die Lebenssituation von Frauen zu verbessern. Diese Anpassung
wird jetzt zur maßgeblichen Aussage. Ein Beitrag wie „Loth's Weib sah zu-
rük, und ward zur Salzsäule“, im Juliheft 1794 von R.N. veröffentlicht, hätte
im ersten Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden wohl keine Aufiiahme
gefunden. Die biblische Geschichte der Adith, die zur Strafe für das Zu-
rückblicken auf Sodom zur Salzsäule erstarrt, nimmt der Verfasser zum An-
laß, sämtliche ‘weiblichen’ Fehler zu geissein: Adith sei mit Sicherheit zän-
kisch, raffgierig, neugierig, unfolgsam und wankelmütig gewesen, und so
müsse man auch kein Mitleid mit ihr, die ihre gerechte Strafe erhalten habe,
fühlen. Der Verfasser folgert, daß Loth es als eine ..unaussprechliche [...]
Wonne‘'^^ empfunden haben müsse, von dieser Frau befreit zu werden, deren
Schicksal den Leserinnen als Warnung dienen möge.
Auffällig ist außerdem die starke Zunahme religiöser Inhalte und streng
protestantischer Grundwerte wie Demut, Bescheidenheit, Selbstlosigkeit und -
aufopferung, auf die Frauen innerhalb ihrer gesellschaftlichen Stellung festge-
legt werden. So schildern die in der Rubrik ,yAnekdoten“ enthaltenen Beiträge
meist Begebenheiten, bei denen eine Frau, oft vornehmer Herkunft, sich als
besonders barmherzig und hilfsbereit erweist. Aus kraftvollen menschlichen
Tugenden wie Tapferkeit, Mut und Geisteskraft, die für das in Amaliens Er-
holungsstunden vermittelte weibliche Selbstverständnis konstruktiv wir-
87 In seinem Beitrag „Sind die meisten Ehen unglüklich?“ {EaA 1/1793, 3. Bd., H. 9, S. 245 -
256) erklärt der Verfasser (d.i.; Peter Neuss) denn auch, diese seien nicht un-
glücklicher als alles im Leben. Problematisch an ihnen seien nur die idealistischen Erwar-
tungen, die die jungen Leute daran knüpften.
88 £■«^ 2/1794,3. Bd.,H. 7,S. 68.
129
ken^^, werden in der Einsiedlerinn aus den Alpen spezifisch Frauen zuge-
schriebene Eigenschaften wie Güte, Edelmut und Santout. Damit verschiebt
sich die publizistische Aussage der Zeitschrift von der Stärkung des weibli-
chen Selbstwertes, des Ansehens und damit der Stellung der Frau in der Ge-
sellschaft hin zur Untermauerung und Verfestigung eines gesellschaftlich
sanktionierten Frauenö/We^, dessen Berechtigung kaum mehr in Frage gestellt
wird. Der Inhalt der Zeitschrift wird „immer mehr auf dichterische, literari-
sche Beiträge eingestellt, die einem sanften, häuslichen, weiblichen Wesen
das Wort reden“^^. Verstärkt erscheinen Beiträge des empfindsam-sentimen-
talen Genres in der Tradition rousseauscher Denkweisen^^, die das menschli-
che Leben in seiner ‘natürlichen’ Form preisen. Das bedeutet die Einordnung
der Frau in einen als naturgegeben angenommenen Schöpfungsplan, der ihr
die oben beschriebenen Eigenschaften als Primärtugenden in Ergänzung zu
den männlichen Tugenden zuschreibt und sie selbst daher dem Dienst an der
Familie verpflichtet. Parallel zu dem Rückgang der Kritik an geschlechts-
begründeter Benachteiligung der Frauen reduziert sich auch die Kritik an ge-
sellschaftlichen Hierarchien. Während in Amaliens Erholungsstunden Teile
des Adels als dekadent gebrandmarkt und damit der Kritik preisgegeben wor-
den sind^^, finden sich in der Einsiedlerinn aus den Alpen zahlreiche Beispie-
le fürstlicher Güte^^. Die Anerkennung der vorgegebenen weiblichen Rolle
geht einher mit der der gesellschaftlichen Vormachtstellung des Adels, dessen
Frauen den Leserinnen als maßgebliche Vorbilder präsentiert werden. An
ihrem Beispiel werden weibliche Idealtugenden vorgefuhrt. Beide Aspekte
der Kritik, die gesellschaftliche wie die geschlechtsspezifische, werden in der
Einsiedlerinn aus den Alpen dadurch vermieden, daß kaum noch eine The-
matisierung männlichen Verhaltens stattfmdet. Es ist dies ein Hinweis auf die
Einflußnahme gesamtpolitischer Ereignisse auf emanzipatorische Stellung-
nahmen. In dem politischen Klima, das im deutschsprachigen Raum nach den
ersten blutigen Folgen der Französischen Revolution herrscht, wird der Auf-
rechterhaltung gesellschaftlicher Strukturen besonderes Gewicht beigemes-
sen. In dem Maße, in dem diese ‘Revolution von unten’ von breiten Bevölke-
89 Vgl. Z.B. AE 1/1790, 1. Bd., H. 1, S. 89 („Ein Zug weiblicher Tapferkeit“), 3. Bd, H. 7, S.
89 -92 („Weiblicher Heldenmuth“) oder 2. Bd., H. 5, S. 73 - 74 („Noch ein edles Weib“).
90 KrulU Wirken der Frau, S. 273.
91 Z.B. Friederike Bruns „Reise nach der Petersinsel auf dem Bielersee“ {EaA 1/1793, 4. Bd.,
H. 12, S. 212 - 220) oder Johann Gottfried Pahls „lieber die Liebe unter dem Landvolk“
{EaA 1/1793, 3. Bd, H. 8, S. 128 - 153).
92 Insbesondere in der Darstellung verantwortungsloser adliger Verführer und oberflächlicher,
koketter weiblicher Adliger.
93 Z.B. in „Die beispiellose Fürstenthat“ {EaA 1/1793, 4. Bd., H. 10, S. 78 - 87) oder „Für-
stentugend und Fürstengrösse“ {EaA 2/1794, 1. Bd., H. 3, S. 254 - 258); außerdem in zahl-
reichen Anekdoten.
130
rungsschichten als destruktiv und schädlich angesehen wird, schwindet auch
die Bereitschaft, gesellschaftliche Veränderungen zu fordern.
Dazu kommt noch im württembergischen Raum eine Annäherung gemä-
ßigt aufklärerischer Ansichten und pietistischer Denkweisen. Beide werden
„dadurch zu Bundesgenossen, daß sie [...] in der Bildung auf die Pflege der
Realien drängen [...] und in der Seelsorge auf die Beförderung eines prakti-
schen Christentums Wert legen, beide den Vorrang des Lebens vor der Lehre
betonen“^"^. Bei aller Begeisterung für Rousseau bleiben die württembergi-
schen Spätaufklärer, in deren Kreisen sich auch Marianne Ehrmann bewegt,
an die pietistische Denkart gebunden, was Dieter Narr z.B. an der „betont
puritanischen Wertung und Abwertung des Luxus und der Mode“ fest-
macht^^. Einfluß auf die Abkehr von firühaufklärerischen Idealen nimmt auch
die Empfindsamkeit, in deren Folge eine rein pragmatische Aufklärungsbe-
wegung an Boden gewinnt. Narr macht dies am Begriff einer verhältnismäßi-
gen Aufklärung fest, deren Zielsetzung sich darauf beschränkt, der Bevölke-
rung ein Grundwissen zu vermitteln, das auf das tägliche Leben anwendbar
ist, ohne sie zu gesellschaftspolitischen Veränderungen zu verleiten^^. Dies
sind Denkweisen, die z.B. von Gräter oder Pahl vertreten werden und auch
auf fi^auenpolitische Bestrebungen anzuwenden sind. In der Folge entsagt eine
Zeitschrift wie die Einsiedlerinn aus den Alpen dem innovativen journalisti-
schen Profil der fiühen Exemplare von Amaliens Erholungsstunden und be-
gibt sich immer mehr in die belehrend-unterhaltende, restaurative Ecke kon-
servativerer Blätter.
Marianne Ehrmanns eigene Beiträge schwanken, wie die Gesamtaussage
der Zeitschrift, zwischen Empörung und Resignation. Sie sind in ihrer publi-
zistischen Aussage repräsentativ für das Gesamtbild, das die Zeitschrift ihren
Leserinnen bietet. Daß Die Einsiedlerinn aus den Alpen dennoch aus den
zeitgenössischen Frauenzeitschriften herausragt, verdankt sie vor allem den
Beiträgen ihrer Mitarbeiterinnen, allen voran Maria Dorothea Mezger und
Elise W***, die nach wie vor und unverkennbar emanzipatorische Züge tra-
gen und in ihrem Duktus den fiühen Artikeln der Herausgeberin gleichen.
94 Narr, Studien zur Spätaufklärung, S. 49.
95 Ibid., S. 90. In diesem Kampf „gegen Verweichlichung und Verfeinerung“, so Narr, besteht
der Unterschied zu Rousseau in der Argumentationsweise. Kleidung z.B. wird mit dem
Verlust des Paradieses in Verbindung gebracht (a.a.O., S. 91), die Stellung der Frau auch
von dort hergeleitet.
96 Ibid., S. 194: „Sah die Aufklärung das Hochziel aller Bildung im Selbstdenken, im vorur-
teilslosen Prüfen alles dessen, was einem Menschen begegnen konnte, und durfte dieses
Selbstdenken selbst den ewigen Wahrheiten der Religion gegenüber nicht ruhen, dann blieb
doch eigentlich nur ein Ausweg [um dem Volk nicht zu viel Einfluß zu geben]: nämlich
gewissermaßen ein Mindestprogramm zu entwerfen, den Begriff einer verhältnismäßigen
Aufklärung einzufiihren.“
131
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abb. 7: Marianne Ehrmann AN Heidegger (28.09. 1794)
132
Auch die zwar nur sporadisch erscheinenden populärwissenschaftlichen Arti-
kel, deren Inhalte deutlich über die zeitgenössische Unterhaltungsliteratur
hinausgehen^^, tragen dazu bei, der Zeitschrift ein anspruchsvolleres Profil zu
geben.
5.5. Ermüdete Kampfeslust:
Von der Satire zum moralischen Lehrstück
Arbeit wünsche ich mir vom Morgen bis in die späte Nacht; denn Arbeit ist ja der
köstlichste Balsam!
Aber ... wenn es mir frei stände, so wünschte ich mir doch mehr häusliche weibliche
Arbeit, als schriftstellerische. - O meine Freundinnen, das bischen Autorschaft, und
Autor-Ehre wird einem Weibe so sauer gemacht! Ich wünschte freilich durch
Schriftstellerei nüzzen zu können - doch wünschte ich - nicht mehr schreiben zu
müssenF^
Schon die Auseinandersetzungen mit der Cottaischen Verlagsbuchhandlung
haben Marianne Ehrmann viel Kraft gekostet. Trotz - oder vielleicht gerade
wegen - ihrer unorthodoxen Vergangenheit ist ihr Selbstbewußtsein nicht so
gefestigt, daß sie sich über die dort geäußerte Kritik an ihrer Arbeit ohne
weiteres hinwegsetzen kann^^. Auch mit dem Zürcher Verlag kommt es schon
bald wegen des Verhaltens ihres Mannes zu Unstimmigkeiten, die zwischen-
zeitlich bis hin zur Auflösung des Vertrages durch den Verlag gehen. Theo-
phil Friedrich Ehrmann selbst wird für sie statt zur Unterstützung immer mehr
zu einer Belastung. Nicht nur, daß er sie in ihrer Arbeit nicht mehr unterstützt,
er neidet ihr ihre Erfolge ebenso wie manche ihrer Zeitgenossen^ Gleich-
97 Z.B. die Lempriere-ÜhtxsttTxxng Theophil Friedrich Ehrmanns „lieber den Zustand des
weiblichen Geschlechts in Maroko“ {EaA 1/1793, 1. Bd., H. 1, S. 61 - 71; H. 2, S. 169 -
174; H. 3, S. 266 - 274), seine völkerkundlichen und geographischen Beiträge im zweiten
Jahrgang der Zeitschrift oder Kellers Beitrag „Die schwarze Dichterinn“ {EaA 2/1794, 3.
Bd., H. 8, S. 173 - 177) in dem gar die Lyrikerin Phillis Whately als Beispiel für die Kul-
turfähigkeit sowohl der Schwarzen als auch der Frauen herangezogen wird.
98 Mariaime Ehrmann in; EaA 1/1793, 4. Bd., H. 11, S. 178 f („Meine Wünsche in einer
einsamen Stunde“). Nur wenige Äußerungen lassen ihre Zerrissenheit zwischen der selbst-
gewählten Aufgabe und den gesellschaftlichen Anforderungen deutlicher erkennen als die-
se.
99 Bereits in seinem Brief vom 30.3.1791 an die Cottaische Verlagsbuchhandlung hat sich
Theophil Friedrich Ehrmann dahingehend geäußert: „Uebrigens muß ich Ihnen sagen, daß
sie [Mariaime Ehrmann] sehr zaghaft ist und durch solche Vorurtheile muthlos gemacht
werden könnte.” (unveröff. Mskr., Cotta- Archiv).
100 So berichtet Gräter. „[...] mich dünkte, es thue dem edlen und gelehrten Ehrmann zuwei-
len wehe, sich hie und da hintangesetzt zu sehen, [...]" (Besuch bey Amalien, S. 138).
Marianne Ehrmanns Klagen über Theophil Friedrich Ehrmanns mangelnden Arbeitseifer
133
zeitig fungiert sie als Ernährerin ihrer Familie und muß mit ihrer Zeitschrift
für ein sicheres Einkommen sorgen. Sie läßt sogar ihre Leserinnen erkennen,
daß die Zeitschrift für ihr finanzielles Auskommen eine maßgebliche Rolle
spielt: Die Kunst, so äußert sie sich, gehe Jezt, [...] nach Marianne
Ehrmann kann und will diese Einnahmequelle nicht aufs Spiel setzen. So steht
zu vermuten, daß sie nach den Erfahrungen mit der Cottaischen Verlagsbuch-
handlung ihre Zeitschrift nicht ein zweites Mal dem Risiko der Ablehnung
durch den Verlag aussetzen möchte.
Zu dieser individuellen Problematik kommt ein verändertes gesell-
schaftliches Klima, in dem Frauen mehr denn je auf die Mutterschaft und das
Haus verwiesen werden. Die im Zuge der Aufklärung aufgekommenen
emanzipatorischen Tendenzen sind einer restriktiven Grundhaltung gewichen,
die den Aktionsradius von Frauen innerhalb der sich neu formierenden bür-
gerlichen Gesellschaft deutlich einschränkt. Die Einsiedlerinn aus den Alpen
trägt in ihrer publizistischen Aussage auch diesen Entwicklungen Rechnung.
Der in Amaliens Erholungsstunden schon spürbare Widerspruch zwischen
individuellem Anspruch und gesellschaftlicher Realität verschiebt sich in der
Einsiedlerinn aus den Alpen immer mehr hin zu einer Art resignativer Akzep-
tanz gesellschaftlicher Wertvorstellungen, die ihre Wurzeln vermutlich in den
privaten Erfahrungen der Herausgeberin hat..
Repräsentativ für die Haltung, die Marianne Ehrmann in ihrer zweiten
Zeitschrift einnimmt, ist die Figur der Einsiedlerin „aus den Alpen“, die sie in
der Vorrede^^^ als ihre Beraterin vorstellt, deren Leben sie in der Geschichte
der Einsiedlerinn aus den Alpen^^^ beschreibt und nach der sie auch ihre
Zeitschrift benennt. Die Einsiedlerin, eine ,,edle Matrone'\ die ..bereits ihr
siebenzigstes Jahr erreicht hat^^"^, hat in ihrem Leben fast alle ‘weiblichen
Fehler’ begangen, einen Läuterungsprozeß durchlaufen und lebt nun in einer
schweizerischen Einöde, wo sie sich mit ausgewählter Lektüre, Briefwech-
seln, vor allem aber mit den Schicksalen leidenschaftlicher und deshalb un-
glücklicher Mädchen, denen sie stets einen guten Rat bereithält, beschäftigt.
Ihr Ziel ist es, zur Besserung des weiblichen Geschlechts beizutragen, einer
Besserung, die aus der Beherzigung ‘weiblicher Tugenden’ (Sanftmut, Barm-
herzigkeit, Demut) besteht. Die Vorrede, in der Marianne Ehrmann mit der
und ihre Angst, ihn zu kritisieren, die in ihren Briefen an Heidegger zum Ausdruck kom-
men, passen in dieses Bild. Gräter weist außerdem darauf hin, daß manche Leute sie als
Nichtskönnerin bezeichneten, deren Schriften in Wahrheit ihr Mann verfasse (a.a.O., S.
189).
101 EaA 1/1793, 4. Bd., H. 1 1, S. 177 („Meine Wünsche in einer einsamen Stunde“).
102 „Vorrede und Einleitung“, 1/1793, 1. Bd., H. 1, S. 1-17.
103 „Geschichte der Einsiedlerinn aus den Alpen. Von ihr selbst beschrieben“, EaA 1/1793, 1.
Bd., H. 1, S. 18 - 36; H. 2, S. 97 - 139; H. 3, S. 194 - 251.
104 EaA 1/1793, l.Bd.,H. 1,S. 8.
134
Figur der Einsiedlerin auch ihr Zeitschriflenkonzept vorstellt, ist weit entfernt
von den provokativen Tönen ihrer , Antrittsrede“ aus Amaliens Erholungs-
stunden. Die Einsiedlerin empfehle ihr, so Marianne Ehrmann, verstärkt wah-
re Geschichten und Lebensbeschreibungen zu veröffentlichen, die den Lese-
rinnen Beispiele für moralisch korrektes Verhalten und die Konsequenzen
mangelnder Tugendhaftigkeit liefern können, ,4^ diese [...] stärker aufs Herz
wirken‘‘^^^. Sie rate ihr weiterhin, keine Rezensionen mehr zu veröf-
fentlichen, „(ia (nach ihrer Meinung) einem Frauenzimmer das Rezensiren
nicht gut stattdessen sollen Anzeigen aufgenommen werden. Diese
eher in die moralisch-unterhaltende Richtung weisenden Ratschläge werden
ergänzt durch die Ablehnung der Modeanzeigen, die ,, ausser dem Plane einer
moralischen Zeitschrifl ßr Frauenzimmer liegen"'^^'^ . Damit grenzt sich
Marianne Ehrmann zwar von den gängigen Frauenzeitschriften ab, bean-
sprucht aber für die Einsiedlerinn aus den Alpen das Postulat einer moralisch-
belehrenden Zeitschrift, ohne ihr einen gesellschaftspolitischen Auftrag zuzu-
ordnen, wie sie ihn bei Amaliens Erholungsstunden vertreten hat. Mit der
Ablehnung einer weiblichen Rezensententätigkeit werden Frauen wieder in
den Bereich rezeptiver Bildung verwiesen, deren eigene Gestaltung und Kri-
tik ihnen (und damit der Herausgeberin) verwehrt ist.
Marianne Ehrmanns eigene Beiträge in ihrem zweiten Journal bestehen
diesen ‘Empfehlungen’ gemäß im wesentlichen aus ‘wahren’ Geschichten;
gesellschaftspolitisches Räsonnement klammert sie weitgehend aus. Im Ge-
gensatz zu den ‘gefallenen Mädchen’ ihrer Erzählungen in Amaliens Erho-
lungsstunden, deren Probleme sowohl mit mangelnder Bildung als auch mit
dem verantwortungslosen Verhalten der Männer begründet worden sind,
handelt es sich bei den Geschichten in der Einsiedlerinn aus den Alpen um
Warnungen vor zu umfassender Bildung und bei den Protagonistinnen dem-
entsprechend um „Weiber, die sich in das Gebiet der eigentlichen Gelehr-
samkeit wagten"'^^^. Die Bildungsdebatte hat sich damit umgekehrt: Früher
hat Marianne Ehrmann grundsätzlich Bildung für Frauen gefordert, um die-
sen ein gewisses Maß an Autonomie zu verschaffen und sie vor Verfehlungen
zu schützen. Wissenschaftliche Bildung hat sie dabei zwar abgelehnt, ange-
sichts des umfassenden Mangels an Bildung und Selbstwertgefühl jedoch als
zweitrangiges Problem abgehandelt. Nun ist die Frage der wissenschaftlichen
Bildung in den Mittelpunkt gerückt und zum Dreh- und Angelpunkt weibli-
cher Probleme geworden. Früher hat sie geschildert, wie Frauen aufgrund
fehlender Bildung in ihrer Denk- und Artikulationsfähigkeiten eingeschränkt
105 A.a.O.,S. 14.
106 Ibid
107 Ibid, S. 15.
108 Aus: „Der Schuzgeist“, EaA 1/1793, 2. Bd, H. 4, S. 4.
135
und auf diese Weise unterdrückt werden können, jetzt warnt sie vor einem
‘unweiblichen’ Bildungseifer, der ähnlich schlimme Ergebnisse hervorrufe.
Problematisiert werden nicht mehr Männer als Verführer und Verächter ab-
sichtlich unwissend gehaltener Frauen, sondern wissenschaftlich gebildete
Frauen als Vertreterinnen einer herz- und geschlechtslosen Spezies, deren
Schicksal nur durch Läuterung und den Rückzug auf weibliche Tätigkeiten
gemildert werden könne. Die Rückkehr zu den ‘natürlichen’ Werten wird
mehr denn je propagiert, und Marianne Ehrmann stimmt nun in diesen Chor
mit ein^^^. Ihre Aussagen sind z.T. so regressiv, daß sie kaum mehr, wie bei
Amaliens Erholungsstunden, mit einer Anpassungs- oder Selbstschutzstrate-
gie in Verbindung gebracht werden können:
Weiber, Kinder und Dienstmädchen sollen eigentlich zum Widersprechen gar nicht
den Mund öffnen. Thut man ihnen Unrecht, so körnt schon eine Zeit, wo sie beschei-
den rügen können; ist dies oft nicht der Fall, so verrathen sie doch durch ihr
Schweigen eine schöne gute Seele! [...]
Wahrlich wenn ein Weib auch nicht aus Sanftmuth und Bescheidenheit schweigen
kann, so sollte sie es doch aus Ehrengefühl können, um Ändere ja nicht zu Zeugen
ehelicher Stürme zu machen!^
Neben der Tatsache, daß Marianne Ehrmann Frauen mit Kindern und Be-
diensteten gleichsetzt und damit einen tiefen Einblick in die Geringschätzung
der Frau erlaubt, fällt auch hier die Akzentverschiebung von der Kritik am
Mann zur Reglementierung der Frau auf Hatte sie in der Philosophie eines
Weibs die Notwendigkeit der Zurückhaltung dem Mann gegenüber noch aus
der materiellen Abhängigkeit der Frau und der Fehlerhaftigkeit des Mannes
begründet und als Akt weiblicher Diplomatie, damit als Zeichen größerer
Klugheit und Stärke der Frau, dargestellt, so wird daraus jetzt ein Tatbestand,
der weder zu begründen noch zu hinterfiragen ist: Das weibliche Wesen ist per
se sanftmütig und bescheiden. Die Ablehnung tiefer gehender Bildung ist in
diesem Zusammenhang zu sehen: Verstärkte Denkfähigkeit kann diese
‘weiblichen’ Eigenschaften nur einschränken. Die Unterscheidung einer
„Denkerin“ von einer „Schulgelehrten“^^^ wird damit immer undurchsichti-
109 Tatsächlich wird diese ‘Rückkehr’ nur für Frauen propagiert. Während sich mit dem
männlichen städtischen Bürgertum eine politische Öffentlichkeit zu etablieren beginnt, de-
ren Wertvorstellungen sich zunehmend von ‘Naturgesetzen’ entfernt (Industrialisierung,
Machtstreben, Trennung von Arbeit und Familie), werden Frauen umso stärker auf ihre
Rolle als Mittlerinnen zwischen Mensch (d.i. Mann) und Natur (d.i. Frau) beschränkt. Dies
hat zur Folge, daß sie ungebildet bleiben müssen, um den ihnen unterstellten intuitiven
Kontakt zu natürlichen Lebensweisen beizubehalten.
1 10 Aus: „Ueber den Umgang mit Menschen“, EaÄ 1/1793, 2. Bd., H. 6, S. 255 ff
1 1 1 Beispielhaft dafür: Ads die Verfasserin der Briefe „Ueber die Erziehung der Fürstentöchter“
sich für wissenschaftliche Frauenbildung ausspricht, merkt Marianne Ehrmann an, wichtig
136
ger. Die Verwirrung, was eine Frau denn nun zu wissen habe, um eine gute
Hausjfrau und Mutter zu sein, und wo die Grenze zur ‘unweiblichen’ Bildung
liege, ist deutlich zu spüren. Marianne Ehrmann weicht im Sinne ihrer Zeit
darauf aus, die ‘Menschenkenntnis’ zur zentralen Frage der Bildung zu ma-
chen. Das bedeutet ein Abrücken von faßbarer Bildung. Stattdessen werden
moralisch-ethische Werte wie Demut, Nächstenliebe, Altruismus und Be-
scheidenheit zu ‘Bildungsinhalten’ gemacht, die neben der Rolle der Frau
auch deren moralische Minderwertigkeit zum Grund haben. Wie Marianne
Ehrmann in ihren Fragmenten zur Menschenkunde^ die nichts anderes als ein
Regelwerk zur moralischen Läuterung sind, erkennen läßt, ist dies die Ursa-
che für die ‘Bildungsunfahigkeit’ der Frau:
Das weibliche Geschlecht ist vermög seiner ihm eignen Schwächet der ihm beson-
ders anklebenden Eigenliebe und der im Mutterleibe schon geerbten Eitelkeit, am
allermeisten der Selbsttäuschung unterworfen. [...] Der durch Selbsttäuschung an-
geblassene weibliche Eigensinn, wird dann bei diesem schwächernt reizbarent im
Ganzen auch geistesarmen Geschlechte so leicht zur Bosheit, und die durch Selbst-
täuschung hochgespannte Eitelkeit so leicht zur Rachsucht. ^ ^ ^
Damit hat Marianne Ehrmann den Schritt zur Anpassung an zeitgenössische
Vorstellungen getan, nach denen Frauen wegen vermeintlich angeborener
Eigenschaften den Männern grundsätzlich unterlegen seien. Daß die Einsied-
lerinn aus den Alpen dennoch nicht gänzlich dem zeitgenössischen Denkdik-
tat unterliegt, verdankt sie neben den progressiven Beiträgen ihrer Mitarbei-
terinnen auch einigen kleinen Bemerkungen, die Marianne Ehrmann hie und
da fallen läßt. Ihre sporadisch erscheinenden „Modeneuigkeiten“ sind nach
wie vor mit spitzen Bemerkungen gespickt^ und im Februarheft 1793 fin-
det sich ein satirischer Beitrag Marianne Ehrmanns ,J)er Mann und das
Männchen“, in dem sie in der Tradition von Amaliens Erholungsstunden An-
spruch und Realität der Männerwelt einander gegenüberstellt^^^. Andere
Äußerungen erscheinen versteckter. So leitet Marianne Ehrmann einen Arti-
sei einzig und allein die ^Philosophie des Lebens'\ eine Frau solle „bloß Denkerin und
nicht Schulgelehrte^^ sein {EaA 1/1793, 1. Bd., H. 2, S. 146).
1 12 EaA 1/1793, 4. Bd, H. 1 1, S. 125 (Hervorhebungen von mir, BAK).
113 Z.B. im Märzheft des ersten Jahrgangs: ,JEin für allemal, so lange man sich noch nicht
schämt auf Rechnung des männlichen Geschlechts solche kindischen Figuren mit Zucker-
gesichtern und hohen Frisuren zur Schau zu stellen, eben so lange glaube ich an das Da-
sein der wahren Aufklärung nichtP (EaA 1/1793, 1. Bd., H. 3, S. 289).
1 14 EaA 1/1793, 1. Bd, H. 2, S. 175-181. Der Artikel, den sie mit der Bemerkung einleitet, es
sei von geistiger Größe die Rede, enthält die Entlarvung männlicher Verhaltensweisen in
Gegenüberstellungen wie: ,f)er Mann erkennt auch fremdes Verdienst und die Überlegen-
heit anderer und läßt sich willig zurechtweisen; das Männchen schreit und jammert
fürchterlich, wenn jemand so etwas wagD' (a.a.O., S. 177).
137
kel, der zum Ziel hat, die Leserinnen vom Kaffeetrinken abzubringen, ganz
im Stil von Amaliens Erholungsstunden mit den Worten ein:
Uns Weiber kann keine Bitte mehr befremden; denn wir sind von Jugend an zu sehr
an jede Art von Bitte gewöhnt! - Man bittet uns oft im Namen der Schönheit, im Na-
men der Liebe, im Namen der Barmherzigkeit, [...]- alle möglichen Bitten haben wir
gewiß schon gehört, doch sicher und höchst selten eine im Namen der gesunden
Vernunft 1^^^
Schreibstrategien wie die für Amaliens Erholungsstunden beschriebenen hat
Marianne Ehrmami kaum mehr nötig, da sich ihre Beiträge überwiegend in
der Schilderung von und Kritik an weiblichen Fehlem oder der Reglemen-
tierung weiblichen Verhaltens erschöpfen und Angriffe auf männliches oder
gesamtgesellschaftliches Verhalten kaum mehr stattfinden. Edith Krulls Fest-
stellung, daß Marianne Ehrmann auch in der Einsiedlerinn aus den Alpen
„ihre männerfeindliche Politik [betreibt], indem sie das männliche Geschlecht
auf allerlei Weise lächerlich zu machen sucht oder in Betrachtungen wie ‘Der
Mann und das Männchen’ die Frauen zu offenem Widerspruch gegen männli-
che Despotie aufrufl“^^^, kann ich damit nicht bestätigen. Neben dem von
Kmll in der Zitatstelle aufgefuhrten Artikel bleiben die restlichen Beiträge
merkwürdig blaß; ein Engagement für größere weibliche Autonomie oder gar
gegen männliche Vorherrschaft ist höchstens noch ansatzweise zu erkennen.
Besonders im zweiten Jahrgang der Zeitschrift, der unter heftigem Zeit-
dmck zustande kommt, beschränkt sich Marianne Ehrmann auf weitgehend
gesellschaftskonforme Inhalte, deren Niederschrift vermutlich weniger Ge-
schick und damit weniger Zeit braucht und die sie - wichtig für sie angesichts
der Zeitknappheit - zum großen Teil nicht selbst verfaßt. Neben ‘wahren’
Frauenschicksalen und Anekdoten erscheinen aus ihrer Feder nur noch die
„Fragmente zur Menschenkunde“, in denen sie sich mit der Erlangung und
Erhaltung weiblicher Tugenden beschäftigt^ ihre Reisebeschreibung in
Briefform „Bemerkungen auf einer kleinen Reise von Stuttgart nach Zürich,
und von da wieder zurück“^ und ihre ,ßriefe über meinen kleinen Jungen
und seine Erziehung“^ Damit zieht sie sich thematisch auf den der Frau
zugestandenen Privatbereich zurück und beweist ihrem Publikum - und mög-
115 „Eine Bittschrift an Weiber und Mädchen“, EaA 1/1793, 3. Bd., H. 8, S. 155. Der Genuß
von Kaffee, assoziiert mit französischer Lebensart, gilt im ausgehenden 18. Jahrhundert
zunehmend als teurer, dekadenter Luxus.
1 1 6 Wirken der Frau, S. 269 f
117 In den Heften 4 u. 6 - 9; außerdem in den Heften 2 u. 5 „lieber die Menschenliebe. Ein
fragmentarischer Versuch“.
118 In den Heften 1 - 4.
119 In den Heften 11 u. 12.
138
licherweise ihren Kritikern daß auch sie die Erfüllung der weiblichen Be-
stimmung in der Mutterschaft sieht. Neben zeitgenössischen Wertvorstel-
lungen dürfte im Falle Marianne Ehrmanns allerdings auch eine Rolle spielen,
daß es für sie aufgrund ihrer beruflichen und privaten Überlastung naheliegt,
ihre privaten Erlebnisse für Beiträge zu verwerten: Wer Kinder zu betreuen
hat, dem fehlt entschieden die Ruhe für geistige ‘Höhenflüge’. Wenn sie also
über die Erziehung ihres Adoptivsohnes schreibt, kann sie die Zeit, die sie für
dieselbe benötigt, publizistisch nützen und die Zeit, die sie zum Schreiben
braucht, dadurch abkürzen, daß sie über das sie am meisten beschäftigende
Thema schreibt.
Die Einsiedlerinn aus den Alpen bleibt damit inhaltlich und thematisch
hinter ihrer Vorgängerin zurück. Marianne Ehrmaims Traum von der indi-
viduellen weiblichen Unabhängigkeit hat sich ebensowenig verwirklicht wie
ihre Hoffliung auf die Möglichkeit einer progressiven weiblichen Öffentlich-
keit. Er ist für sie vielmehr zu einem Alptraum zwischen beruflicher Überla-
stung und privatem Rechtfertigungsdrang geworden, der die erhofften schrift-
stellerischen Freiheiten zunehmend verdrängt hat.
Die persönlich-privaten wie auch die beruflichen Begrenzungen, denen
Marianne Ehrmann in ihrer publizistischen Tätigkeit gegenübersteht, haben
dabei ihren Ursprung in einem gesamtgesellschaftlichen Klima, das ihr schon
die Fortführung von Amaliens Erholungsstunden in Zusammenarbeit mit der
Cottaischen Verlagsbuchhandlung erschwert hat: Nach der Bildungseuphorie
der Frühaufklärung und der Idealisierung des Frauenbildes in der Empfind-
samkeit gibt die Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts nun klare
Definitionen für Weiblichkeit vor, die von den zeitgenössischen Frauenjour-
nalen widergespiegelt werden. Eine progressive publizistische Tätigkeit ge-
hört mit Sicherheit nicht dazu.
139
6. Frauenjournale des ausgehenden 18. Jahrhunderts:
Ein Vergleich
6.1. Jacobis Iris (1774 - 1775):
Das literarische Journal
Uebrigens ist Göttin Iris eine friedliche Göttin. Dann und wann donnert es in den
ihr gegen über stehenden Wolken; sie aber scheint ruhig in den ihrigen, und lacht
herunter ins blühende Thal ^
Als Johann Georg Jacobi im Oktober 1774 beginnt, die Iris herauszugeben,
ist er bereits gesellschaftlich etabliert und bringt eine umfassende geisteswis-
senschaftliche Bildung mit^. Er hat einige Lyrikbände veröffentlicht und be-
wegt sich literarisch im Kreis der Anakreontiker um Johann Wilhelm Ludwig
Gleim. Wilhelm Heinse, der die Zeitschrift mit herausgibt^, folgt ihm 1774
nach Düsseldorf, wo die Iris erscheint. Beide haben Kontakt zu so einflußrei-
chen Leuten wie Gleim und Wieland, Jacobis jüngerer Bruder Friedrich
Heinrich ist zusätzlich mit zahlreichen Literaten bekannt^. Die Iris erscheint
in einem gebildeten, literarisch etablierten Umfeld, und die Herausgeber ha-
ben bereits Kontakt zu anderen Autoren.
Diesem Umfeld entsprechend ist die Iris noch deutlich dem Journal als
Literaturform und -forum verbunden. Drei der monatlich erscheinenden Hefte
1 Iris 1. Bd/1. St., Oktober 1774, Vorrede (o.S.).
2 Johann Georg Jacobi (1740 - 1814) studiert ab 1758 Theologie in Göttingen, ab 1761 Jura
und Philologie in Helmstedt, Marburg, Leipzig und Jena, dann Philosophie in Göttingen.
1766 wird er Professor der Philosophie in Halle und lebt ab 1768 als Kanonikus in Halber-
stadt. 1774/75 gibt er in Düsseldorf die Zeitschrift Iris heraus, 1784 wird er Professor der
Schönen Wissenschaften in Freiburg (vgl. Wilpert, Deutsches Dichterlexikon)
3 Heinse (1746 - 1803) studiert in den Jahren 1766/68 Ästhetik in Jena, wo er von Wieland
und Gleim unterstützt wird. Ab März 1773 lebt er ein Jahr in Halberstadt bei Gleim, da-
nach schließt er sich Jacobi, der als sein „Gönner und Freund“ gilt {Keller, Wilhelm Hein-
ses Entwicklung, S. 242) an. Heinse lebt immer wieder über längere Zeit im Haus der Brü-
der Jacobi in Düsseldorf. Die Herausgabe der Iris sieht er als Möglichkeit, sich die finan-
ziellen Mittel für einen längeren Aufenthalt in Italien zu verschaffen (vgl. Dick, Der junge
Heinse, S. 165). Heinse gehört später zu den erfolgreicheren Autoren des Sturm und Drang.
4 U.a. mit Goethe, Wieland, Hamann und Herder. Anders als Johann Georg Jacobi wird der
zweieinhalb Jahre Jüngere zum erfolgreichen Schriftsteller und Philosophen, über den bis
heute zahlreiche Forschungsarbeiten erschienen sind.
140
(„Stücke“) unterschiedlichen Umfangs (zwischen 80 und 112 Seiten) werden
jeweils zu einem Oktavbändchen zusammengefaßt, schmückende Beigaben
wie Kupferstiche oder Musikbeilagen sind nicht enthalten^. Ein Großteil der
Zeitschrift besteht aus literaturtheoretischen Abhandlungen^ zusammen mit
dem Abdruck neuer und vor allem klassischer Literatur^, die durch zahlreiche
Gedichte ergänzt werden. Daneben erscheinen Essays über Mädchenerzie-
hung und eine ,JDamenbibliothek“ mit Lektürehinweisen, die in unregelmäßi-
ger Folge fortgesetzt werden. Mit Sophie von LaRoches ,J^reundschaftlichen
Frauenzimmer-Briefen“ ist darüber hinaus das Genre des Frauenromans in
Briefform, hier mit deutlich erzieherischem Inhalt, vertreten^. Das Profil der
Zeitschrift ist geprägt von der Präsentation und Diskussion von Literatur auf
der Basis des prodesse et delectare, Aufbau und Stil der inhaltlich nicht lite-
rarischen Beiträge bleiben auf einer literarisch-philosophischen Ebene. Die
Lektüre der Iris dient vor allem der ästhetischen Bildung ihrer Leserinnen; sie
setzt .eine schöngeistige Vorbildung voraus, die durch sie weiterentwickelt
werden soll^. Damit zielt Jacobi, in Anlehnung an die Moralischen Wochen-
schriften, auf die Entstehung einer literarischen weiblichen Öffentlichkeit ab,
der dann auf rezeptiver Ebene literarisches Räsonnement offensteht. Obwohl
Jacobi Mitarbeiterinnen aufzuweisen hat^^, allen voran Sophie von LaRoche,
regt er seine Leserinnen nicht zum Dialog oder gar zur Produktivität an. Die
Iris ist zwar die im literarischen Sinne anspruchsvollste Frauenzeitschrift des
ausgehenden 18. Jahrhunderts, mit ihrer Struktur bleibt sie im journalistischen
5 Eine Ausnahme ist die Musikbeilage zu dem Singspiel „Erwin und Elmire“, dessen Inhalt
in der Iris in Textform abgedruckt wird (2. Bd./3. St, März 1775, S. 161 - 224).
6 Z.B. „lieber die Figürliche Schreibart“ (2. Bd./l. St, Januar 1775, S. 5 - 14), „Was ist die
Ode? der Hymnus? die Elegie? das Sinngedicht?“ (2. Bd./3. St, März 1775, S. 225 - 228)
oder „Ossian für's Frauenzimmer“ (3. Bd./3. St., Juni 1775, S. 163 - 192).
7 An eine Biographie des Torquato Tasso in den ersten beiden Stücken der Zeitschrift
schließt sich z.B. ein von Dezember 1774 bis September 1775 fortgesetzter „Auszug aus
dem befreyten Jerusalem des Tasso an“, auch die Übersetzung von Ossians Fingal wird
über mehrere Hefte veröffentlicht.
8 Rosalia schreibt an ihre Freundin Marianne über Pflichten, Vergnügungen, Reiseerlebnisse
u.v.m. {Iris 2. Bd./2. St, Februar 1775, S. 115 - 147; 3. Bd./1. St, April 1775, S. 53 - 71;
3. Bd./2. St., Mai 1775, S. 83 - 113). LaRoches „Freundschaftliche Frauenzimmer-Briefe“
erscheinen in drei Bänden unter dem Titel Rosaliens Briefe an ihre Freundin (1780ff).
9 Ein erklärtes Ziel Jacobis ist es z.B., ,ßmpfindungen der Natur zu wecken, ohne der zur
Mode gewordenen Empfindsamkeit zu schmeicheln" {Iris 1. Bd./l. St, Oktober 1774,
Vorrede, o.S.). Hugo Lachmanski macht die literarisch anspruchsvolle Konzeption der Iris
für ihre kurze Erscheinungsdauer verantwortlich: „Die Iris konnte, ihrer ganzen Tonart und
dichterischen Physiognomie gemäß, in der breiten Masse keinen Resonanzboden finden,
sie durfte vielmehr ihre Erfolgsansprüche nur auf den intimeren Kreis schöner Seelen
gründen [...]“ (Die deutschen Frauenzeitschriften, S. 55).
10 Neben Beiträgen von Gleim oder Goethe erscheinen auch Beiträge von Anna Luise Karsch
oder Caroline Luise von Rudolphi.
141
Sinne jedoch hinter anderen Zeitschriften zurück. Für Offenheit, für den Dia-
log mit den Leserinnen und thematische Universalität bleibt kein Raum.
Die Haltung Johann Georg Jacobis gegenüber seinen Leserinnen ent-
spricht der eines Lehrers gegen seine Schülerinnen, denen ein Zugang zur
Literatur verschafft werden soll. Der von ihm in der Iris vermittelte Bildungs-
begriff umfaßt eine schöngeistige Erziehung, ohne die Belange des täglichen
Lebens oder gar gesellschaftspolitische Entwicklimgen mit einzubeziehen.
Beiträge wie ,JErziehung der Töchter“^ ^ bleiben auf einer eher naturphiloso-
phischen Ebene. Die Iris bietet ihren Leserinnen einen ‘Grundkurs Literatur’,
der mit geschlechtsphilosophischen und pädagogischen Einsprengseln verse-
hen ist. Die Vorstellung von einer angemessenen Mädchenerziehung legt
Heinse in der im Dezemberheft 1774 erscheinenden ,JFrauenzimmer-
Bibliothek“^^ einleitend den Leserinnen dar:
Bey dieser Erziehung würd' ich weniger Bücher nöthig haben; die Hauptabsicht da-
bey wäre, das Geßihl des Lebens in der Natur in dem jungen Herzen zu erwecken.
Dieß kann man nicht ins Herz sich lesen, wenn man es noch nicht darinnen hat; es
wird vielmehr durch das Lesen verdorben und erstickt, wenn es noch nicht zu einer
gewissen Stärke gewachsen ist, statt davon genährt zu werden}^
Die Herausgeber setzen voraus, daß ihre Leserinnen bereits über solche
‘natürliche Herzensbildung’ verfugen (sprich: bereits der gehobenen Bevöl-
kerungsschicht entstammen) die durch die Lektüre der Iris vertieft und er-
gänzt werden soll. Der Erkenntnis, daß „die Gefahren der Lektüre [...] darin
liegen, daß sie nach innen wirkt, dort wahrgenommene Empfindungen be-
stärkt und fi-eisetzt“^^^, entspricht die Literaturvermittlung in der Iris. Da die
zahlreichen Neuerscheinungen, so Heinse, in toto nicht für zarte, verführbare
Damenohren geeignet seien, werde man für die Leserinnen „aw*y den für ge-
fährlich gehaltnen, schwer zu verstehenden, u.s.w. neu herausgekommenen
Büchern einige der vortrefflichsten Stellen abschreiben''^^. Den Leserinnen
wird eine Literaturauswahl präsentiert, die als für sie geeignet angesehen
wird. Selbständige Lektüre wird ihnen ebensowenig zugestanden wie eine
eigenständige Meinungsbildung. Als erstrebenswert für Frauen gelten körper-
liche und geistige ‘Schönheit’; letztere soll mit Hilfe der in der Iris präsentier-
1 1 In Iris 1. Bd/3. St, Dezember 1774, S. 3 - 14; 2. Bd./2. St, Februar 1775, S. 106 - 1 14; 4.
Bd/1. St, Juli 1775, S. 17-45.
12 Iris 1. Bd/3. St, Dezember 1774, S. 53 - 77.
13 A.a.O., S. 63 f. Damit greift Heinse die Argumente der zeitgenössischen Diskussion über
die Gefahren der „Lesesucht“ auf
14 Meise, Die Unschuld und die Schrift, S. 69.
15 „Zur Damenbibliothek“, Iris 4. Bd./2. St., August 1775, S. 150 f Also nicht die von den
Leserinnen intellektuell zu bewältigenden, sondern die ‘ungefährlichen’ Bücher.
142
ten literarischen Beiträge gewonnen werden. Jacobis Fazit: ..Widmen Sie
derselben [der Schönheit], ohne sich ein Gewissen zu machen, die Stunde
welche Sie von häußlichen Geschäfien, weiblichen Arbeiten und Bildung des
Geistes erübrigen; denn Ihr Geschlecht soll gefalleH^^^ ,
Es geht den Herausgebern der Iris also um eine Art zeitloser ästhetischer
Bildung, die Frauen für die Ehe attraktiv machen, ihnen jedoch nicht die
Möglichkeit zu eigener Entwicklung bieten soll. Die Unterordnung der Frau
unter den Mann, die Gegenüberstellung von Schwäche und Stärke wird als
naturgegeben angesehen^ Dementsprechend scheint eine Erziehung zur
Selbständigkeit nicht nötig zu sein. Aus diesem Rahmen fallt allein Jacobis
Rubrik „Politik“, in der er, nach einigen einfuhrenden Bemerkungen, ähnlich
wie später Theophil Friedrich Ehrmann, aktuelle politische Umstände der
europäischen Staaten beschreiben will. Die hier erscheinenden Informationen
bleiben oberflächlich^^; dennoch hört die nur in jedem dritten Heft erschei-
nende Rubrik nach dem vierten Beitrag auf. Jacobi begründet diese Ent-
scheidung damit, daß diesen Beiträgen eine allgemeine politische Bedeutung
zuerkannt wird, die nicht in seiner Absicht gelegen habe:
Als ich den Leserinnen der Iris mit iedem Band einen politischen Artikel versprach,
da hofft' ich, die wenigen demselben gewidmeten Blätter würden ruhig unter den
Augen der Schönen herumgehen, zu unbedeutend, um von Staatsklugen Männern
besichtiget zu werden, oder an irgend einem Hofe den kleinsten Verdacht zu erwek-
ken. [...] Meine Leserinnen werden es mir also verzeihen, wenn ich, in iener Hoff-
nung betrogen, den politischen Artikel für den nechstfolgenden Jahrgang der Iris
aufkündige. ^ ^
Die Erkenntnis, daß eine auch politisch motivierte weibliche Öffentlichkeit
entstehen könnte, wird also von der bürgerlichen Öffentlichkeit erkannt und
als Problem angesehen. Eine erste Konsequenz ist die Beschneidung jeglicher
dies fordernder Ansätze. Die Iris bleibt damit im literarisch-belehrenden
Rahmen; andere Interessens- und Wissensgebiete sind für Frauen nach Auf-
fassung der Herausgeber nicht von Bedeutung.
16 „Von der Reinlichkeit“, Iris 4. Bd./2. St., August 1775, S. 134.
17 Jacobi leitet sie in „Erziehung der Töchter“ aus der Urzeit her: ,JJer Mann in der Wildniß
übt seine Stärke; das Weib gebraucht seine Schönheit, nämlich um einen geeigneten Ver-
sorger zu finden (Jris 1. Bd./3. St., Dezember 1774, S. 5).
18 Er bietet einen kleinen Überblick, der den Rubriken „Vermischtes“ in heutigen Zeitungen
ähnelt, geht jedoch nicht näher auf größere politische Ereignisse ein (vgl. auch Böhmel-
Fichera, Das Frauenz/w/wer und die Mannsperson, S. 136 f).
19 Iris 4. Bd., 3. St., September 1775, S. 269 f
143
6.2. LaRoches Pomona (1783 - 1784):
Die mütterliche Ratgeberin
Das Magazin für Frauenzimmer und das Jahrbuch der Denkwürdigkeiten für das
schöne Geschlecht — zeigen meinen Leserinnen, was teutsche Männer uns nützlich
und gefällig achten. Pomona — wird Ihnen sagen, was ich als Frau dafür halte —
Unter den erfolgreicheren Frauenjoumalen hat neben Marianne Ehrmanns
Zeitschriften nur die Pomona mit Sophie von LaRoche eine Frau als verant-
wortliche Redakteurin und Herausgeberin vorzuweisen. LaRoches Journal
entsteht zu einer Zeit, zu der die Herausgeberin schon seit längerem Popula-
rität genießt. Als LaRoche mit der Herausgabe beginnt, liegt „die glanzvollste
Epoche ihres Lebens bereits hinter ihr“^^. Sie hat mit ihrem Briefroman Die
Geschichte des Fräuleins von Sternheim zwölf Jahre zuvor einen großen Er-
folg verbucht, der ihr ein wohlwollendes und interessiertes Publikum sichert.
Als Inbegriff der empfindsamen Kultur ist sie mit den meisten literarischen
Größen ihrer Zeit bekannt oder befreundet (u.a. Goethe, Schiller, Lavater und
Wieland). Seit dem Sturz ihres Mannes im Jahr 1780^^ lebt die Familie in
Speyer. LaRoche sieht sich gezwungen, durch ihre schriftstellerischen Arbei-
ten zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Aus ihrer Bekanntschaft
mit dem Rektor des Gymnasiums, Johann Georg Hutten, entwickelt sich der
Plan, eine Frauenzeitschrift herauszugeben. Hutten übernimmt den geschäftli-
chen Teil, so daß LaRoche sich auf literarische und redaktionelle Fragen kon-
zentrieren kann. Die Zeitschrift wird beim in Speyer ansässigen Buchdrucker
Johann Paul Enderes hergestellt und erscheint im Selbstverlag. Sophie von
LaRoche entschließt sich also, ähnlich wie Marianne Ehrmann, aus finanziel-
len Gründen zur Zeitschriftenherausgabe, verfügt dabei jedoch über ein Um-
feld und einen Hintergrund, die ihr den Einstieg in diese Tätigkeit erleichtern.
Auch LaRoche versucht, über prominente Bekannte Subskribenten zu wer-
ben^^. Ihr kommt dabei die Tatsache zur Hilfe, daß man sie bereits kennt und
ihr z.T. freundschaftlich verbunden ist^^. Dazu kommt mit Hutten ein versier-
20 Pomona 1/1783, 1. Bd, H. 1, S. 3 („An die Leserinnen der Pomona“).
21 Vorwort von Jürgen Vorderstemann zum Nachdruck der Pomona, Bd, 1, S. XV f.
22 Georg Michael Frank von LaRoche, früher Geheimer Konferenzrat des Kurfürsten zu Trier,
zieht sich nach seinem Sturz aus dem Berufsleben zurück. So haben Sophie von LaRoche
und Marianne Ehrmann die finanzielle Unterstützung ihrer Familien gemeinsam.
23 U.a. ebenfalls über Lavater, an den sie am 27.10.1782 schreibt: „Wollen Sie beitragen, daß
ich Leserinnen bekomme?'' (Ich bin mehr Herz als Kopf, S. 245).
24 Wie Jürgen Vorderstemann feststellt, hat die Pomona wegen der Persönlichkeit ihrer Her-
ausgeberin das Glück, „schon sehr bald aus höchsten Kreisen ‘besonders großmüthige
Aufmunterung’ zu erfahren“ (Vorwort, a.a.O., S. XXIV). Neben der Zarin Katharina II.
nennt Vorderstemann hier die Königin von England und die Fürstin Luise von Anhalt-
Dessau. Außerdem entwickelt sich über die Herausgabe der Pomona ein freundschaftlicher
144
ter geschäftlicher Berater^^ und mit Enderes ein am Ort befindlicher Drucker.
Um die Michaelismesse 1783 schließt sich Sophie von LaRoche mit der Po-
mona der Dessauer Buchhandlung der Gelehrten an, einer „Selbstverlags-
Unternehmung genossenschaftlicher Form“^^. Der Erfolg der Pomona dürfte
dem der Blätter Marianne Ehrmanns in etwa gleichkommen, wobei von einem
im gesellschaftlichen Status unterschiedlichen Publikum ausgegangen werden
muß. Das Subskriptionsverzeichnis fuhrt 709 Namen au^^, darunter zahlrei-
che Adelige und Angehörige der höheren Gesellschaftsschichten. Zu der
Auflagenhöhe gibt es keine genauen Zahlen; Vorderstemann nimmt eine ge-
druckte Auflage von etwa 1500 Exemplaren an^^, wovon jedoch nicht alle
auch abgesetzt werden. Auch von der Pomona erscheint, ohne Beigaben wie
Kupferstiche oder Musikbeilagen, monatlich je ein Heft mit einem Umfang
von ca. 100 Seiten^^, die vor allem mit Beiträgen der Herausgeberin gefüllt
sind. An Fremdbeiträgen nimmt LaRoche kleinere Beiträge, vor allem Ge-
dichte und Erzählungen, männlicher und zahlreicher weiblicher Mitarbeiter^^
auf Trotz ihrer weitreichenden literarischen Kontakte erscheinen keine Bei-
träge zeitgenössischer Größen^ LaRoche gibt zwei Jahrgänge ihrer Zeit-
schrift heraus; die Beendigung des Journals hängt auch bei ihr mit der dau-
ernden Überlastung, die ein solches Unternehmen mit sich bringt, zusammen.
Bereits am 2.8.1783 schreibt sie darüber an die Fürstin Elise zu Solms-Lau-
bach: ^JDas Tagwerk meiner Pomona fängt an, etwas mühsamer zu werden,
weil der Vorrat zufälliger Gedanken nicht mehr so reich isf‘^^. LaRoche muß
sich vor keinem Verleger für ihre Zeitschrift verantworten, und so bleibt ihr
neben kommerziellen Erwägungen zunächst genug Freiheit, ihr Zeitschriften-
Kontakt zur Fürstin Elise zu Solms-Laubach. Marianne Ehrmanns Kontakt zu Franziska
von Hohenheim nimmt sich dagegen bescheiden aus.
25 Hutten nimmt im wesentlichen die Rolle des Vertriebs gegenüber den Kollektionären ein,
also die Position, die bei Marianne Ehrmann das Stuttgarter Postamt innehat. Darüber hin-
aus läuft der Absatz über Buchhandlungen, Lesegesellschaften und Poststationen (vgl.
Vorderstemann, a.a.O., S. XXVI ff).
26 Vorderstemann, a.a.O., S. XXIX. Das Unternehmen geht später in die Verlagsbuchhand-
lung von Georg Joachim Göschen über. Die finanziellen Praktiken bleiben jedoch nicht
ganz korrekt; Vorderstemann spricht von „betrügerischen Unregelmäßigkeiten und Aus-
zahlungen nur in uneinlösbaren Aktien“ (ibid., S. XXX).
27 Pomona 1/1783, Bd. 2, Anhang. Darunter sind auch die Orellsche Buchhandlung in Zü-
rich, Judith Gessner, Heidegger, Lavater und Zahn.
28 Vorwort, a.a.O., S. XXXm.
29 Hier sind die Hefte eines Jahrgangs durchgehend numeriert; anders als bei den anderen
Zeitschriften bilden nicht drei Monate (= ein Bändchen) eine Einheit, sondern jeweils ein
ganzer Jahrgang.
30 U.a. Sophie Albrecht, Phillippine Engelhard, Juliane von Mudersbach oder Luise von
Göchhausen, bei den Herren z.B. Pfeffel und Jacobi.
31 Vorderstemann führt das u.a. auf die Honorarfrage zurück (Vorwort, a.a.O., S. XXXII).
32 Zit. nach: Ich bin mehr Herz als Kopf, S. 255.
145
konzept selbst zu bestimmen. Sie bietet ihren Leserinnen Unterhaltung und
Belehnmg in abwechslungsreichem Inhalt. Es wechseln Briefe, Dialoge, Er-
zählungen, moralisierende Beiträge, Gedichte, Übersetzungen u.a. Dabei
stehen die Beiträge nicht in einer festen Reihenfolge, in manchen Heften
jedoch unter einem bestimmten Thema^^. Als feste Rubriken erscheinen die
,ßriefe an Lina“, die sich mit der Frage der Mädchenerziehung beschäftigen,
sowie „Briefe und Antworten“, in denen LaRoche auf Fragen ihrer Leserinnen
eingeht. In ihrer Eigenschaft als mütterliche Ratgeberin^^ ihrer Leserinnen ist
die Herausgeberin sehr auf einen engen Kontakt zu ihrem Publikum bedacht.
Sie fordert ihre Leserinnen auf, sich ihr erkennen zu geben^^, und immer
wieder werden Briefwechsel abgedruckt. Damit besitzt die Pomona eine
ausgeprägtere Dialogstruktur als andere, von Männern herausgegebene Frau-
en] oumale.
Inhaltlich orientieren sich die Beiträge der Pomona an konservativen
Frauenthemen. Gelehrsamkeit, so LaRoche, .sollten Sie nicht darinn finden,
einmal, weil ich selbst keine besitze, und auch deswegen, weil sie oft der Güte
des Herzens, und dem, was man guten Humor nennt, einen ungleichen Gang
giebt, [...]^^. im alltäglichen weiblichen Leben des Großbürgertums verhaftet,
verzeichnet LaRoches Pomona eine pädagogisch-moralische Grundhaltung.
Im Mittelpunkt des Blattes und repräsentativ für seine inhaltliche Ausrichtung
stehen die in jedem Heft enthaltenen „Briefe an Lina“^^, denen, wenn man
der Herausgeberin Glauben schenkt, die Zeitschrift ihre - von außen veranlaß-
te - Entstehung verdankt^^. LaRoche hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Leserin-
nen die ‘weibliche Bestimmung’ nahezubringen. In den ,JBriefen an Lina“
33 So Z.B. die Hefte 2, 4, 6 und 8 des ersten Jahrgangs, die jeweils ein europäisches Land
(Frankreich, England, Italien, Deutschland) zum Thema haben, das im Anfangsbeitrag des
jeweiligen Heftes vorgestellt wird („lieber besonders im Hinblick auf die dort leben-
den Frauen. Andere Beiträge dieser Hefte haben dann einen mehr oder weniger deutlichen
Bezug zu dem Jeweiligen Land, so erscheint in dem England-Heft u.a. die Tagesordnung
des englischen Regentenpaares, im Italien-Heft Briefe aus Neapel. Die literarischen Beiträ-
ge sind jeweils Übersetzungen aus der nationalen Literatur.
34 Auf diese Position, die auch im Titel enthalten ist, weist sie schon in ihrer Vorrede „Veran-
lassung dieser periodischen Schrift“ (1/1783, 1. Bd., H. 1, S. 5 - 15) hin: So wie die Pomo-
na die Göttin des Herbstes sei, so befände sie selbst sich im Herbst ihres Lebens (ibid., S.
14f . LaRoche spielt im Text auf ihr Alter an und bezeichnet sich als ,^chwache mütterli-
che Freundin'' (ibid., S. 9).
35 Z.B. in „An meine Leserinnen“, Pomona 1/1783, 1. Bd., H. 3, S. 317 - 319.
36 „Veranlassung dieser periodischen Schrift“, a.a.O., S. 13.
37 Nur die Hefte 7 und 9 des ersten Jahrgangs enthalten diese Rubrik nicht (in H. 9 des zwei-
ten Jahrgangs erscheint statt der „Briefe an Lina“ ein Auszug „Aus dem Tagebuch meiner
Schweizerreise. An Lina.“ S. 824 - 851).
38 In ihrem Artikel „Veranlassung dieser periodischen Schrift“ berichtet LaRoche, eine
"junge Freundin" habe die „Briefe an Lina“ gelesen und sie aufgefordert, sie zum Kern-
stück einer Monatszeitschrift zu machen (a.a.O., S. 13 f)-
146
erläutert sie einer jungen Freundin, die stellvertretend für alle jungen Frauen
angesprochen wird, weibliche Lebenszusammenhänge und Erziehungsgrund-
sätze. Dabei werden gesellschaftliche Gegebenheiten kaum hinterjSragt; LaRo-
ches Erziehungsziel ist vielmehr
die Zufriedenheit, das Sich-Abfinden mit den Gegebenheiten und das Sich-Einfügen in das
Bestehende, sowohl in den gesellschaftlichen Stand als auch in die Aufgaben der Frau. [...]
Konflikte zwischen Individuum und Struktur sind nicht vorgesehen; vielmehr wird alles ge-
tan, um mögliche Reibungsflächen abzuschleifen und Schwierigkeiten nach Möglichkeit zu
entschärfen, bevor es zum Konflikt kommt. Die Erziehung ist auf Einfügung in das Vor-
gegebene gerichtet.
Zwar betont LaRoche immer wieder die andere Sichtweise, aus der sie als
Frau schreibe"^^ und kritisiert z.T. auch die von Männern vermittelten Kennt-
nisse^^ gleichzeitig bietet jedoch die Pomona ihren Leserinnen kaum einen
über die gesellschaftlich sanktionierten Interessensbereiche hinausreichenden
Horizont. LaRoche unterstützt ihre Leserinnen mit Ratschlägen bei der Erfül-
lung ihrer weiblichen Aufgaben, bleibt aber in ,JFragen, die über die weibli-
che Kompetenz hinausgehend empfunden werden könnten“^^, vorsichtig.
Dennoch bietet die Pomona, gerade wegen ihrer Nähe zum weiblichen Alltag,
ihren Leserinnen mehr Anknüpfungspunkte als etwa die Iris. Sie ist auch
offener für ihr Publikum: Durch die Rubrik „Briefe und Antworten“ erhält die
Zeitschrift eine soziale Kompetenz, aus der heraus sie aktive Meinungsbil-
dung betreiben kann.
Im Ganzen präsentiert LaRoches Pomona ihren Leserinnen ein anderes
Frauenbild als die meisten von Männern herausgegebenen Zeitschriften. Da-
durch, daß der Großteil der in der Pomona veröffentlichten Beiträge von ihr
oder ihren Mitarbeiterinnen stammt, wird den Leserinnen - ähnlich wie bei
Marianne Ehrmanns Zeitschriften - eine gute Möglichkeit zur Identifikation
geboten. Während LaRoche in ihren erzieherischen Beiträgen wie den „Brie-
fen an Lina“ eine gesellschaftskonforme Linie verfolgt, die die Bildung der
Frau auf die Bedürfiiisse des Mannes festschreibt^^, stellt sie ihren Leserinnen
39 Ich bin mehr Herz als Kopf, Einleitung von Michael Maurer, S. 26.
40 Unter dieser Maxime stellt sie ihre Zeitschrift ja schon vor - die Pomona soll ihren Leserin-
nen sagen, was LaRoche im Gegensatz zu männlichen Herausgebern „dds nützlich und ge-
fällig'' erachtet (1/1 783, 1. H., S. 3).
41 So schreibt sie in ihrem Beitrag „Ueber Frankreich“, sie habe „an unsern Männern immer
zu klagen, daß sie uns das wahre Nützliche, welches sie sammelten, nicht mitteilten, son-
dern unsere Aufmerksamkeit bey dem Erzählen, was sie auf ihren Reisen sahen, nur auf
den Puz in Kleidung - auf Belustigung - den Geschmack im Hausgeräthe und Speisen
lenkten, [...Y {Pomona 1/1783, 1. Bd., H. 2, S. 133).
42 Böhmel-Fichera, Das YxmQr\zimmer und die Mannsperson, S. 139.
43 Vgl. die Einleitung Maurers zu Ich bin mehr Herz als Kopf „Bildung soll nie Selbstzweck
sein, sondern Bildung auf den Mann hin. Die Frau, Schwester oder Tochter eines Gelehrten
147
in den einzelnen europäischen Ländern gewidmeten Artikeln^^ die jeweils
herausragenden Frauen wie auch deren Wertschätzung in diesen Ländern vor.
LaRoche schafft damit Vorbilder weiblicher Lebensgestaltung, die wesentlich
über die aimable ignorante hinausgehen^^. Außerdem läßt sie erkennen, daß
sie mit dem Frauen zugestandenen geistigen Horizont nicht zufrieden ist:
kls Tochter eines Gelehrten, hörte ich von Jugend auf von dem Werth der Wissen-
schaften, und von der Ehre sprechen, welche man durch sie erlangen könne. Da-
durch wurde in mir die uns allen natürliche Begierde nach Vorzug in den edlen
Ehrgeiz verwandelt, mich in Kenntnissen hervor zu thun: aber Umstände verhinder-
ten die Erfüllung meines Wunsches, daß ich als Knabe erzogen werden möchte, um
ordentlich gelehrt zu werden.^^
Dies bedeutet fiir die publizistische Aussage der Zeitschrift, daß den Leserin-
nen zwar die Beibehaltung und Vervollkommnung ihrer auf den Mann ausge-
richteten Lebensweise angeraten wird, sie gleichzeitig aber unterschwellig auf
die Entwicklungsmöglichkeiten hingewiesen werden, die man dem
‘schwachen Geschlecht’ vorenthält. Eine Erziehung, die ohne Einschränkung
‘ordentlich lehrt’, bleibt den männlichen Zeitgenossen Vorbehalten. Eine kon-
servative Grundhaltung der Pomona geht damit einher mit dem Bewußtsein
eines geistigen Potentials bei Frauen. Indem LaRoche sämtliche über den pri-
vaten Lebensbereich hinausgehenden Fragen ausklammert - Politik z.B. ist in
der Pomona ein Tabuthema - schränkt sie dieses Potential jedoch im Sinne
der Gesellschaft auf den familiären Bereich ein^^. Dabei scheint es, als wür-
den die Leserinnen zuweilen mehr von LaRoche erwarten als die Einschrän-
kung auf die Ideale Sanftmut, Anpassung und Häuslichkeit. So beklagt sich
eine Leserin über LaRoches Beschreibung ihres Wohnzimmers^^, von der sie
sich vorrangig die Auflistung der dort befindlichen Literatur erwartet habe, da
sie meine weil ich andre lehren wolle, müßte ich wohl selbst etwas
gelernt haben, dazu hätte ich Bücher gebraucht, und diese möchte sie ken-
nen: Diesem Wunsch der Leserin kommt LaRoche nur scheinbar nach.
braucht wenigstens soviel Verstand und Kenntnisse, daß sie in der Lage ist, die Vorzüge
der Männer zu schätzen, ihrem Gespräch zu folgen und ihnen ein mitdenkendes und mit-
fühlendes Gegenüber zu sein.“ (a.a.O., S. 27).
44 Frankreich (1/1783, H. 2, S. 131 - 163), England (1/1783, H. 4, S. 323 - 375), Italien
(1/1783, H. 6, S. 516 - 547) und Deutschland (1/1783, H. 8, S. 725 - 764).
45 In ihrem Artikel über Frankreich schreibt sie unter anderem, „dc^ß unser Geschlecht in
Frankreich eben so bemüht war, seinen Verstand mit Kenntnissen zu zieren, als sie sich
tausendfacher Erfindungen ihres Kopfputzes rühmen können.'' {Pomona, a.a.O., S. 158).
46 „lieber meine Bücher“ {Pomona 1/1783, H. 5, S. 421). Hervorhebungen im Original.
47 Wie Edith Krull feststellt, nimmt sie damit eine „in prinzipiellen Fragen unentschlossene
Haltung“ ein (Wirken der Frau, S. 227).
48 Pomona 1/1783, 1. Bd., H. 3, S. 227 - 249.
49 Pomona 1/1783, 1. Bd., H. 5, S. 419.
148
In dem damit begründeten Beitrag „Ueber meine Bücher“^^ veröffentlicht sie
einen allgemeinen Überblick zu Fragen der Bildung imd Erziehung, ohne be-
stimmte Titel zu nennen. Die für Frauen als Tabus geltenden Themenbereiche
(Medizin, Jura, Politik usw.) erwähnt sie nicht, und auch im Hinblick auf
‘erlaubte’ Lektüre vertritt sie eine rein rezeptive Haltung. Sie habe
[...] so viel ich konnte, die Kenntnis von dem Werth und Nutzen alles dessen, was
Männer wissen, in meine Seele gesammelt, und daneben so viel möglich alles ge-
lernt, was ich nach Bestimmung der Natur und den vaterländischen Gesetzen als
Frauenzimmer wissen sollte, - überzeugt, daß meinem Geschlecht das moralische
Gebiet der schönen wohlthätigen Empfindungen, und den Männern dieß von starken
Gedanken und großen Thaten angewiesen seye.^
Damit verweigert sich LaRoche nicht nur dem Wunsch ihrer Leserin, einen
Einblick in die von ihr gelesene Literatur zu geben, sondern daneben auch der
Möglichkeit, an dieser Stelle zu eigenständiger weiblicher Meinungsbildung
anzuregen. Sie, die ihren Leserinnen an Alter und Erfahrung überlegen ist,
geht so mit einem männlichen Weltbild konform, das eine räsonierende weib-
liche Öffentlichkeit nicht akzeptiert.
Die Pomona ist stärker als andere Zeitschriften ihrem Publikum verbun-
den, was ihr ein großes Maß an Aktualität und Öffentlichkeit sichert. Ande-
rerseits bleibt LaRoche die mütterliche Freundin, die eine erzieherische
Grundhaltung verfolgt und deren Lebenserfahrung sie in die Lage setzt, kom-
petente Ratschläge zur weiblichen Lebensgestaltung zu geben. Ihr publizisti-
scher Anspruch besteht darin, zu einem weiblichen Gedankenaustausch beizu-
tragen, der innerhalb geschlechtsspezifischer Grenzen bleibt und von ihr als
‘Leitfigur’ in angemessene Bahnen gelenkt wird.
6.3. Cottas Flora (1793 - 1794 [ - 1803]):
Die unterhaltende Variante
Je gewisser es ist, daß ausser dem Beispiel edler Menschen eines der besten Mittel
zur Vervollkommnung des Geistes und Herzens das Lesen guter Schriften ist, desto
grösser muß der Wunsch nach solchen Büchern seyn, [...]. Da hiebei der angenehm-
ste Weg auch derjenige ist, der am sichersten zum Ziel führt, so werden sich die
Mitarbeiter bemühen, ihre Aufsäzze so unterhaltend als möglich zu machen. Jede
Art von Einkleidung, wodurch dieser Zwek erreicht werden kann, findet daher eine
Aufnahme in dieser periodischen Schrift,
50 Pomona, a.a.O., S. 419 - 432.
51 Ibid, S. 426.
52 Verlagsanzeige für die Flora in AE 3/1792, 4. Bd., H. 12, Umschlagseite.
149
Als Fortsetzung von Amaliens Erholungsstunden propagiert, verfügt die Flo-
ra bereits über einen Kundinnenstamm. Herausgabe und Redaktion liegen in
der Hand der Cottaischen Verlagsbuchhandlung, wo Christian Jakob Zahn
diese Aufgabe überninimt. Wie bereits der Untertitel verdeutlicht^^, kann die
Zeitschrift und ihr Konzept nicht an einer bestimmten Person und deren Zie-
len festgemacht werden. Bei der Flora handelt es sich um ein kommerziali-
sierteres Unternehmen als bei den von Jacobi, LaRoche oder Ehrmann her-
ausgegebenen Zeitschriften. Das um Zahn versammelte Autorenkollektiv steht
in den Diensten der Cottaischen Verlagsbuchhandlung, was zu völlig anderen
Voraussetzungen als bei einem von einer Einzelperson herausgegebenen
Journal führt. Im rein geschäftlichen Sinne sind damit die professionellsten
Bedingungen füi* eine Zeitschriftenherausgabe geschaffen: Ein Verlag, dessen
Aufgabe es ist, Literatur gewinnbringend zu produzieren und zu vertreiben,
verfügt über erprobte Werbe-, Finanzierungs- und Absatzmethoden. Die Ko-
ordination von Redaktion, Herstellung und Vertrieb kann im Hause erfolgen
und muß nicht eventuell entgegenlaufenden Interessen angeglichen werden.
Der Verlag verfügt außerdem über ein weiteres Netz geschäftlicher Kontakte
zu Autoren, Verlagen, Druckern u.ä. als eine Einzelperson. Sie ermöglichen
ihm, Beiträge von Autoren zu erhalten, die an einer Herausgabe ihrer Werke
in diesem Verlag interessiert sind. Beispielhaft hierfür kann die Beziehung
der Cottaischen Verlagsbuchhandlung zu Gottlieb Konrad Pfeffel gelten, der
ab April 1792 Beiträge Amaliens Erholungsstunden und dann für
die Flora liefert. Pfeffel, den ursprünglich Marianne Ehrmann zu Amaliens
Erholungsstunden geholt hat, wird vom Verlag im Verlauf des Streites mit
der Herausgeberin aufgefordert, an der Fortsetzung der Zeitschrift stärker
mitzuwirken^"^. Er versucht zunächst, da er spätestens ab Juli 1792 auch ande-
re Werke bei Cotta in Planung hat^^, sowohl Cotta als auch Marianne Ehr-
53 Flora. Teutschlands Töchtern geweiht von Freunden und Freundinnen des schönen Ge-
schlechts. (Hervorhebung von mir, BAK). Obgleich wohl als Ausdruck der Verbundenheit
gemeint, nimmt dieser Untertitel den Leserinnen ein Identifikationspotential: die Autoren
gehören nicht mehr zu ihnen, sondern stehen als „Freunde und Freundinnen“ neben einem
entpersonalisierten „schönen Geschlecht“. Dementsprechend berichten sie auch nicht mehr
aus der selben Erfahrungswelt wie ihre Leserinnen, sondern schreiben sowohl für als auch
vor allem über diese, was einem Meinungsaustausch auf egalitärer Basis im Wege steht.
54 Pfeffel versucht zunächst, dieses Angebot abzulehnen. Er schreibt: ,ßin Brief von Madame
Ehrmann veranlaßte mich zur Einsendung meiner ersten Beyträge; mehr als ein paar Fa-
beln hätte ich ihr jährlich nie liefern können.'' (Pfeffel an die Cottaische Verlagsbuchhand-
lung, Brief vom 31.8.1792) und fügt im nächsten Brief hinzu: ,f)a ich seit kurzem Interes-
sent an einem literarischen Journal geworden bin so werde ich Ihnen wenig Beyträge für
Ihr Damenblatt liefern können, aber darum nicht aufhören zu wünschen mit Ihnen in Ver-
hältniß zu bleiben. " (Brief vom 24. 9. 1 792).
55 Am 13.7.1792 fragt Pfeffel an, „ob Ihnen der Verlag einer Übersetzung eines guten fran-
zösischen Buchs anständig wäre", und mit seinem Brief vom 26.7. 1792 beginnt bereits die
150
mann gerecht zu werden und sich aus den Streitigkeiten herauszuhalten^^. Da
die Cottaische Verlagsbuchhandlung auch für Pfeffel eine ergiebige Ge-
schäftsadresse ist^^, erklärt er sich am 26.12.1793 bereit, zwei Druckbogen
monatlich fiir die Flora zu liefern. Die Cottaische Verlagsbuchhandlimg ist
nun bemüht, den beliebten ‘Damendichter’ zu verpflichten. Bereits in einem
Schreiben vom 16.1.1793 sieht sich Pfeffel genötigt, sich wegen seines im
ersten Heft der Einsiedlerinn aus den Alpen enthaltenen Beitrags^^ zu ent-
schuldigen:
Außer der Fabel die Fetischschlange hat Mad. Ehrman nichts von mir und ich ge-
stehe gerne daß ichs der Delicatesse nicht zuwider halte [...], die Mad. Ehrman
nicht gänzlich zu vergessen. Machen Sie aber Geehrteste Herren mir demungeach-
tet diese Bedingung so werde ich sie von diesem Jahre an [...] eingehen, ohne die
Vollmacht, deren ich gewiß nicht misbraucht hätte, der M. Ehrmann jährlich 2 oder
3 Stücke zu schreiben, ßir eine Ausnahme zu halten, die meiner Verbindung mit Ih-
nen zmvider gewesen wäre.
Da der Verlag Pfeffel vorwirft, mit seinen Beiträgen zur Einsiedlerinn aus
den Alpen der Flora zu schaden und sämtliche anderen Projekte von dieser
Frage abhängig macht, erklärt er sich schließlich bereit, Marianne Ehrmann
keine Beiträge mehr zu liefern. Die Cottaische Verlagsbuchhandlung hat sich
über ihre Funktion als Verlag auch anderer Werke einen ihr verbundenen
Mitarbeiter gesichert.
Rein formal bleibt die Flora ähnlich konzipiert wie Amaliens Erholungs-
stunden. Sie präsentiert sich abwechslungsreich mit Titelkupfem, Musikbei-
lagen, Romanen, Anekdoten, Briefen, Essays und Gedichten. Als feste Rubrik
kommen die ,JModeneuigkeiten“ hinzu, dafür fallen die Bücheranzeigen
weg^^. Um die Leserinnen zu halten, erscheinen ausgesprochen zahlreiche
diesbezügliche Planung (beide Briefe wie auch die folgenden zitierten von Pfeffel an die
Cottaische Verlagsbuchhandlung als unveröffentlichte Manuskripte im Besitz des Schiller-
Nationalmuseums / Deutsches Literaturarchiv, Cotta- Archiv).
56 Am 1 9. 1 1 . 1 792 schreibt er an den Verlag: ,JvIadam Ehrmann meldet mir in einem ganz lei-
denschaftlichen Briefe daß Sie, Geehrteste Herren, in dem Novemberstück der Erho-
lungsstunden sich auf mich berufen. Da ich dieses Stück nie erhalten habe so weiß ich
nicht was ich von dieser Berufung denken soll und wünschte daher es mit den übrigen
Stücken zu empfangen. Ihre Fehde geht mich in keiner Betrachtung etwas an, deswegen
bitte ich auch mich auf keine Weiße darin zu verflechten.''
57 Er möchte dort nicht nur seine Werke verlegt sehen, sondern fragt z.B. am 11.1.1 793 auch
an, ob die Tübinger Handlung bereit wäre, die Distribution einer bei seinem Baseler Verle-
ger erscheinenden Zeitschrift zu übernehmen.
58 „Das Krokodil und die Fetischschlange“, EaA 1/1793, 1. Bd., H. 1, S. 96.
59 Die „Modeneuigkeiten“, nun ernsthaft betrieben, erscheinen im ersten Jahrgang in jedem
Heft; im zweiten Jahrgang sind sie nicht mehr enthalten. Die Rubrik „Kurze Bücheranzei-
gen“ aus Amaliens Erholungsstunden wird nur im Januarheft des ersten Jahrgangs über-
151
Fortsetzungsbeiträge, meist Romane, die anstelle fester Rubriken Periodizität
und Kontinuität garantieren. Geschlechterphilosophische Artikel bleiben
ebenso zurück wie politische, populärwissenschaftliche oder im weiteren
Sinne bildende Beiträge. Auch der offenkundige Dialog mit dem Publikum
geht im Vergleich zu Amaliens Erholungsstunden massiv zurück; Zuschriften
werden nicht veröffentlicht und kaum erwähnt. Die Flora determiniert mit
ihrer Konzeption die Weiterentwicklung einer weiblichen Öffentlichkeit:
Dialogstruktur, Information und Räsonnement stehen hinter unterhaltenden
Elementen zurück. Dies wird schon in der Vorrede zum Januarheft 1793
deutlich, für deren Vorhandensein sich der Herausgeber entschuldigt: Vorre-
den seien ein langweiliges, aber notwendiges Übel^^.
Die Vielzahl der Autorinnen und Autoren impliziert dabei das Vorhan-
densein einer öffentlichen Meinung, die die Flora präsentiere. Die Verfasser
zeichnen kaum je mit Namen^^, sondern vielmehr mit kaum zu entschlüsseln-
den Kürzeln wie Lps., YZ, N., XZ oder ähnlichen. Obwohl diese Zeitschrift
zumindest in der älteren Forschung als hervorzuhebendes Exemplar des Gen-
res Frauenjoumal gilt^^, ist sie in emanzipatorischer wie auch journalistischer
Hinsicht als Rückschritt anzusehen. Gesellschaftskritische Themen werden
ausgegrenzt, die Beiträge haben einen konservativ-erbaulichen Ton. Das
vermittelte Weltbild ist männlich geprägt, Frauen nehmen darin einen unter-
geordneten Platz (aimable ignorante) ein. Ihre Aufgabe besteht neben der
Erfüllung häuslicher und mütterlicher Pflichten darin, ihrem Mann zu ge-
fallen. Zuweilen sind deutlich fi*auenfeindliche Ansätze erkennbar; so in den
mit Kommentaren versehenen „Altdeutschen Sprüchen über den Ehestand“,
einer Sammlung von Männersprüchen über Frauen:
Wer ein Weib nimmt, zeucht Unglükshosen an.
[Kommentar]: Zuweilen, doch selten, Glükshosen. Unter 99 Ehelotterielosen sind
kaum 9 Tr eff er
Daß dieses Konzept nicht immer auf Zustimmung stößt, darauf läßt der im
Märzheft 1793 erscheinende Beitrag „Geist über Schönheit“ schließen. Er be-
nommen, andere Rubriken wie die „Uebersicht über die neuesten Weltbegebenheiten“ sind
schon in Amaliens Erholungsstunden eingestellt worden.
60 Vgl. Flora 1/1793, 1. Bd., H. 1, S. 9.
61 Eine Ausnahme sind die Gedichte, bei denen teilweise volle Namen genannt sind (z.B.
Pfeffel, Fr. Schiller oder Wilhelmine Maisch).
62 So schreibt z.B. Joachim Kirchner, erwähnenswert sei bei den Frauenzeitschriften neben
Schütz’ Akademie der Grazien und Jacobis Iris nur die Flora, die „besser als manche ande-
re gewesen“ sei und „geistig kultivierte Leserinnen vorausgesetzt“ habe (Das deutsche
Zeitschriftenwesen, S. 266).
63 Flora 1/1793, 3. Bd., H. 9, S. 283.
152
zieht sich auf den noch in Amaliens Erholungsstunden veröffentlichten Bei-
trag „Schönheit über Geist“^"^, der offenbar zu negativen Reaktionen seitens
der Leserinnenschaft geführt hat. Das hier gezogene Fazit wirkt wie der miß-
glückte Versuch, einen Kompromiß zwischen den Ansprüchen der Leserinnen
und den Intentionen der Herausgeber zu finden:
Also lernen wir, daß ein nur schönes Mädchen wenig, ein geistiges ohne Schönheit
erträglich ohnehin, ja liebenswürdig, aber ein schönes und geistiges Frauenzimmer
das vollkommenste Geschöpf ist, der Stolz und die Beschämung ihres Geschlechts,
der Stolz und das Glüh ihrer Eltern, ihres Gatten!^^
Der angemessenen geistigen ‘Schönheit’ wird in der Flora mit leichter lite-
rarischer Kost entsprochen. Der publizistische Anspruch dieses Journals be-
steht darin, die Leserinnen zu unterhalten, ohne sie nachdenklich zu stimmen.
Dementsprechend kann eine publizistische Aussage festgestellt werden, die
die Frau wieder deutlich auf eine passive, rezeptive Haltung verweist.
Die Konzeption der Flora als Frauenzeitschrift ohne gesellschaftspoliti-
sche Bezüge erhält besondere Bedeutung angesichts der Tatsache, daß sie zu
einer Zeit erscheint, als im Zuge der Französischen Revolution ein zuneh-
mendes Interesse an politischer Publizistik entstanden ist. Der weibliche Teil
der Bevölkerung aber soll offensichtlich von dieser Entwicklimg ausgeschlos-
sen bleiben. Für die Flora gilt, was Irene Jentsch ganz allgemein im Hinblick
auf die Motivationen feststellt, die der publizistischen Arbeit zugrunde liegen:
„In dem Moment, wo in einem Blatt die rein wirtschaftlichen Interessen die
Führung bekommen, wird der Herausgeber ohne verantwortliche Prüfung der
Leserinteressen einfach der breitesten Zeitströmung nachgeben, weil ihm das
den größten Absatz sichert“^^.
Dabei ist das meinungsbildende Element der Flora unterschwellig stärker
vorhanden als in der Iris oder der Pomona: Da es nicht mehr so sehr darum
geht, den Leserinnen Wissen zu vermitteln, treten die belehrenden Inhalte
zurück. Das in der Flora publizierende Autorenkollektiv präsentiert sich als
aus .f^reunden und Freundinnen des schönen Geschlechts^'' bestehend und
beansprucht für sich die Wiedergabe einer öffentlichen Meinung, die die
Interessensgebiete von Frauen auf Haus, Familie und Zerstreuung fest-
schreibt. Dabei begibt sich die Flora schon deshalb nicht auf ein gleichbe-
rechtigtes Niveau mit ihren Leserinnen, weil auch hier davon ausgegangen
wird, daß Frauen nicht nur nicht in der Lage seien, sich ein eigenes Bild von
der Gesellschaft zu machen, sondern daß dies auch gar nicht angebracht sei.
64 AE ymi, 4. Bd, H. 12, S. 201 - 204.
65 Flora 1/1793, 1. Bd, H. 3, S. 215. Hervorhebungen im Original.
66 Zur Geschichte des Zeitungslesens, S. 7 (Hervorhebungen von mir, BAK).
153
Die Tatsache, daß die Flora sich über einen Zeitraum von zehn Jahren hält,
läßt darauf schließen, daß ihr auf gefälliger Unterhaltung und heiler Famili-
enwelt aufgebautes Konzept^^ nicht in Konflikt mit der Zensur gerät und dem
zeitgenössischen Publikumsgeschmack entgegenkommt.
6.4 Zeitschriften für und von Frauen:
Von der Literatur zum Journalismus
Die Zeitschriften [Ehrmanns und LaRoches] spiegeln den Prozeß der allmählichen
Auflösung des (fhih-)aufklärerischen emanzipatorischen Frauenbildes im ausgehen-
den 18. Jahrhundert. [...] Die Journale veranschaulichen - neben der allmählichen
Entwicklung und Entfaltu^ publizistischer Mittel - die Suche der Frau nach einem
neuen Rollenverständnis.
Die Veränderung der Zeitschriften im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert
vom literarischen zum journalistischen Genre ist auch an den Frauenjoumalen
zu verfolgen. Von der Iris, die mit ihrer vorrangig literarischen Konzeption
noch hauptsächlich wegen ihrer periodischen Erscheinungsweise und der
aufeinander aufbauenden Beiträge dem Zeitschriftenwesen zuzurechnen ist,
entwickeln sie sich über die Pomona, deren eher erzieherische Konzeption
bereits mit einer offeneren Struktur, die den Dialog mit den Leserinnen ein-
bezieht, verknüpft ist, m Amaliens Erholungsstunden, die dem journalisti-
schen Genre am engsten verbunden sind. Hier , werden Unterhaltung, Infor-
mation und öffentliches Räsonnement auch politischer Prägung in einem for-
mal wie inhaltlich abwechslungsreichen Konzept vereint.
Während sich jedoch das Zeitschriftenwesen im allgemeinen zum politi-
schen Journalismus weiterentwickelt, ist bei den Frauenjoumalen am Ende
des 1 8. Jahrhunderts ein Rückschritt zu beobachten, den die Flora illustriert.
Räsonierende und informative Elemente verschwinden zugunsten eines unter-
haltenden Konzeptes kommerzieller Prägung, das sich als abwechslungsreich
präsentiert, ohne einen Anspmch auf Aktualität oder den Austausch mit dem
Publikum zu erheben. Dies entspricht der gesellschaftspolitischen Entwick-
lung, die mit dem Entstehen der bürgerlichen Kleinfamilie die Frau auf den
privaten Lebensraum festschreibt. Das Zeitschriftenwesen ist im ausgehenden
achtzehnten Jahrhundert zum wesentlichen Instrument der Meinungsbildung
herangewachsen. Wenn die Frauenzeitschriften sich stereotyper konservativer
Werte befleißigen und gesellschaftspolitische Informationen ausklammem, so
67 Kritik an den herrschenden Strukturen wird nicht geäußert, kaum noch illustrieren tragi-
sche Figuren wie Marianne Ehrmanns ‘gefallene Mädchen’ gesellschaftliche Mißstände.
68 Brandes, Frauenzimmer-Journal, S. 468.
154
läßt dies auf eine bewußte Beschneidung weiblicher ‘Öffentlichkeit’ schlie-
ßen^^. Die Einsiedlerinn aus den Alpen muß dieser Entwicklung bereits
Rechnung tragen. Sie ist zwar noch deutlich diskursintegrativ konzipiert,
schränkt jedoch gesellschaftspolitisches Räsonnement im Vergleich zu Ama-
liens Erholungsstunden deutlich ein und klammert aktuelle politische Infor-
mationen aus. Ein innovativer Frauenjoumalismus muß wegen der ökonomi-
schen Abhängigkeit Marianne Ehrmanns von ihrer publizistischen Tätigkeit
hinter geschäftlichen Erwägungen zurückstehen Dies wiederum entspricht
einer allgemeinen Entwicklung auf dem Literaturmarkt, die Peter Schmidt
zusammenfaßt:
Der Schriftsteller des 18. Jahrhunderts hatte sich als Speerspitze des sich emanzipierenden
Bürgertums verstehen können, und das heißt, [...] als institutionalisierte öffentliche Meinung.
[...] Der Schriftsteller des späten 18. und fnihen 19. Jahrhunderts hatte dagegen zu spüren
bekommen, was es bedeutet, von den Interessen seines Verlegers abhängig zu sein und von
den Marktbedürfhissen des Publikums zu leben.
Diesem Bild entspricht, daß fast alle Frauenjoumale des ausgehenden acht-
zehnten Jahrhunderts ihren Leserinnen gegenüber eine andere Haltung ein-
nehmen als die an ein vorwiegend männliches Publikum gerichteten poli-
tischen oder literarischen Zeitschriften. Während im Zeitschriftenwesen in-
zwischen allgemein von einer breiten imd gleichberechtigten bürgerlichen Öf-
fentlichkeit ausgegangen wird, der selbständige Meinungsbildung und -äuße-
rung offenstehen, ist dies bei den Frauenjoumalen kaum der Fall. Frauenjour-
nale sind immer noch vor allem Erziehungsinstrumente, die ihren Leserinnen
verbindliche, nicht in Frage zu stellende Lebensgrundsätze verdeutlichen
sollen. Dabei geht es nicht darum, einen öffentlichen Diskurs über gesell-
schaftliche oder literarische Sachverhalte in Gang zu bringen, sondern viel-
mehr um die Reglementierung und Begrenzung einer potentiellen weiblichen
Öffentlichkeit. Das Verhältnis der meist männlichen Publizisten zu ihren Le-
serinnen bleibt das von Erziehern und Erziehungsbedürftigen. Die Inhalte der
Frauenjoumale lassen sich unter dem Oberbegriff „weibliche Bildung und
Erziehung der Frau“ zusammenfassen. Dabei ist eine allgemeine konservative
Grundhaltung zu verzeichnen; die Zeitschriften sind darauf ausgerichtet, ihren
Leserinnen ein gesellschaftskonformes Frauenbild zu vermitteln. Im Mittel-
punkt stehen die Themenkomplexe Religion, Erziehung, Sitten, das Gegen-
über von Vernunft und Leidenschaft, die Vermittlung von ‘Weltweisheit’ und
‘Menschenkenntnis’, die als maßgeblich für ‘weibliche Bildung’ angesehen
69 Eine ‘Öffentlichkeit’ der erzwungenen Passivität und Rezeptivität.
70 Buchmarkt, Verlagswesen und Zeitschriften, S. 74 f.
155
werden^ ^ Frauen haben mit den fiir sie konzipierten Zeitschriften in der
Theorie ein Forum öffentlicher Meinungsbildung und -austausches, das in der
Praxis zu deren Einschränkung beiträgt. Von einer dynamischen und wechsel-
seitigen Beziehung zwischen Herausgebern und Leserinnen kann dabei nicht
die Rede sein. Dennoch ist es genau dieses, was Irene Jentsch als maßgeblich
fiir die Publizistik benennt: ,yZeitung und Leser wirken dauernd aufeinander
ein, wobei jeder der beiden Faktoren Objekt und Subjekt zugleich ist“^^. Ein
„Funktionsübergang [...] vom Buch zum Journal“ als „diskursintegratives
Medium“, der einen Wirkungszusammenhang von Publizistik, Politik und Öf-
fentlichkeit herstellt^^, kann bei den nur für Frauen herausgegebenen Journa-
len also höchstens ansatzweise festgestellt werden.
Anders sieht es bei den auch von Frauen herausgegebenen Zeitschriften
aus, zu denen mit Blick auf eine erfolgreiche Verbreitung allerdings im aus-
gehenden achtzehnten Jahrhundert lediglich die Blätter LaRoches und Ehr-
manns zu rechnen sind. Das Gegenüber von Herausgeberin und Leserin
schafft schon wegen der Überwindung geschlechts- und damit standesspezi-
fischer Schranken ein gleichberechtigteres Verhältnis, das einen Diskurs er-
möglicht. Mit Rubriken wie den in der Pomona erscheinenden Briefen und
Antworten kommt ein aktiver Meinungsaustausch in Gang, auf dem aufbau-
end eine weibliche Öffentlichkeit entstehen kann. Während in den von Män-
nern herausgegebenen Frauenjoumalen ein Ungleichgewicht gegenüber den
Leserinnen in geschlechtlicher Hinsicht und damit automatisch im Hinblick
auf die gesellschaftliche Stellung vorhanden ist, das es den Leserinnen un-
möglich macht, sich an der Beurteilung und Formgebung gesellschaftlicher
Wertvorstellungen zu beteiligen, steht ihnen dies bei von Frauen herausgege-
benen Zeitschriften offen^^. Allein die Tatsache, daß eine ‘von ihnen’ als
Herausgeberin firmiert, genügt, um ein gewisses Maß an Identifikation und
damit den Mut zur aktiven Meinungsbildung entstehen zu lassen. Die Kon-
zeption der Pomona wie auch die von Amaliens Erholungsstunden und der
Einsiedlerinn aus den Alpen unterscheidet sich in ihrer Ausrichtung auf Frau-
enftagen und der Integration der Leserinnen in den publizistischen Prozeß
von der anderer, kommerziell oder konservativ ausgerichteter Frauen-
joumale.
Wichtig wird dabei, welche Themen die Herausgeberinnen für angemes-
sen halten und auch, mit welchem gesellschaftlichen Hintergrund sie an ihre
Leserinnen herantreten. Im Hinblick darauf eröffiiet LaRoches Pomona ihren
71 Damit ist der Bildungsbegriff auf Fragen des Alltagslebens eingeschränkt; eine Verwissen-
schaftlichung der Bildung wie bei Knabenerziehung wird hier ausgeklammert.
72 Jentsch, Zur Geschichte des Zeitungslesens, S. 3.
73 Vgl. Brandes, „lieber die Revolutionssucht...“, S. 147.
74 Hemmend wirkt bei männlichen Publizisten zudem deren intellektuelle Überheblichkeit.
156
Leserinnen nur eingeschränkte Möglichkeiten. Obwohl sie ihrem Publikum
wesentlich näher steht als männliche Herausgeber, ist auch ihr Verhältnis zu
den Leserinnen kein gleichberechtigtes. LaRoche bleibt als gesellschaftlich
etablierte, prominente Persönlichkeit die mütterliche Freundin ihrer Leserin-
nen, die eine erzieherische Grundhaltung verfolgt. Ihr publizistischer An-
spruch besteht darin, zu einem weiblichen Gedankenaustausch beizutragen,
der innerhalb geschlechtsspezifischer Grenzen bleibt. Damit geht sie sehr viel
weiter als der Herausgeber der zwanzig Jahre später erscheinenden Flora,
ohne jedoch eine den Zeitschriften Marianne Ehrmanns vergleichbare gesell-
schaftspolitische Relevanz zu besitzen. Die Pomona nutzt die Möglichkeit zur
öffentlichen Kommunikation in einer Zeit, zu der der Aktionsradius von
Frauen mehr denn je auf den häuslichen Bereich festgeschrieben wird, vermit-
telt dabei jedoch ein konservatives Weltbild, das diese Begrenzung bestä-
tigt'^^.
Erst mit Marianne Ehrmanns Zeitschrift Amaliens Erholungsstunden er-
scheint ein Frauenjoumal, dessen Herausgeberin nicht über ihrem Publikum
steht oder Meinungsvorgaben liefert. Sie öffnet den Leserinnen zumindest im
ersten Jahrgang der Zeitschrift ein Medium, über das sie sich aktiv an Mei-
nungsbildung und -äußerung beteiligen können, ohne von vornherein auf ein
gesellschaftskonformes Weltbild beschränkt zu sein. Marianne Ehrmanns
Zeitschriften, die sich in Erscheinungsweise und äußerer Form kaum von an-
deren zeitgenössischen Journalen unterscheiden, erfahren ihre ganz eigene
Prägung durch die Persönlichkeit der Herausgeberin, deren Auffassung von
Journalismus und ihrem Verhältnis zu ihrem Publikum. Sobald diese Ein-
flüsse zurückgehen, wie im dritten Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden,
verliert die Zeitschrift ihre gesellschaftspolitische wie auch ihre journalisti-
sche Relevanz. Marianne Ehrmanns Bedeutung für das Zeitschriftenwesen
des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts leitet sich nicht alleine daraus ab,
daß sie eine der wenigen Publizistinnen ihrer Zeit ist, sondern besteht vor al-
lem in Profil, Inhalten und Aussagen ihrer Zeitschriften. Das beginnt mit der
Namensgebung: Während andere Frauenzeitschriften mit Vorliebe die Namen
antiker Göttinnen - Iris, Pomona, Flora - oder ftmktionale Bezeichnungen -
Journal des Luxus und der Moden, Magazin für Frauenzimmer, Museum für
das weibliche Geschlecht - im Titel tragen, schafft Marianne Ehrmann mit
75 Damit entspricht sie dem Bild zeitgenössischer Frauenzeitschriften, das Ruth Dawson wie
folgt beschreibt: „The establishment of women's magazines in the late eighteenth Century
represented an opportunity for female education and communication at a time when both
were becoming more difficult for women. [...] although Journals could help overcome this
female deprivation and Isolation, they also tended to perpetuate ideas which justified the
Separation (inferiority) of women.“ (Women communication, S. 240). LaRoches Zeitschrift
überschreitet die gesetzten Grenzen zumindest in mutigen Ansätzen, etwa in dem oben er-
wähnten Wunsch, so „ordentlich gelehrt zu werden“ wie die männlichen Zeitgenossen.
157
ihren Zeitschriftentiteln persönliche Bezüge. Amalie ist ihr Rufiiame im priva-
ten Leben, und worüber sie in ihren Erholungsstunden, also der nicht mit
häuslichen Pflichten gefüllten Zeit, nachdenkt, berichtet sie ihren Leserinnen.
Die Zeitschrift wird so als im täglichen Leben verhaftet präsentiert und bietet
den Leserinnen, die wiederum sich in ihren ‘Erholungsstunden’ damit be-
schäftigen, einen persönlichen Anknüpfungspunkt. Auch Die Einsiedlerinn
aus den Alpen greift auf eine ‘reale’ Person zurück, deren Schicksal Marianne
Ehrmann ihren Leserinnen ausführlich schildert^^. Darüber hinaus liegt in
diesem Titel eine Positionsbestimmung der Herausgeberin, die, wie ihre Le-
serinnen sehr wohl wissen, selbst ‘aus den Alpen’ stammt und im Verlauf des
Bruches mit ihrem Tübinger Verlag zu einer Art innerem Rückzug gezwun-
gen ist. Beide Blätter führen darüber hinaus Marianne Ehrmanns Namen im
Untertitel, womit sie noch einmal verdeutlicht, daß sie keine allgemeingülti-
gen Erkenntnisse präsentiert, sondern vielmehr als prima inter pares zu einer
weiblichen Öffentlichkeit spricht^^. Marianne Ehrmann begreift ihre publizi-
stische Tätigkeit, wie sie in ihrer „Antrittsrede“ betont, als öffentliches Amt,
das seine Legitimation durch das Zusammenwirken von Herausgeberin und
Publikum erhält. Das abwechslungsreiche Konzept ihrer Zeitschriften wird
durch den Kontakt mit Leserinnen und Lesern, der nicht mehr wie bei LaRo-
che hauptsächlich die Zeitschrift reflektiert, sondern maßgeblich zu deren Ge-
staltung beiträgt, vervollständigt. Erst das Publikum, das ist deutlich zu spü-
ren, läßt die Zeitschriften lebendig und lebensnah werden.
Ideen und Themen, die Marianne Ehrmann aufgreift und diskutiert und
durch die sie sich ebenfalls von anderen Herausgeberinnen und Publizistinnen
ihrer Zeit unterscheidet, widersetzen sich dabei zunächst einer geschlechts-
spezifischen Beschränkung auf das familiäre Leben. Die enthaltene Infrage-
stellung gesellschaftlicher und geschlechtsspezifischer Normen hebt Marianne
Ehrmann deutlich von der zeitgenössischen Frauenpublizistik ab. Auch wenn
sie, obwohl zuweilen dazu stilisiert, keine Revolutionärin ist, die die Ge-
schlechterrollen abschaffen will, sondern ‘nur’ auf eine Änderung in der
Stellung der Frau hinarbeitet, macht sie ihren Leserinnen doch das Ausmaß
ihrer Unterdrückung deutlich, wo andere Publizistinnen ihnen lediglich, und
selbst das versteckt, ein stärkeres Bewußtsein ihrer selbst nahelegen^^. Statt
76 Zum Profil der Moralischen Wochenschriften gehörte ein ‘fiktives’ Element, das sich z.T.
sogar schon im Titel spiegelt (z.B. Die Vernünftigen Tadler innen oder Der Patriot).
11 Neben der Nennung ihres Namens im Titel fällt auf, daß in Marianne Ehrmanns Zeitschrif-
ten die Artikel häufiger als in anderen Frauenjoumalen mit den Namen der Autoren ge-
kennzeichnet sind. Auch dadurch trägt sie zu einer nicht-anonymen Öffentlichkeit bei,
bzv^. verdeutlicht ihren Leserinnen das tatsächliche Vorhandensein einer solchen.
78 vgl. Dawson, Women communicating, S. 241: „Ehrmann publicly advocated a change in
women's Status but no change in women's rights or roles. There is however an important
disjunction between the overt message of Submission and the covert model of self-assertion
158
einer mütterlichen Figur wie LaRoche in ihrer Pomona ist Marianne Ehrmann
die mutige Freundin und Vorkämpferin ihrer Leserinnen. Das publizistische
Gesamtbild, das die Zeitschriften bieten, wird von der kritischen Beschäfti-
gung mit vielerlei Themen bestimmt. Anders als bei vergleichbaren zeitge-
nössischen Frauenzeitschriften geht es eben nicht nur um schöngeistige
‘Bildung’ oder Unterhaltung, sondern vorrangig um die Schaffung eines Fo-
rums weiblicher Lebenserfahrung, das zu Meinungsbildung und -austausch
anregen will. Wenn Marianne Ehrmann davon spricht, daß ein Zweck ihrer
Zeitschrift die Belehrung ihrer Leserinnen sein soll, so bedeutet das grund-
sätzlich die Vermittlung von Informationen, auf deren Basis diese sich ein
eigenes Bild der gesellschaftlichen Realität machen sollen.
Marianne Ehrmanns Zeitschriften sind der Versuch der Konsolidierung
einer weiblichen Öffentlichkeit zu einer Zeit, als diese heftiger als zuvor ein-
geschränkt werden soll. Ihre zeitgeschichtliche Brisanz erhalten sie durch den
in ihnen enthaltenen Widerspruch zwischen dem Wunsch der Herausgeberin
nach Autonomie und dem gleichzeitigen Zwang zur gesellschaftlichen Anpas-
sung. Daß sie letztlich in ihren Idealen und Wünschen zurücksteckt, wie in
der Einsiedlerinn aus den Alpen mehr und mehr zu spüren ist, ist der Tribut,
den Marianne Ehrmann der bezüglich der Stellung der Frau nicht gerade
innovativen Gesellschaft zollen muß. Es ist zu vermuten, daß Marianne Ehr-
mann als eine der ersten und erfolgreichsten Zeitschriftenherausgeberinnen
des 18. Jahrhunderts so manche ihrer Leserinnen für die Belange der Frauen
sensibilisiert hat. Damit - wie auch mit der lebendigen journalistischen Ge-
staltung ihrer Blätter - hat sie neue Bereiche im Zeitschriftenwesen erschlos-
sen.
and self-fiilfilment which the work of all the eighteenth-century German women editors
communicated to women readers.“
159
7. Zusammenfassung der Ergebnisse
Mit der Gattung der Moralischen Wochenschriften etabliert sich im 18. Jahr-
hundert ein neues Medium, das Journal, das die freie Meinungsbildung und
-äußerung begünstigt. In dem Maße, in dem die Ziele der Moralischen Wo-
chenschriften - über Vernunft und Tugend zu einem glückverheißenden Le-
ben zu gelangen - allgemeine Anerkennung finden, werden die Journale des
18. Jahrhunderts allmählich von Bildungs- zu Meinungsbildungsinstrumenten,
zu einem Ort des öffentlichen, gesellschaftspolitischen Räsonnements.
Während jedoch, z.B. mit Schubarts Schwäbischer Chronik oder Wie-
lands Teutschem Merkur, gegen Ende des Jahrhunderts eine Politisierung der
Publizistik ihren Anfang nimmt und im Zuge der Ereignisse der Französi-
schen Revolution Fuß faßt, bleiben die inzwischen als eigene Literaturform
abgespaltenen Frauenzeitschriften von dieser Entwicklung ausgeschlossen.
Das weibliche Publikum bleibt in einem privatistisch-rezeptiven Kontext ver-
fangen.
Im Hinblick darauf ist es ein Trugschluß, von einer bürgerlichen Öffent-
lichkeit auf das Vorhandensein einer weiblichen Öffentlichkeit zu schließen:
Der Aktionsradius von Frauen wird am Ende des Jahrhunderts deutlicher
denn je auf die Privatsphäre festgeschrieben. Rölle und Stellung der Frau sind
nun stärker und kompromißloser eingegrenzt als zu Beginn der Aufklärungs-
bewegung. Als an Frauen gerichtete, nicht aber durchweg von Frauen mitge-
tragene Veröffentlichungen wenden sich die Frauenjoumale, u.a. beeinflußt
von der allgemeinen Geschlechterpolarisierung Rousseauscher Prägung, an
die Frau als ‘notwendige Ergänzung’ des Mannes, die die private, familiäre
Welt spibolisiert. Die gleichzeitige Verlagerung der kulturellen und politi-
schen Öffentlichkeit aus der privaten Sphäre - z.B. dem Salon - in öffentliche
Räume wde etwa Lesekabinette oder Universitäten begrenzt zusätzlich den
Aktionsradius von Frauen: Im allgemeinen bleibt ihnen der Zugang zu derar-
tigen Einrichtungen und Institutionen verwehrt.
Die neuen literarischen Genres ‘Roman’ und ‘Journal’ bieten den Frauen
jedoch eine Artikulations- wie auch Identifikationsmöglichkeit, die vorher
nicht vorhanden war. Damit wird eine Art relativer Emanzipation befördert,
die zumindest theoretisch die Gelegenheit bietet, eine weibliche Öffentlich-
keit zu formieren. Aus einem Medium, das sich direkt an Frauen wendet und
für sie konzipiert ist, ist ein weibliches Lesepublikum entstanden, aus dessen
160
Reihen vereinzelt Autorinnen hervortreten. Die literarische Epoche der Emp-
findsamkeit hat darüber hinaus eine Frau zur Leitfigur, nämlich Sophie von
LaRoche, deren Geschichte des Fräuleins von Sternheim noch heute in der
deutschsprachigen Literatur als Prototyp des empfindsamen Romans gilt. So-
wohl das Journal als auch der Roman können als Genres, die noch nicht in
literarischen Traditionen erstarrt sind, ihren Leserinnen also von ihrer Struk-
tur her durchaus eine Teilnahme an der literarischen Öffentlichkeit ermögli-
chen.
Einzeln genommen, bieten beide Literaturformen einer weiblichen Öf-
fentlichkeit dabei enge Grenzen. Das Zeitschriflenwesen öffiiet sich nur zö-
gerlich seinen Leserinnen und bleibt dem belehrenden Element verbunden;
die empfindsame Romanliteratur produziert darüber hinaus ein Frauenideal,
das sich wissenschaftlicher Bildung und weiblicher Autonomie widersetzt.
Zusammenwirkend aber bieten beide Strömungen am Ende des 18. Jahrhun-
derts dem weiblichen Publikum durchaus Artikulationsmöglichkeiten: Im
Zuge der Empfindsamkeit etabliert sich weibliches Schreiben, gleichzeitig
lockert sich die Zeitschriftenstruktur. In Form und Inhalt grundsätzlich offen
und an keine literarischen Traditionen gebunden, bietet sich das Journal
schon aufgrund seiner periodischen Struktur für einen Meinungsaustausch an.
Zudem ist das weibliche Lesepublikum zu einer festen Größe im zunehmend
kommerzialisierten Literaturbetrieb geworden, zu einer Zielgruppe, die be-
dient werden muß. Eine rezeptive weibliche Öffentlichkeit ist damit vorhan-
den.
Daß diese Öffentlichkeit eine rezeptive bleibt, dafür sorgt schon die Tat-
sache, daß der Großteil der an Frauen gerichteten Journale von Männern her-
ausgegeben wird und weibliches Lesen und Schreiben in Form und Inhalt aus
dem öffentlich-bildungspolitischen Räsonnement ausschließt. Nur wenn Frau-
en selbst publizistisch tätig werden, wird das Journal zum Identi-
fikationsträger und Kommunikationsmedium der weiblichen Öffentlichkeit.
Mit Blick auf eine erfolgreiche Verbreitung beschränken sich die von Frauen
herausgegebenen Blätter am Ende des 18. Jahrhunderts allerdings auf die
Journale Sophie von LaRoches und Marianne Ehrmanns. Ihre Zeitschriften,
und besonders die von Marianne Ehrmann herausgegebenen, bleiben einsame
Beispiele für das Forum, die dieses Genre einer weiblichen Öffentlichkeit bie-
ten kam und der Grenzen, die die Gesellschaft ihr dabei setzt.
Beide Herausgeberimen nutzen die Möglichkeiten, die ihnen das Journal
im Gegensatz zu anderen Literaturformen bietet, zur Einbindung ihres Publi-
kums in den publizistischen Prozeß. Mit den Herausgeberimen erhalten die
Leserimen ein Gegenüber, mit dem sie sich identifizieren körnen md das zu
einer Reflexion weiblicher Lebensumstände anregt. Einzigartig in der Litera-
tur des ausgehenden 18. Jahrhunderts, bieten ihre Journale dem weiblichen
161
Lesepublikum ein Forum der aktiven Meinungsbildung und -äußerung. Dabei
zeigt sich LaRoche als wegv^eisend im Hinblick auf eine öffentliche weibliche
Kommunikation, begrenzt diese jedoch durch die Vermittlung eines eher
konservativen Weltbildes imd bietet ihren Leserinnen als prominente
‘mütterliche Freundin’ nur begrenzte Identifikationsmöglichkeiten.
Marianne Ehrmann geht in ihrem publizistischen Anspruch weiter, sie un-
ternimmt den Versuch, eine räsonnierende weibliche Öffentlichkeit zu eta-
blieren. Über die Tatsache einer weiblichen publizistischen Tätigkeit hinaus
bieten ihre Journale von daher einen exemplarischen Einblick in die Entwick-
lung des Zeitschriftenwesens vom literarischen zum journalistischen Medium;
ihre Entwicklung verdeutlicht die Mittel und Wege, die Etablierung einer Art
‘weiblicher Subkultur’ zu beschneiden.
Anders als Sophie von LaRoche schreibt Marianne Ehrmann zu Beginn
ihrer publizistischen Tätigkeit aus einer gesellschaftlichen Randposition her-
aus. Neben ökonomischen Zwängen ist ihre publizistische Motivation von da-
her in einer persönlichen Betroffenheit zu sehen. Die Veränderung des zeit-
genössischen Frauenbildes und damit der Stellung der Frau in der Gesell-
schaft ist für sie in materieller wie ideeller Hinsicht überlebensnotwendig.
Daß sie als Trägerin und Vermittlerin ihrer Ideale die Zeitschrift wählt, hängt
wohl mit deren größtmöglicher formaler wie inhaltlicher Offenheit zuammen.
Marianne Ehrmanns Zeitschriften sind wesentlich journalistischer konzipiert
als andere zeitgenössische Frauenjoumale. Ihre Formen- und Themenvielfalt,
besonders die des ersten Jahrgangs von Amaliens Erholungsstunden, ermög-
licht das Zusammenwirken unterhaltender, räsonierender, didaktischer und
informativer Elemente, die durchsetzt sind von einer Dialogstruktur, die die
Leserinnen immer wieder auffordert, an einer öffentlichen Auseinanderset-
zung auch über für eine Frauenzeitschrift ungewöhnliche Themen (Politik,
Geschichte, Gesellschaftskritik) teilzunehmen. Dadurch werden die Beiträge
in einen Bezug zur Alltagsrealität der Leserinnen gebracht, den Marianne
Ehrmann zusätzlich verstärkt, indem sie die Zeitschrift als ihr ureigenstes
Produkt präsentiert, ihre weibliche Identität bereits im Zeitschriftentitel
preisgibt und damit viele Beiträge als aus ihrer persönlichen Erfahrung stam-
mend erkennbar macht.
Festzuhalten ist zunächst: Marianne Ehrmann verwendet ein herkömmli-
ches Medium - die Frauenzeitschrift als belehrende und unterhaltende Litera-
tur -, um in einen aktualitätsbezogenen Kontakt zu ihren Leserinnen zu treten.
Der formale wie inhaltliche Schwerpunkt ihrer Zeitschriften verlagert sich im
Gegensatz zu Frauenzeitschriften anderer Provenienz von der moralisch-
bildenden oder unterhaltenden Literatur zum kritisch beleuchtenden, dabei
abwechslungsreichen und dialogorientierten Journalismus.
162
Solange Marianne Ehrmann ihre Zeitschrift selbständig herausgibt, kann
sie die formalen Möglichkeiten, die ihr das Journal als einzige Literaturform
bietet, zur Anregung zu weiblichem Räsonnement nutzen. Im Hinblick auf
Zensurmaßnahmen wie auch auf die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer publi-
zistischen Tätigkeit sieht sie sich dabei bereits gezwungen, verschiededene
Schreibstrategien anzuwenden, die die Provokation ihrer publizistischen Aus-
sage abmildem. Während die als Selbstschutz, Umgehung und Entlarvung
bezeichneten Schreibstrategien dabei durchgängig als produktiv zu beurteilen
sind, birgt die Anpassungsstrategie als Form der Camouflage die Ambivalenz
von gesellschaftlicher Kritik und der Notwendigkeit, sich aus Überlebens-
gründen den Gegebenheiten eben dieser Gesellschaft anzupassen. Durch das
hier erfolgte Einnehmen einer Defensivposition, nämlich die grundsätzliche
Akzeptanz der Stellung der Frau in der Ehe, verlagert sich die Machtfi*age,
die Marianne Ehrmann thematisiert, von der rechtlichen auf eine ideelle Ebe-
ne und offenbart damit die Zerrissenheit zwischen weiblichen Autono-
miebestrebungen und festgefügten gesellschaftlichen Normen.
Diese Problematik bricht mit der notwendig gewordenen Geschäftsbezie-
hung zur Cottaischen Verlagsbuchhandlung auf Der Verlag übernimmt eine
^t eingefuhrte Zeitschrift und beginnt aus verkaufstechnischen Gründen fast
unmittelbar, sie marktkonform zu verändern. Politische und populärwissen-
schaftliche Artikel verschwinden, Marianne Ehrmanns eigene Beiträge gehen
zurück und verlagern sich in ihrer publizistischen Aussage von der Aufdek-
kung der Ursachen zur Auflistung der Symptome weiblicher Unzulänglichkei-
ten. Neu hinzukommende Fremdbeiträge vermitteln nurmehr konventionelle
Inhalte, Aktualitätsbezüge gehen zurück. Die schon im ersten Jahrgang ver-
wendete Anpassungsstrategie wird nun zur Verfälschung der publizistischen
Aussage der Herausgeberin instrumentalisiert: Auf sie aufbauend, sollen die
Leserinnen zu zeitgenössischen Wertvorstellungen zurückgefuhrt, soll die
weibliche Öffentlichkeit wieder in einen rezeptiven Kontext gestellt werden.
Gleichzeitig verliert die Zeitschrift ihre Dialogstruktur, die ihr journalisti-
sches Profil bisher bestimmt hat. Marianne Ehrmann, die sich um ihre publi-
zistische Aussage betrogen sieht, zieht letzlich die Konsequenzen dieser
Entwicklung und trennt sich von dem Verlag. Die Konzeption der im An-
schluß als ‘Nachfolgezeitschrift’ bei der Cottaischen Verlagsbuchhandlung
herausgegebenen Flora unterläuft schließlich wieder jegliche Möglichkeiten
gesellschaftspolitischen Räsonnements. Feste Rubriken, informative und
räsonierende Elemente verschwinden, die Periodizität des Journals wird in-
haltlich im wesentlichen durch Fortsetzungsromane aufi-echterhalten. Statt
eines dialogorientierten Realitätsbezuges bietet die Flora die literarische
Vermittlung des gesellschaftskonformen Frauenbildes der aimable ignorante.
163
Parallel dazu beschreitet Marianne Ehrmann mit ihrer zweiten Zeitschrift,
der Einsiedlerinn aus den Alpen, einen Mittelweg zwischen der ursprüngli-
chen Konzeption von Amaliens Erholungsstunden und deren letztem Jahr-
gang unter der Federführung der Cottaischen Verlagsbuchhandlung. Die Ein-
siedlerinn aus den Alpen bleibt zwar formal wie inhaltlich abwechslungsrei-
cher gestaltet als die meisten zeitgenössischen Frauenjoumale, folgt jedoch
bereits in der formalen Struktur einer weniger klaren Linie als Amaliens Erho-
lungsstunden. Profilgebende feste Rubriken mit aktuellen politischen Bezü-
gen werden nicht wieder aufgenommen; inhaltlich halten sich gesellschafts-
kritische und konservativ-erbauliche Beiträge die Waage. Die Anpassungs-
strategie aus Amaliens Erholungsstunden wird in der Einsiedlerinn aus den
Alpen zum grundlegenden Prinzip der von der Herausgeberin selbst verfaßten
Beiträge. Dementsprechend verändert sich die publizistische Aussage der
Zeitschrift, die weiterhin von der Herausgeberin, symbolisch der Titelfigur,
getragen wird, zur privatistisch-moralisierenden Selbstreflexion.
Für diese Entwicklung können persönliche, geschäftliche und auch gesell-
schaftliche Gründe ausgemacht werden: vordergründig die wirtschaftliche
Abhängigkeit Marianne Ehrmanns und ihrer Familie vom Erfolg der Zeit-
schrift, der durch Zensurmaßnahmen wie auch der Angst vor Problemen mit
dem zweiten Verlag, dem Zürcher Unternehmen Grell, Gessner, Füßli & Cie.,
behindert werden könnte, und eine starke physische wie psychische Erschöp-
fung der Publizistin, die am Ende zur Einstellung der Zeitschrift fuhrt. Dar-
über hinaus ein zunehmend privatistisches gesamtgesellschaftliches Klima
und besonders die inzwischen erfolgte Festschreibung weiblichen Lebens auf
die private Sphäre. In Marianne Ehrmanns Fall mag auch die Konsolidierung
ihrer gesellschaftlichen Stellung (Mutterrolle, verstärkter Kontakt zu geho-
benem Bürgertum und Adel) dazu beigetragen haben, daß ihr immer noch
innovatorisches Zeitschriftenkonzept von Artikeln eher konservativer Prä-
gung überlagert wird. Indem sie gesellschaftskritische Ansätze und Räsonne-
ment zunehmend den Mitarbeiterinnen und Leserinnen überläßt, stellt sich
Marianne Ehrmann immerhin noch neben eine kritische weibliche Öffentli-
chkeit und bietet ihr eine Plattform, statt dieser, wie es in anderen Blättern ge-
schieht, den Boden zu entziehen. Die Einsiedlerinn aus den Alpen bleibt
grundsätzlich diskursintegrativ konzipiert und erlaubt dadurch nach wie vor
die Beibehaltung einer aktiven, in Ansätzen auch räsonnierenden Leserinnen-
gemeinschaft - einer weiblichen Öffentlichkeit.
Das ist mehr als andere Blätter zu leisten imstande sind. Die konservati-
ven Frauenzeitschriften des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts präsen-
tieren mit einem normengebundenen Frauenbild auch eine statische, in sich
abgeschlossene Konzeption, die keinen Platz läßt für einen die Gesellschaft
reflektierenden oder gar räsonierenden Gedankenaustausch. Die Emanzipa-
164
tion des Bürgertums geht einher mit der Loslösung des Zeitschriftenwesens
aus starren literarischen Normen; die Emanzipation des weiblichen Teils der
Bevölkerung wird mit Hilfe eben dieser Normen, die im Bereich der Frauen-
literatur innovative Tendenzen nicht erlauben, verhindert. Zu den sich ver-
festigenden gesellschaftlichen Normen des Bürgertums, die im Rahmen der
Trennung von privatem und öffentlichen Leben die Frau auf die Familie fest-
schreiben, kommt die zunehmende Einflußnahme der Verlage auf die Entste-
hung eines Massenmediums, das selbst herauszugeben einzelnen Publizisten
und erst recht Publizistinnen organisatorisch wie auch finanziell kaum mehr
möglich ist (bezeichnenderweise halten sich die direkt vom Verlag herausge-
gebenen Zeitschriften wie die Flora oder auch Bettuchs Journal des Luxus
und der Moden am längsten). Wer aber von der Geschäftsbeziehung zu einem
Verlag abhängig ist, muß sich in seiner publizistischen Aussage an dessen
Wertvorstellungen anpassen.
Die LFrsache für das Scheitern einer auch für Frauen innovativen Publizi-
stik des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die einer weiblichen Öffentlichkeit
dieselben Entwicklungsmöglichkeiten zugesteht wie zuvor dem männlichen
Bürgertum, ist demnach nicht im literarischen Genre des Journals zu suchen.
Daß das Journal diese Möglichkeit bietet, beweisen, ob zaghaft wie bei La-
Roche und in der Einsiedlerinn aus den Alpen oder engagiert wie im ersten
Jahrgang von Amaliens Erholungsstunden, die von Vvh\\z\siinnen herausge-
gebenen Blätter. Die Problematik wird vielmehr in der Abspaltung des Frau-
en) oumals von der zeitgenössischen Publizistik deutlich. W^end sich letzte-
re in Form und Inhalt ihrem Publikum öffiiet und sich vom literarisch-
philosophischen zum politisch-gesellschaftskritischen Medium wandelt, wird
eine solche Weiterentwicklung dem zeitgenössischen Frauenjoumal verwehrt.
Hier ist sogar im Vergleich zu den Moralischen Wochenschriften ein Rück-
schritt zu verzeichnen: Die bildenden Anteile der fiühaufklärerischen Publi-
zistik nehmen zugunsten einer moralisierenden Unterhaltung ab, die selbst
einer literarischen Bildung keinen Raum mehr läßt.
Daß am Ende des 18. Jahrhunderts keine emanzipierte weibliche Öffent-
lichkeit besteht, die der bürgerlich-männlichen entspricht, rührt von den
Wertvorstellungen eben dieser bürgerlichen Öffentlichkeit her, die Frauenlite-
ratur nur als journalistisch-literarisch anspruchsloses Transportmittel bürger-
licher Rollenklischees versteht. Marianne Ehrmanns Journale lassen vermu-
ten, daß kritischer Frauen) oumalismus von der weiblichen Leserschaft ange-
nommen, von den Köpfen der Gesellschaft aber weitgehend abgelehnt wird.
165
Anhang
Die im Anhang enthaltenen Originaltexte aus Marianne Ehrmanns Zeitschrif-
ten sollen Stil und Inhalte vor allem der innovativen, frauenspezifischen Ele-
mente ihres Schaffens wie auch deren Verschwinden im Verlauf ihrer fünf
Jahre dauernden Tätigkeit als Publizistin illustrieren. Die Artikel sind in
chronologischer Reihenfolge abgedruckt und durch die Cottaische Verlagsan-
zeige, die Verteidigungen Marianne Ehrmanns durch Meiburg und ,JE.W.“
sowie die Vorankündigungen der Zeitschriften ergänzt, die einen Einblick in
Marianne Ehrmanns Ziele einerseits und den Widerstand des Verlages ande-
rerseits wie auch in den Rückgang frauenrechtlerischer Ambitionen bieten.
Diese Auswahl muß schon aus Platzgründen auf diesen einen Aspekt be-
schränkt bleiben. Interessierten Leserinnen und Lesern empfehle ich die Lek-
türe der Originalausgaben von Amaliens Erholungsstunden (befindlich im
Deutschen Literaturarchiv, Marbach) und der Einsiedlerinn aus den Alpen
(befindlich in der Zentralbibliothek Zürich).
166
X.) 2(mAliet)0 i£i*|>oltin80fiunben / Ccutf^iAnbe
tdc^ievn 9<(vci^t. (£ine UToimtf(^i’ifc von UToriane
)?n'fo(fa'imi btv Kmalund.
S)(tu 9}orurt()(i( uni](acf)t(t « weicbttf (icb bm ivcib(td)cn
6d)reiti(r(i(ii (ittiieflcit (lanimt« n»id( ti 'UmtiHt ibre Srbolimgd«,
Hunbcii brr Gilbung/ ttnccrbaituiig uiib SBeUbrmig ibrrd
0(f<blrdbtd tu toibmen. 3cb fbmtte birfrn @cbritt and nicb'
renn nHcbcigr» 0n'mbcit «rrtbeibiiien > abev bKi^ ifi brr Ort
hiebt ba|u. IDir (bitn Stoebtrr itriitfcblanbd ivrrbrn ftd) btt
aniigriif tvritit id) fir rinftivrileii orrficbere, ba$ teb bie QKuPo
bi« id) t'ir ^«tttbtitung bief«r ffllonatfcbrift «crtaeuben iwtb«/
bdtt ben miiiAb«» P(>Q0efd).4ftcn unb boii jtiien fcid)t«ii 8d)n>a^r
gcfdlfcbtifren «ntUbn«» bie und graiifiitimmer f» frbr «rnitbri#
geil/ unb fo iveit von bent bob«>i'B>b((tc entfernen tu bem ivir
*cfrf)flffcii finb. llcbcrbied fdjeint mir ba» ©djiclfgl irit einigen
2abrrn mein farged ©tiictgen ISrbb in biefem ISadie beftiinmt
in bdben. Stud) (tbtdt fd) einen ®4)rift|I<ll«r lum 0«tten « b<b(
feine £inber; unb bann ber unvetbiente CAepfalf meiner Vmalic«
meiner pbilofopbie/ ttteineH fleinett jrAgmenreii for binft«
rinnen r meinen Stufigen in ber ^rautnsimmerfjeitungi in
OeobAcbter *) u. f. w. tu Sbeif inlttM. d(ur) aUed niuntcrf
mi(b auf/ unbubeint ftcb |U nereinitea» meine fonberbareCtufbabn
SU entfcbulbigen^ bie unter taufeiipctt bft nur eine tu betreten
magen batf.
tDied ft9 grnua gefaat/ uttt bie inerten meiner ^ibfenbetr
^reunbinnen tu meinem tSortbciU IV ÄQiinien, !Die biVig ben/
fenbni, beren ed/ 0ott Un ;wnP/,PÖ<fct)«f(r «lebt/ »erben «hA
bicdmal jbrn fiibnen» raffen) jafb|n<6Hl''it»n/ ni^iit id) b»
3'berbeiten nieined* eigenen 0«td>leibtti ntg ß^nt*/ m n»d)
nicht fdioncn wet^e/ nicht berargeui wenn Je äberbenfraMNC
febr »it und noch emimr arbeiten nrofTen/ bib »Ir lene wtßtit
bÄbe erreicht haben; bi« und tu liebcndwurbiaen 0atiiiinen, l»
jarflicben «Ctutfcru; tu rernfinftigen' ©efeUfcbafteriimeii / |u
braven TOirtbinneii ; tu guten (rbri(!innen macht. 3d> nivebt«
weinen wemi ich bled ewig gegdngclte 0«fd)led)t; entwtber gant
ebne Ji'uliiir. blad finnlicb; ober' wH einem tlnbma angeftedf.
bem man ireidiicb ben ^^gnien draittir giebt; »emj ed feben blöd
gelbfnchtig« €mi»finbelefl i|l; fo uber/raniit; fo fftremi fo unre/
ligioß; ebne richtige tDeriiimft Unb ft(l« 0runbfAhtr ‘urt raraf/
terivd bdhbeln febeJ — —
') Sine feit 3 iil. 178S. btraudfcmmenbe nior«llfd)<fati)rifcb/
Vdif^'chc ißacbenfehrift; bie bidbet grobed aufieben gemacht
«üb vielen Q 3 epfg(( gefmiben bat.
167
?(bei: tMrym «irtt man tadi linfrrti {Brrmmf^ ni(^t frilb«
fcnoii i)te qe() 0 rt!)( ^icbtunat — SOarum fntfcrnt maiMiidbt «pii
« nö fo m>i mii)ii(f> jcbc ^cid)lid)ftitt — Darimi Itbrt man
«Md mcbt itnf rrd)rnt Seit Ütibenrctaftrii turd) (>5ruiibfibc Uf
Tditipfdi , bitrcb cianed $iad)brttfci< unfert« 9jlid)trn fnincn / furj
tvaviim bilbrt num,mid m'd;t rd)pn i>i <r|t«nO>iiMnb tuDIow
fd)c» i — 3cbe ni(ib{td)c $nic8t i#4re uni botm }# Ofooimntr,
n>;nn winibr «ud ilcbrrtnrniiiiA^ tmU uiebt bUd mtebAnifeb uiu>
ut btm Sruci bft <^(ooctfo foljtu bürftru I — —
mid) tn btefem Journal brmübrn »rrbr. 0d(l/
!ß;rnunft, Sjtti uiib ^ifbeftffrbr nuiher ffrrunbiimdi ^ |« virl iii
tneinen it'rdftdi |kb{.» 'iu nibrrU/ «ufiuridrtn titib )U »rrcbdii,
Id^r ftd> and bm miitr fd)li>(rrnr ivomit vorhin iibrr brn
rienbrii 3>>lr<)nb nicintd eiferte, tlofi leb aber aiirb
von ben ebeln Äoebtern iCeutrcblanbd für biefed fnbne llntrintb»
mtii um b>«l4nalirbe Itntcr^iimina bitten mu$^ in seioi^ frbc
narialid). Um fo mehr ifl bied' erforberlidi/ ba in biefrn fd>reib/
frligeii Seiten biefe meine Strbeit vielt murbiae b^ebeiibiibler bd'
btn ivirb/ uiib nür babco niebtd fibrin bleibt/ old müt bem
pmi'meii^ 9in(b/i( eined Qefchiecbtd tu äber(a|fen / bem co enbtii
IUI ffirfiibl/ niebt an ®iite bed leitend; nidit an ^Jeinnna für
tnd 0cbüne; Cble mib,0ute fehlt. Äremibinnen/ bieten ©ie
nur büirrricp Ihre ipanb/ tmb bicin Ijlcin feil td ibneii/ wo
pitbt ooiii/ borb in ettvad iobnent 3<b eile tu meinem >piflne! —
!Die COionatfdjrift/ bie icb hier anfunbide, feil einen boppei'
tm 0e(tcn(ianb*()Oben (Erfiend löilbung unb J>clebnin<t/ tmei-'
trnd Unrei‘bnlriiii(( unb utitveirminct nci' !Seimtuif|e bed fei-
nem ®efdilfd)!d. ®er er(lc Sbeil nlitb ttvetfmöfiiae maralifebe
Hub and) foftirlftbe Slufßbe über «rtiebuns/ bouslid;e ‘Miebteu,
Wriir/ llmaflmi/ OJtcnfcbcnfenntnid ii. f. ni. liefern!. er wirb eble
flempiele / ober bie «Kenfdibeit entebrenbe i>mibluti|ten |i. f- lo.
fl crtrtbliimien / Dialoaeii# grasmenten tUt ©ilbiiim unb 5Gfteb.-
aui bed fjeiteiid/ pit 9ta$abmiina ober tum ülbfiteu, fiiri luiii
ffad)bcntrn über ficb felbft tmb über onbere — entbaiten.
Der. ttvep« Sbeif ,i(l ^eitrÜ.nen tur Untcrbaftumi oiid allen
ffüdjerii fleiueibet. Öebidjte mit COtufif , ®rutb(lü(fe and bet
e»ftl>id)te, €rbbefdjreibuiifl,' <)laturfiiiibe> vorjüiiiicb oueh. eine
tjientttJidje, Ueberjicbt ber neiie/ieii ?OeIt/ unb Oltenfebengcicbiitre,
ben ®eflri(ftii uii(fiibirtee ^cfturfreiiiibiimen aitoeiiieiTeii ; anefbo^
ten/ Olfalinmfaltigfeiteii verfd;iebener 8(rt,.i)iib bann and) fleme
Reiciiflotieii unb ®üd;eraii)rifirii/ |iir .S'enntnif ber neuem reut-'
fcbcii £itteratur/ jur ©tipfebiiina lefeiidtviiebiger unb tiir 50«r-'
miuA vor febabüebcti/ ober unnübeti ®iid)erii. Dicd foU bet
Unnhalt bed tweiteii Dbeiled fcoii/ ber niei|}end ooii nteiitem
gatten (toclcbtr bad 0lüeb botte« lange mit ®eifalf befoiibetd im
äfpgrapbifdieii goebt/ an bem tllanutin für joaneiitiiitmet tu
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168
IltK 9)icmuii0 Aber 3faurn(immcrlcftur unb Siidxc frcmiiltbiq ju
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(bre 5)}iMrbfif(r an ÄU'iß/ (Eifer «iib fprfifijltiget S(u«n)(»bl bet
S(uff 4 i}c frmangebt la||cii.
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i(i bie ,@riue »«eine« ‘Jlan^. 3(1 et fo glüdlid) 3^t giitraiien,
3b}'e tNtiye tliirtr(iü((tms III ßiibett, bann Anb tiieine feurigfteit
^üiifdK erreid)t uiib iiid)te wirb bem ^ergiitnitn gletcbeii/ ivtiiiit
tili teiitfd*(tf QÜetb btU 3 >il>er|ld)t auf teutf(Ü}C 31 iib 4 iiglid)beit
mi(t( bie^iiiAl »irbpr wr bem (publKum aiiftritt.
®i« VctfntTeviii,
ln: Journal des Luxus und der Moden 4/1 789, Nr. 11, Intelligenzblatt, S. CLXI - CLXV
169
^ m a n e n ^
€rM(und0t!itn&em
fO^etne Sintrlttftrebe.
^!0et ein ijfentlv^e^ 9(mt antritt , ^d(t deioil^nlk^
«ud> eine Siebe , in roelebet et fi(ib feinen 5**^>^rer»
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vießbnfigcm «publicum )u tbun b«t , «W unfere ge*
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i(b mi^ bem ©pteibpult nnbere , um bn nu^ ei*
uem befcnbetn , nicht febt erfreulicben asetböngnl^,
bie Siflbnabel mit bet Seber jn uertaufcbcn ! — Scb
geftebe eö te^t gerne felbft ein , wenn «Ile 5te«ens
170
jimmee tßun wollteit/ n>a« i(i^ ijt t^ue, fo aoBe Wc3 te
Mtifcret ßtttm SBelt cme Unorbnung/ bie ju «tr«»
gm Ware!
Snbeffm ßiebt ei i« bodb feine (Regel oljne 9luö*
««^tne. — tbeil« weine ©tnnben ein , ge^c
nur fetten in ©efellfc^aften , beforge l)urtig weine
Itcine j^«uggefd)afte / b<«6e feine Äinbec , unb ei
bleibt wir ju biefer 3lrbeit immer no^ ?eit genug
übrig. Sd fen alfo wieber einmal gewagt. ~ 3<b
will ed »erfucfeen meine tiebenöwiirbige geferiimcn fe
viel in meinen Äraften liegt , au unterhalten , unb
)u belehren. 9lnr eind wu^ i^ mir auw vorauf
noch von 3hnen erbitten , ba$ ®ie mir ia veraeihen r
wenn 3hnen mein (Bortrag bUweilen ein big(hen an
berb / a>t ff<>ef fcheint/ wenn ich bloß , weit ei bie
SRothwenbigfeit erforbert, mit ben mir unb
meinem ®efd)ted)te noch anflebenben Fehlern feine
Jtomvlimenten mache , wenn ich hie unb ba bie
@eiffel bet @atvre chwinge^ wo ein bösartiger @chas
ben bie feinere dluSbilbung hinbert. Qi wäre mein
gröfiet @tota $ wenn au^ id) etwas a» biefer OluSs
bitbung beptragen fönnte! (IRochte hoch mein guter
SSJilte Shte gütige (Rachficht erhalten ; unb baS ©e*
flclnbnis meiner eignen fehler @ie a«t ©elbltver*
läugnung vorbereiten; S)enn feheu @ie , wenn nur
Sine unter $hnen fleingeifilich genug würe , unb
171
Äkt c'weit lüfprift^en STuöfair, fca* getvif «idit ouf
ctnjclnc ^erfonen gcmünat fcpn n>tvb , empftnbli^ roövs
te , 0 rote fbnntc bann baö Ijocbro ei fe SÄrtnnet'
Dclfdjen tot über btefe ■©^road)I)eit Ig^ctt, roettit
cd boburtö wttenbd ,überje« 9 t roüfbc, baf ed in un*
fern 2Beiberf6j)fen iiod) immer fo leer, fo «ttt^gltif)
ÄUdfiebt ; wenn ed liberjeugt roürbc , bdg rotr gcrns
tue barum bie ©etffel ber ©atpre , imb ben 2:abel bed
SÄoröIiften nicht »ertragen tonnen / weit roir fi'e ju fef)r
»erbienen ; fnri roeim ed überzeugt roörbe, baf rote
«id)t einmal ©etfiedfiarfe genug bcft'äjcn, bie aBttuben#
bie und burdb «Borurtheile , »crnachiaf’igte erjtehimg ,
roeibliche ©tbwndjheiten «. f. ro. gefd)iagcn rourben,
burch eine fdjmerjliche Äut heilen ju lapn ; ba^
wir bet ber geringflen öperation, beren man ttnfer tief
geftmfened ©efchlecht aod) roörbtgt, roie »eriärtelte ipiihp*
eben gleidh «nfangen ju adjjen, p weinen/ p trojjen
«ber gar p santen I — O mp, roie würbe bad fchabens
ftohe 9)tntttter»blfchen über biefc Sntbeffnng iird
Jauftchen lagern tmb in bie trompete ftoffen! —
9?nr nicht p frühe geladht ihr J^errn ber ©chbpe
frmg ! — Sch fenne yt mein ÖSefchledfr beffer , ed
fehlt ihm niiht an gntem SBiffen / atlcd bad p wer*
ben, road cd fepn fbnnte, unb fepn foUte, aber mtt
«tt ©elcgenhett. 9)?an fümmert fid) im ©anjen fo
wenig nm biefed ©efdjledit , man hat fo wenig ©es
i)ult mit fetttet uitb MUttt opfcut
eö fo gerne alten @en)ot)nl;eiten unb etngerefleten asor*
urtl)ei(en auf! grau 5W(mta rougte ntd;W aSeffete^r
folglich barf bte Sechter nueb nicbW aseffereö wtflfen; bte^
(inb bte fc^tefen ©(^Inffolgen , benen man fo mantbe^
bofnungöuolle 9Kdbd)en iprei^ gtebt. öb aber
grau 9)tama asernunft genug befaf , tbren ©atte«
burtb flrenge Unterfuebung tl)rer felbft , bureb geöbte^
9tad)benten über wetblitbe ffltdjten, glüfltcb ju madjen;
baö ^auotoefen unb tbre Ätnbcr roetfe jn letten / bte ges
fellfd)aftltd)en ipfltd)ten nid)t bnreb ba^ gebanfentofefte
^flanjenleben jn verfdumen ; ob fle eine finge 5Äutter/
eine Itebcnbtuürbtge ©attin , eine muntere totjaige ©e=
feUftbafterin war , barum befömmern ftcb bic »emgftet»
aKdnner! @te finb anfrieben , wenn tbre aSetber (icb tm
®enfeu nicht »on ber OJfagb unterfdjeiben/ wenn fie im
^anbeln feine ©igenbeiten beft'aaen , fonbern böbfcb
«aebbeten , wad in jenen finiTern feiten bie ©rofmuttec
»orbetete. @ie ftnb auftieben, wenn fie bet tbcen Sßei*
bern übet bie faben Unterbaltungen gdbnen fbnnen, um
mit mebt 9ie^t bem Zeitvertreib auf er bem ^auf e nacb=>
laufen a« bürfen. Sie finb aufrieben unb rubig ba*
bet / wenn ibte 2Beibct jtlatfcberinnen , aserldumbes
rinnen/ Zdnferinnen / Äofetten/ ipuandrvtnnen / über*
baupt / im (irengften aserftanbe genommen , wenn fic
unter bem pvablerifcben S'tftnien guter ^aufweiber an
173
Ictt ©eclc Me elenbeffcen Äeöppel/ m bet ScnJung^art
Me mcbttfljten ©(^ron^fbpfe / «nb in bcn Sitten bie
;>b6eli)aftefien ©efcböpfe ftnb ! <— 3d) fege bie nietflen
dWdnner finb jufrtebeu , wenn it)ee Södjter in bie
«übntiieben Su^fiflpfen ber SKutter treten; wenn fi'e bicr
ein Äod)bucb / bort ein finnlofeö ©ebetbucb^ ober wobt
einen entpfinbfflnien SJcnum lefen , ber ii)re 9Sa‘:
nunft verbellet nnb il;re ^erjen vergiftet; fiirj fte fmb
jufrieben , wenn iai junge ©nngdjen einen SKnnn Be*
fommt/ ber entjveber ibr ©elb , ibr äfnfebcn, ober ibr
2«r»cben beurntbet/ bem er lange genug fd)ttiei^lertf(ben
llnfinn vorgeplaubert b«t; wenn fte bann nur einen
«Wann bcfbiumt, Äinber jeugt , fidb i« Vujcn weiß,
ein bid^cn fodten, ftriffen, tolleg ?cug rlaubern fann,
«nb ftirbt ! — @o b««ft M bann bei bicfen traurigen
2lugfid)ten üWißbraud) auf ?0?ißbraud), ©•jiebunggfcbler
auf ©rjiebunggfebicr, Sborbeit auf Slwrbeit, unb Äla»
ge anfÄlage von jenen oortrcfffidien iWännern, bie unfer
®ef(ble(bt gcbffiert nttnftbtcn unb eg mit Olccbt fors
tern f innen l
©g tbut mir leib , baß icb biefe ©ntbetfung fo
gerabeju jur S^an jicllcn muß ; lange brbfte fie
mich bei meinen gebeimen 25eobacbtungen , unb enbs
li^ finbe icb bc<b bie erwönftbte ©elegenbeit, et«
ernfteg SBirttben baröber ju fpre^en! —
174
ttoc& (Jinen fd; tügctt , tct
ilc roct6U(|c Söittung 6ctrift, 3c^ femie COfamtcK unt)
gßetfier auö 6ci: «ttett Oliiftfammer her Summöeit, t»ie
i)(»^ abaefcfittuiftc SSonrttöeU nilmi , aM woö «uf
»VCl6U(^e Mtitt «Bpeffc, fcp üBerfliiptg , un& I4c^ei'ltc$,
weil matt batmvd) mtfve ju lautet geleörte»
S3}ct6ern unmiobelu wolle. Su lieber ®ott, waö l)aben
beim tiefe 9)ienfci)Ctt für abfurbc «uentwifelte SSegriffe
»on einem Jrauenjimmer / bic bentt unb benfenmu^,
wenn ftc nicht 9)?af(hinc fcon will> unb von einer ©chuts
gelehrten, bie (ich ihr ganicg Sehen hmburch mit über?
püfigem ©tubicren ahgieht , ba fie inbeffen für bie mei*
fien weihlid)en ^pflid)ten , für 9ctttur unb h«ugiid)e
©lüEfeligteit lehenbig tobt ift ? SBawm oerwed)felt man
bo^ biefc mit jener ? 2ßarnm will man jungen ?5R«b*
<hen bur(^ uhel angebrachte 25ergleichung ben 2Beg jti
hauölidhen unb gefellfchaftlichen Sugenben oerfperren,.
blog weil cg l)ie ober ba einer gelehrten -Dame gepel,’
ihn burch eine minber pafenbe SBefchaftigung ju »erfehs
len? — SBic ill cg bo^ umg J^immcigwiUen möglich,
bah man noch immer bieg bummbreipe 25oriirtheil , auf
Untoften unferer jungen Srauenjimmer , öffentlich aug=
pofaunt unb behauptet? — SBollen ober mögen bies
fc cigenfinnigen , unflugen CRedjthaber ben Unterf^ieb
jwifdjen einer gelehrten ipebantin , unb einer Senfes
rin , bie über ihre S8e(Umnmng ng^jubenfen weih,
175
Usieifm rci'iteii ? — SBtc wcfj mup tteö tmgc#
teilte , unBteäfatne 5Sonirt^ctl einem ®ef(^lee^te ti^nw f
JaP man babnr^ »on bet notbigen iSUbnng jnvfiffcbrbft/
floS »eil bet Untetfebieb im SBottc UtQt, mtb bie ©acbe
felBft einen nüilicben unb nnnöjjen pinct entl;nlt —
Soeb biefer elenbe ©pott , biefeö eingetofietc
SBotnttbeil , biefet in fo maneben ©efefffebaften fidb
fo fef)t btiSficnbe 9Kiöpet(lanb/ biefet fdbreienbe , bflvt*
«affige gwadbtfptucb foU meine Sefetinnen «idjt
ntutblogmadben/ ben 2Beg ju geben / bet ung von
lienfenben «nb billigen 5Kannetn angemiefen »utbel — -
Sßit wollen bem ajotuttbeil jum Stoj unfere Äöpfc
flufbeitetn , unfete ©eelen pon ben ©ebtaffen reini;
gen , unb uniere ipfitci)tett buvd) gute SSödbet unb
»etnünftige ©efeltfcbaft etfüllen Tetnen! — 2Bie bci'äs
lieb freut’ teb mteb nicht immer auf meiner ipilgets
reife bei bem Slnblif eined gebilbeten grauenjimmetg^
bie benft unb urtbeilt , unb beten lernt’ icb ntanebe
gu meinem grB(len iSergnügen fennem SBie freunb*
fbaftlicb bot icb ibr meine J^anb / wie entbufiafiifcb
bieng icb an iljt, wie fcbwefterlicb »ertraut febmiegt’
icb mich an fie an ; unb wie oiele bctglctdjen giebt ed
ttoeb , bie nur im iBerborgenen ^längen / aber ficb oft
blöd barum nidbt and £i^t wagen , weit fte falfcbe
tBefcbeibenbcit , ober feige gurebt baran bmbert , ba
|ie jum poraud überjeugt fmb, ba§ 9?etb unb ^obns
176
geUd^te« t)er ©«tttwBett im Irtuwtt/ «m
0c mit Äot^» ju rocrfen !
3cöc @t«W Ijat in tOrcn ®cfcKfd[)aften gero65n«
It^ fo tljren gmij eignen Sun / iljeen ganj eignen
©^lenbrian , bie 0cUW) oft nii^t btc ctbau(tcb0en
0nb. 5tritt bann eine in biefe ÖefcHfcbnftcn , bie
tjebtiger benft, vetnereö leutfcb freist , in tl)tem
SSetragen ofnet/ ungejictter »0/ ftet »on bet Sßru0
weg ibte 9)tcfnnng beraub fagt , nicht imraev atleö bcs
jttbt , weii fte eg mit ©runb jn wiberlegen weiß ; bmm
treten ihre minber fnltioirten @d)ive0ern «uö bent
SBinfcl bttöot , unb begeifern fie hinter bem 9infs
fen mit bem ©eift ber 93evldumbung / roipn ibte
SEorte }u oerbreben , ihr biefeß unb iened nufjubürben^
an bad ihr ^erj nie bnebte, 0uben fid) blof? barnm bcleU
bigt , weii fie mehr meib ald fie / unb befleffcn fie nidjt
feiten mit beu «uggefonnen^en 58ogbeiten , bie fie mit
S3orbebad)t aug^reuen , um fie ju »erbunfein, ©o faff
ich fd)on mrtnd)cg »erbien0»olleg ^rnueniimmer bem
öffentlichen .^ohngela^ter ipreig gegeben , nur weil fie eg
wagte / ihren ©eiff subilben, unb fid) foroobl imSpreeben,
flfg im Senfen »on ben ailltagggefcbbpfen migiuseidjnen.
Sieg iff audb eineg »on jenen barbarifdjen .^in*
berniffen , joobur^ fo viele bra»e 9)?dbcben ges
btnbert werben, «nd £icbt jn treten, ihre Äcnntniffe
itt verbreiten, unb in unfere oftfo erbttrmlid)e Srauetu
177
/ »o tnun wellten^ n«t trin?t/
fh'ift , Hatfd)t / ober frielt / erneu riibmlt^ern Sion
etnjufiibren , ofö man itm/ J^tbet ! ! ftnbet. D bieg ifl
etneg »on ieiien «noerautroortlicben ^inbevni(fen, able
bet wei6lid)en Sötlbung tm aßeg fielen / mib il)te
SSerbrcitttns bemnten ! —
Uebrtgeng foWen tiefe cleitben. J5inbetni|Te , bie»
fe ^Äi^geburten bet teimtöKifcbett 3gnoran§ unb beg
Wtt^gelben weibiicben 9Jeibeg , nie ein fiarfcg, ben.enbeg-
teHEbpfigeg Slbab^en, in bem eine groifemdnnlidje (Seele
wo()ttt, «btalten fbnnen, burd)ibre3{uffMrung, frcioon
feiget giirdbt jum allgemeinen aSeften jn roirlcn. @te
wirb unb mn^ mit eblem (Stolj alle biefe ^inbern (fe
initleibig beldcbeln, mit gener unb Äavafterfedigfeit, mit
Ucbetieugung , bag ibr angetretener 2Bcg ber befle tfi ,
tem asorurtbeil iu trogen roiffcn , unb ibn aug ©runb:
fdjsen, aug iöenjugtfeonbnrcbfejjen, ba bie Sornen nur,
tie Dberfldcbe ihrer ^aut oeriounben fonnen ! @ie muf
fid) ni^t burch loeiblicbc geigheit , unb eiggrauc asor»
«rtheile, nicht buv(^ fchioachfopftge ginroenbungen fupers
Iluger sSRatronen , nid)t‘ burd) brohenbc Summheit,
ni(^t but(^ jdhnf(etrd)enbe sBertdumbung htubern
laffen, ihre iSahn unerfchütterlich fort ju wanbcln,
wenn (te anberg bcn tauten aseifatt beg Senferg unb bie
afetuuttberuhg bet ßblen erhalten will I
178
ßt , bteö wäre für miö eine ewige ©(iienbC/
wenn iinö 5)fenrd)enfuvcbt »oii «iifercr 93iibmtg «b*
Eöniitc t wenn und 6ec 5))66cl , er fteffe «nc!^
in wefdjent ©ewnub er inim«: wolle , on ben ^ort-
fc^vitten ber aiufflävung , on ber OSerfeincrung ttnfei
m Scnfungoflit unb ©itten binbem foUte!-— 2»fltnm
erfl nerbienten wir mit 0icd)t bed fcbwndje @efd;led)r
genannt an werben , baö and ffiaoifdjer gnrebt bie
beflen Stigenben , bie fd)6n|ien iBorjüge nicht jn er«
feieren straft «nb SSillcn bat! ®ann er(t, folltc
man unfern febwanfenben Äärafter oon ©pinngewes
Jen gebaut , bie jeber ^au^ jufammenreiffen lann/
fiudjird)cn ! —
9iicbt bed) ! — «»tntbig meine tbeuerften £e*
ferinnen ! fiafen ©ie und burd) giaebbenfen vor*
wärtd eilen, bur^ ©elbfbfenntni^ bad ©Ute gu er*
bafdjen fiideu , unb bad @cbwad;e bureb ©rmtb*
fäije in feinem aSadjetbum binbern , bitrcb £b«itS®
feit unb Sopf über «Borurtbctle wegbupfen , unb
bureb Ueberjeugung bad berrlicbe S'-tf erreidjeu I —
£tt(fen ©ie und mit SefeigEeit an biefem 3weE ar*
beiten, mit 3lnfrid;tlgEeit tmfeve itbotbeiten verbef*
fern , mit fefiem SSorfaj wenigftend ba , wo ed um
unfere jeit(id)e unb ewige ©lüEfeligEeit ju tl)un iiT,
audbarren , mit männlicber ©tanbbaftigEctt bureb*
bringen unb fiegcn ! •—
Sitt ntemem fluten SStCfe» , uu& «« memet
58erettu)illi9fett, Stjneu/ metne Sefle, foutel c9
»evmufl , I)ierimtCtt &tc ju 6ieteu/ foll c6 ge*
wif md)t fehlen ; btc gettngett ttalentc , btc mit
bic SSorferjUttfl f^enfte, unb baö bi9d)Ctt €rfal)runfl,
iai iij mit fammcite, werbe mit tuufeiib greus
benju btefem 93orbaben bemijieu, ®en ©toff/ beit
U) bfljtt wäl)Ite/ ctttbflft mein uorgelegter ipiait, fei»
ne 3tu9bebttung unb SfÄunrngfaltigfeit b«ngt tjt »oti
Saunen mtb Urnftanben ab / um <M ba9 , wa9 mit
tm menf(^)li(ben Seben baju auf}to(fen wirb/ baju ans
wenbbar ju matten, aiber wie gefagt, teb »erbitte mit/
wie Stabner'/ aüe üiugiegungen t nnb glaube nidbtr
ba$ ftcb iemanb in meine @at»re einbrängen wirb»
SJtein 5£on fott mit 50?uttterteit unb ernfl abweebös
len , um bie ©ebult unb 9?ad)fi'dbt meiner Seferins
wen ntebt ju mi^raudjen , unb wie febr wiirb’
cö micb riibeen , wenn bann baS @tüt butte,
ni^t }u miffalien , unb mtd) baburdb alten meinen
Seferinnen ju empfebten»
£>{c ^eraiiögektinn»
In: Amaliens Erholungsstunden 1/1790, 1. Bd., H. 1
180
153
tnriitc S^cuevflC/ &e btefc ®tnfc
t)on cinfnt 6Uberit, teutfc^cn asjctfie «n; SbJ'f eiaenc
Vernunft setgt Sbncn bte SBcge , «uf rodeten man juc
filüRicbeit ©attin merbcit fatin / bte ©ffftbrmig fagt 3&5
mxf nwö eine glüfltcbc ©attin {ft/ iveld)C «nbcfcfiKtbs
Me ©Itiffeltgtettcn tbr etgeit fmb; fd fömmt ntm blo^
flttf ©ic « 11 / ttitt viele örtgmate ju meinen Kopien jn
Kefeml —
m Ql. e
SKeine ©toffeti
Über 5Bött:
50lantu
(Sittl SlmrtltcnöÄaaebnc^e.)
tc^ itingfi in meiner Äi5d)e nm ^enerßeerbefimib,
amb flflnj gelaffen (eine itngcnb, bie mir fonfl feiten eigen
ifl,) «uf baö äufjleigen meiner sfHilcb wartete, bie juei*
tierSnppe beftimmt war; ba bort’ teb plbalici- inmeined
Siianneö gimmer ein müebtiged ©efebrei ! — ©ö tönte
eben ni^t getabejn wie and einem ©änfellall/ aber botb
wie and einem ^Änerbanfe, wo bie^^bnennter einanbet
181
154
im ötjiiaftctt ®efed&te fmb. Fimmel / wa^ ijl boS '
— ?0?etti SKamt wirb bocb ntd)t ctiv« mit feinen Be;
fu^en^onbelönfnngen; i<b fenneben SBrnufefepf, wen«
man ibm ba roiberfpritbt/ m er feiner ©a^c gcipt^
tjl! tittb i)ufcb war t(f> beim Äü(^enfcn(ier(^en / am ju
loarcn. ®er ©treit würbe immer lauter/ bic SJfÄnner
unter einanber immer befti^er/ mein feuriger Satte
febrie unter allen am drgften l war ein fotd;cr £drm/
bap icb erft nad? einem SDeiieben baraud flug werben fenu:
te, rooröber fic ftcb cigentli^ janften? Sd gait bei
meiner Sbte feiner Äleinigfeit — cd galt bem nielumj
fapenben SBortc 50?ann! ©dbon lange war i^ neugiej
rig/ aiub einmal ben wa bt cn 93er(lanb biefcdSßortd
einrdtbfeln ju bbeen ; weil id) and ben nicbiid)en , pn^
beindrrifdjenSingercben/ bic beut ju Sage wie abgerieb^
tetc ©eboedbünbeben um und grauenjintmer berumgau*
feitt/ gar nicht fing werben fonnte. 3^ bteit biefe fiipcn
3Befcn/ biefe buttcrweicben SJfann^en/ für überpüpige
SKittetbingcr jwifeben 2Bcib unb SKann. 9)?an fann p<b
feiebt benfen / wie bei biefem ©cfprddje meine ganje
gtupnerffamfeit gefepcit würbe! — 3^ bot^fe mit ges
fpanntem £>bt/ unb bbrfe fofgenbed :
erftc ©timmc. 3«/ weine Herren/ wie ge«
fagt/ wer bem Sffiort SKann ebte ma^en wtH/
182
155
t)« ntu^ flcmtj BcITijcn/ «m fccn fc^ons
flett/ tnättnlt^cn 5S>?o6epitj au roäljfcn. ?um SSctfpicI,
eine fein gefwufelte 5rif«^^ wit einem \)i-.
^en Äopfe, bcr ben leeren 4)trnfd)ttbel beft, atoei bcbie,
burcbft^tige g«ufc^montrcö,non anrten, lueibiü
(^en ^«nbcnre^t niebli^ gcfnüpftcStofsunbUbrbanbs
^en, ein buntfcbäffiöt fleftreifteö Äieib mit ©(bciben=
Inbpfcit/ bie^embfrflufemttfi$mden6piaäcn/ bieOUit:
ge mit ©ilbouetten unb ^««ren garnirt/ grofe non eb
nem ^ferbgefdjiix entlehnte ©^whfchnallen , ©trümpfe
mit grolHeln wie ein SBaurempcib/ fura nllcö pcm Äopf
big «uf ben Juf mu^ bem galanten @ef(hmaf beg
neg , unb btefem 2Bort entfprechen 1
5raote©timme. 6i behüte! 2Beit gefehlt;
bieg alleg gehbrt nidjt a« bem ffiortSKann! S)ae inei^
ich be^er! S)ec5D?ahn nach meinem .^opfmn$ feine Sets
benfehaften eben fo ntenig a« befampfen »iffen , atg ein
anbereg fchtpachb^ ©efchbpf. Qt muf (ich eben fo gerne,
eben fo ämfig mit ©tabtflatfdjereien abgeben , aig bag
erfte be|le ^bfferweib. Qt barf 9iiemanben leicht ocraeis
)en, nm feine ©tanbhaftigfeit an beioeifen ; er mn^ um
lithtg nnbwieber nichtg braupeu Eönnen, weil bieg gen:
r in feiner 9latur liegt; er mu§ recht fthwachEöpfig übet
inroichtige 2>inge eine SBriihe gieffen, in feinem ei=
enfinn alö ber ©tärfere gegen ben ©chntadjern fleif
183
156
tinl) »e(l Betörten , furi imb gut nfe wotteit, wa^ feir.
SSSetb rotll, unb foKte jic «ueb in gcrot^cn Sättcit noib
fo recht haben.
®rtttc@ttmmc. 3hth«btalIcUnre(ht/ tchwetp
eö noch beffer ! <2tn «Kann, ber eS im ganjen 9Ser(ban«
be btefeö SSortö fepn roitt^ bet mup ganj nnberO ben^
f en / «lö ihr mtö ba »ormacht. J^brt mi^ an nnb ftaunt !
Grjtenö rau^ er um feinet SBequemli^Eeit roillen ben
grieben lieben, roenig unb langfam @uteö thun, um
feine Kräften ju fchonen; gute Jpanblungen gefchioinb
mteber bereuen, unb fic bem Unglüflichen re^t fauermas
then, in ben beften SntfchWfen roanfen wie eine beraufch*
tc Sliege, über gar nid)tö nachbenfen, roaö gjjenfchens
wohl betrift, baö gegebene SBort toieber jurüfjiehen,
wenng ihm beliebt, ober eö gefchiftjnoerbrehenwipen;
feine wäferichte Ureue allen anbieten, joortbrü^ig wer*
ben , fo wie er bic J^anb umbreht, weinen unb winfetn
fonnen , wenn er ftch auö Zufall in ben .Singer rijt ,
fchreien, toben unb fluten, wennihm baö geringfte ^iui
bernig in ben 3Beg tritt, alteö mit rafchem ttngeftümm
»on ^eitju^eit eriwingen wollen, aber bann rc^t feiebs
fertig jurüftreten, wie eineSKemme, wenn ihm üchtec
gjiuth entgcgengefejt wirb.
iSiertc 6timmc. 3hr feib alle famt unb fom
berö SummEopfel 3ch weif unter «Hon gm beften <
184
157
waö s« »odflHnbitjen SBort 9)?<ittn gcljövt! —
ein «d}tct SiJJflnn/ »erficht nttc^ wo^f, ein rcdjtet
sOJanit tnnf in ber ©cfellfcbaft übet nlfcd Imit mtb totcl
fpretbett/ aber wenig mit ^ufmnmcnbgng unb Äopf. ßt
muß bic ®rei|tigfe{t bcfijjcn über geitfebriften , bie er
tti^t getefen b«tf über ®ekl)tte, bie erniebt fennt, übet
®ü^er, beten 9?«tnen er nicht einmal anöroenbig weif,
furj über atleü ju urtbeilen/ allcß ju befritteln/ wad et
nicht »erfleht / er mnß mit einem SBort in ber Ännfi
geübt fe?>n , mit unftnnigen «OTachtfprücben um ficb jn
werfen, mehr »tanbern ald er benft «nb »erantworten
fann, anch atteö, waö »on SSleibern getban, gefproeben
ober gefihrieben wirb, mit lautem ©efchrei ju »erhöbe
neu wifen, »or allem anbern mup er ftclj bemühen , fein
eigne« ©elbjl wichtig a« madben, beflänbtg gegen bie
eitelteit a« f«Ibe a«ben, aber babei immer ficb felbfl
loben. ®er geringfte SBiberfpruch muf feinen J^ochmuth
empbren, ermup brummen «nb ©efi^ter febneiben fbns
neu, wie ein wilbetaSar, wenn nicht jeber tbut, obet
glaubt, wa« feiner »erwobnten ßigenltebc fchmcicbelt.
günfte Stimme. ®a hafl bii recht, SBrüs
bergen ^ wir fpielen auf biefer SBelt feine unwi^tige
KoKc! 2Benn un« jemanb .belcibigt, fo mülfen
wir un« auf ber ©teile au rochen wipn , »craeibe»
ijl fchwachföpffgl ©inb wir (gelehrte/ fo fehlt eü
185
158
«nö i« ni^t «n gute« ©elegcnl^ctt/ jum ®cl«c&tcr ctnee
©ritte«, «nferc 58ri5i)cr Jff entließ ju «effe«. ©tenen
»tt fl« einem J^ofe , fo fteffen wtt «nß hinter tiie
©(^WÄd&^eiten etne^ SÄfften, «n& fc^tefen Pfeile ab fo
viel wie wollen, «nb auf wen wir wollen. Stenen
wir bem ©taat, fo fehlt eö unö wieber nicht anStnlaf
unfern (Shtgeij ju maften, unb nnferc SBörfe jnfpirfen.
©inb wir .^anbwerfölcute, fo gebieten wir mit ©efpo:
tiömuö unter bem SGBovt 9??ann bem Sffieib, bcn.Kiiv
ber«, nnb bem ©efinbe ; jeber ©tanb bietet nnö sjtnlaf
bar, unö im Slnfeljen s« erhalten. Söifi hoch cinherrs
liehet ©efchcnle um baö a35ort?*Kamtr
© e (h ö t e © t i m m e. tim SSerjeihung , weine
J^erre«, ber ?tl?einung bi« ich nicht! 5^ in mei*
uem ganje« £eben meinem lieben SBeibchen nie gebier
terifch begegnet ! — 3ch thue im J^au^roefen atleö , waö
i^ ihr an ben 2tugen [anfehe , wenn fic föt, fo fleh’
i^, wenn jie ißt, fo hungere id), w^ttn fte lacht, fo
ladhe i^ mit, wen« fte weint, fo weine i^ auch tnit,
wenn fte fpajieren geht, fo bleibe ich h^bfeh ju .^aufe;
mit einem SBort t i^ lebe in ollem na^ ihrem SBiDcn,
bi« ich nicht re^t brav?
2t H e (mu lautem ©eiäcftter.) 0 bu elenbet ©topf
bul — ©tt machfi bem 2Bort SWann ewige ©chatte
be!
186
159
SSorigc ©timnte. Sd)? . . . Sa w«nim
iienn? 9Jfeine ^rait fagt ja immer, eö roäremit fei*
«em liefet aiidjitfommen alö mit mir. 6ie niieberfolt
cd taufenbmal , fie rootlfe liebet I)c«tc no(^ jterbcti , ald
mit cirrem balditarrigen ©trubelfopf leben p roiifcn ,
bet gar feine fcbwacbc ©eite batte , bei bet fie ibn lens
fen fbnnte. 3cb banfe bem Fimmel für mein rnbiged
ftemberament-/ ba lebe i^ fein bübf^ im grieben.
Siebente Stimme. S^nn ja, bn eingebeljte
©cblafbaubc , fo lebe im gvieben l 3^ »eKtc mir ia
lieber meinen ©cbabel wie biefen ipfeifenfopf jerfniffe»
lapn, ({'«if t«3 Sie Weife unter ten Sufien.) ald mid) JU fol=
^em SBeiberunfug befiimmt feben! SBrüber, id) wia
euch einmal ben regten iSegrtff »on bem SBort 9)?antt
beibriiigen. 35en Zeigefinger auf bic Stirne , fperrt ben
SKunb auf unb b^rt! — ein 9)?ann .... nun wo blieb
id> benn ? — €in 9Kann . ♦ . ifl ein CWann !
Unb ein 8Bcib ifl ein 2ßeib, fiel bem flof«
lenben erjablet in bie Oiebe , unb trat ins
merl — 5)?ir fcbwinbeltc über bem belaufibten ©e«
fpracbe ber Äopf, unb bo^ fonntc i^ auS bem ©ans
gen feinen rifbtigen @d)luf über baS SBort 9Ä a n »
berauSbringen , ob icb fllci<b In meiner Äütbe aufs
ferorbentli^ barüber «a^glofirt^l -- 3«b füblt^
187
x6o
föt Mefcö SBort fmmcr fo gwfc nße
darunter fo «ntcgrctflidjc SSoHfornttteuIjcitc«, uub tmtf
(jt «fldj bem eigne« SOJdnnergcfidnbntö ^&ren/ bnf wettet
nttbW bfltnntet (Itffc «lö , , . . gebrccbttebc 5Wenf(^ettl
«0?. 9t» €»
In: Amaliens Erholungsstunden 1/1790, 1. Bd., H. 2
188
81
<;(a{!6 bcr tt«uc(1cii ©agc foffcn bie Ätraffiurgtritts
tien ficb Bccttbrcöct 6c» 6cm Icjtbin gcfeicrtm
9?ajlctifl(fc(l ♦) «ntct ftcft «inen |>atciotif(b(n SBunO
gu fcblicffen/ unb »bn auf bct namtidjcn SÄuc, no
bic ®annee b«ni QSafcrIanb Skuc fcbwuren, eben
fo feietlicb iu befebnbren. (S$ nutbe gang gentf
baju gefontmen feijn , wenn man fl« n»»t ÜRacbt=
iDocten guBufgefebroft f;äftc. 3« biefem 6ntbu|ta«=
m«g fuc8 ffiatetrlanb ftnbc teb boeb tttebf« tCabelbafi
teJ. SBarum foH «S bei ber allgemeinen gcenbe
Hiebt aneb Leibern erlaubt fc^n, 2ic0e fiitJ ®at«ri
fanb gu fublen unb gu äuijcrn % — 6ie fönnen freU
lieb atJ baJ febroa'ebcre ©cfeblcebt niebt fo leiebt g«=
gen btc jetnbe be« SSaterlanbeJ feebten; boeb bicj
beceebttgt nicmanb ben 2lu8guf bc8 febönen pateiofis
feben ffiefübtt gii b‘n6crn. fflfan bat ja ^cioeife,
ba^ 535eibcr (14 »»»» lWotbfall eben fo flanbbaft ott--
tbeibigten at« SRänncr. Unb gelang «0 ihnen oft
nur ffitr4 2i(l> fo roar «8 boeb immer ein Opfer
für» UJaterlanb. 3« iuttieb oerfeben ble SBeibet
roirfli^ bie SBaeben. 34 »itl eben niebt bebaups
ten, baf (ieb bie« fanfte @efcblc4t unnötbig unb
Hberniutbtg g« biefer rojtben, ibm unnatürliebcn ^e=
febÜftigung emporbtängen fotl? aber «8 i(l boeb febc
♦) ®ief«s ffeu ig Im ®coba4tcr bico. 48 . mibso, wfitia«»
ftfl 6efrf)r(eten tvorOen»
a« Q3äntc6cn» ^
189
8 «
unbitttg , «eHtt ntan «3 im!) gar »on affm d<» 5
triotif(i)cn ®inn, i'on oHcm töa« gtof unö c&cf i(I,
au6fcfelte(fcn ««ff» «m ei mit fcetjorurtijeiftcti «OfacJit«
fpeiicftm in fein ccb«tmß(^{J juciiNft^feu*
tjcrn! Saburcö JJwgt man if)m ©flancnftnn un&
gcig^cit ein, tmö tie SRünncr bürfen |i<^ bann
nid)t mcöc imtnöcrn» wenn c8 (14 oft wrf^tcjfcn
unö fjcimtüffifcö jeigt. Sie fann ein fwt f4önc
^anbiungen abge(iumpftc3 @efc{)(e4t gegen ®atte
nnt) Sinbcc, gegen 9lcbcnmenf4cn unö Untergebene
gco8 unö ertjafacn ^anöetn , wenn in i^m jeöeS Jünf;^
4en geuer mit ©ftaocnflnn gemifeftt i(l ? Sie fanti
ötefe« unteröriiftc 0ef4te4t gute Süttec ^etoorbrin»
gen, eb’ eJ gute ®tirgctinnen bat? Sie fann et
ouSgejeiebneten Jugenben na4|l«ben, wenn e« fic^
itiintee im Sirfet atitaglieöcr ©efübte berumöteben
muf 1 Sarunt foff öa« $erj eines Seibes für Sa»
teclanö unö <Eb« erbabence, nicht feuriger,
ni4t befeeiter, nicht tbäfiger, nicht grofmütbiger,
als Öa3 ihrer Sagb fcblagcn öürfen , ebne baf ma»
fle auSjifcbtl San tajfe öoeh öem njeiblicben ©e^i
febieebt auch einmal gceibeit Ju öenfen , ju banbetn ,
unb (Ich Uber patriotifche Sugenben ju freuen, unb
wamc es er(l bann, roenn d bariiber üie iDcibtiche»»
^auptpflichten »ergift, ober (ich übereilt oo« aller
Seiblichfeit loStDinDen, unb überall SSnncrrotlen
fpielen iDidl ®oQ Denn bieS tiremnifirte ®efchlcchC
83
cni^ B6I1 ötitt bcP flujgffrfilofl’cn Hcis
bsrt , «nö m«c »on Bern männfit^cn fficfd)(c(f)t« gcat^a
t«t ncröcn, wemt ti 4«n 2tcb« crtcttcfn rotin 3(1
fca« ttiföt etgcnnujjtg, nic^t btfpotlfiß, nic^t nUi
Drig, ni^t lucit unter ber ®uröe DeB SfanncSl
Dbec fcbmetc^clt c$ etna bem mannltc^cn @ts(jc,
iDcnn er fo gar über b(e gntpfinbungen njcbcl»fi:<
Sftaöinnen gebieten barfl?? —
SÄ. sr. g.
In: Amaliens Erholungsstunden 1/1790, 3. Bd., H. 7
191
Tiet offene 55riefweci§fet^
64rrf6e« <w We fctefet !Won«Wf4tfft
Mn H«8« «{^t fm ©hmb^ j« »erfebwetgen / mte
f*6t 3b«tt 5Knt^/ 3bren «n^altenbeji Ctfct/ 3bie
©cbulb berounbete. ®fe fibteibeti bmtW febon «mbert*
bolb 3«bre 3bre SlmßB«. @te ottjttfflngcn wär ein
flrofTer 93orfaa, iinb noch grbffer 3br 3R«tb ^ |ie fort*
jufejjen. SK«n foDte Sbnen «ine ßbKnfüole nrfebten' /
*t??abflm! mib id> rearc, wenn’ö b<tiwf4nte/ gerofb cIs
«et ber erjlcn/ btt bron arbeitete. -- 2Ba8 ba« nt(bt
p5r ein Untetnebmen ift , bie abebtet ®entf<blanbg befs
fer mib »ernünftiget ju machen l O, wenn Ui gelcinge
— noch einmal ! eine ebrertffiulr, cbet jeben flatt 6is
ner gebührten 3b«en ! SBobl emtb / ebne bnb ei gelingt I
®etm ©ie (tnb roenigfleng gewib nfebt fcbulbig, wcnn*5
mibiingt. iilber feben, ©ie, ben ?0?ntb bätt' feb et«*
mal nicht. 2)cnn ich iebc be8 frarfen ©(anbenö/ bftf
baö reobl Ui fcbnierfle nnb b»ffi«wttggtefe(tc 2BerP alfec
febreeren nnb unbantbaren SBerte ifl. Siebet J&immel,
wae ift ba all’ a« be(Tern, nnb, »eim man auch nur
etttiag non bem attem befTern roiü/ n>ie febwer mnb ba8
jugeben? — 3ü) bin eben fo gut ein ©obH Sibamö/ oM
anbere, nnb b«b’ olö’ (Weber mobb ntebrmaW mich inner*
lieb gebrungen gefunben, mit bem fogenannten febenen
@efebled)t Umgang ju fneben ; aßein — aßrfn — »nb
fab gerobbnlteb gar febbn »en mcitem «nb ton anlfeit/
unb in ber 9i4be — ba fanb ich eben geibSbnüeb, ba§
hinter bem golbeiten Ueberaug S3let nnb (gifen fieffe.
<gben bee'roegcn i(t bie SBcmübung^ beifet $« machen.
192
263
»«6f? 5«/ «Wakin! ©tcbdtm
ten nunbeittidtisen @tein bet QBeifen ober SOeopbraft^
fc^on gefnnbett/ nm S3(et «nb @tfen In ßiolb oets
tvanbeln jn (bmien? ^urj unb pt! mein ®(Pben
baf ®ie re(bt f(bbn imb ebei b<mbe(n/ unb «He^ tbnn^
mai lieb tbnn I4^t/ aber b<i^ ®ie bo«b nm betündität
bet ®ubielte willen weniö frenbe »on 3btw Slrteit er*
leben/ unb Sb«« unermfibeten gleif / 3bte liebe Seit/
unb ben Sinfiopb von febbnen @a4)en/ bie @ie fageu/
wob! gtbfienibeiW »erf(bwenbet hoben werben. 9Son
«Den fttg’ i(b nicht / behüte bet .^immel! eggibtSTnö*
nahmen/ unb wenn eo 3hnen genug i(t/ von biefen we«
ttigen iSer^ünbigeren geehrt unb benüjt ju fepn , fo jinb
®ie «Kerbingg belohnt. — ®ie (inb nicht metneö ©tflu*
Uni, bttg feh’ ich wohl; fonfl fchrieben @ie 3hre Slntus
li« nicht fO/ bfl^ fie lebem benfenben unb richtig ems
pflnbenben gefoOen muf , ni^t fo angenehm unb rei^enb
für affe/ bie wiffeu/ wa< fchbn ift/ ni^t fo belehrenb
fit bie, bie 0ch belehren laflTen wollen, fo hütte 3hte
Slmalia nicht fo »iele , nur ben aseminftigern fühlbare,
Reinheit unb Slugbilbung; bitten Sie meinen ©lauben,
fo würbe in 3hrer Slmalia weit nicht fobict Sutrauen jn
ben aserfianbgfriften unb bet ßmpjinbung 3hreg ipublia
fumg ftchtbar fron. ®cnu ich weif, bah eö Seelen gibt,
bie nicht fein behanbelt fep wollen, unb ihrer atatur
193
264
tta^ eä nid)t fepn rinnen / «n^ in ic^ n^n MeSrp
te , Qit meinet veflen 01anien< ju verftc^etn , ba$ etf
viele foJc^e @eeieit st6t/ beten iKugen Stmniia (es
fen / uttb bte fiupfer batinn befeben / nnb bete» fehlen
n>ol)( an<b ein £ieb<b<n bataug ttillern. 0{i(b büntt inu
tttet, @ie mfa^ren noch vieli» ftmbet(i(b »nb fcbonenb/
®ie geben bie ipillen immer noch ein bi^iben &u verß(s
bert ein. iSielleicbt — bemt ba^ vetfieb’ icb u>ob( niebt
fo gnna recht — • i|t bnö nbtbig; «bet icb vermbcbte bie
iCbeebeiten obet itoQbeiten^ ben finbifcben Uebetmntb/
bie bW ünter’^ £öcbcrlid)e »et(iu(enbe SiteKeit, boö «b*
gefcbmafte Dofiengepuj, bie unbefd-teiblicb feeteniofe
0inbi(bung «uf ein fcbineg ©eßcbtcben eher ein (cbbne^
Äteibcben , bie tobe obet oerfleitere t «bet jebt «Bgemeb»
ne^ 2ßoUiü(ligteit/ bie «bfcbeuficbe iRÄfonnietfucbt« ben
Sieib t b«ö unjinnige ©efeilfcbaft^geplouber — 0 .^ira*
tne(/ n>«^ «IT noch mebr? icb vetmocbte biefe artigen
0igenf(b«ften nicht mit fooiet @cbommg nnb äittigfeit
ju beflrofen , wie ©ie ; für biefe ©eelen glaubt’ icb eine
berbete ©pt«cbe notbig ju (wben. ttiib weit icb b«g in
2bter 2(nt«(i« nicht finbe/ fo fcbiieb’ i<b/ baf ©ie ges
neigt finb, bcnttbcbtern unfrer ®«uen mehr juintrauen,
«lg ich. öbet motten ©ie etio« ben groffen ffbeil 3b*
tei @efcb(ed)tg ni^t ju febt »er bem aÄdnnervoK pro*
fUtuircn^ tp«g mit gleicbfaQg n>«btf(btin(icb ifl/ iveiiicb
194
26,5
<w^ Jegreifett !«««< wfc @tc 6ei3f)ret
SÄenfc^enEcmttntJ 6en fo fcßr tiefen ®rat > , worauf jener
groffc S;i)etl fie^t/ ni<^t fenneh fcflten — o 9Kab«m !
tiefer grolfe 5£öeil proftituirt (tcb fel6ft, unb mögen
6te’ö ibm nicht bentlich unb runb hcr«uö fagen , baf
et fo erbärmlich pwflitntrt? — Sich, ich h«ttcman*
ijti anf hem ^erjen; eö wnre mir aber herjlich lieb ,
wenn 6tomit beweifen fbnnten, baf meine SSorftellung
non ben beutfchen abchtern im ©anjen falfch fep. ©as
gen ©ie mir bie Shrifle, bamit ich mir 3hrc fchonenbe
SSehanblnngöart ctfl^ren fann ! — ÜBeil mir aber ba«
liBagefhif leibhaftig oor Singen fleht, ba« ich ba unters
«ommen h«be, mich mit 3l;rem Jraueniimmerpublifum
ju befaffen , bem ichfo gar wenig ©üßigfeiten unb Äom»
plimente ju fagen weif, unb gemeiner bin, unb bamit
ich nun ni^t riöfire, bem 3orn unb bet iRache beö hol»
ben, fünften ®ef(hlechW preifgegeben gu werben, wenn
©ie mich etwa bemfelben gitr ©chau au^flellen wollten,
fo oerfteP ich mich tief hfttter meinen Flamen, unb bin
mit gBer SBewunberung unb auf alle» gaB
Shr
gehorfamet * * *
195
266
II.
Slntwort ^erfe^>en*
.^ert! SBet Sie «m(^ fntmet fc^« m69e«,
3^rc l)«t mt(^ unter »iclm anbcm «m tneiflen
fiberr«f(^t! t|l mir nun clnertet , o6 @{e In einet
Uniform/ in einem galonirten ^(etbe/ ober in einem
(tmpeln Ololfe jieffen , flcnug i4> «ntroortc 3I)nen iffent*
Ixdii unb eben fo freimütbig/ «lö @ic an mich fcf?ries
benl SBoBen @ie bann bicfen offnen SBrieftoeibfel
fortfeajen , fo ffcbe i^ ju SBcfebl / nur muß iib mit btt*
bei in ^ulunft <md) bie geringlie 0d)mei(be(ei oerbitteu/
benn aufricbtig gefproiben, alleo, road oon ßucb J^erren
ber ©cbopfiing fbmmt , i(t mir oerbacbtig ! Um fo mebt/
b« wir armen 2Bcibet gar nicht mehr wiffen/ wie wir
ed gncb ungenügfaraen Spinnern reibt ma^en foDen?
9 Im jt^erflen ift ed wobl/ i<b banfe 3 bnf» föt Sbre
mir iugrbacbte @brenfduie mit einem grofmacbtü
gen 1
Slifo ©fc, mein J^crt/ bitten ben SWntb nicbt/
bad weibticbe ® efd)ie *t jn leffern? SBclcb ein
lieblofer sOiadjtfprncb ! Cntrocber iff ti 3bnen unb 3b»
reß glcid)cn bamit gebient/ bnfi eß ungebeffert bleibt/
ober ®ie bßlten und gvauenjimmer für boffnungdlofe
267
Bef Jenen iebe 5)?i5Be tjctloren gebt.
Benfe Benn bo<B uon mefnem eignen ©cfcbiecBte ein
BW<Bcn BWtger «W &e, tnefn J^crr aBeiBerverbamntcr!
Sd) rociB jwttt retjt gut , B«B eö fid» im ©ur^fcBnitte
t»o(B niete SJföBe geben muf / nm Ben je^fgen BocBge*
flxmnrett SorBemngen jn entfpredjcn / «Bet fd) weiß oucB,
B«f eö Baju Bereit i|l/ wenn man eö nut re(Jt angreift.
(SH auf (SndB fW4nner fBmmt eö BaBef am meiffen
an. 3 Br möft juerft anfBBrcn, Ba^ S8 tei nnB (St*
fen Ben 2Bct6em ind ®efi(Bt für ©olB anjupreifen ^
um M BurtB BnrcB Bicfc Süge finnlicBe 58ovtI)cile ja
erf(Btei^en. ®« fteft cBen Ber Änoten! 3<B wette,
wenn 3B* aufBBrt, Bicfem oBneBtn eitcln ©cf^IeeBte
fc nnpnnig mit ftecBet (Stirne ju f<Bmei(BeIn, eö fo ge»
»iffenlod anjulögcn/ an ijm nur Ben girnif jn loBen,
mit feinen J^aarloffcn ju türtBeln, Bann wirB ed ff^
BalB BemuBcn, mit mi Befferem alö BIc8 mit 58Iet
itnB ©tfen ju gtänjen.
3a woBI , mein J^err , Bin idB niä)t 3Bred ©tau»
Bend ! ©onft wörBe icB ©nd) «Dfinnern jum iCroj ni^t
fortfaBren, Bad nerwaBrIodtc ©efcBtecBt auf ficB felBft
aufhterffam jn ma^en ! ©eBcn ©ic, i<B »erritBtc eben
tnft©eBuIB ein ©töfcBen arBcit, Bad non©n^?D?^ns
wem nfcBt BerOTBBe wertB geBaltcn wirB, ed juver*
rftBten f UnB wanBett je Bier oBet Bort nocB einen Bie
268
2ti(l bfliu m, Iwntt er ei mit febanterei/
rber Sitterfeit/ ble mehr ftbabet äli näjjct. ^amrf»
b!c StttKeniimmer ffnb öntwttnberlltbeöef^bpfc!
SBönSugcttb auf an baö nunber €rn(ta gewbbnt^ gtttf(|t
jebc finftcrc, trofne/ fcbulgercc^tc 5Rcraf an tbnctt aK
@te fefeu/ gäbncn/i unb Icgeu baö Su(^ twg! 5Jfa»
tnu^ i()ten fafe(nben ®e{fi: burcb feurige unb muntere
64)reibart jn mtcreffiren wiffen , fen|t flattern (ie »o#
bem SBUbung^butb jnm SKobejournal/ baä ibret raftfo^
fen 5anta(te mebr Sefebafttgung anbietetJ liegt
aifo Mo6 an ber 55Jtanier , bie »eiblicbe 2tnfmertfamfeit
ju feifettt t an ber @ie fo febr jweifeln.
3n wie weit icb biefe SRaniet getrefen habe, famt
t(b tti^t entf(^beu! öft mifebten ficb öWe Saunctt
ing Spiel/ unb i(& fpracb tieHeicbt Wbuet/ al^ ti bie
febott Pcri^rtclten öb«» ertragen fonnteti. gittein ba*
fir mubte icb amb red)t büffen/ einige betauten 9teroens
jttfiänbe, unb nerlieffen miib mieber auf halbem 2Begel
Sehen Sie, bah; Sic ftcb auch htCK““**» wtw
Sie behaupten , iib behanble bie S^hetbeiten meined ©e*
fcblecbtö gar ju fäuberlkb, gar ju bclifat. 9!utt werbe
ich mit angerobhuen , bie bitterfien SSahrheiten ftbitfemb
porjutragen, uubjtt fehen, wieweit \ät bamit fomme?
3luch bie grilhli^ groffe Sehlcrfi|te/ bie (^e
meinem ®ef«bte(ht porrechnen, ift jwat in fo weit ti<b=
s69
rtj l 9lb« |ic wirb Odttnjtttjtg werben , wenn 3br 9)?dnf
«et butc^ flögere welblitbc erjtebmigöflnfraltcn, «nb
bnrtb ernftereö Setregen gegen mi butterwettbc ©e^
f(böpfe baö ©urige tnctnJ^etX/
finben eine herbere €pr«^e s« Stlgung btefer gebiet
flbtbig ? SBeft gefehlt ! ®a würbe« ®ie bet bem ent«
|)|rnbrt<bett ©ef^letbt ftbbn «nfomwen, ba9 immer ron
tttümtU^en Söflingen umringt ift! ©ntfernen Sie
nur anerfl bic9 Ungeatefer, bamit ft<b bie erfcblafften
»etblitben Sternen wicber (tdrfen fbnnen, cb’ Sie mir
einen fotcben SBetfutb anratben. S)(tf i<b nun nicht alle
weibli(ben gehler fo gerobeau unb plump weg aur Sch««
^injtelle/ b«au h«be ich nun freilich meine llrfnchett, ich
«bebte b«b«r<h Shtem fehlerfreien ©efchlecht
ten Stiumph n«ht fo noDflönbig mochen ! Äeift eö
hoch ohnehin immer mit nnO, unb ich fürchte^ eOmb^te
in SSerfuchung gtMthcn, un9 gana entbehren au
IbnnenI Uebrigenö w«r e9 mir fchon oft unbegretfs
lieh/ wie biefe ooIUommne iUbnmOfbhne ftch mit
fo uttooHfommnen SBefen hoch fo «mfig befch«ftigen fbn*
nen? — ©Ifluben Sie mir/ meinJ^err/ Shrc 93otfieI*
(ung oon 5£cntfchl«nbg Stbchtern i(l im ®«naen gewif
fttlfch ! gr«gen Sie nur Obren ©rofoatet/ wenn Sie
« 0 ^ einen bepaaen/ wie (ich bie aßetber gc«nbert hüben.
Sollte Ohne« b«nn noch ein Zweifel «uffioifem / fomefs
199
270
fen ©tc mi 6 cm ici^cn gj?4miett)ott/ «nb ©ie
roerben ntd)t irren! ■Snbejfen tnüffcn ©ie bocb fein
0 uteö ©eiuifien b«ben, fon|l würben ©ie bcro
granenjimmer 3 f)te Jcbbe nitbt im ©unfein anbicten. . .
Scb überaefie ©ie bictnit f«wt Sbrcm ©riefe fJierl«^
bem weiblichen ipubliCum/ nnb bin verfichert^ ba^ ©ie
buibfamcr werben bebonbelt werben/ «IiJ ©ie ti vet*
bienen ! Äommen ©ie mit aber noch einmal mit fol*
eben ©pisfi'nbiateUeit , bann feilen ©ie nicht fe aelinbe
burebfemmen , bad verfpricht 3 bnen
Obte
ergebene
SK. 2U e
In: Amaliens Erholungsstunden 2/1791, 2. Bd, H. 6
200
xm. 3Dte CinpeMeviit <tue ^cu 2((pcit.
2 (n ^ciitfd?lrtiiö 9 nut>, « 5 * 1 '^****'»* f<^5nc, {tcC'cit$4
ivtivbige iJödjtci'-
5J>neiy meine »etebruiittiJrourbmjic P^Sunertimcn iin® Sceun#
blmitn . lite ©te ülöber meine (letingcn SSciiuibuiMcn für ^le Uiw
tcrOnltuim unb Sklebrun^ unfern ^efdilccbtö mit fo atumrc
9^nd)(ici)t ttufiienommcn ftaben — 36«cit rrtbeile icl) bter bic
?R«4jri(f)t / bflß id> bie biö ie?t ton nur btrmi^ncnebfne ^}lOi
amt^fcbrift 2fmrtliciio ÄifioIuiigePuttbe», Imrcl) ■Kebemimdmiöc
veianlagt/. mit bieieitt 3(Unc fapiede« uito (Inpi; bctfclben roh
5!^ciii(jl)t 1793. «n# im 'Xetlage bet (DteUicbeu 23itd)U(uu>ltiii(t
3ui'icl> eilt neucd ^ntueniimnteti^outnal bemu^det>«i meroe/
iintet b.m Xitel:
2S>ic iStnpfftUviu <Uü} bei* 2Hpcn. ifiiiie 11T'>nrtt6fdi*rift
3111 * Untert>rtltiing unb »elcl)rung füt ICeutfd^litHbft
*mb »^clvetieitö <Cöd;ter. ?öon SJJ. 21 . ( 2 .
3m ©fttiien foH ber ^lan biefed neuen ®crf3 eben berfelbe fet)»,
mic beu bell €rbolutmö(?iiiiben> bie bteii ^nbentliue biiiMitcl)
von einem tablretdicti miiblituni fo '<n*itt(i iintriflüßt iturbrn;
bod) merbe.Kb bie ilOinfe meinet eiiificbtdoollcn Srritnbc itiib
{(rcunbittnen {U jeber nod) itctbtneii ^crbciieniin) bn iiinerit
©inricbtiiim f «nö jiit drenaden Süi^nmbl bet Vliiffdlje beim/
fteii. igtndere momlifdie 2luff5be <ine 95ilMini! unb lie*
l'cbrttimr nierbeit mit iniectmdpiiien mornlifcben ©ridblunacnf
wnbten ©efd)iditen# ’Bioiirnpbien , dtornftcriebiloermmen, ©e/
ttin&iven btüt tPivf{|(l)en S?ienfc(;etilc|icn/ ©itiicn «iid bre
SJorieit , Briefen , 'Dioioneii, ©ebiclitenr fdjerjbnften Berfnelieii/
Ilfiiicii bidertfebeti/ nconiotbifdien iinb iiatiirbidorifebeii 2int|(U<
int / ©Fiiseii , 2lncfDoteii iiiil) niibcrcn nrSfevii mib fifiiieren lln«
teibnltmmr'flndrn dtbertii obioedifeln. 3d) werbe^ flber nie nitü
neu .'Omiptm'ecf : 23iflcbning — «erfltffeii/ nnb nberbmipt ijutl)
in biefrtit neiien 2Derfe mid) eifriad bedvebert/ bej Beo|alI4
mciiifö acebrti’deii ViibliFmii^ müvbia in mcrbeii. ®<uu wirb
ncirip midrbie fveuiiDfdinftliebe Uiiterdü?mni meiner TOitorbeifet
imb OVitaibeiteriiiiicn »icici? bcotrufleii , tiiib icb fdmicidile mit
mit ber i>offmtmii fliitb, bon anbern Sreunben unb S^rennbiiiiieii
mit flütiiieit dliiftrdien beehrt lu werben, ©in mebrerei5 biet/
über; fo wie eine ©rfldrniifl beö neuen XiteI4-» werben meine ije<
ebrteden ^eferiniieii im erden Jf;efte beß neuen 3oiitmiIß jinben#
welcOcß noeb oor 5ecujobr «ttßiiegebcn werben fcU.
201
Öliict) in bdr ^ufftrn Cinricljliin« foH ^if^ neue SBctf, fciirtft
l>ic aiititjc «Corfovflc ntciittv iiciicn Herren «BfrUfler, wefciitliclje
sucrjtKU t)or öen biöl)frij(cn (Er|)olun(i6(lmH»c« flfft'iniien, bie
baitptfdiblicl) in fd)Piierm ®rncf, fftttfriii >Dnpicr iint» mebrern
i'uvfcvn l)f(?i'bfn tperten. ®cv ^Preifi rairb aber bimiiii md)t
frbebt : tr i(l für bie g«brtfften ©iibfciibriittn unb ©ubftribrit/
tiiiiifii, bie ftd) nod) oor Oftevn 17p.? böjn mdbett — ibre
s)7ui>mcit «erben luieber »oviicbnicft — b^lbidbrlid) jtrey unb
jwurneb riet (Btilben. jciier gdt tu« bann ber l'abcfi#
pri’ip eilt/ wdeber nnobinbcrlid) oiif einen bnlben ^AnroUn feft-*
flcfeft i(f. OTbnntlicb erfd)i’tnet nun eon 9 ?rninbr ,t 7 P 3 . on»
in etnem fd)onen Umfd)lane, ein S)t(t uoti feebtf 'Soflen in pt»
tar; brrp jijeftc niad)cn ein 3 ^dnbilien auä/ iiüb lU /tbein ®aiib<
eben — fülrtlieb alle ^ierieljabre — tuirb ein Äitel mit einet
bnbfd)cn «ßinnettc, ein (innstö Äiipfer, ein balbtrjßoaen SUiifif,
unb ein fumniavifcbeÄ 3>'"balt(J»er|ejd)nif aellcl«h Sie.Sefe»
rinnen «balten aifo für beii anaefefiten niebrigen ©ubferiptionß/
sjtreil» idbrltd)/ auiTer ben ii Umfd)ldaeni 71 ^ogen IJejct, 4
Sitdoi.', netten unb i Söoöt« COJufff; aiicb fommt tu jebentQabre
gong ein Apanptreai(ler.
itlle '5ud)banblnnicn , ilnb alle Sreunbe, weirbe biSber ffeb
utit:©nbfcriptii'nofanimhinii für meine ©ebriffen aütia(l Dcrtven»
bet babrn, luerbeii ati'emtnbü erfuebt, auf biefeö 2Derf QJtfteU
luii icn aniunebnien, uitb ibrr ©übfnbcnteiiliften in Seiten an
meine neuen «Oerleflcr , bie ^lerreii 0t*eU , (BcfiBeiv JÜPH unb
Ceniv. in 3inid) ciiijufenben, mdd)e ibnen ben geiuobnlieben
JHabatt füi ibre uütige üteniübung aeben. 9 luf biefem 9 ütge
fdnneii mir auch am beguemftcn'^öcbtrdge lugefd^idt werben.
Ueberbie« fahn man ftd) and)/ wie biöbet, infonberbeit
wenn man fd iiellere Sufenbung üerlangt/^ au alle töbl. ®oftdm/
tet unb 3eitung6;€rpcbitioncn wenbeii/ für wdd)e baS C 4 b|. Ä.
71 . pojirtint 311 ©tutt<jiu-t bie A;auptfpebijioncn übernon«
men bat.
3d) empfcble nun mirf) unb meine neue «Otenatfdirift bet
fortbnuernben (flewoiienl'cit beß ?} 5 uMifumß unb befimbetß me«
iitn pcrtbningßwüröirtftcn ©üniieriimen unb Sicunbinnen.
©(uttgarb, ben 25. > 7 PJ-
iltnrinnnc iSbrinaim.
In’ Journal des Luxus und der Moden 7/1792, Nr. 12, Intelligenzblatt,
S. CLXXXVn - CLXXXK
202
06
SDU !8e!j«nMuttd öBne «rr«t ^en jjeetffd&ett ©djmuf 4
wön an @ 5 1 & e’^ fru^jern ?©f rfen bcvt>unbert » «nb wut (elUn
br'mat ein 5ö(lf be^ (^j>t beferen ®enlu^ Verbot#
21 n 3 e I g e*
SOlflbome ei)rmflnu / bfe, von ainfang bie|eö 3«^ti
1792. «n, un^ bie 9lcbfl!ttctn)ctt 31 mal! enö St&o»
luttö« ftitnbett/ (roeicbe otn Snbe beö i79i*
(Ulf einmal bie ©iinft beö ipnblifumö/ ben b^upaen 316*
belfeaungen jufolae , ju BetUeren fefetenen 7 ) ü6«rla|rctt bht*
te, uttb bann oB Mitarbeiterin, neben ben nleRn an*
bern ^errn unb einigen ®amen, bie mit jnr SBteber»
emporbrinanng biefer ^eitfebrift mit glöfliebem erfolg
erbeten, eintrat, cntfcblca jiebam enbe biefe«
ficb non nna jn trennen, S8et biefer ©elegenbeit ntai t
ba wir ben «Kamen berMabame ebrmann, berefgent*
Ii(b f(bon mit bem 3lnfang biefea 3«brß non bem iCitei*
Hatt büttc nert^tninben foDen, biö jejoaber an^ 6^o*
nnng för «(Jtabame ebrmann noch fteben blieb, nnb
mit unferm SBiDen ferner (leben geblieben niÄte, ineglaf«
fen, haben mir boa SSergnügen, nufere Heben ^ n> ö r»
bigenSeferinnenjn ner(td)ern , baf biefed , non 3b*
nen,'in bem 3abt i792,befonberd, mit fo ntelemaSeis
fall beehrte, 3onrn«l tbeilö non ben ncmli^en SSetfaf*
203
97
fern unb sBetfafferiiine » , We u» bemfett en bttr<b bte 3liif»
f 4 jje »on SJicftttly bm belbeti 5BolMnt4bt»
tben: ?)cr(bta «nb ben etbmilnntben, £«gb«4
etefö 4 ltmi) 6 rt|i«, bet weiblt^e Stiflel, S 8 ric*
95 ii(berattjttflen, Otnat,
S 3 c n i 1 4 b < jc, fÄott fö »tele gbre bet Sbnen ctroorbc«
l^ttben, fertaefeit werben wirb. btefeit Sbneit nun
f 4 )B bftnnnte« 6 (brift(VeUein ftnb itwb «nbere »on un«
«bete» worben , (»on weltben wtr bter nur S I « n b t n ö #
fonfl Srnnj ebrenbetfl aenannt, 35erfii(fer bei
grauenjlttimerä^lttlenberö 4 nfiU:)teu,) bie ble
17 « ®ofleUy fo g» 4 b(mte ^brtnann »on ben fiebenunb
fönfiUen biefe« Sabraanfl^ öeßff«t / 4 u«itt 4 rbeiteit Äbets
nebttien werbeu-
®er ^ 4 ii»tjwelf fo wie bie ßunje Äbrtae etnrltbs
tnBft,biefel3o«tn«B/ bleibt bcr.uemlt(be, «emlieb-: fBe*
fbrberuna bet ?0ior4ltt4t bet greuenjimmer , drweite*
tuna tbrer Äeuntnifie, anb bann bte S^otuna ibte«
©eiHca burebttuaenebtne Unterbuttuna; anb wir «tatbe»
nn^ btemtt »ot beta ^blifam weaea «Her/ «utb bet
aertaaften ?Berfto(fe aeaen ©tttII4Iett unb Saaeab , bte
\t in bemfelben 4tuutreffenw4ren/ »et4ntwortti(b*
€tue fiir btt SSUbana unb baa SBobi tbtet AtUeh
ten Sotbtet btforate 50?attet barf habet biefe ©ebrift
nicht nur mit arbftet ^iwerficbt in bie ^4nbe berfeibea
1792 . 10 , j^eft. ®
204
98
flJerflrtcti/ fcrtf iiWW bfe Stitßeun^ ©fttrn berfette« urt»
tergcabenbe^ darinnen enthalten fe^e, fonbern <m^ mit
bet Uebetiengung , baj anlfet bem SBeröndgen einer att*
genehmen tinterbaltung fie in betreiben febt viele iSer»
«mlaifung jttr fBilbnng nnb iSerebiung ihreg ^erjeng/
unb @rn)eiterung ihrer nothmenbigen (nicht gelehrten)
jteuntniffe erhalten »erbe«
üTtehrere nnferer J^erren nnb Samen haben |!<h
noch befonberg $nm Jßauntjmet aüer ihrer Sirbeiten/ bie
Slugrottung ber groffen ü)tenge fchcibitcher ^rrthömer/
toeiche bnrch bie mit iebem itag (ich mehrenbe mtmoro*
({r<he (Romanen verbreitet tverben, gemad)t; fte haben
(ich vorgefegt^ junge ^ranenjimmervorleichtrmnigetntt«
gevrüfter SBahi eineg ©eliebten jn mamen^ ihnen bie
(Pflichten f weiche (fe ihren gitern Wnlbfe (tnb, in bag
®eb4chtnig jurüt |u rufen/ nnb in grjcihiungen bie
f%(imme Solgen ber Itebertrettung biefer ®efejse gtt
fchtlbetn. S®ie mancher re^tfihaffenr (ßatet/ wie man-
<he gute SRutter fenfjt nicht unter bem ©ruf ber 2eiben/
bie ihr eine ehemaW geliebte Mochtet verurfa^t/ be»
ren J^erj burch (Romanen «SeftiJre aüe natnrüche ®e»
föhle# »ei^e fie fonft an ihre eitern fettete/ vergift r
unb einem ashfeniicht ober tvenigfieng einem/ ihrer uns
würbigen/ ®egen|ianb jtch in bie :^4nbe liefert, ©ies
femUebet nun/ gegen bagmanfchon fo oft j^üife/ aber
205
99
»ftörten«# f«<6te, ffoifcn tmfcre JD«ten SWitartris
tn, fo Dfen^nen tttSgltAir cntgi-gen artettcn; mtb
jtfmi ffe ttu<b (m 6tanb« jlnb; bcn ©ttont ju bäm»
men# bet unnufbaltram «üti ju »ctfcbllnaen fuebt, fo
luetbeti fle botb tleHeicbt fo fepn, etntge imtg«
SMuenitmmer jn retten# ober (te oor bem Hebel jn be*
m^tea, toenn jie 3bneu seigen; b«f ti «uA unterbalf
tenbe Sücber# felb|t 0?om«nc geben tbnne# fn roefeben
bte ^(ßfbten gegen eitern# ble fiirficbttge ®«l)l eine#
ebegattM gejeigt# «ngeprtefen , nnb bie fl«gltd;e Sol*
gen be# ©egentbeil# gef(bitbert joerben. ®ie Utfacben#
wel^e ®l«b«me Sbrrnann betobgen# ficb »on an# jn
trennen# migen olellelebt für einige nnferer SS^ferin*
nen einige# Sntereffe b«ben. ®ir glonben e# bobet
bet gi^tnng# bie wir gegen btefelbe bnben# fcbulbig jn
fepn# in bet SBeilage bieggnje ©efebi^te unfer# £b«n#
nnb 2a|fen# mit 9 )t«b«me Sbrrnann ja erjüblen« &
Ijl eine traurige ffiiebt# bie wir biemit erfunen.
* * #
3m Secembet 1790. überlief an# ^etr © b r m « n n
ben ©erlag ber »on feinet Srau feit einem 3«br betau#*
gegebenen 9 )?onatfd)ttft: 21 malten# erbotung#*
fiunben. ®ie un# angegebene jablrei(be ©ubferiben*
tenlifte Iie§ un# bie Uebernabme «W nicht anoortbetl»
baft anfeben. S# fehlten aber an bet un# garantirten
© i?
206
JOO
^errn S^rmannö ®^ulbr bet mi
wrtbrfcbetnUcb macbtc, b«ß et felbfl btet im Srrtbum
fleroefctt wate) mebtete bunbette. ®a abetJ^crt (Sbt*
mann un^ in btefen 3tttbum oefäbtt / tmb ebenbicfet
Srttbnm unö ju S^liejfuna beö- gonttaft« »etonlnft
^atte, fp waren wit bcte^tiflt^ ben gontralt aufjufa*
flen. ^ett entmann fam bteburtb febt ing Oebtiln«
flC/ weil bie^eit, einen anbernSSerlegetiufncben, ibm
jn fntj fcbten. €t bat un^ habet brinpenb/ unfera
Sntfcbluf P anbern/ unbben iSetlas ton 91 malt eni
<Stbelunsd|innben bocb su äbernebuten. Um nn^ jn be»
»eflen, »etfpra^ tt, fttb einen Itbell be« — füt bett
«Betlag nnb ®orratb von bem i 79 oflct Sabraan« — jn
erbaltenben ^Saufpreife « , nach nnb an bem J^onorat
«bjieben jn laffen, S55ir b«tten 9?a(b|t<bt^ nnb über*
«abmen auf« neue ben iBetla«. Dlo^mcbt! wit motb*
ten nn«anbeif(bt 3 / baf wit biefe «bpiiebenbe 6nms
me ibm wiebet iutälbejablen wollten > wenn bie Aber
ten Sabrganfl 1790, ju pflegenbe 3lbte^nunflen jelgeB
»ötben/ baf bie ©ubfcrtbentensSlnjabl aut ^tlt nnfe:
m Ucbcrnabme, b. i. im ®ecember i79o*/ «w «iebt
«lebt ttlö nm 347 . ßerinset flewefen fepe, al« bie nn«
im ainfnnße angegebene Summe.
35ie« erwieb ficb nitn niebt. Slberni^tge«
migl S>a^ bie pon ^etrn (Sl)t mann auf« neue gatan«
207
lOI
tWc Cöetfngere) (Su^fcrticntenaniß^l jtc^ nt(i&t ttd&ttg
6ef«nb t fo famcit »on «Ucn Orten saMeflettunflen
Ätet 3l6befleIIungen / welt^e fic& Mb fo Ijocfe Jeliefen^
fltt ber mtö' «nf^nflltcb flarflntirten ©ubfcritenten*
«njabl betaflöe an 600. fe^iltcn. QWan wirb bieö be*
greifen/ wenn wir fagcn^ bap ßtn SSu^bänbler/ bet
»orbet 72 Srettiplarien oon Slmalienö ßrbclungöliunben
bejog / im «rfien SSiertel be^ i79röct Sabrö 30» «»b
batb baranf 21. abbeftellte. ein anberer, bcr »orbet
36. Beiogen batte/ beftcßte beren 18. ab, ^lert ebt»
mann wottte nnter biefen Slbbeltellungen Kabale wit»
tm, abtt wit mieten wobt (tagen; 2^ft ein Sßerl »on
wabrera SITertb (leb bureb Sabale fprengen ?
®n wir nun biebureb in einen beträ^tlicbcn ®(b«*
ben »erfejt würben , bet un8 nm fo empfinblicber war/
aig wir — anf ^errn e b r ni a n n 6 aserficberung oen bet
groffen aibonnentenanjabl / unb »on aSefiellungen bt»*/
bie aug «JJtangel an eretntlarcn nld)t befriebigt wer»
ben (Jnnten / *— eine neue 3luf(age »om ijten ^albjabt
1790. gemaebt batten; fo muften wir ^errn €br*
mann bie Sllternatwe »orlcgen; bab wit
entweber baö Sournat ni^t fortfeijen fbnn»
ten/ (bet Sontratt »erwebrte unö lüebt/ aufjubb»
ten/ wann wit wollten/)
«bet ba(l e. (iebitt einer SSerminbetung fetnei
208
^onotOTö »erflehen müßte, wogegctt »tt Me fßm
fltjujic^enbe ©umme auf SBejaMung frember Sei*
tr«3c »ermcnben wollten , bamtt bem tdgltcb we^t
0ntenben Sournal wieber aufgebolfen würbe.
®teö Jcjtere mußte fcbletbterbfngÄ gcf<be^fn/ wentr
b«ö 3 ournal follte fortgcfeit werben fbmicn , unb wft
Ratten fett «nfans beö 17919er Jaljreö auf 2 lufnabrae
fre.nber tBeitvdse gebruufleu ; ba eö webet bem f ubß»
(um uoeb nn^ entgehen fonnte, baß — ee nicht in
J^errn Shtmannö Prüften |tanb, böö Sournal auf»
recht iu erhalten.
^icir ehr mann gteng cnbltcb im October 1791..
ben Icitevn 23orfd)lii3 ein , aber nur in fo weit, ba^
wir bet biefem 3abrgange ungefehr 60 ß. erfparten,
(Sine Eiium nennendwertbc ©unime gegen unfern baraa*
ligen iSerluü! ®ir begnügten und aber bamit, wett
J^r. <S. und »erßeberte, baß ibm feine gcgenwdrtige 2 «*
ge Eetnen gröfern 9?acblaß erlaube , unb baß et im fei»
genben 3abre in glütltd)erc Uniftdnbe betfeit, unbbami
feiner ©cbulbigteit unb feinen prüften get^uiß unfern
©d)aben in oergüten fucbcn werbe. 9 tacb biefem nene»
*Ber rag war J^r. (Sbtmatin in ^ Sogen monatlicbet
Seitrdge oerbunben, bad übrige foDten wir liefern*
®a wir ed und aber febr wobl in erddren wußten,
jDober bie groffe Serminbetung von ©ubferibenten
103
t&itte, fo jlnuWettwtr, ^rbUfe t 9 Ion«tf(?)r{ft/ (bai
itlft für Jßtn. Sbtntann fonobl ali miit)
af<bt befer fergen ju rbnnen, alö wenn to(r fo »tea
le jute 2 tuff( 5 jse «ufnd&men, wir erbaften f 5 nn»
fett/ unb bte baburcb entjlebenbe hoppelte älu^giibcR
nicht achteten»
SBir baten fofort bei ^Otdnnern oon bcfannten tta*
leuten um SJeitrigc , erhielten unb bejahrten (ie , oh*
ne J^errn 6 h r m a n u ba^ rainbefie »on feinem iejigen
Honorar bafilr abjurechnen, unerachtet eranf btefe 2 lrt/
wie nnten erhellen wirb , im i792(ter 3 ahre fiatt 50 »o*
«en in ben 10 J^eften biefe« Sahrö nur 19 geliefert hat.
©Chon porher hatte J^r. Q. nnö bag Jach ber SBö*
(heranjetgen ju befejjen hberlafcn , loelcheg wie begwe*
gen ung anggebcten hatten/ weil wir fanben/ baf im
Sahrgang 1790. neben fehr wenigen SSö^iern »on SBerth
eine Wenge ni^tg bebeutenber/ fogar elenber Sfi^teiu/
tu^t etwa benrtheiit/ fonbern unbebingt gelobt
waretu
9 ?ach biefer neuen Einrichtung erhielten wir fchij*
bare «Beiträge , pon 3. E. g. , Ür. , IW. ©. IW. , p. SB. /
9 ?*/ ip. . . . Wabcune Ehrmann erfannte
nicht nnr bie SSortrefli^feit ber pon biefen gelieferten
©tüftc/ fonbern überlief ung an^ pon nun an bie (We*
baftton ganj/ unbfchenfte nnferer 3 ?emüh««g ihtenpol»
len 2 )anr»
210
104
®et SBcwetf l&tewtt Kcgt tielti tti J« ^ngetge f
weWe (te fi^n t>em 1791 . (mlwSBflte/ t^etW
In uniäpd^ti ©teilen t()tec fStiefe an tm^. ^u( ^loie
mag eine ^ier fte^en t
„OTcItt 9JTamt ^at mit ^gfcrte gef^wtnb bfe
bnrdjlefctt/ nnb finbet ffe fo treflf(&
,,pefm4^ig f b«5 et gana in »oHe Sreube anäbracb!
w3d) tmlptf abcrfcbr furjficbtig fep, wemif#
/, nicht wiiptc, wem alle brefe girtcn ?0?itar9
// beiter ju nerbonfen b«tte^ bie jtcb »en ben toria
fr gen aufferotbentlicb auejcfAnen. SBieviel fonrnit
„ eö ui4)t barctuf an f roemt ein firenget 2tuffeöcc
,/«nb atKb ein Äenner, wie ©ie, an ber ©pijjc
//fiebt* «Otepnen ©ie nicht/ baf ich int itächfieit
ff^efte meinen SÄitavbeitem bffentticb eine ffeftie
,/Santfagung machen folfte/ tbeiianmbag fnbfi»
//fmn auf ben Mnterrchieb aufmertfam j» machen/
,/Uttb thetW um bie 9D?itatbeiter felbd noch meht
f, aniiifeiitcn le. "
®ir rnirf ten att aSn^h^nbler halb fnhfen / ob bie nette
tSitttichtungnnä fchäbiich ober ndalich wüte. SBir fonben
ba^ (eitere , nnb hoffen , nach unb noch wieber jum gr*
fai beg anfiingiich erlittenen ©chabenö i» tommen. 25eß*
wegen jahiten wir bet iOfabame ghtmann feht gera
211
105
«e IiÄö ungefcftm 4 leite Jjonor««/ ungM^tet <mg n«®*
jl«^ettfcer £tftc erjtcfetU^ ift, (te tm lanfenben i793get
San. — Dctol». von 57. nur 19* asogen geliefert
^at.
2)tc von «n^ erCetene SWitarkiter fimgegm fie*
ferteu ;
3. €. g. DJofettt.
ainefboten.
Slußtva&l orientalifcbcr @j)rild)e»
Uranien^ Sob.
Ueber ©tammbficber.
©tnngtbid)te.
i. gin e. %. SB. uitb ©♦ g. 6. an t&rem
.^oebjeittage.
Üx, 35 rt ©olbjingcr.
®aö ?D?a()r^en von ^anö 93ar,
{Recept jum SSelgraber SJrob.
©<^«cb öttiar.
sp . . . ©afomo ipirfkittt/ okr ber Sekret bei
ben Ordbern.
SBiegenlieb einer SRuttcr.
SBa^ kt-niebt aud) feine gute ©eite? Ober
aiu^jug aud bem Sagebueb eined «tU
ten C'briliiJ.
212
io6
Aarltf nnt (SUftut aSrUfe A(«t
(oet^geit IC.
6tne(Huenö 93ermfl<^tnU «n if)te fretms
(innen.
2)ec tvei6Iic(e SngeL
®ei «OTön^,
Uf(er t»ag 3lnfe(en.
9? * ®te ®:(ntflnn^en.
ferc^ta.
ip. 9J?obeanjetgc im 5lprU(eff.
asöcberanjetgen.
t. . . . ®et rieinen 2ouifc »on ij).
Sl.©.OJ.{Recept ium ^prepfopf.
Wlitatieittt o(nc 5ei((fn.
asenjtabe.
5roecn 93riefe/ geivecfefelt jroifAen ip(.
Öitari , nnb bem ebeprofurntor n. n,
in N. N.
Db Slmalfeng Srbolimg^ftunben bniÄ biefe neue
ßmn^tnng gcroonnen (aben, mag b«g ^'ublifum ent*
f(tetbcn, unb ung büntt/ cö (nt bci«benb entp^teben.
0ie batte nueb füt 97?abame€btnunn be» 93ottbeiI/
213
107
M 0e SWttfe flCWÄitn, unb {bffti giitffÄjj«»
ntebt geile flej&en fonnte. Sie n>at füt SKabame ®öt*
mann fo gat n&tbigf ba 0e fi(b felbji sepn un^ übet
SWanflel an 6toff beflaute , unb am 93otf(bI(lfle »« 3iuf*
fijjen runb au iBöcberti/ an^ benen fie f(b6pfen {&nn<>
tt, bat
©0 lebten wir im beffen gtttuerflänbnib iufatttmcn>
anb un^ träumte von feinem iBntcbe/ aiä J^ett gbt*
manu/ bet wabefcbeinlicb fcbon lünsfl anbe»
te $(ane entwotfen batte/ im 3u(iaä bicfcS
Sabre« baraitf brang/ bie flUebafticn/ bie un« bur<b
(tu«bräfli^e unb {UUfebiveigenbe gintviiligung übetiajfen
nat/ mieber aüein haben jn woRen. 3m iBetiveige«
funggfade feilten mir bie gortfe}}ung nitbt mehr verie«
gen. 9tun fonnte er webet ba« eine notb ba« onbere
forbetn. 3cne« ni<bt/ ba er in unferm gontraft 0(b
«nbeif^ig macht/ RtmaUen« grboInng«{tnnben
in unferm fSetlage fo lange fortjufeajen/
al« wir wollen. S^iefe« nicht / weil er bie 8lebo«
ftion un« überlaffen batte. Sr »erlangte biefe unter
bem iSorwanb/ //bab unter ben »on un« gelieferten
//beitrügen €täffe w4ren< bie et gbren baibet nicht
tf auf bie iHeebnung ber J^eran«gabe feiner grau fejicn
f/laffen fonnte.'' ^an benfe! Jpttt gbtmann bat»
214
log
tebrttttftW öott fertfflen heften , wie « fcl6|l:
«tt^ fleftanb/ nut (gtn^ gelefen.
S(t «nfec SSorfaj w«r , bem Soum«! bnrcb tm*
mcr jvacbfcnben tnnern SBertb webt unb mel;r Sauet
ju gebe « , fo fomiteit wtt bfe SRebaftton lijm ni^t öber*
IdpU/ roett wtt ttl^baim ffir(ibten muftcu/ bafj iai
Scunwl roiebct batb b«btn (tufeit mb<btc, wobet wh’4
gehoben 2Bir fWjten nn« bafrer auf nnfere
5Serabrcbung , wie wir baö fonnten/ unb fleHtcn tbeiW
feine ißerbinblicbfeit, baö Souvnal füt unö fortjufei«
jcn, t()cil^ bie ®ef«I)t, wctd)C bic Trennung föt ihn
batte, oor, aber oergeben^l
gtacb einem »erbricgiicbett astiefwe^lfel wdblte«
wit bie Trennung »on J^errn €brmann, weil bicUe#
betiajfung bet iRebaition fcble^tbin un$ »ntbunlicb
fcbien,
^etr ®bttttatttt bat nn^ erflart, baf er Sima*
ßenö erbolunggfiunbett in einem anbern SSerlage fort*
feije» rooßf* 2Bit fbnntcn bagegen (aut ^ontraft pxot
tefliren; t()un ei aber nicht, fonbern ertldren biotnit
bffentlicb, baß, um ber nuangenebmen SSerwe^gfung
anferer 3Ronatf(brift mit ber Sbrmannffcbcn
ttugjuwetcben, febon baö fo(genbe 5Ropemberbeft
ben Sitcl haben wirb t
215
109
2(nialienß ^r^slutiggfiutiben
tt t d) t
von CO^dttane @btntann^
ober
S I 0 r a tc.
Unter birfem 5£ttel wirb b«ö im
nacbflen S«bte fortgefeit.
2Bir ßlflnben unß I;teiu » c r b u n b e n , ba ^r. 6 b t*
ntAttjt bte Sortfeajmtg ber «ngefangenen ©efcbicbten
nnb onberer aiuffoije fcblecbterblngß nt^t liefern f ann,
inbem er nnfcre 50Jitarbeiter nicht fennt, nnb bte»
fe fie nicht ihnif fonbern unß/ fiberlaflen werben;
<mch nicht liefern wollen- wirb, bd et ihren SBerth,
ben er ehemcUö «nerfannte, jejt flepijfentlich »etJ
fernit.
SBir glauben nnß hieju berc^tigt, weil baö,
w«4 bad ^ubtifum feit 1792 . unter bem Xitel 21 ma«
licnc* Srholnngß|tunbcn laß, weift unfer S33erl war.
3)ie «Wahrheit von jebem gefagtcn 2Borf fönnen
wir iebem befugten Diidjter, iurtbifch fireng, auf SScts
langen fogleich erwcifen.
©oviel für icjt. ?0?cht unb vleDeicht sn
viel für J&errn Ghrmann werben wir bann fa«
216
lio
ten , nentt er un< nit^fgen tvftb» SStt ^ ^tten aui$
kiej mfc^tviegeti/ roenn J^erc S^rmann n{(^t mit
einer Sinjeige in tier £ittenttuTieitnng |ätte trogen
tvoUen»
S8fr fd^tveigen non unfern (Smpffnbnngen/ bie ba^
vonnng ni<bt verbiente ^Betragen J^errn €bf<
manng in un$ erregen muftc/ unb fcblieifen mit ber
Sierficberung / bn^ e^ un^ brrjUeb nebe tf)ut, idi ipn»
biitnm }um ©ebiebdriebter in unferer ©n^e machen an
mftifem Seboebe^fev! ba J^err @br mann nicht
«nberö ivoate.
itilMttgcn, ben i7ten©ei»t;
179 ».
S» 0. CettÄ{f(^e
iBuebbAnbInng.
In: Amaliens Erholungsstunden 3/1 792, 4. Bd., H. 1 0
217
irf) «tt feie 93ortrefU(fe(cjt het @d>6nl&eif
(Cf fo ^cgtcif’ icfe faam, wie uic^ «Üe SBeft ffe
baö Äeftbttifle ^Isnitlien albtet. @c^5n^)eit tjl:
anöfia^/ ein St>eil ber ©ctt^eit/ eine feu»c*
iae i){t wiDerfle^m fann^ eme
ff @e»alt, We {Relifllen ju fcffeln mmag, efn mat
cfeff iReii/ «’n uttfcfcafWflfÄ @ift/ ein Bieaet/ tan
UfliettvBnbette nfcb banft @cbbn{)ctf ift: eta ®es
;nf bfö ticbenben i^traraelö, We SRcpräfe»?
ttitt bee! ifl ftbttlidben Urfprutiftö, anb b«t
bt# itbiftbf^ «I» (»«b. ©te b«nflt »»eber »om gigens
tten ab/ HP# »on Äunfl «iib Jteiße. €iMc ®elbfti
.tfcbetta — beglüJt iiC/ «>en fte wW/ »ab jtebt
le @#4feti» jitMiitlen bft fleljeftea Äcatgtn «ctr.-
er ® e i (I btngcgca , wenn feine Sriflenj aufer $mU
: ift/ »irb bareb ©tabium anb SKfibe nur er» er?
itt/ aab tfl bUfeö SKeaf^eiiwerf. Dbne ferg*
(tiged aiabbübm bitebc ber SRenfib Zburarttg.
<nS glün-Kb^f i£em|)erameRt/ wea»’^ aiebt caltinirt
rb f gki^t etaem uabebaatca Seibe / ba^ jaleit
In trdflit/ ober gar nidjW. ©et ft tfl ein »erborgaed
oteat/ bab evfl beraa^gefunbea reerbea mu $ , unb
1793. 13. .^eft ö
S02
frembet tote bet ®ef< 5 l^te, ^obel^ fcbB*
nen Äitn(le, ©eontetrie, 3>t^tlun(l'/ it. f. w. nbtbtg
l)at, «m fepn Safeon funb su tbmi. Bebarf lanaec
®efprd(t)e, fonberbarer ®cI 6 (lttu 6 l)teitviH 9 feinet Äeimt»
niffC; unb fibrtftlidbct SBetoeife/ wenn ©inet ba^ SoB
emngen will, et l)nBe®ctfl:; tinb toaö tfts. 85.
tntgeiircbet , alö bet öluf etneö fronen ©eijleä?
Dft ift gsera^tung fem£ooö, «ocö iftet ©ebwbtnW unb
tpBatitafic fein gaiijeö 9SerbtenfB. — aiBer pnb tuft
SBciBer flebobren, um ©eIcBrte ja werben? O
Item! ffiet ein f^bueö sOTdbeben fiebt/ benft ftbtoets
lieb <m btc grage: ^at eg ©et(l? bie iffionne beö 58 c*
tta^teng genügt ibn, unb in tbrem Streife fcBwei^
gen oHe Sfflünfebe. gwon t(l jnfrtcben, feltg. J^brt
(»Oet ein nutgeiftigeö 9)?«bcben an; wie lange ban*
ett cuerSSergnügeu? — Btö ibt bie Singen auffiblaget!
bann fu^t ibr J^armonie beö 2eibeö unb bet ©eelc, »er«>
miffet ben Slbbruf beü ®ei(teö im ©eficbt^ unb feufjet:
©ebabe, bag |te ni^t ftbon i(H 3 br gebet weg, ans
fricben, meinetwegen ! aber entaüft nie, Beaanbert nie!
bet ©ei(t Id^t eine 2 üffe aurüf im J^etacn/ bie
© d) 6 n b e i t nicht, ©eftebt , SÄdnner ! Oiuft ibt ni^t
bei’m erften Slnbli! einet ©ebenen ou 6 : ifflie febbn!
fublt ibt niebt euer ^ets bingerijfen, eure ©inne ge:
fangen? ©ewinnt ibt $eit/ (ange 9ieflexionen anaujiei^
219
aoj
ktt/ oB (le tefjettb fei? bftBtn !(t jebet
©ebanfe ! bet bebäc^tiflfte ipbUofopB »etgtöt Ijicr , ju
imtcrfudbeit/ unb liebt. — Söer anberö res
betf ift ein ^Kenfd) ouö itflenb einem frcraben®tern’/
«bet ein finguet. ©ebulb,- biö rotr unfetcr Seiba «Ile
febig.ftnb, tmb in eiijium fcbweben. 2)ann beginnt
bie @Ian 3 et) 0 (fee bc6 ©eijteö; ie^t aber la^t nnö ber
ÖJetgung bcö J^er^eng felgen/ nnb ber ©timme ber
Sßatnr gebordben ! 2Btr fiiib gebobren / um gu lieben /
unb nur bieSibonbeit ift ber Siebe Wuttet/
föagamb^iögleremmenbenmcgen. bie©cbonbeit
ift etmaä fogtofe^/ unb erhabene^/ bab e$ für
baö fiiberfte gserfmal eines »oll fern menen SB eis
beö gelten tann/ wenn fie befcbeiben ift, unb jicb
ifü SBei»ubtfe»n ihrer Öieiic für feine @6ttin bilt.
S0?gn fagt> bie Ißeftdnbig^eif fei nur bicevftns
bung cineÄ feinen 2tcbcbenö, unb ju einer Itus
^enb erbeben worben / bamit/ wenn ibreOteije flbben,
berßici^beo boeb bliebe, Äönnte man fo nid?t ebens
falls ©eift einen Äniff ber Haßlieben nennen?
bie Siteiber »crjciben ficb muereimmrcr ©cifl, alS
einen fleinen SSortlfeil; aber bie ©d)on6eit ihrer
©efpielin finben bie Stid)tf(bbnen , unb SJtinbcrfcbbucn
Muoerjeiblicb. (Sine © d) ö n e gönnt einet U n f cb b n e n
SSetflanb; aber bie j£)Äbltd)e fann ©ebbubeit webet
220
bet butttiiicii/ nocb 6et fvlttfuel^ctt gjjitfdbroe*
j^em oertroacn, 3e »ottrefli^er etmS ift, befto 6e*
netbetc): ber IBcfijjci : , bc(!o fltöber bie Stferfucbt ! Sllfö
niup ©cbönbcif üSec ©etjl fep, roeil fclb(l untet
9)?ämtcra jeitc mcbr (gtfetfucbt erreflt^ di Mefeiv
®te ©cWtcbfe «Iler 9i«tIonen fjd «nö bie 9?a»
meii ibrct ©cbouen «ufberoabrt; «bet (ic gebetife«
f«um bet @ ei (tr eitlen. S)eti mlbe(ten S&arkre«
banbigt unb feffcit ©cbönbeit ; aber 25 er»
jbanb/ ffiei^bett finb ibneu Sbiirtaten, ober bocb
iinaefanntb 23oriii8e. ®«ö ift 9?«twrins
fiinft, utib mi bießerecbte golgeruna?— ©tbön»
l^eit über @ei(t!
Sintino«^
©btibifuiritt ber ©ebötte»#
In: Amaliens Erholungsstunden 3/1792, 4. Bd., H. 12
An die Leserinnen des Journals Amaliens Erholungsstunden betitelt. Eine
Notwehr für die boshaft angegriffenene Verfasserin und ihren Gatten
Marianne Ehrmann - ich will sie in der Folge bei ihrem Schriflstellema-
men nennen - legte Ihnen, edle Frauen und Mädchen, mit Anfang des Jahres
1790 ein Geistesprodukt vor, das Sie mit vielem Beifall aufiiahmen, und wel-
ches dieser meiner Freundin in der Folge so manche bittere Stunde machte.
Sie wurde von einem jungen Manne, der seit einigen Jahren Teil an der
Handlung hat, in welcher das Journal verlegt wird, zu sehr mißhandelt, als
daß Sie nicht alle unwillig darüber werden sollten. Dieser junge Mann heißt
Zahn und ist der Rechte Lizentiat. Er will zwar auch ein Buchhändler sein, hat
aber, wie ich beweisen werde, noch nicht ausgelemt. Statt der Rechte mag er
Intrigen studiert haben, welches aus seinem Verfahren wider Amalie und
ihren Gatten so ziemlich hervorgeht. Doch zur Sache: Deutschlands edle
Töchter mögen urteilen! Ich will vorerst nur erzählen.
Amalie ist nicht reich, lebt, leider!, von dem was ihre und ihres Mannes
Schriften abwerfen. Mit Müh und Kosten begann sie, wie oben steht, ein
Journal. Den Verlag davon übertrug sie, eben weil sie nicht reich ist, und es
ihr daher schwer fiel, die nötigen Auslagen dabei zu bestreiten, zu Ende des
Jahres 1790 der Cottaischen Buchhandlung in Tübingen. Mehrere solide
Handlungen hatten sich darum beworben. Amalia zog aber diese, der Nähe
wegen, vor. Sie wählte nicht gut! Auch sah sie dies gar bald ein, denn die
Unterhandlungen, die in einem Nachmittage beendet werden konnten, fingen
schon einige Monate zuvor an, ehe sie zu ihrem Ende gediehen. Dies prophe-
zeihte ihr nichts Gutes!
Amaliens Gatte hielt die Subscribentenzahl für stärker, als sie war. Es war
ein Irrtum von ihm; dies glaubt Herr Zahn, der diesen Mann sonst so hämisch
angreift, laut seiner Anzeige in dem October-Heft des Journals, selbst. Bei
dem Kontrahieren war man übereingekommen, daß die Handlung für das
Verlagsrecht, für die noch vorräthigen Exemplare des 2. Halbjahrs und für die
zu veranstaltende neue Auflage des ersten - denn die Exemplare hatten sich
vergriffen - fl. 500,- an die Verfasserin bezahlen sollte. Honorar aber sollte
diese 12 fl. vom Druckbogen des neuen 1791ger Jahrgangs erhalten. Nach-
dem man die zahlbaren Exemplare zusammen gezählt hatte, so fanden sich
nur 953, mit den Freiexemplaren 1053. Der Verlagsbuchhandlung aber waren
mehr angegeben. Diese wurde nun unzufi*ieden, und man kam überein, da sich
Amalia, wie man in der Folge noch mehr sehen wird, zu allem versteht, was
nur einigermaßen billig ist, daß sie statt 12 nur 11 fl. vom Druckbogen und
statt 500 fl. Verlagsrecht usw. nur 400 Gulden bekommen sollte. Ersteres war
der Handlung ein jährliches Ersparnis von 72 fl. Ehe wir aber weitergehen,
wollen wir ein bißchen mit Herrn Zahn rechnen.
222
953 Exemplare machen, ä 4 fl. jährlich, eine Summe von 3812 Gulden,
davon gehen an Druckkosten, Rabatt und Honorar ab 2764; bleiben also über
1000 Gulden Gewinn! Man traue meiner Rechnung: ich habe einen Buch-
händler zu Rate gezogen. Damit aber war Herr Zahn nicht zufrieden, imd
Amalie ließ sich obige Bedingung gefallen. Das dauerte aber nicht lange, man
gebe dem fft einen Finger, und er greift nach der Hand. Es gab nun Streit
wegen des von den Buchhändlern zu machenden Abzuges, und das Resultat
war, daß die gute Amalia von obigen 400 fl. für das Verlagsrecht 200 fl. zu-
rückgab, welche an dem Honorar abgezogen werden sollten, so daß sie also
nur noch 54 fl. monatlich empfing. Herr Zahn wußte das gar fein einzuleiten,
denn ihm entging nicht, daß Amalia des Geldmangels wegen das Journal nicht
selbst verlegen konnte; und einen neuen Verleger zu suchen, dazu war es zu
spät.
Wüßten meine schönen Leserinnen nicht zum Voraus schon, daß Herr
Zahn bald wieder neuen Stoff zu Verdrießlichkeiten fand, so glaubten sie
sicher, daß die Sache nun ihren ruhigen Gang genommen hätte.
^ Wer den Buchhandel kennt - welches man Hm. Zahn freilich nicht zumu-
ten konnte -, weiß, daß Journale ab- und zubestellt werden. Sollten nun Ama-
liens Erholungsstunden allein eine Ausnahme machen? Doch traf bei dieser
Schrift ein besonderer Umstand ein. Amalie hatte eine Freundin, die viele
Subscribenten gesammelt hatte. Dieses Mädchen - ich nenne sie nicht, um sie
nicht zu kompromittieren -, zerfiel mit ihr, und die Subscribenten traten zu-
rück. Ein anderer Freund, der gleichfalls eine beträchtliche Zahl gesammelt
hatte, starb. Dies brachte Verwirrung, und die Exemplarien wurden nicht
wieder bestellt. Überdies ist es leicht möglich, daß der ernste Ton des Jour-
nals mancher Leserin nicht mehr gefiel; der Geschmack ist ja so verschieden!
Genug, es kamen Abbestellungen. Da gab es denn nun unaufhörliche Klagen
und Vorwürfe. Aber das war nicht genug! Amaliens Nachgiebigkeit verleitete
Hm. Zahn zu immer neuen Versuchen. Es gibt gewisse Menschen, die weder
ehrliebend genug sind, noch genug Gefühl für Billigkeit besitzen, um sie nach
den Vorschriften derselben behandeln zu können. Mit Hm. Zahn war das der
Fall. Je billiger sich Amalie finden ließ, je unverschämter wurde er. Er ging
demnach endlich so weit, daß er behauptete, obiges Subscribentenverzeichnis
von 953 Exemplaren sei falsch gewesen. Ein Angriff, der zu niedrig war, um
geduldet zu werden. Amalia stritt um ihre gekränkte Ehre, und was geschah?
Man erklärte endlich, ihr Gatte sei an einem solchen Betmge unschuldig. -
Aber man hatte doch den Zweck erreicht, sie zu kränken.
Nach der Ostermesse 1790 [sic!] gab es neue Jeremiaden. Die Handlung
war unzufr-ieden mit dem Absätze und gab vor, man habe sie verleitet, eine
neue Auflage von dem ersten halben Jahre des Journals zu machen, und auf
der Messe seien doch nur wenige Exemplare gefordert worden. Man ver-
223
langte daher Entschädigung. Amalia sollte demnach - welches nie ausbedun-
gen und nie erhört war - den Risiko mit der Handlung teilen. Aber sie kann
noch auf diese Stunde durch Briefe beweisen, daß zwischen 120 und 150
Exempl. vom ersten halben Jahre bestellt waren. Konnte sie nun etwas dafür,
wenn die langsamere Erscheinung, die neue Einrichtung mit den Hauptkom-
missionars usw. manche Bestellung rückgängig gemacht hatte? Und wie
durfte man es wagen, Entschädigung von ihr zu fordern, da sie ja nichts von
dieser neuen Auflage hatte, indem die 200 fl. für das Verlagsrecht usw. zu-
rückgegeben wurden? War das nicht Entschädigung? - Obgleich die Hand-
lung nicht den geringsten Anspruch darauf zu machen hatte. Aber, glauben
Sie es wohl, edle Leserinnen? die friedliebende Amalia ließ sich neue Unbil-
ligkeiten gefallen. Sie mußte einwilligen, daß Hr. Zahn von Johannis 1791 an
monatlich statt 6 nur 5 1/2 Bogen drucken ließ. Eine Ersparnis von 60 Gulden
jährlich. Aber sie war unerlaubt, schmutzig, denn sie geschah auf Kosten des
Publikums! Ferner mußte sie sichs gefallen lassen, mit monatlichen 44 fl.
zufrieden zu sein, so weit war es von 72 fl. herabgekommen. Überdies sollte
Amalia nur 4 Druckbogen monatlich liefern, die übrigen 1 1/2 Bogen sollten
fremde Beiträge enthalten, um, wie Hr. Zahn sagte, dem Journale mehr Man-
nigfaltigkeit zu geben. Man stritt nicht darüber und lächelte, als Herr Cotta,
der Associe von jenem, dazu setzte: es geschieht auch der Ersparnis wegen,
denn wir können Aufsätze um wohlfeilere Preise haben.
Gut, die Sache war berichtigt. Aber von Abtretung des Redaktionsrechtes
war nie die Rede. Der Beweis ist, daß Hr. Zahn die fremden Beiträge anfäng-
lich zur Ansicht einschickte. Als aber Amalia einen schwülstigen Aufsatz und
eine schülerhafte Übersetzung, die, wie Hr. Zahn behauptete, das Werk eines
der besten Köpfe Württembergs war, verwarf und ihr Gatte das nach Tübin-
gen schrieb, da kamen keine Beiträge mehr zur Einsicht. Hr. Zahn glaubte, es
sei genug, wenn er erklärte, das Hin- und Herschicken nehme zu viel Zeit
weg, und er wolle eine strenge Auswahl machen.
Amalia war aus Nachgiebigkeit auch dies zufrieden. Hieß das aber Abtre-
tung des Redaktionsrechtes? Nie, nie hatte Amalia zugegeben, daß Hr. Zahn,
wie es in der Folge geschah, ihre eigenen Aufsätze nach Willkür aufiiehmen
oder zurückstoßen könnte. Bloß über die mit fremden Aufsätzen auszufullen-
den 11/2 Bogen hatte Herr Zahn zu schalten.
Anfangs hatte Amalia alle Ursachen, mit Hm. Zahns Besorgung zufrieden
zu sein. Darauf bezieht sich das im October-Heft stehende Fragment eines
Briefes von ihr. Sie bezeugte ihre Zufriedenheit und dankte ihm. Aber beweist
das etwas anderes, als daß Amalia unparteiisch und auf Befriedigung des
Publikums aus war? Läßt sich daraus nicht annehmen, daß sie diese Zufrie-
denheit immer geäußert haben würde, hätte Hr. Zahn fortgefahren, strenge
auszuwählen, und sich nicht einfallen lassen, ihre eigenen Aufsätze zurückzu-
224
Stoßen? Dies konnte sie aber platterdings nicht zugeben, da aus Hm. Zahns
ganzem Betragen hervorleuchtete, daß er das Publikum nach und nach von
Amalien abgewöhnen und sie demnach um ihr Journal betrügen wollte.
Amalia wurde immer mutloser, sie hatte alles getan, was billig war, alles,
was mit ihrer Ehre bestehen konnte. O, sie hatte nur zu viel getan! Ihre sonst
nicht gemeine Menschenkenntnis ließ sie diesmal sehr im Stiche. Je nachgie-
biger sie war, je unverschämter drängte man sie; sie sah es zu spät ein, wurde
ganz schwermütig und verlor alle Laune zum Arbeiten. Es mochte auch noch
so viel Manuscript von ihr in Tübingen sein, so war doch, wenn das Heft
erschien, kaum ein Bogen von ihr eingerückt. Sie grämte sich immer mehr,
und ihr Gatte - er verdient Vorwürfe darüber! - verwies sie zur Geduld. Als
aber endlich Hr. Zahn das Siegel auf seine Frechheit drückte und einen gan-
zen Vorrat an Manuscripten als unbrauchbar zurückschickte, da brach die
Geduld. Zugleich liefen von mehreren Seiten Briefe an Amalien ein, worin sie
über die Seltenheit ihrer und einiger fremder Aufsätze wegen zur Rede gesetzt
wurde. Kein Mensch ließ sich einfallen, daß sie keine Gewalt über ihr eigenes
Journal haben sollte. Dies alles bewog ihren Gatten, einen empfindlichen
Brief an Herrn Zahn zu schreiben, worin er ihm von den eingegangenen Kla-
gen und Vorwürfen sowohl über den veränderten Plan von Amaliens Erho-
lungsstunden, als auch über einzelne Aufsätze mit dem Bedeuten Meldung tat,
daß Amalia die nie abgegebene Redaktion wieder fordere usw. Hr. Zahn
wollte das nicht, brach den Kontrakt zuerst, und - um nicht zu weitläufig zu
werden - man trennte sich. Dies, meine edlen Leserinnen! ist die wahrhaftige
Geschichtserzählung von Amaliens Streitigkeiten mit Herrn Zahn. Sie sehen
daraus, wie sehr man Sie im Oktober-Heft hintergehen wollte. Man wagte es
nicht. Ihnen die Wahrheit zu sagen, denn man fürchtete für die mit so vielem
Pompe angekündigte Flora; daher griff man Amaliens Gatten auch sogar an
seiner Ehre an. Diese hat Ihnen freigelassen, ihre Einsiedlerin aus den Alpen,
oder jenes Romanen-Magazin - denn etwas anderes scheint mir Flora nicht
werden zu sollen - zu wählen. Herr Zahn aber möchte Sie zwingen, seine
Romanensammlung, deren es doch noch eine Menge andere gibt (vielleicht
gerade, weil er das weiß), sich anzuschaffen. Herr Ehrmann antwortete auf
die Anzeige im Oktober-Hefte in einem würdigen Ton. Doch wollte er die
Leserinnen des Journals seiner Gattin aus Achtung mit der ekelhaften Erzäh-
lung einer Geschichte verschonen, die nichts, als einen neuen Beweis von
dem unedlen Betragen so mancher Buchhändler gegen die Schriftsteller ent-
hält. Dies sind seine eigenen Worte. Darauf nun ließ Hr. Zahn ein Blättchen
drucken, das seinen Verfasser völlig charakterisiert und ebenso voller Un-
wahrheiten als Gemeinsprüchen und Plumpheiten ist. Meine Leserinnen wer-
den das Blättchen kennen, es steht auf dem Umschläge zu dem Dezember-
Hefte des Journals. JVas es für eine Bewandnis mit der Streitgeschichte selber
225
hat, das wissen Sie schon; ich darf also hierin keine Lüge mehr aufdecken und
gehe noch zur Rüge einiger Plumpheiten über. Im Januar-Hefte 1791 werden
für Europa durch einen Druckfehler 150 000 Millionen Einwohner angege-
ben. Hr. Zahn sagt, er erkläre das aus Schonung für einen Druckfehler, und
hat die hämische Absicht dabei, das Publikum zu überreden, Herr Ehrmann
habe in der Tat die richtige Zahl nicht gewußt. Aber jeder Geograph weiß,
daß Herr Ehrmann sich durch Schriften in diesem Fache rühmlich bekannt
gemacht habe, überdies ist jedem Schulknaben die angenommene Seelenzahl
von Europa bekannt. Herrn Zahn hätte das daher nicht auffallen sollen. Doch
vielleicht wunderte er sich, daß er es wußte, und glaubte daher, andern könne
es in der Tat unbekannt sein.
Jawohl ist die Herausgabe von Hm. Z.s Flora ein Eingriff in Amaliens
Rechte. Das läßt sich logisch erweisen, darum muß man diesem Manne den
Herrn Ehrmann gegebenen Rat zu eigener Beherzigung, jedoch mit einiger
Abänderung empfehlen: entziehen Sie dem Studium der Unverschämtheit und
Verläumdung einige Stunden und lernen Sie Logik! Es ist doch immer noch
rühmlicher, die arabische und jakutische Sprache, eines nützlichen Zweckes
wegen, zu studieren, als jene beiden infernalischen Tugenden, worin Herr
Zahn schon eine so große Fertigkeit erlangt hat. Eben dieser Umstand, daß
Amalia immer seltener etwas von ihr gedmckt sah, beweist, daß Herr Zahn sie
um ihr Journal prellen wollte. Er hätte gewiß kein neues Journal anfangen
wollen, ohne die 953 Subscribenten, welche Amalia hatte. Ebensosehr bin ich
überzeugt, daß er jedem Buchhändler dieselbe Anzahl Exemplare von der
Flora zuschicken wird, die er von Amaliens Erholungsstunden gesendet hat.
Er sieht seine Flora nicht für ein neues Journal, sondern für eine Fortsetzung
von Amaliens Erholungsstunden an, daher auch anfänglich der listige Titel:
Amaliens Erholungsstunden, nicht von Marianne Ehrmann. Amalia war ge-
nötigt, das Journal wieder an sich zu ziehen, um es nicht für immer zu verlie-
ren, worauf es augenscheinlich angelegt war. Zahn sah, woran man nicht
zweifeln kann, voraus, daß es so kommen mußte, darum die unvollendeten
Erzählungen in diesem Jahr. Er wollte also die Leserinnen zwingen, seine
Flora sich anzuschaffen, welches umso unbilliger ist, da die Einrichtung bei
einem Journale von der Art sein soll, daß die Leser wenigstens mit jedem
Jahre aufhören können, ohne Bruchstücke zu besitzen. Die angefangenen
Aufsätze sollten demnach am Ende des Jahres immer alle geendigt sein. Mit
einem Worte, es läßt sich aus dem bisher gesagten logisch erweisen, daß Hr.
Z. ein intriganter Mann ist. Er lasse sich das nur von einem Tübinger Stipen-
diaten beweisen.
Auch will sich der Mann damit brüsten, daß Amalia doch ihr Honorar
erhielt, obgleich nicht mehr so viele Aufsätze von ihr gedruckt wurden. Aber
der uneigennützige Buchhändler dachte nicht daran, daß er dadurch gerade
226
eine schöne Seite von Amaliens Charakter aufdeckt. Sie suchte die Zufrie-
denheit ihrer Leserinnen. Wäre es ihr bloß um das Honorar zu tun gewesen,
so mußte es ihr angenehm gewesen sein, nicht viel für das Journal arbeiten zu
dürfen, so konnte sie die Zeit zu andern schriftstellerischen Betätigungen
verwenden, die ihr einträglich gewesen wären. Aber sie zog ihre Ehre dem
Gelde vor!
Nun die Resultate aus allem bisher gesagten. Hr. Zahn ist ein eigennützi-
ger, ränkevoller, lügenhafter, unverschämter und plumper Mensch, der sein
Gewerbe, den Buchhandel, nicht versteht. Eigennützig, weil ihm eine Auslage
von 1700 fl. bare tausend Gulden einbrachte und er damit unzufrieden war.
Ränkevoll, weil er, sobald er merkte, daß Amalia einen Verleger haben muß-
te, sich nicht leicht von ihm trennen konnte, alles hervorsuchte, um ihre Ein-
künfte von dem Journale zu schmälern, das ihr Brot gab. Lügenhaft und un-
verschämt, weil er die Leserinnen mit einer so falschen Vorspiegelung zu
hintergehen suchte und nicht Ehrgefühl genug hatte, es zu unterlassen. Plump,
weil er Herrn Ehrmann auf eine so fade Art lächerlich zu machen suchte, als
er in seinem letzten Worte getan. Daß er aber den Buchhandel nicht versteht,
das beweist seine Unzufriedenheit mit einem Absatz von 953 Exempl. und
mit einem Gewinn von 100 Gulden an 1700. Wie glücklich woirden sich un-
sere Buchhändler schätzen, wenn sie bei gleichen Kosten gleichen Gewinn an
ihrem Verlage haben könnten!
Ich will nichts mehr sagen, um die Geduld meiner Leserinnen nicht zu
hoch zu spannen. Solche Streitigkeiten müssen sie anekeln. Aber ich war der
angegriffenen Ehre Amaliens und ihres Gatten diese Notwehr schuldig. Ich
bin ein ewiger und inniger Freund von beiden und weiß, daß kein Herzschlag
von ihnen geschieht, der nicht Menschenliebe verrät. Ich wollte anfangs an
den Herzog von Württemberg schreiben und ihn um Genugtuung für Amalien
bitten, aber sie soll diese Genugtuung in dem Herzen ihres Publikums finden,
das ihre Unschuld und ihr Recht anerkennen wird.
Hr. Z. mag etwas auf diese Ehrenrettung antworten oder nicht, ich werde
nie wieder darüber sprechen. In meinem Leben hatte ich keine unangeneh-
mere Stunde, als während ich diese heiligen Wahrheiten niederschrieb. - Sein
Associe, Herr Cotta, ist übrigens an diesem ganzen Streite unschuldig.
Noch muß ich bei meiner Ehre beteuern, daß mich weder Amalia noch ihr
Gatte noch sonst jemand zu dieser Verteidigung aufgefordert hat. Mein Herz
tat es!
Straßburg, Dez. 1792 Meiburg,
französischer Bürger.
(zit. nach Krull, Wirken der Frau, S. 260ff)
227
xvii. 5Ce«ffr^)lanti9 Cidjtcr.
5pevr £otta tu {£übin'ieti i(l fo «vfiti» «nö j!att t»er biSbe«
liilfii ??i0imt(5/gcl)i'(ft Tlnmlicna tet'boltiitgelbnu&en , eine ntt<
brr, unter bem Sitcl: flniubiften; unb unfre tterbienil»
»olle ©(briftffciferiiin inaftane tsbimann, »erfbriebt «nö baae»
flcrtcn Die 55tfanntfcbaft einer interelTönten ©cbweijeriii. ®ei)be
flifo u'cllcn für unfre Unteibftlb>i»n fergen; lener burd) ein and
Sloro'ö Äßrbcbeti lierlid) gebuiibncö @trilug(btn , Deffeti 2BobU
fitrud) unfre ©innen f/ueft; Dirfe Durd) tebrreiebe ®ei(l unD.O«l
bilbeiiDe oiuffülje. — ©ie foiinen alfo wablru meine Sieben, unD
id) hoffe @ie finb nidtt Imnje uncntfcbloffcn , Da Sbo ^?rt| Sbre
&Uabl lenfen, iiiiD Danfbarfeit für fdton emofangnr« 0ute, nebff
ber ©cirißbeit »on fünffig }u crbaiteiiDcin mebterem, uotbnten*
big für Die ieiufieDieviit dtto Den 3Upen 3bte be;
(limmcu »irb.
3cb‘lt))urbe ej brmimcb aud!» für iiberflö§l 9 boltonr ©>« «uf
Mi »erfd)iebne5Scrfpred)en Selber giifnietffom }u ntad)en, wenn
id) uid)t befürd)ten miiffe, baß iterfd)iebne Seferiimen bet SSmof
lia, Die Den ganjen Sßerlnuf ber ©qd)e nicht roiffen, bureft bie
im öftober unb anbern .^)eften ffebenben QludfüUc beö iprn. (J,
»ber eigentlid) feined Slffociirten bei) yprn, 3abn gegen öÄar. (Sbr<
mann/ unb burtl) feine brunfDcUe aiufünbigung ber Slorn fid)
iniebten blenben, unb babiircb »erleiten Inffeii; aniiufret rcürr
bigeii Sehteriii title Itngn-edntgftjt |ii brge|)ti.
228
( XIV )
ciiic Uiirtct'fcl'firtfcit m, ?. beim «<(r iicttaiiriit OX
ffbl‘ oidf «iib i'hnc öft'* -JJfrbinid >itit jii rrcbiicii bnsJ fic fjrf)
biitcl) ftnörc ©ilirifttu um unö emu'vl'fn b«t/ piib mit fcbDii ffit
bie 9?!i'i!)ef bte fie imn ftit 5 ^nbvcii fiel) ßflb; buril) 9lmalicii un--
ffre tiünlifbc tcffi'irc jn t'crmc()rcii . ibc fcl)r ucvbuiibcn unü ol)i
iic uiibßüfbai- fit fcifti, foitiidf mir öic vcdfdmtjligc öarfliiditfbf»
ritt bitiftf 5biuiifllö, iiicbt »cflaiTcii, um «iiifiii ’.Tm(l)bniiblrr niu
jiibmiiUii/ Der cC bnbin lu bvincini fiid)t, bnf ibfr bfu ber 'JimiiJ
lia OMfl'iun 95ct;ftiII nur timt/ Jollen — ihm ber >01. Cbriimim lüi»
cDrl l'fb'ini'clri mib bie SreeDbeit bat jit fnaen: mir er bnüc bm
füifi’iibi'M ‘liiert!) btciei? Journal!? luieberrmpor neboben; ba eß bei
faniit i(i/ba(f i'eitbcm er umediimilljin fifl) baßSliebaetimifiredit aiw
ntaftf) irir nur (rviablunaen iinb sOlibreben ju lefen befamtiij fj
beift bifd Pbmefäbr fo «icl oW : nur biefe ocficlen iimS ! — 9luf
iiteine Vicben ! beivcifcn -^ie ber Welt , baf; bei« nidit fo fjf,
baß nur baö 35erbieiift einer ©ditiftßeljerin für Xtepf unb J^erj
211 errennen fäbiit ftnbf unb, fie fafelnben SSrmanen »bräiijtebii
luiffeii! — fefen ©ic; um fid) mit ber flanjen ©treitacfd)td)te
(beß i>ni. 3 . unb ?0?. €. beFanut ju mod)eii, bieoon Jprn. SKaie
'bura in ©traßburß'erfdu'cnene 9^ad)rid)t nn bieejeferinneu %ion
atmaliciie lerbolitiigßfmnbeu: eine VTotlfwebt' für bie bo«/
«irtfteßriifiic tlcrfitffcrin/ unb ©ie uierben ben cbicn (Jba/
lafter unfier (fbvmaim berounberu, unb ^)r. 3«|>nß ^etraat«
mit ßeredifem WiberwiUen mißbiUißen.
Jd) Fenne (f)i. Q. uid)t »erfonlict), unb nid)t IpartlfeoIidiFeit,
fonbmi ©cft'ibl für 9lcd)t Hub ©illtafcit unb bie Ueberjeugunaf
baß 9K. (?. unß biel t)ortre(lid)eß unb nüjlidieß liefern wirb; bee
wegt imd) Obnen laut {ujurufen t w.il)leu ©ie jit 3fjret geftüre
bie lEinfieblcriii ; unb nicht bie glora J
£?. ar SDecaiatr 1 ^: 2 .
£. vr
ate 2?sälnrit aui» ur-sr«« I^Tnxrtx.
In: Jounal des Liaus und der Moden 8/1793, Nr. 1, Intelligenzblatt, S. XHI - XIV
229
i6 ^
f? ^cvjlicf) S3ei; M’fffu flilc uiirt) fo
rctscuKcu 2iuß(ic(}tfn / «nt> tneineit guten SBK»
feil roage irt) eö «ffo nucf) ju hoffen » ^nf jnic-
tneine gfuigen fefcfiimeu noct) feciier Su*
ft-mtcn , tferc Sicße , i^re Unfer(tflftitiig fcCjen*
len wevöcn/ Camit wii* teenlicf) $nnö in
bem f({)6uen ?iefe nnferef S5e(limmmig eiitge»
gen mnilen lonnen.
tlTrtVirtrmc iZbtmmu
2( II m e i' f u n g.
®eit ßcnetgten Scferiiuten meiner »origen 5)?o«
notfe^rift — TImrtlien» . iErI>olmtgoÜtm&c)t —
muf \i) ftiet nur im SSorDesigeOen fagen , ie&
mit ©^meritn tie ®or(»urfe »leler berfellen ölet
bie einricbtimg beö lebten Sd^rgangö jeneä nuU
gef^ioffenen Sournoltf, lefonter? mi bie fo »er#
febtuenberifeb mitgetbeifen öiomane betrift , «n#
borte, «nb nicht i« helfen »ermrebte. SKein »ori-
ger SSerlegrr hatte mir ngeb imb micb cille SJtacbt
156er jentö mein eigeml)i5mllc6et) SBerf genommen,
imb etf mit Slnffdjen nach feinem eigenen S3elie6en
nngefullt. Slnfnngö batte itf) nicht Urf<jcf;e mit fei#
nec SScforgnng mijnfriebeii au fcpn ; «6er «Umcflicb
mapte er fi4) mehr ©ernalt cm, imb ftiep eigen#
nuiebtig
230
niflc 6 tf 3 ntcfne SlufiM^e juruf. 3Iu5 Ste 6 f jmjt
i 5 «el>e»t blII^c(e icb lange unb fcbroieg^ ( 2 n&>
lieb würbe ba3 SKiirren etneö groffm Äbcilb tnef*
ner Seferinnen in laut/ unb tat ba leb ben bduft«
gen Slageit abjubeifc^ f««bte / trojte ber SSerleger
auf meine luworiubtlge 9 ?acb 3 ic 6 igfcif. SBfe febt
icb bicfe au bereiten b«be / werben meine giUfgen
Unterflilaacrinncn au3 bem Oftobetbeft non 3 lmrt*
lieno iErljoTungsUimbett erfeben haben , in wel»
(bem eine ölnaeige jtebt / bereu nübriger ^wef an
febt in bie Singen ftiöt^ aI3 ba§ fie bie SfBirfung
bemorbringrn fbunre / bie ber fficrfatTcr fitb ner»
fptid)f. (tben fo aupHenb i(t ber barimi entbal«
tene SBiberfpnub in S 3 etre)f ber dtomane , woe
bureb ficb bet SJ?amt felbjt bo3 Urlbeil fpriebt I
S)o(b f icb bitte um SSeraeibung , meine ncreb»
rungdwiirbigjle geferinnen, bag icb non einer 6 acbe
fpracb , bie icb gern fobalb möglich nergcfTcn n: 6 *te !
0eat , ba icb biefeb neuo SBerf in bem iBerlag
einer nibmiicbfl befaniitcn ^anblung / ben iOlcinii
nern berandgebe / bie Silligfeit unb Sbelmntb mit
©aebfenntnig nerbinbena jeat/ ba feine ffierlcgerg«
SJebnUfungen mebr meine £anne necflimmen unb
meinen fOtntb Iiibmen — jeat fann icb ben beni#
fcbeit fiefefreunbinnen nerfpreeben , wicber |u bem
erjien ipiane meiner fcbrirrffellerifcbcn Slrbeiten m
rüfanfebren — nnb bicfe neue ^eitfcbriit wirb jene
gebflflfige SInaelge gilgen (trafen
51'trtvwime
95
In: Die Einsiedlehm aus den Alpen 1/1793, 1 . Bd., H. 1
231
42
UeöetJ bk 0e5iemUa)fe{tett/ utit) tto^
Suöenben t)cö wei^Ud;en
©efcDlecDtl
€in ^rtef jum ©Iftiren / für b/e SSd&fet#
fcftule ju guricf) / oufgefeif öoti ^errn*
9?af&^5rrr j?elUr/ well. 33ot|fc^er ble#
fec ©cf}ule.
IC^euerfle ^reunbiutt!
eerlöngen su wiflc«, rodrf fi5r lEußenben i <6
<m einem jitiiflen grauenjimmer , mit weldbem 1 ^
»fei umgeben foH, »orjüglltb liebe? — Scbfllanber
buf ©Ittfamfeit, einfßlt unb SBöb^belt, 93ef(^eb«
benbeit, ©anftmutb/ 9 ?ü^ 3 ieM 0 feit/ ffieinli^feitr
Örbnung , Slrbeitfamfeit unb @erd>ifli 4 )feit in Se»
ruf^gefcbÄften , bie bnupfficbliitjlen @iaenfdbaften
f[nb, wobur^ fi<b unfer ®ef 4 l«^t Ül^tung ju ew
tverben rermag.
2 )ie ©ittfamfeit aber laiTe i(b «i^t bloß in Äeufdb^
beit/ ©cbambaftigfeit, llnfdbulb, unterlaffung jivei*
heutiger Uleben, ^anblungen unb ©ebdrben beru#
benj 9 icln! 3Hlc^/ auch baö Unf^ulbigfie/ wag lU
ttem Sraueniimmer auf irgenb eine blrt naebtbtl:*
232
Ug Mggeleit n)ei;bm fann, i|! fte, in fo fern eB in
tbren graften (lebt , iu nemetben ncrbunben. 91uf
«nferm a'ulfern Oiuf beruht ber grofle Z^til «nfrec
tnoralifcben unb bilrgerncbe» Srtflen) ; unb in SBabr«
beit! ni^t^ i|l bo^ leichter bem ©eiifcbe bb«
fer Dunsen nu^iunieidben. 3^ b«be/ fo Inng ich
benfe/ nodb ni^t erlebt/ ba^ ein tuäenbbnfte^
SBeib/ bfl^ auf feine SBeife burcb «nrorfi^tifle
©(britte/ ©eleflenbeit jut ffierla'nmbung ßegeben
bdtte / ber ©egenjlanb öMer 9lad&reben geirefe»
nxire. aiber baju gehört, wie (tdb’g ocrjleht, aSach#
fainfeit öuf (ich felbjl , SBürbe int äuffern SBetvöi»
gen, ohne Sljfeftajion , ohne gorberung, aSecinei#
bung ttlied übertriebnen , fantaflifben , unb gefuch«
teil im Slnjlanb, @mtg, SBIif, ©ebdtbe unb Älei«
bung, einegewilfejwanglofeQlrt, mit aHen gjfann^#
jierfonen auf glei^ hbfli«h«n , nie in 2?ertraiilich#
feit auöartenben umjugehen. Senen unter
ihnen , bereu Sarafter , Oiuf unb Silter ihnen ei«
grbflfereü Oiedbt auf bffentliche Siu^jei^nung gibt ,
mit mehr 5«b«fi^t ju begegnen , afö SMnbern ,
ohne (ebo^ flth ihnen aufjubringen; feinen einiU
gen alb wdre er ni^t^bebeutenb , m betrauten;
ui^tiu {eigen, baß fbr^erliche ©chbnheit fo merf«
lieh günjligen ©inbruf auf -ung mache , uub nun
enblich in ber SBahl feineg Umgangg , unb befon
berg feiner ^remibinnen oor|tchtig iu fej^n»
233
gu Jef Sfttfrtft be^ ÄaraEteri eittt
Immer gleich beitere^ rillige Saune; id^ toeip aud
(Srfabrmig / baß biefe ba^ @rbtOeit etne^ guten
©emtlTen^ i{l. !tugcnb unb Unfdbulb ma(^en ba^
$eri frei) ; ^eimli(be , »erbotene ®egferben , tifh*
ricbte 2Bi5itf£be, eitle Sorberungm, imng tu im»
tneriv4brenbem raufcl)enben mtb fiim[ict;em ©euuife
hingegen erj^ugcn jene mißbebagli^en Saunen/ je«
tte Sbben unb fluten »on au^gela^ner SujHgleit
unb ftnitrer {Dtelancbolie , Sangeweile , fcbmaebtene
be €m»flnbelei , €igeu|inn unb bergleieben , tvel^ed
aQeä eben fo la*(tig fär bie ifl/ ntelebe baoon ge«
))lagt wirb/ ali für anbre/ bie mit einem fo weiter«
wenbifeben ©ef^öpfe leben tnüflfen. ®ie waljre,
lieben^roürbige ©infalt hingegen »erbreitet auch über
bad Sleuifere eine^ jungen ^rauenjimmerö einen
unioiberjtebllcben Drei}/ ber (icbrer unb bauerbafter
feffelt/ alg alle Äün(!e ber Äofetterie. aiueb ibr
Slniug tragt bad ©epräge ba»on. ©d i(t billig / unb
auf gewiffe SBeife ipfli^t , ba^ wir , wad unfre
Älelbung betrift/ unter bera ^epfer ber SWobe fle«
ben ; aber bad »erbtnbet und nicht / bie 1£b»rbeiten
jeberiparifer« Sta'rrin ju unferm ©efejje tu tnadben;
und auf eine Sffieife beraudjupujjen , bie unfre gi«
gur »eruujialtet / unb mit bemjenigen/ wad oft nur
erfuttben i(t, um rbrperll^e ©ebre^en tu perjler«
234
— 45
f«it , fveun tvii; Hefe ®e(red&eu ti!^t , nnfern
oraben , rd»lAnfeii Qßuci)^ )u etttflellen, SBettn iu
geiib eine 3irt non ^oCetterte in ji'ieibung iu cersei^
^en ifl / fo i^ eä bie , barauf iu (iubieren , nia^ un^
nm ))ortbeilb«ft^(i(n fleibet/ unfre natilrlicben Sieüe
auf ftttfmne Sßeife erbebt / «nb iiufre ünnoHfo'ln»
tnenbbiten verbirgt. Slbgefcbniaft ifi ei baber^
nenn ein jungrg STtdbcbett/ bag eine fünfte/ beut«
liebe unb tvolflingenbe ©tiimne bat/ tu ber peit
tva»n bie^ gerabe 0itte i|t/ tu lif'vein anfa'net;
ober nann in einer ip«riobe/ no man in ipari^
bie $aare nett in baä®eficbtbitieinjiebt/ ein grauen«
}iiminer , bag febon eine unformlitb furte @tirne unb
ein langet Umergeftebt b«t , biefe SKobe mitmaebt J
naun eine Heine / biffe, runbe gigur |t<b bureb
ÄilTen , norinn ein halber Beutner ^ferbbaar fleft/
einen Umfang von einem SBeinfalfe gibt, ober 3e#
manb ber giifie bat nie ein Sotenganger , ein für#
leg 3i6fcben tragt.
SBabrbcit unb ©erabbeit in ©orten unb $anbü
lungen möflTcn jnar übeebaupt jeben reblidben «Wen«
febeu auf aOen feinen ©dritten begleiten; aber vor«
iäglicb lieren fte ein graueuiimmer. Qiiif ibv
beruben (treu unb ©lauben unter Sbeleufen —
bduglitbe ©lütfeliqfeit. ®urcb ftbiefe ©ege/ 3n«
trigueu/ Unnabrbriten unb ©infeliilge matbt unfeu
235
A
4 «
®ef(6re(^t fi^ nf^t «ut öera^tK^ «nb imglttfUdßj^
fcnöern \>a ln ber 2b«t Weitet Uff ju eine«
Sirt non ©priebrootte unter ben gjUnnern gewon»
ben i(l, fo barf ein Srnnenffmmer / ba^ (t«b bur^
ba^ ©egentbeii augjei^net , um befio fistet nuf
ttflgemeine Sl^tnng nnb 23ere()rung recbncn. e#
ijl inate, bn^ galle eintreten, wo eg gefdbriicb
werben fnun/ fein ^ert in nerratben; aber pnrüN
battung i(! j« nidbt SJerjiellung, nnb wenn nnfee
©efcble^t }u f^wa^ i(l , Äraft gegen Äraft jn fe}n
Jen , befonberg im Sbeftanbe , juweilen gegen fein
$erj b<ti*beln , ?eit nnb ©elegenOeit erinnern mnp ,
um einen guten ^wc{ burdbjufeiien/ o()ne bag 9in»
fel)e? ju haben , feinen SBillen gelten ma^en jn
wollen ; fo fann man bag ni^t ©eijl ber Sntrigne
nennen, tilber aSerbeimlietung audb bet unf^nlbige
fien $anblung, gegen iJJerfonen, benen wir (He*
(tenfcbaft f^ulbig ftnb, fann bie reinfle tjugenb
nerbdcbtig madben , nnb ein Heiner ©^ritt, ber
rott ber Slrt i(l, baf er nerffbwiegen bleiben mnf/
fann in ein Sabprintb bon DSerirrungeu führen.
Sei aller Sitelfeit, bie man nng SSeibetn ©<hnlb
giebt/ tonnen wir «g nng hoch nicht nerhehlen/ bag
wir fchwache ©efchSpfe finb, nnb bag foDte nng
bann «Ifo bulbfam nnb na^ftchtig gegen anbre »nae
<hen. 9?icht bag wir gehler nnb gnger aig leidet
236
— — *■ 47
ja Jieweißenbe Äleiniafciten nnfe^eft büiffte«! —
m&ec wir foOen S^titleiben twBm mit betten, bie
<m« Wmiflel an SBacbfanifeit dejliautbelt (inb. SBic
foQen ni<bt mit einer Slrt non ©cbabenfreube it»
gerii^e iilnefboten uacberadblen , nicht aua (!iteU
feit triumphiere« öber ben gaß unfrer @c6ipe(iern,
nicht jcbem ®emüthe jum 9cachiheii anbrer @Iau«
ben beimeifen.
iSeicheibenheit iß bie fchouße Jolie, au^ beö
f^iramcrnbßen SSerbienßa ; boppelt aber erhebt fie
ben ©lani tuefblic^ec 5Cu0enben. 2Bcm'ac ppu
unö jtnb Bon her 9?atu mit einer folchen ©eiße^e
ßcirfe auögerößet; weitifle fbitnen fiß) einer fol^
4)en Srjichuna , einer folchen 5?flbnng rühmen ;
jpenifle höben ©ebulb oemia ju einer fo dmfiflen
Slnßrenßuna ber SSernnnft , beb Sleiffea unb be^
©ebdchrniffe^ , baß (te ea wagen bürften über ©e*
genßdube, iu eren Srarunbunfl ©charffinn, Q)a
lehrfamFeit , erfahrung, ober langia'hrige Uebung
erforbert wirb , ent fcheibenbe Urtheile jn fctßen, 2Bit
fchnappen oon wiffenfchaftlichen Äenntniffen mehren«
theiia nur gerabe fo piel önf/ aia boju gehört,
um ©efpra'che unb einjefne ®teß»n oon ber QJrf
in ben «Büchern , bie wir lefen, nicht gonj unoer«
ßdnblich JU ftoben. 2Bir bringen eö in ben mei«
(fen Talenten gewöhnlich nur fo weit, baß wir
237
48 "
utt« mtö unfern ©offen , ntff offen 2rnfpri5d6en ouf
9?fl(^fic6t/ eine ongeneöme ©tnnbe «tocf;en fön*
nen , unb bo^ wir bet bem fflnblif eine^ febönen
®emo.bIbe(5/bei ber Sinffiibrung einer f4)öncna)fu#
(if , ni^t flouj fiJbffo^ bleiben — «nb i^ tneUte ,
bie^ i(f oudb srobe , wie e^ fepn mup, iß
ntir baber bbcblt wibrio , wonn 99;odbtr))rff^e
ouä einem weiblichen 9}funb bbre ; wonn ich be«
mei'Ie, wie juweilen ein iungeä 9!>fo'b(ben mif nn*
uerjeiblitbet 9?ofeweijbeit erfobrnen S)fo'nnern in
S)ingen wieberfpri^t/ wovon fte ffor ni^t^ grffnb*
fi^ed verflebt; wenn ein eitle6 SBeib feine ®ele<
senbeif vorbei Idpt ihre £effilre ouäfnfromen , ib*
re lobme ©timme iutn ©insen öfenfli^ bbren m
(offen, ouf einem Äloviere bie SD?ei(fer(liJffe ber
gröpten Sonfiinftler (u verbubeln , unb bobur^ bie
^ubörer in bie ÜSeriedenbeit feU, £roi ber toben«
ben (ongen fSSeiJe , bie (te ihnen mocbt , ben b^funb
ber f4)on sum ©obnen gerffnbet wor, }u einer
©cbmei^ielef ju friiten. Um bejfo ffberrof^enber
iff bie ongenebme ©rf^eimmg, wenn ein fronen*
»immer , bei einer fcbiflicben SSerouIofiung , ohne
prberung unb ohne bop e^ ihr felbff »u obnben
fdbeint, wie gut (le rcbet, mit fonfter , f^i54)ter*
uer Stimme, ®inge fogt, bie ber ffSeföbeit eineö
©elebrten Qfjtt roo^en 'würben ; wenn fte ohne
49
0tereee ! , btt wo fio tamit einen fletnen ^irfel non
Sreunbett angenehm unlerbalten fonn, ICalente^
@prg(bfenntnljfe , geänbllcbe SSlIfenfcbnft , obee iU
ne .^unflfertlgfelt )elgt , bie einen ©ele^rten obec
^i}n|llet ln Seitnunen feit; wonn, ebne Ihren
^rlefwechfel and Sltelfelt unnhtblg ougiubehnen/
ihre IBriefe ilerllch unb oou gebrn'ngter ©chrelhnrt
(inb, nnb nicht wie bje meijlen 0dhrlftcn unb Sluf«
f4ije unfrer ainfpruch nwehenben 52Bel6er , w«prlch<
U, gebehnte Sellamailonen unb ermiibenbe^
wdf<^e. —
(Sin fturntenbe^/ ungeftümmeg / ouffnhrenbeg
SBefen entffellt bgg fc66n(le ©ejicht; ©nnftmulh
sieht einer tnlnber fchinen ®e(lcilt , SHeli unb Sine
tnuth. ^lemt ung ein mannli^er ülnftanb nicht;
bflrfen wir telnen Slnfpru^ auf hohe mdnnlidhe 2ue
genben machen; wie oiel weniger lailen jt^ bann
ble fehler ieneg ©efdhlechtg an ung entHhuIblgen ?
SBlr (Tnb nldht ium ^errfchen fonberu jnm ©eher«
eben heftlmmt; unb befwegen Iff 91ahglehtglelt ei«
ne nothwenbige weibliche 2:ugenb. SSann au^ ein
SOtab^en in ber golge mit einem SWann oerhun«
ben wirb , ber ihr an iSerjianbegf^higfelten unter«
georbnet i|i/ fo wirb hoch au^ biefer fchwa'chere tu«
weilen auf ber a'nfTern §orm feiner Jjerrfchaft he«
flehen , unb bag Beib wirb non allen ©eiten ner«
239
liertn , nenn ti mit einem eiferuen ^opfe
itringeu tviO ; ncriieren , weil |te babuv^ ben ^?ann
}u st£|feeem SBieberftanb teilt, feinen (Sigenftnn/
bet bei bununen ;geutf)en fnit innnet fidrfet, al^
bet tlttgen i(t, in ^ntnifdb jagt; »ettteten , inbem
fte ihren ^ann vetad)t(id? ma^t, ba bann bie
©chanbe auf ffe iutütfdUt ; netlieten enbli^ in ben
Singen bet SBelt , bie iht in biefem SaUc tmmet
unrecht geben inirb.
®ie fofcbttt(ie , auögefu^tejtc .Älcibung , bet gln'ni»
jenbfte ‘Pm erhebt bei reeitem nicht fo fehr bie
tlteije bet ©chhnheit, al^ ein du|Fet|i teinlichet,
tjalfenbet Qlnjuff. €g giebt Sraiienjimmer, bie ,
fie mbgeu au^ noch fo prächtig andfitapert fepn^
itmnet unorbentlich atigfehn, S)a fi’it halb bag ^alge
tuch fi^ief , halb hdngt ber 9ioI an einet ©eite inne
get heruntet aW an ber anbern, ober bie ^la'nbe
ffnb ni(ht rein gentafchen, ober bie J^aate hangen
um ben Äopf herum/ ober bie ©chnhe ftnb unor#
beutiich tugefchnaUt / nachlo'lfig lugebunbeu; ober
bie ©ttiimpfe haben Söcher , (tnb fdhmujjfg , fchief
angeiogen ; ober eg ftnb Ttdthe aufgegangen , bet
©toff »cm Slot i(i loggeriiren , bet Unterrcl blitt
hetoot / bie ^anbfchuhe ftnb fchnuiiiig, ober mag
berglei^en Singe mehr fmb, worauf bie Stfa'nnet/
benen mit hoch ^etn gefallen rnohen , oft fehr gee
240
51
nau feiO^n , Eefonber^ tva^ 0?eiaIfcbfe{t mtb faubere
^leibung betHft
Sa unfre a3ej!tmntu«a i(t/ ftt einem ^aimme»
feit aUe flelneit SetalW mitec mifeer SJuflicbt ju l)Xf
ben / fo m Otbnung für un^ fafi no^ unentbebtli«
dber, al^ fi5i: Me söiifnner. Slefe örbnung fömt
fajl nie übertrieben »erben Ueberlegen »ir eint
mal, wa^ für eine SWenge Heine ©tüffe nur alt
lein JU unferm ipujje geboren , »eicbe 9Äü6e eg
topt, biefe aug einanber ju finben , »enn |ie mt
orbentli^ jer|lreut liegen, »ie man bann oft neue
©tüffe »on SBdnbern , ©pijjen unb bgl: für tbeu»
reg @elb faufen mu0 , inbeffen man bie Oieffe bie
man herum liegen bot, ni^t finbeu fann, unb
»ie leidbt nnfre bünn gemebten Sleioungfjlüfre bee
fcbmujt unb jerriffen »erben, »enn fte auf ©tü«
len , 5i:if(®en unb Äa|ien umber fahren !
SIrbeitfamfeit unb uüjlicbe be»abren
»or bofen ©ebanfen. gange»eiie unb SOfülfiggang
nerflimmen bie britere £aune , er»effen ein gefa'br«
li^eg ©ebnen, eine ^erjengetlnrube, nnb (iime
tuen jur (Smpftnbeleij ein £eben immermdbrenben
Jerflreuungen ge»iebmct erjeugt unregelma'ffige «Be#
gierben , ndbrt ben Srieb jur ©innlicbfeit, unb
lobtet tag ©efübl für bo'uglicbe greuben. €ine
grau foS ihre glü(li^|te (Sriffenj in ihrem ^aufe ,
241
5 »
in itt iSefcrgung iBtruf^gefc^dfie f(nben;i^c
fC)?(imt/ i{)U iSinbcr, i()i‘ ®(|tnb, unb tu ©tunbeu
ber drOcIung (in (ebicetcbed S3ucb imb ein fleinet:
girfel treuer , muntrer unb uerltanbifler Sreunbe —
bag foil ibrt «ngenebnijte ©efeöfeboft fe^n. Sbrer
ülufmertfumieit mu^ mub nicht bn^ @ering|ie eutge«
ben , ivag im $cmfe 31 t rerbejfern , uortbeilbafter/
orbentiieber / fparfam^r einsuriebten i|t. Sie nm(i
in aßer 3lrt lueiMicber Sirbeit gefebift unb geübt
ftpn , unb fodte aueb ihre .(Kleiber 3u f^neiben wip)
fen. ©elbjl bie grobe airbeit in ber Äücb« ««b
bcrgleltben-muß fle oerjieben. @ie niuji ficbnicbt
freuen , ihre 3 nrten J^ätibe 3u bef^mutten ; nio e^
notbivenbig ober ivo eb iPflicbt i|t, ibreu STtg'bcbea
tu sc'Bcn, nie man eine @acbe angreife» ntug;
aber fie foH nicht sßtagbgbienjie tbun/ roann »bve
iSermbgenI f Urnftänbe baü ni^t erforbern ; fte fo((
nicht ©rofi^en felbft oerbieuen, unb iubef bureb
SJerfeiumniß mistigerer ©efStifte , bnrS aiufopfe«
rung ihrer feineren SIeibungg|iütfe ^ SbAlrr Der«
fSmenben. 9Sot3ügIicb muf ber borgen ber aire
beit gemiebmet fepn. Sine gute iDlutter / eine treue
©attinu/ eine fleijTige $augfrau läuft niSt beg
OÄorgeug auffer Xpaiifc , nimmt beg «OTorgeng fei<
ne SBefuSe an, am lufnig^en oon gKmtngperfcnen.
(Sehr oiele @tunben loerbeu oon ben mebreften
242
üftt^emn unfet:^ <m Dee ZoMU m*
ftbntenbet; num fann fic^ aber geivb^nen biefe<
wf(btffle Oefi^dft In Mrierer W »onenben,
unb ti i(l <Pfli(bt/ ftcb barinn tu üben; b^be
eine einiffle Cooler, baö gute gwdbcben bat aui
©efdDlflfelt für tnicb gelernt , wenn fte nebmll(6
gewafcben nnb ber ^opfpui In £>rbmtng l|!r nie
tnebr alg bb^flrng eine QSIertelltunbe )u Ihrem
IjJuije )u gebrauten. 3(b feune aber junge SJtdb«
dben , ble tdgll<b über eine @tunbe ^eit nbtblg b««
beu/ um nacbb^t beimodb dufferft na^ldifig be<
bdngt iu erfcbelnen. SUIeln ba wirb jebeä ®tül
ba^ (te anlegen /‘jebeg Q3anb/ jebe^ £Apcben jebn«
mal befdbaut unb wieber bef(baut , m bem 6pitf
gtl angepaßt, wieber }urüfge(egt, unb wieber
belgebolt , ja , wenn eine grofe Toilette gemacht,
unb aUe^wag ba)u gebbrt, erftaug benSBInteln,
wo eg ierßrent Hegt, jufammeu gefucbt werben
muß, fo rbmmt ble DDtittaggtelt brtan, bevor ble
SDame im ganjen @taate ba|lebt.
Scb felje eg gerne , wann junge SDtdbcben ficb
früh Dßtorgeng gleich fo anflelben, wie fte ben gan«
}en 2:ag über bleiben wollen , nicht aber In einem
uacbldlflgen, ober gar in einem fcbmujilgen 9?acbt«
Slntuge berumtaufen.
ICa @parfamfeit eine uotbwenbige weibliche
243
0enb ift, f» tmlnfätte bag alle junaen gwteiw
jitnmer fi($ 6f(?i\’ben nioffeten if)te ÄleibunaaiJiiffe
}u fronen. ^at mi^ immer gefreut / tvamt icf)
iperfonen unferö ®efrt)(ec6t^ gefeOeu ^«be, bie baS
Italent batten , mit wenig Sofien gef^mainoS
beraub }u puiteu/ bie icicbte|len feibenen ^eucbe,
?S4ttber, glor unb bcrgleicben, niele Sabre bin<
burdb )u tragen , unb in ade formen ber neuen VHof
be Uiiuuarbeiten; glauben ®ie mir, mancbeg^db«
^en bleibt be^iuegen unnereblicbt , weil bie 0?an4
ner bei bent taglid) wacbfeuben £uru^ ft^ fcbeuen ,
fbfe J^anb einer grau nniubieten/ -bereu ©arbero^
be aOein bie ^dlfte ber (Sinfünfte wegna'bme.
Sdb lann bie gtaueuiimmer nicht (eiben , bie im^
mer Über fcbwacbe tXernen Hagen, unb ba'ufig bijlerie
fi^en 5lnf4llen au^gefejt (tub; benn oft (ifnb €inbil<
bung, SJerta'rtelung , übel gewa’blte £e(tdre , welche
bie iHeUbarceit ber gibern nermebrt, bie ipbantae
ffe erbiit unb überfpannt , fmpftnbelei unb üEKüf>
ftggam bie Üueffen biefer Srdnflicbfeit, *) ®oü
Wirtfamfle COHttcl einen fo iartlicben jtbrricr lu
fldrfen, i(l, taW ffcb,2:roi bem rauen SBetter,
eine beflimmte , ma‘^ige (Bewegung m machen ;
@eele unb feib beftnben (?db wol babei,uub ba
*) 0 aber nicht immer I
m. 21 .
ll
55
fA(i flU« unfre SSefct^iiftlflunaen im ©ij}«» vmicb*
iet werben, fo ifi tS um fo niel nbtiiider, wenis«
{lend eine ©tunbe ben freien Umlauf bej
S3Iutä bur^ @paiterengel}en befbrbern.
©p efelbaft unb lattüiueilig bet Umgang mit ei^
ncm nerjdrtelten Srauenjimmer i(l, eben fo wi<
berlicb fcbeint mir ber ^nblii etneg SBeibcg bag
einen mannlicben 9infianb affeUirt , mit fdbweren ,
])Iumpen ©(^ritten, wie ein S)ragoner tinber gebt,
mit lauter , grober ©timme rebet , f(bi»ere ^lanb»
arbeiten unternimmt, ibr ©eftnb prügelt, unb fo
bie ©anftmutb beg toeiblidben ^arafterg oerldugnet.
S^ieienigen 0)t(tnner , nieI(bebebauoten,e{n ^eib
bürfe unb foße nicht bur^ einige loiflrcnfcbaftJicbc
Seiintnilfe, unb burcb bie fcboncn .^linße ihren
iUerßanb augbaueu , unb ihr ©efübl oerebeln , oer<
fänbigen wabrli^ au ber menf^iicben 9<atur.
©an) etwag anberg iß eg, ißufprudb auf grßnbli«
^e ©eiebrfamleit machen , ßcb tief in ben ©tu#
bien oerßeigen; unb gan) etwag anberg, ben©ee«
lengenup erbbb» unb ßcb }u einer angenehmen ©e#
feßfcbafterinn unb ©efdbrtinn hüben. QBarum foß#
te in ben ie))igen feiten, ba ^uüur unb ©ei#
ßegoerfeineruttg in aßen ©ta'nben lunebmen , bie
^difte ber £ebenbigen , bag gonse weibliAe ©efcbledbt,
bion biefer iSerooßtommnung ihrer natßrli^en $dbia#
245
56 ' '
feiten au^ 0 ef($ro(ren SIeit)en?2Bat;utn foUteMe ^^ran#
liie (e^ S^tanneä angenel^mlfe @efefffc 6 (tft fe^n muf /
tmf4l^is erhalten werben/ ben ©enup mit il)m )u
tbeile«/ beu SBei^i|(it »nb ©eelenlunbe ibm dt'
wa’Oren? ^dtte bnä ber 0cb6pfer gewollt , WAtum
I^Atte er benu unfet ©ef^Ie^t mit fo manchen DSor<
lilgen beä SSerjfanbeg/ mit feinem SBii unb leb«
^after ©nbilbnnggfraft begabt? Stein! ich
viel von einer jivefmiilTtgen Slugbilbung biefer $ii«
higf eiten, burch Unterridjt in Sprachen, fünften,
niiilichen nicht ab|tra!ten SBiffenfchaften , unb burch
£eftiire. Siber bieg muf nii)t nur mit weifet saug«
Wahl gefchehen , fonbern eg biirfen auch barüber bie
eigentlichen ^auggefch4fte nie verfSumt werben.
^wetlog ,'^eit oerfchweubenb unb oft auch nadh«
theilig für bie ©ittlichfeit unb füt bie ©timmung
höherer ^Pflichten, ijl bie SButh mancher junger
SOtcibchen , affeg bur^eiuanber lu iefeu , wag nur
CSuch heift, bie elenbeften Stomanen , bie fabeffen
©ebichte , bie fleinen erb4rmlicben SÄufenaffma«
Mtt^e , von wdfferichter Steimereien , bag $eer
von gefchmatlofen ©^aufpielen unb bcrgleichen ßn*
(Inn! — SBann man hoch nie verfciumen woDte,
ua^ 2)ur0hlefung jebeg S3uchg ft^ felb|t }u fragen:
hrtt iä) nun önrnu« gelernt? -- um bann
einjugeftehen , baß, fo lang eg noch irgenb etwag
246
in bei; SBelt )u t^un siebt / unb foHte man
au<b nur €rbfen lefen , eine übel sewdblte unb dbel
»erbaute Settüre feiger ©(barteten , bie nidbtä für
iStopf unb Sjm enthalten / ber elenbefie ^eitver«
berb ijl ! 3db höbe grauenjimmer gefannt / bie (idb
eine Shre barauS wachten gef(^i»{nt) ju tefen.
3(b mag ni^tS lefen, aW roa^ man langfuiit le#
fen muß, unb ein 55u^ , ba^ nurwertb iltcinmcl
flü^tig burcbgebla'ttert ju werben, i(f gar nicht
wertb baß ein per|la'ubiget SÄeufeb eS in bie ^>anb
nehme»
9i?tu(tf , SKalerei , unb überhaupt bie febbnen Sün#
(ie fmb ein angenehmer ©egenfianb ber Unterhalt
tung für gefittete ^rauenjimmer ; nur wüufcbe idb
barbei iweierleis — baß biefe ®inge nie
fo leibenfcbaftlich getrieben würben, baß man ent«
Weber gegen aHe übrigen nbtbigen ©efdbüfte Qlttl
bet&mmt , ober baß burdb ihren (Sinfluß auf tag
Steroenfpßem bag ^eri »erjdrtelt wirb. Sin grauen«
{immer , bag bei einem fcbmelsenben Qibagio bie
saugen oerbreht, heiflfe Ährüuen oergießt, unbfa(t
ohnmächtig wirb, ein üTtüb^en/bag, wenn eg nur
ben 9tamen eineg feeleuooQen S)ichterg ober Son«
(ünftlerg nennen hört, in (Sntjüttung oerfejt wirb
— ein fol^eg graueujimmer mag nur auf feiner
^ut fepn, bamit bbfe S^enf^en nicht foiche 9(u«
247
58 — -i- —
denDIlüfe ttdjjeu ! SBir ^aben tt{(bt nötbfs
«ufre Slmtlicbfeit burtb btrgUicbfn Snittel nocb
mfbr iu reijen. ©obann r«tl)e leb , b«f , roemi
inan nicht entfebicbeneö Talent }u einer f^Snen
Äun(l , noch ble Äraft bat,, mit ^le^P ««b 9lnf*
inerffamfelt ble ©runbfiljje ju (lubleren, ble Hel«
tten iQortbeile ficb elyen )u ma^cn , unb fi$ mit
elferner ©ebult eine Seriigfelt In ben nbtbigen $anb«
griffen ju erinetben, man bamit nicht feine tbeure
^eit nerfdbtvenbe , unb aubern lange 2Beile ma^e.
SBer nl(bt In ben jtünffen , bei orbentlicber Hebung
tdgllcb norrilH, ber gebt itm'if. S8cr ble ©teHe,
ble er geftern auf bein planier uerruebt bat , beu«
te unb morgen noch eben fo fehlerhaft fplelt; wer
ben ©trieb, ben er gemaebt, noch eben fo f^lef
nufbad ipapler bringt, ble Qirle welche er öbt,nodb
eben fo lahm fingt , alg bag erffe W?at, ber wer«
fe 9?oten unb-SBIelfeber Ing Jener unb ffrlffe ©triJm«
pfe! SlOeg mlttefmdfflge taugt nicht, am wcnigflen
In ben f^bnen ^^ünffen , am wenigffen beut )u l£a«
ge , wo Siebhaber belberlei ©efcblecbtg eg oft fo
Weit bringen, alg ISirtuofen. ^an fage nicht man
fplele blog tu feinem ISergnilgeu ! (Sine uerftdnblge
iperfbn fann nie Ißergmigen an etwag haben , wag
fte felbfl elenb ftnben mu^. 9cocb unbilliger iff eg,
bei ber innern Ueberieugung , wie wenig Jreube
ttion bdtnU anbern gewa'bren fann , bie
b;t; S^fann^perfoneu )u nii^brdudbcn , um uuf Um*
fo(?en ib«r £)f)r«n eine ©cbmeicbelci iu erbetteln.
^ V a ö m e n t e
auö bec COJenfcfjcnfunbe.
®iner bcr liebentoürbfglten SScrjüge im lueiblf»
eben Änrnfter i|l jeneö tintig geleitete (Sefül)!/
wel(t)e{t fi<b überall burcb bie
fflmfcit üulfert. SBie bi“t«iffe“b/ wie unwibcr!*
|lebli<b allmücbtig erbebt biefe bie Steije beg ilQeib^
biö }iir dnflelßilbbnlielt! -- ®a wo fie bei einent
sfeeibe mongclt/ f^eint bie gute sKutter iTZctut;
Ihren fronen ßwet oerfel)It ju hoben ; beim um<
fon(l gab fie und ni^t einen fo feinen unb reiiba«
ren Äbrperbau I £) biefe SlKgütige ! |te jeicbnetc
ung SBeibern fo bentlicb ben SBeg m, auf bem
wir bur4) bie Äultur beg S3er(tanbcg , mit ^üffe
beg Stacbbenfeng unb guter ©runbfäjie uufer ®t*
füöl richtig leiten , unb biefe Wrtboe Ämpftnb#
frtmteit erlangen fbmien! ©ewig, meine greune
binnen , ti hiinflt bloß allein oon bem jlci^igen Qln»
baue beg 23crftanbeg ab/ baß wir auf tiefem foge#
fdhrlichen ©cheibeweg iwif^en bcr @ei(ientner»cn<
In. : Die Einsiedlerinn aus den Alpen 2/1794, 2. Bd, H. 4
249
J54 —
e t? 0 a 5:
M (Jrö t|f baS 5>c§te ein fcummc^ SBciB ju
^ciirof^en ! » —
iSepcuft poti einem &d;mi’3(tmabc^en
£)fe Tteuöcit IMeg ©rtjjcö relit mfd) umvfbcr»
(lebfüt tön ofFnitlicf) ju pröfcn ; «ber meör itodö
trefbt ttiicö ein ©ejüöl nojt erfcuntltdjfeU- geßstt
eittttt inmjen: 9)?«nn Ddju nn , iöni ö^et «n »er*
iiettt«^ :?ob JU flebstt für Me eble £>|faiöwj'flf<it
mit meWer er nur baß ©cöeimnip einer flcmiiTen
Stöp ©efcöletöftf entbcKe, bie eö öiööer
wtrfllcöe ©efinniutg forsfa'iiiß »erboraen öieit,
«ut> bu (ö bte Stöat felbjt bie SZBelt bocö no4 im<
mer im gmeifel jirifcöen Unfall uub ipian ßelaffeit
^atte. ©0 ö6rt« i<it mit einem SWale bieö
Siatöfel aufgelöst, unb ju meinem beffo arolfercn
dr(iaunen, au^ bem 9)tmibe eined nocö fefliff un«
peröeuratöeten Spanne«, ber »iele ÄenntnilTe, feöc
Biel ®ei(l / iieiHifeii 9?ad)benfeit , «ftb beii feinjlen
2Bij befijt. ?roar für f(<ö nur ö«t er flefprocöen,
*) ©aifillte Srauenjimmet/ bag meinen Seferiniiett
fcöon bnrcö iire frennbfcfcaftlicöe Söeiinaörae a«
meinem fcöriftftelleiifcöen ©^iffal öefannt i(l.
m, iE.
250
— — — 155
un& »eim ßlo^ aU ©c&f rj , fo mu|j mein
In feinem nnfe^einenben Srnjl/ nnb ber 2>or;«j ,
brt^ icb bef-megen «ueb feinen 6oj nitbt faipriicb
bebanbeiu ipi((,ibm einen Q}eiuet^ meiner Qicbtnng
geben. — Snbeffen bnvf icb «ni fo »erficberter noef)
(in (Sriifl mi(b Oniren , b« boeb ieue SWäitiiertlöffe
iu ber i(b iOn jdble , tbatige SSeiueife glelfber ®e*
fimmngen uub ©runofäjje gießt; bgrum grettnb/
foflen ©fe mir nun nlö ibr (Jieprdfentant gelten!
3cb erJttube mir iejt juerfl einen 93Iit ind 9}ftiu#
nerberj , tun bie ©riinbe jene« ©njjeö nufjufu«
<bcn. — ■ greucn fie ficb meine ^»erren , wenn mein
furje^ ©efiebt nicht ju tief binein feben tami ! —
SBabr iflö/ ein bummer SSeib »ermng eö nicht,
ihren 3)?(inn in feinen ©efinnungen nnb ^»anbhui*
gen (tugiufpaben , nnb von einem nuf bag anbete
jn fiblieiTen. — ©ie fann feine Sichtung fi'tr ihn
verlieren , »veil (le nie feiner fähig ivac : S>ieg iß
nun freilich Won ein n^t geringer SSortbeil für
bic grbiTere gabl ber OJItt'nner. Sin bumme« SBeib
1(1 fßnft/ geborfiim , gebnibig, fenffam — benn (ie
bat bic Kräfte nicht fid) anfjulehnen : ©liHe , hier
V rredbnen @ic fW garjiig meine Jgierren ! SIW ob
©utherjigfeit and) fcblechterbingg mit Dummheit
in SSerbinbung (iche! 3d) iviU bieg im weitern
fBevfoIge er(t noch prüfen. Siber eine .^»aHprfacbe
156
i(!^ flud) iupW / (6 gn•(^^e efiicc feinen Slt{
t)on ajfdnnt-rn bie S^cignnö kfriebigeit fnnn bet
3 » gcfollen ne flfleÄ (Uifc}>f«i’n filmten : 2 Benii
Imst biimme Ößeib fo frei) ba« SBeifallniEfeu ibreö
fSfatmei blntiimmt; nnb fein 5D?ad[)ta'ort littcrnb
Iiefofgr — in fo fern jene OmOeriigfett aii^ bei
iör nnmiirft, mib ein fiegmatifebeö SCempermnent
tttt&iiJ etnrornben iimg — fo wenn ber 50?mtn oou
!>er ffsbe feined ©elbffgtfübig mit SBeroußtffpn ber
©nmmbeit feinet SBeibe^, auf fie ^erab feben fann
— hl folcfecn Sluacnblifen enipfinbet er gewiß ein
iibergrofied Ssergnögen, benn — mit einem 2 Bort,
fein ©toi} fübit jicb ba befriebigt. ®ie ^>anb aufg
jjeri meine Herren ! Ob @ie felb(l fid) nicht fo
finbeii ? tiJbec trlumphiten ®ie auch nicht , wenn
©ie tsifTen, baß ich @ie nicht errathen hnit! 93e#
lieben ©ie eher in glauben , baß ich »or anbern
ni^t ebicrn SSeweggrünben 3hr« SBuhlt« e »orfet»
!i^ meine Singen jnbröfe ! — welAeiSor^
feKungen mi5ßte ein $J)?ann fich fonff machen ,
welche SSorempfinbungen fonnten ii)n befiimmen,
wenn er mit lleberjengimg ber Sninmheit eineg
sOfa'bchtnö bennoch jnm SBeib (ie weihite ? llnb
freili* wenn eg fi<h nur ai 4 ««eh jener' SSor<
fleKung uerhieite / bann wa'r eg noch ein fo groffeg
Hebe! nicht/ ein bnmmeg 28eib äu hgicm Sibec
252
I virti^rffWiu L
t)ög UeBertfguttfl auf SSermuift/ 9}?e«fi$euren«fnl^,
wnb Srfflbrungcn gegrönbet, botb «iner folcbea
SSorfleDiing burrbati^ mangeln würbe, wdre letbec
für fol^e tlitge 9)ittmier nur aDiu wafir , um ti
einfl sum Spott unb Summer genug }u erfaßten.
— ®ie^ will IcB SOnen ^ier ua4) meinen wenigcit
«Seobacbtungen bcmeifen ; unb beiten bic mit ober
o^ne illorfa} ein biimmeg SBeib I)euratBen , alfo
auch fugen, ox?« fie fid) wabien. Sollte eS ben
p.riiüitftigcu unb reettfebaffeuen gjiamt, ber (icb
bec ©vünölicbfeit feiner ©efinnuugen, unb bes
£fteinl)eit feiner 2Ibfict?fen bewußt »ft, niebt ebet
freuen Fbnnen , »on feinem »crflünbigen SSeibe ba<
rinn bewerft ju werben , aig wenn ein bummeS
©efeböpf in allem aebtteg ibn uorbegeöt? — €t’i>
füllt er feine ^''fücbten, ffl er treu unb fleiffig in
feinem Qfcrafe , oerfofgt er ben cbeln Snbiwef lunt
©lüffe feiner ^amili’ m leben; beiüömt er mit
Slnfltcnanng feine Sdbeniebaften ; i|i er frieblicbf
liebrcicl) , gütig gegen fein ®eib? .muf fo
feon ! 2'enn i« , fugt baö bnmme ©e^ebörf ju if)#
rer SeadWarin , wenn er niefct fo wäre id) ni6d)te
{(in nicht babm. 2B nn oie Sine Jeöler unb
©diwacben ibred 9?f5micd bttreb •Dergleicbintii fei/
uer überwiegenben üJoriüse tu ueiringern wei^ ,
i()n liebreidi ba'für aiifinerfjam macht, unb jur
253
ISS ^
tßfrBelTernnq dufmuntert , fo 6dlt Me «nbcre an
fcJneii Seßlern nur, i»eü fie feine iSorsrige nid>t
jti f*at}eu »ermttfl. Uno wer fennt nfcbt tiefe
9?eiöiinq beä flanjcii 9)jenfcben0i-f(l)IccbtS fi'cb eher
tmter einanber gebier aiifiiubaitben , alö SBcraöfle
au bemerfen? — 5«i>cm i|t noch gerate ber 5D?enf(b
mit bcn grbßfen IBorailgen , auch immer be(Io auf»
faHeiiber ia feinen geblern; unb auffaüenber finb
fie immer an 3?fa'nnern, bur^ ihre flärfern £ei»
benf^aften unb wicbitgern Saunen ; wie nun babei
eia bummeö 2Seib jicb »erbalt? Sin *paar iöeifpie»
le nur — wenn etwa ber IDfann beute bag »er»
wirft ober billfgt, wa^ er geftern migfcifltgt ober
bcbauptet bat» ob«e för beute öberwiegenbere
®rünbe anjugeben — fo ift bieg Saune , ber ein
»ernönftigeg Sßeib nicht wiberipricbt, aig nur im
wicbtigflen galle mit 4n(!crfrer SScbntfamfeit , unb
unwibcrleglicfien ©rönbeit : ®cm bumnien Sßeibe
aber beift bie? aBanfelmutb — unb eher »ermbcb»
te man einen ssergjlrobm in feinem Saufe jn bem»
men , afö fie am tffiiberfprecten au biubern. 3(1
inweilen ber gjtann aufbraufenb ? jtann er au^
fleinet ober gröffercr iBeranlaffung in beftigen 3»rn
angbrecben ? fo iuirb auch fie nach ibrem Zempe»
ramente banbeln, unb enrweber laabaft ficb »er»
friecben , ibn einen SIBötOcricb nennen , eg al#
fehler fefneS ^erjen# (dj: ren , im6 6ie« uiuniö«
I6fi4)ltc0 in bem i&rigfn tingi-aben ; ivo ein »«rnüuf«
tigeä sJBdb öfitgcgen, He lleberjcugung bet 93ow
Jöge ibreö 9)?<miie^, ihre Sid^tung; Ujre £icbe fi'ic
ii)n, (jtteö au ^»lilfe nimaif/ um mit (filier ©dof»
fetiljcit «udauOdtren , im g3eiuu^ffcp bdp ©törm#
bfö Semajftdmenfg flücbtig unb uotiU'ergeöenb jinb.
£5ber flidubt mdu bdg efiv« ein buinmeö SSei&
ttiebt dujfdbrcnb unb l)<ftig fevn fbmie ? S2Sol)I ge*
wig . unb eben getdbe aut geit tuo ed dm unf^lf«
ii(i)(fcn , dm fdjtiblitblicn i(f. S)te be(Tere ©eie.
genbeit au tud'blen uub au ergreifen , wo nidti wirf»
fum fpretben fann, i(f boeb mir bie ©gcnfcbdft
ber SSernmift. Unb wie »ermbebte ein buinmc«
SBeib SBcbcrrfcbung ibteö 2;fnipe'‘dmcnted au wif-
fen, bd (ie oft ber SSernunit fb frbwer i(f, unb
feibff biefe durtj indncbnidl Ueb.-rillungen au bei
reuen bdr?aBetm bem Benti5u!'n'geti unb recbtfcbdf»
feiten ■Kdime dueb ber 5teifdü , bog £ob , unb bfc
Srditung feiner grennbe, bonn i)i :[cid) dU.r oer»
(liinbigen unb tedUfeboffenen 9)?cn'(i)cn lieb, mtb
fcbd'jbor, unb dufnumternb lif. Sßorum niefct eben
fowÖH Bon ber ©cfa'brttnn feined £cbend , bie im
bftern Umgonge ibn mebr diö onbere au Bcrrteben,
richtiger au beurtbeilen, unb in feinen oereiuteu
?8oraiigen höbet Ju fd;4aaen berniog ? aSorouf (T^
255
4
l6o
l)D(^ bte ^ufrffbcnöctt feinn uielffett SehttüitU
flnünbeti fami ! öber luarBin nl^t Slugettbliffe
<mdb Fonimfn folltcn , roo bte mtbelebte ©eele fei*
neg SSidbeg ib« a'rflerii ober FrönFen Fömtte? —
greilicb man Farm bumm fep lutb bo* ®cfül)I l)a^
hett, jene« 1(1 Seljler be« Äopfe«/ bi’efe« Süiea«
fcbaft be« ^erjeii«. Slbcr loa« i(F ein ©efiiöl , bn«
nicbt auf SScrdanb gegrönbet». burä) SSernunft
aufgeregt tinb miterbaften ittrb? SSa« grunblo« ijF,
i|t au(b flö(bttg ! Unb ba U'o €fnfkbt be« ^ojjft«
«otbroeubig ijl , ocrmag au^ ol)ne biefe ba« ^terj
«icbt ju fiiblen. S33o aber t(F fie ui^t nctl)raeuü
bfg , um fe(b(l blo« iiatilrli(®e ©efilbfe iu unrei'ü
I)d[ten? — Sl^tung gegen einen ?0?enfcfjcn Fömmt
au« ber SrFenntnid feiner Talente, unb erb6l){
ft'i^) bi« jur aSerebrung ; nach unferer €iuficbt in
feine erioorbencn Sigcnfdbaften , unb wie wir feI6(i
bie 5Wi(tel ihrer ©riangung , unb ben SBerth i()^
re« Söefisie« Fennen unb etapftiibeu ! ®ie« i(l ©eü
be« 93erftanb« unb ^erjen« , ba« man nun
3 tc{)tuiig heipt , unb beffen aifo ewig fein bum»
nter SJienfcb fäöi« i|F* ©anftmuth/ ©ebulb; Un»
terwerfung unb SenFfamFeit finb juer(F iroar Si»
genfcbaften be« fpcrien« — aber nur infofern na*
türlici)e / al« bet; ©runb bajit in einem empfin»
bunggfäijigen .^erjen oorfiaaben i(l, worauf 93er<
256
— i6i
ffflnb ttnb 5Beruunft m wirftn tierjDöfljtt, unb
burcb tiefe nun önfacjogrn unb bebsKen, finb fie
bo(b mehr no(^ «rwotbcne Sigeiifcbaffen be<J
»fei ©miftbeit — o nimt traue bocb feinen
©«iiffbeit eineö SBcibetf , eon bet man nicht ein
bur^ ben foIibe|Ten iBerftanb gebijbeteö ^)erj tcnnt!
55ei betn bummen SBeibe ijl ©anftöeit , bie ©tue
pibiuft ihrer Qanjen ©ecle — unb ttemperament,
©0 i(l ©aufibcit bei bcm b«Ibt)er(!a'nbiflen SBeibe,
©cblaub it , ^ittucbelei — ober tofe bei bem biimnw
ften ©efcbbpfe, Siegln«. — SBet fönnte aBcn
SJitnfebenfenner beiffen ■, unb bie Slbfcbenlicfifeit btö
flegmatifcben temperainentg an einem SBcibe nicht
lennen — bie nnaiigiöfcbilch (T^ einpreigenbe IBif#
terfeit, bie Unoerfbbnlicbfcitruub bie ffeW h^mif^
lauernbe iSacbe bet fcer geringjten SBcIeibigung? —
©«nftbeit elneö nial}rf)«ft ocinünftigen SBeibeö
gegen/ i|l ©efe^tbeit auf fclibe ©rnnbfnße ge#
baut nnb b feftiat : unb »tm gieicbem ©ebalte f||
and) ihre ®ulbung , ihr ©chorfam , ihre Untetioerf.
fitng gegen ihren S)?ann. £?hne ©tmnbfdge (be<
ren 9?amen ein bummeg SBeib Faant fennt — ba
überhaupt fo wenige iJßeiber ben SegriflF berfelben
loiffen, fo oft fie auch ihren 9?amen fm SOZunbe
föbren) ffitb ®n(bung ffiehorfani u«b Untcriuer^
fnng fluÄ) ßigenfehaften eineg .... ©feil — ssec
257
4 .
162
wollte 6fn «Wann nl^t oera^ten , ben |Te tta*
bfefer 9Irt »ou feinem SBeibe freuen fönnten ?
gj?a« fliebt aucb einem @tra(renra'iiber fein ®elb
^in , wenn man ju fcbwacb i]t / gegen iön ficb J«
wsörcn ; aber eine oerniSnftige unb ebie ^laiiBIung
wirb auÄ SS?iHe , mit Snwftnbung iti 93er(tanb^
unb ^»erjeng , unb batum aueb freubig ouggeüDt.
ein bummeJ SH5eib fann aucb eben fo wobl rafcb
unb feurig in aD ihrem ^)anbcln fepn, aW fie
uadb anberm Semperament ebne frembe Sewe»
gung in g^njücben ©eelentob uerfinfen fönnte.'-
@0 ünertraglicb unb f^dblicb in jeber OiiSfficbt bie»
fe aM ®attinn, ®?utfer unb ^>audb<il(erimi fepn
niuf,ebcu fo gefdbrlicb ijt jene in aller ißetra^s
tung blefer breifacben Obiiegenbeiten , burcb bett
bet Summbeit eigenen bHfien 2ei^tftnti, bet
mit bem Seuer ibred 5'empcramentd »erbunbeit,
gögeKod unb unaufbaitfam fie fortreißt, ©o luee
nig fie eigener Ueb rleguug fabig i(t/ fo nermbgett
aucb frembe iSernnnftgrdube auf fie nicht ju wire
feU/ ineil 0e in ihrer bobenlofen Seele nerfinfen,
unb fo wenig ndtjen , ald ber ©aame auf ben fab«
len gela öingeftreut ba nmri'In fonnte, ino feine
erb« porbanben i(l ? Unb wer bbrte wobl jemald
ein bummed iSJeib bie bäßlicb(te ^»anblmig bereuen,
infoferu fie Ibr feine Strafe aujog, wo ein pera
lös
tiöttf'fäcö SBel6 fflr eine nugentlifli^e üe^ereilim«
non jCfitU'erament , burc^ Ccrinürfc företf Äopfj
imb Xpctjen^ befc^fimt ficb fra'nft? ünb — ftfu
etficu @^citt ifl feine ?C^o?^)eit
femien ! @o barf nmn nu^ jebetit wnbrbnft ner#
nünftiijen WeBf^e« ttc^ weitere gottfebritte |U#
trauen ! — Snbnd) / Senffamfeit fußte man noti
einem bummen ober balbBerjl^nbigcn aBetbe erw«#
ten fönnen , ba bieft gerabe bie norjfigficbiT erwot#
bene ßigenfebaft bet auegebilbejleiv «ßernnnft fjf.
(gine natßrltcbe 2Bet(bbttt beö ^erjenö , bie niebt
an ben 9Ser(!anb ficb bairett fanU/ bleibt eine blo^
f inbifebe ©dtmddie / bie niemaW afö @efi3bl geftettb
«nb mt)erl4pig i(t / fuigHcb ancb ju feinem Snb#
jwef ber QSernunft benujt werben famt. Unb ijf
Hiebt Sigenfinn gerabe bie eigentbümlid;(ie, (la*rf|ic
(glgenfdjaft ber Summbeit imb be« 4><«Ibt)er|fanbeg?
SDo i|t eia .Sinb bei bem nicht Slgeafitm am er#
f tn unb bfterjfen ficb Puffert , unb am fcbwer(ten
JU bejwiiiaen i(l; ba fein SSetfianb hoeb jU Wenig
foflftn / bie 93crnunft noeb feine ©eblüiTe ju mau
eben fdbid i(f/ Grafte ber Seele Uoeb
jur Selbjtbcberrfcbuug gereift (i'nb? 4>at nun aber
bie Seele eine« bummen 2Seibetf einen 93oriug
tjor ber Seele eined Äinbcg? ©eWi^ te^wegen
nicht weil (te In einem erwa^feaen Äbrpec (leftl
259
i64
S«« sWfl(^fn)oi't »tö %(At i(^ jn
cft fc^on <iu^ bem SÄunbe bummer SBetber fle«
ftort — unb eben b« fie feine ©rünbe für ifyr
9I{cb(n!oBen wußten , tonnte man (le nueb mit fei«
nen iiberjeugen } weil ein nnbebingter SüBiDe ben
SSetifanb gegen aQe UeberSeugnng febon norau^«
feijt. Sbeu fo i(f andb Jpo^mntb immer im @e«
folge ber ©nmmbeit unb be6 $itlbver|fanbeg t
2tu^ b«g bumme SBeib benft unb fi'i&It, fo gut
nlg b(id i))ferb an willen febeint ob eg vor einer
©taatgfntf^e ober einem Ä«rr<u angefpannt fepe.
Unb i|t m‘4?t ^locbmnft) bie ©tbfönbe beg .ganicu
g[){enf(bengef(ble<btg ? 3» geboppeltem SWafe aber ,
beg weibli^en ©cfsblecbteg — big ibn ber ner«
nönftig gebiibete 50fenfA ficb felbjl jum wiJrbigen
©tolse uwb ebeitt (SWengefilbl umfebaf/ 1 ®er ®e*
bnnfe wenigftena 9}?ttberrfcberinu in ber f/eincu
fOiottarcbie eineg ^nuigwefeng )u fepn, (infofern
bie gjUttter ober J-rau Sßafe , baö neue aSeib
Bicbt febon für bie QIBeinberrfdwft nnterriebfet
ben ) unb bie aufgefaßte ffKcinimg , baß ein 5)?aua
bo^ niebtg non einet .öau.baiiung oerjtebe — unb
eublid? bie S-'nntutß riniacr meebantfd) gelernten/
unb angewbbnfrn ^)augge(cbäft< — bfdben bag
bumme ©eicbbpf m ber b6(bflen ©nbilbung auf
nun alieg iu wtlfen; unb we()e bem/ ber eg ibr
260
165
ö5fpffd&ctt woDte! ©0 racfcföcfctta wfe feleibigtet
^ocpmutb/ iß feine ber bbfen ^cetpngen ber
5>fcnfcben. — 2Bcr b« Rolfen f6nnte fin bummer
SSeib )u lenEen, bem tnufte febon sdungen
f«pn, bfe 9?fttur «mjuf^afftn. 9lBcr gefdötliibet
BO(b/ ntib itjenijfleng imbelI6.irer {(? bet ^ocbitiutf)
e!tte^ b<t{bi)er|!i!nbigrn SBeibed/ b{e auf utebr obet
jtiiubere unreife unb oft unjmefmdlfige Äenntntffe
ibti pst ; in ber ^unerlt^t mit tuflcber fte bon'
beit — 33}ad oermag fie non bem Q3tjTern beg
getUbeHg su äberseugen ^ @elb|t Fimmel unb
jTjb0e ulebt ! — 9?ur jroei groben .• 5)tan mage
ei biefeii befben SBeiber « Sitten ben 93tdnnernetii
berbenben <puj einsufcbrdnf n , obet bie SSiftten ab»
jufebaffen, roeltbe fo man^em Spanne baö ®rit<!
tbeil feincg idbrltcben Stnfommend verseOten , unb
Sinber unb ^audbaftung oerberben. SBcnn ein
©atfe bieg fbnn wollte? Unwiberbringlicb baljin
wdre ber Stieben feineg ganjen Meng ! ®aS bum»
tue SIBeib b«t bieg alleg su $aufe obet bei ibten
©efpielinnen gelernt ober gefeben; fte muß bei
jeber 9!acbabmung bleiben^ beim woher foQte fie
©elbpnbiiifeit nehmen? SIber bei jeber eiufcbra'm
fung ibreg 9)ianneg jammert fie über Üptannei!
Sldein nicht fo untbdtig bieibt bog balboetfidnbige
SSelb babef. ©je will feine ©flaWnn fepn , fiih
261
i66 —
til^W Dorfc^retßen («(fcn, »eil fie «Ile# weif / unb
In ihrer Sinbiibun^/ bei allem Slufmanbe boch
fpnrfam i(l* ©ie f«nn bem 9W«tine teroeifen , baf
(le er|t h««t« «fwen ®emiJfh<fBblerinn «och
ilber ben audgemachien ipreif , einen ^reujer aba
gebroden 2)em ^inbe einen attmobir^en
Oiof juretht ßemaeht, unb fiir ftdb einen ©efcbmnN
ppllern gefauft h«&e. Unb über bieß «Deß, fie
müfte fuh jo vor «neu ihren SBefanuten unb
gteunbinnen fchdmett/ wenn ffe «uf biefe Sirt
^uflTerte iht SScvmbgen unb €infommen reiche nicht
hin / fid) ihnen gleich in seißen. — SBer wlH fole
<he ®rdnbe wibcrlegen fhunen ? ©o niel vereinte
9Jeigmißen eineß Sfficibeß bejwinßen? 0, ber um
ternehme eß eher einen Jtiger ju jdhmenl Sne
fliuft l«ft noch bnrch ©ewolt fich in ©chranben
hehßlten / ßber ber benfenbe Unner(ißnb ewig ni^t.
Unb nnn , meine Herren , werben ©ie je^t noch
hoffen / 3hre aSeiber in lenfen, unb beherrfchen
j« lönnen , wenn fie nicht mit Shnen iu hßrmoe
niren unb öbec fid) herrfchen uermhgen ? — öbee
waß uergaf ich hier noch/ um in Shnen ben @e,
banben iu erregen! „baf eß beß nidnitli^en (StU
(beß unenblich weirbiger fcp, jenen ©toli in ber
€rh«benheit über ein bnmmeß ©ef^Jpf/ bem eb<
lern ©elb|igeföhl foliber ©runbfciiie für bie SSahl
262
-4— löj,
«ine« vernünftigen 2Beit>e« «ußuopfern ?’’ — €«
Wflt nun Vier meine SlbficVt nicVt , ein nncV Äop
unV ^lerj geVilbete« SBeiV )u f^ilbern. ®u^)en
Sie felbfl/ 9!]?4uner/ benen bie« S3lntt in bie Sjint
be fdOt/ bii« ©egenblib eine« bumnien SDeibe« in
einer IBeTcVfeiDnng auf; unb prüfen Sie felBfl
n«^ SVren iprdtenfionen unb gegriffen ba« ®Iüf
einer SQnVI tniifcVen einem gnni uernünftigen, eit
nem Vnltgebilbeten , unb einem bitmmen SSeibe.
Sreplic^ wenn e« Sie nur freute nu« 3njiin(t iu
lieben unb geliebt iu netbeti ; ivenn Sie auf nlle
Seelenverbinbuug ÜSerjicVt geti)«n V»ben ; unb menn
barum t)5eV(icn« 3Vre 93eritunft noeb für einige
«uffere giürftcVteu fprceVen barf; roenn e« SVnen
ancV nicht einfällt , eine fähige SrjieVerinn 3hrec
Äinber iu wollen — ich hörte wohl fchon aDe ^rä<
tenfionen unoerheuratheter SJ)?a‘uner, bo^ niemal«
noch biefe — wenn e« ju fehr 3hnen fchmeichelt,
gegen ein bumme« SBeib ft^ feiblf befio mehr su
fühlen? So entfcheibe bann bie« ihre SSahH Unb
fo lalfeu Sie fieh bur^ jene »orübergehenben @e<
fühle her ©egenwarr beglülfeu ! 9Jehmen Sie In
allem Schein für lIBahrheit hin! beruhigen Sie
(tch für 3hre Äinber , baß e« 3h‘»K wie anbern
ergehen werbe. SQeil hoch ber ^ufaü von uvaniig
Sinbern burch bumme 97?ütter eriogen, immer
263
lös -
(tu^ «fiutf rtttetj üHb affcmal {|t «ntet ittJiHijfg
93at«ru noch dnet fcejff« 58eruf i&nt auch flu bet
€rdel)iina feinet Äinber ju «rbetfen flejltttfet; obet
tlberlöffen «Sie bie« ferner tem Stifall — nerdcbteii
Sic ben eöraeij , fi(f» eiiiji in »erminftiaen mtb
flute» .fUnbern gefwast lu fefeen. SSerflnügeu Sie
(ic6 in 3i)tet Selb|tfl<ftiltiaf«it! Reffen Sie enblicb
»on einer ipetiobe 3ö»‘e^ fiebena jur onbern, 3bre
Sßeiber noch neruiinftig ju nind)en/ ober fo wie
fie finb , Dafür fi'rb gliUIicb fnblen Ju fönneit, Unb
«un munter meine gRa'bcben ! Sd i(i boeb fo oer^
sroeifeft fmier nnchjubenfen unb ucruünftig ju mer#
Den. 23id man bie^ inabrbaft fann , bleibt b« 4 ?
^>eri aiut) nieinnld jufrfeben ! fOinn ffnbet fo niel
.^inberiti^ unb 3ln(tcf roomit man geärgert mirb
-- fo »ief ni^ man feben unb erfabren, lucbei
man fteb gra'mt unb franft. ^>eil bet ®ummbeitl
fie i(t frob bei ®(fcn , Zriiifen ur.b Scblnf ! SBai
3br beim Sn,cb fo p'ageu molltet? Saft bad ®cn»
üen b eiben! ?}('iiimer benten ja <in Siierer Statt/
unb fldiigein gueb fo gerne ! Selb befto beforgtet
Sucni febtanfen S^aebö, €ucr jarte^ ©efiebt m
bebaften — bann fömit 3i)t ffeberer auf 0}i(iitneri!
liebe reeßneu ! jißmmt jene fatale ^eit , Die Sure
©itönbeit jer(föi't — luad ijiiJ bann, noeb bareb
@ei(i mib w^eri fid^ gcltcnb nwdjen su wollen ?
264
”* 1Ö9
SBirt) bfe^ wol 9J?Amrer «uc^ «njfcöen fömien ?
©oUte unfid;t6«re @c()6n0cft b{f£! »fmioflctt ? Uw
jjolittcö 93?e(niifl «nb aiißeirtuftneö ®oIö rcijen [lei#
be b(tö aiuge nii^t ! — 3lber niaß foll ict) gu* fw
flen , liebe 5»fnbcbcn , bie ihr jene nuiljfame 33al)tt
3itm ^ineJfe bet 2i;afiötejt bcfi ©cifieß., unb bet
JSil&ung bcö ^»erjen« fcboa bnr^wanbelt t)aht, nnb
mui «m ©d^eibemeß guter SSefllmimiuß (feiu,
burcb micbtf ere ^imtblungeu gucb ju beiBcifen?
Srauret ! ©o mancbe »oa ®ucb ivltb bieg fcböne
Soog nicf;t trcfen ! Untet ben ©fttnitern iß eine
Piaffe tt)ertl)«8ll itnb fd^ajDar fi5r terniJnftfge lut^
®ei(t iinb $eti ebic 93?äbcben! 3la bet ©tniije beg
SBegeg, bet bem ©clcbtten «nb Pber« «pOifofo#
t^ben jit weit bin ton bet ©efeßfcbaft fzib« ,
bleiben jene gemöpigtercn ®eufet freben! Unfet
S)?euf(bcn lernen |7e 5J??cnrd)enfenatR!g , mit itef»
^ct fie in ©eitißbeit KJirfcn «nb siiiue« fomteit —
SeBendpbliöfopbie ju iOrem unb bem ©inffe ibret
Familien I Uiib für gucb Sjbäb^cn/ bie ihrer irertb
fcib/ folite biefe fcbajDare gjfiinncrfiafTe »erloren
fepn ? — gß berrfcbt ein «Sorurtbeil mitcr tbnen
flcgeit gncb/ baß — wie f^rbfli^! — baß SBott
für bie ®iimmbeit fptidji ! Unb wer fann ton ib»
neu bentcn , bap ffe grmibloß eß betie« ? SJber wer
fann auch €n^ wahre 5Seruunft jufcbreiben, «nb
265
A
170
Jiocb fllfluBen 3Br fial’t Urfacfee iu i««em 93oruw
tÖiH (ifßfbe'ti? ©oDte« fie (Sud) ttid)t fennen? Unb
It'joer nur allju rodbr! 5“ ^xiufe»
eWtr ©cbindjerinnen ntrfiorßen , werben burcb bje<
fe jebe A?ennj(id)en ivabrer iBcrnunft jeueß ®{bwe(«
ßen, nnb Oie befcbdCene. Jretmiltbißteft, baß fUUe
^lanbeltt , nnb bie Selb|lbflt im Setrußen , tiber*
(cbattrt mib oerbmifelt. ©olc^e ©eftbbvf« finb eß
lie ieyef SSorurtbeil ßeßtiJnbet Sbre ®uj'
jenbe fficttianen, lie fie ßelefen, baß Slnfbaf^ett
f 06 ner ©rntenjen unb öBorte, bie Qlußfraniunß
t)on bem waß fte nicht fbnnen unb nicht tbun,
ihre ©efchcfftiflfeit wo (le wiflTen bemerft ]u wer«
hen — Miß aließ mit bcr ©ela’uftßfeit ber SBifiten»
fljta^fe aiißebracbf, bat f^on gjjiinner ßeblenbet,
«nb in ajcrbinbinißen nerföbrt bereu Unßltif ihnen
ben SBunfcb för entfcbiebene ©ummbdt abßenb»
tbißt batte! @0 brachten bie Srfabrunßea beß
SQetrußß burcb bie 93eifpiele ihrer Sröber unb
Steunbe auch jene SWa'nnerfiaffe ju ihrem 93orur»
tbfil; «nb bahtt tir flucbwiirbiße fpottcnbe SJetei^*
imnß mit bem 9?anien einer Oelebrten , bie je*
beß 50?a'öd)fn trifft welcheß nur bie ßerinßffe
Äenntntß , faß tnjnbeffe 9?achbenfen fich «bmer*
len i4ßt. ®cnnoch, gute OTa'bcheu , lagt (Such im
bcfiheibfiten ©elbffßefi'thl Suter aSorji'tße nicht ße^
266
I7I
reuen ft« erworben ju Dnben , bletbr fJmiböaft
fluf bem fejten ©runö berfelbett / bcr bocb fmitier
wie treue löefcigung ieber ipflicbt, ßucb noch lolu
nett wirb ! Ift nicbtg unter ber ©orine , bag
til^t fcbon gefcbeben ifi, «nb nifbtg b«g nicht wie*
ber gefcheben bann, ßhr Slimertnnen unb ®cle«
(hinnen |ich ebler Bllbeten , war ble SBahl eineg
2)ranneg eben fo bem gufaD feiner Steigungen,
Puffern SJüffi^fen, unb ben 93orurtf)ellen ber gelt
fiberlaffen: ®ann erf^tlen eine heUere gelt; ba
23er(fanb unb ebleg ^erj cineg tOteibebeng, ble
SBahl elneg SJtanneg «nein befiitnmte! ©oUtc ble*
fe gelt nicht auch wieber fomincn fSnuen? Sagt
SWa'mier burch 93orurthell,©lnnIl^telt, unbSBIenb^
wert genug betrogen werben, fo werben fte auch
Wieber SSeruunft unb SBahrhelt fuchen ! —
m. m.
IMnmerfitng l>cr J^crauögehermn.
®le nähere ipriSfung blefer fathrifchen , beilfen«
ben unb trefenben ©ebanfen elneg gel|tooHen
SW4b^eng tiberlaffe 1^ meinen Seferlnnen — unb
ble ISeantwortnng ihrer ülugfdae einem furnier#
fdhlgen fiefer — wenn etwa SIner bam IBeruf In
fleh fühlte 1 — 93tehr will Ich nl^t hinjufejjen.
JtTorirtniie iS^vmann^
In: Die Eimiedlerim aus den Alpen 2/1 794, 2. Bd., H. 5
267
jiÖetJ meifictt fleittett ^unse»
uttö feine ^riieljung.
Scflec 53cief*
it^eueefie Iie(|?e Steunbinu !
@^o« lüieier, mil» jwai* mit bee 6crjl{^(len
SBarme, fortertt 6ie mi(b fluf; fo weit eö
meine S)e(ifate|fe unb bie @dbonuns ft'ie Sinbete
erlaubt, ua'bere 9?acbrfcbtett »on bem fonberbaren
©cbitfal unb ber Srnebuug meinet angenommenen
Ainbeg ju geben? >- SSirtlidb meine itbeure, ba
forberu @{e etn>a3 bag icb febr ungern erfüffe, fo
uüilicb and) für manebe gemilfe ^äge and feinem
no(b fo Furten £eben fepn ni5d)ten. ©ie, meine
£iebe , haben ed fi^er nicht genug überbaut, wie
fchroer ed ifl fo etwad mit ber gehörigen SBefchei»
bcttheit tu ertdhieu , ohne oerfannt tu werben.
2)0(h , ba ©ie Fed nun einmal burdiaud haben
woBen, unb Säubere habet weit mehr iSerbienft
befüjen a(d id) , fo mögen ©ie ben Fleinen {Roman
gebuibig anhöreu, mit bem fein Seben begann.
aBenig(lend werbe ich ta'glid) mehr überjeugt, bap
137
ni!d& bie SSotfc^ittig n(d&t umföB(l jut
ginn banon machte.
Qlcb bet arme fletne Su^fl^r J** 5Wutter#
leibe jJberllaiib er fo man^e Ocfabt! —
fcbmebt mir jene fürdbterli^e reriweifluugiuoEfe
©timmung feiner gWutter lebhaft »or Singen, aI3
fte trofUog um meinen S3ei|lanb fle()te/ uub ich
auf ihrer ©tirne Sntfcbloifenheit )u ©elbflmorb
ober ^iubermorb ju lefen indhnte! — glaube
ba@ i^ bamald in ber iSobeäangjt ade^ hingegeben
hcitte, unb ich ließ auch ivirflid) feine iOlittel um
uerfucht nur um fo mag )u uerhtUen, SBer erficirt
mir nun biefe fo (ante , fo th^tige innere ©timme
für smef ©ef(h6pfe bie mir ganj fremb marcn ? —
Siig ber .kleine bann jur SBelt fam , unb ich ihn
an ber ©eite meineg ©atten aug ber Kaufe hob,
ba mürbe mein ©efühl no^ reger, unb hOdeKhrm
nen feinem füuftigen uugemilfen ©chiffal gemeint,
ffoffen auf ihn, ma'hrenb ber mütbige ^tieftet *)
ihn fo rührcnb unferm ©chm empfahl, ©eben ba»
maig (lieg ber ©ebanfe in mir auf: »Vlitmn bas
<0 ®iefer eble Sunge SJiann, nebjl feiner trefiieheu
Gattinn , halfen mir für bie «Berpflegung ber m
men SKutter forgen. ©ott lohne (ie, mie fie tS
»erbienen l —
269
138 '
«ttijc ju — SJIIefn MeWßafte Srlw
nerung an meine 6ef(^ira'nfte i)4iijli^e iciit, unt>
«n meine 9iu()e erforbernben Slrbeiten, erfliffett
tbn micbec. tnai; aifo befebloffen, ben kleinen
in eine ^o|l in tbun, unb id) gab mir
ibn gut untermbringen. S)a aber fo lua^ bloß für
(ßelt> bbib|i feiten gelingt / fo mußte icb ei (eiber
oem BufaDe äberlaifen , unb ber Sunge fam iu
gemeinen Seufen in bie 5BerpfIegung. SJiit angfl#
li^er Unruhe ließ i^ bag arme Sinb an ben £>rl
feiner IBeßimmung bringen / unb alg i^ eg in
menig SBocben ua^ einer äberßanbenen .^ranlheit
mieber befugte/ o ba tvar eg fcbon )um bohidu«
gtgen ®erippe geworben ! — 3ch fab glei^ baß
ihm für jejt weiter ni^tg fehlte , alg beffere aser*-
bßeguug/ unb wußte mir in biefem bringenben
aiugenblif/ wo ein eiutiger S;ag iSerfdumniß über
Seben unb !£ob entflieh, nicht anbergm helfen/
alg baß ich ben fedbgivöchigcn Sungen auf ber ©teDe
in mein J?oug tragen Heß. g)?ir warb bei feinem
SInblille fo fdiwer umg S;>eu, alg ob ich iejt fchon
uor bem SBeltrichter ßünbe/ uub ßrenge (Sechen^
fchaft für bftg mir anoertraute geben geben müß#
te ! —• 3n ber ©ewiffengangß fragte i^ nun ni^t
lange mehr/ oh ei au^ ohne meine hdugliche
OJuhe ttufg <Bplil tu fejten gefchehen Ibnne? —
270
' 139
tut itn rafcgen feutt;/ tv<t^ iebei; setlian U*
ben würbe , ber tu ntefner ©timmung setverett
Wate, unb bn^ tf)m anpertcdute 9[)?enfi:^enlebeu iu
fleitmgt ßatte. —
(gatte nttt mir slei<(ee ©efinttung $atte
ba^ arme ^inb feit ber itaufe nicht mehr gcfehen ,
«nb erf^raf über feine entfetliche fOerwanfilung,
SUIe meine übrigen Seute im j^aufe liefen aug
bem Zimmer / alü ich bieg feit mirfli^ efelhafte
SBürmd;en aufwiffelte. jteiu ^enfd> I)att% für je}t
ben fOiuth cg aniurühren; nur ich allein nerhficgte
(g mehrere Zait, unb hemerite an feinem iiemlidh
lauten ®ef(hrei / baß eg innerlich gefunb fe^n
müßt/ unb baß ihm nebji ber guten SBartung
uielleicht auch (9iuttermi(ch tvol bekommen (bnnte.
Slhein wo feit auf ber ©teile gerabe eine Slmtue
hernchmen? — Unb bann meine fo entfejlidhe §ur4)t
vor himmen / furi aOeg uereinigte ftch , mir ben
nahen ‘£ob beg unglütlichen ^inbeg anjuFünbigen.
©elbfi bie 9Ier)te fchütten ihm nur nod) wenige
itage £eben , unb oerorbneten , baß mau ihm nur
alle brei ©tunben jwei einjige £&felchen roll (Brei
geben bürfte , bamit ber luooi burch Ueberftopfung
gefchwdebte SOtagen wieber in Orbttung Flinte.
©0 oergiengen für mich brei traurige ICage unb
ber kleine lebte noch ! — €g wor gerabe an einem
271
140 — —
©öwlfage bet ^ufatt eine arme ©olbatenfrau
iiiö Äinbtf gimmet führte, «m fbt flewSbnllcbctf
Slffmofen abju^olen. »Sf, fagte bag SBeib noll
aserrounberung , babett ©ie benn feitber ein Ätnb
befommen?” — SWir wat gar ni^t barum ju
tbun, fie aug bem Srrtbum ju reiffen, aig fic
|)l&ili(b ihren bäbfcben iugelrunben ©liugling auf
bie (Erbe feite , unb mi^ inftanbig Ht, bag arme
Itanfe .^inb an ihre 93rufi legen iu bürfen. ©ie
fonnen b'enfen/ ^reunbinn^ tvie miaCominen mit
bfefer gutberiige Eintrag fepn raugtey ob icb gleich
mobi glaubte r baß bet ji'ieine ium trinfen fcbon
JU fcbioa^ fei>. Slbet 0 ©ott, roel^ ein freubigeg
SSonncgefiSbl bntcbbebte mi^ bann , ali i^ mi^
bcilb oom ©egentbeil übetieugte , unb ibn mit gie>
rigen gögen bie SKuttermilcb einfaugen fab! —
®ag gute SBeiB reichte ibm »on nun an tcfgli^
breimal ihre S8ru(l/ big i^ in wenig Stagen eine
iweite für ihn alleiu befiimmtel aimme fanb, bie
ihn auch bei ber ?(^a(bt jÜHen fonnte. 3(h hatte
biefe Slmme burcb bie menf^enfreunblicbe SBemü«
bung einer guten a^a^barinn erhalten/ unb war
fo glüflich in ihr bie be|ie 2Öahl Jn trefen. ©ie
Imn gerabe oom Sanbe in mein ^awi, unb fthien
mir ihreg eiiiiigen ^ehltritteg ungeachtet noch fehr
nnoerborben, 3n ber golge fanb ich wirfli^, baß
272
141
{(^ nic^t getäuft^t tenn i^t; jigraftee
tvat; gerabe unb biebeC/ ib^e ©emütb^liimmung
feinfüblenb/ unb ihre ©efnnbbeit robufl* SUub
fcbonte jte meinen ®runbfif)$en gemäß — • f»
bnlb ficb bn^ ^^inb nut ein Big($en ei'bolt IjatU —
fn gan) unb gnr ni^t^, ®ie mußte 0)7(tgbbien|le
verrieten , um niäbt wie fo viele Simmen fnul
unb lößern ju tverben; fle mußte ebne SBeinuub
Ärtjfee mit unferet einfn^en Äojl votlieb nef)meu;
benn mie ivnc gut febc barum )u tbun , einen
gefunben jtnrlen 3ungen }u erbnlten/ unb im ^nufe
ni^t von ben getvbbnlicben Slmmenlapriten tprun^
nißct in werben ! — SBie i^ ße unb ifiren @nug#
ling weiter bebnnbelte , Sreunbinn , bng foHen 6ie
im näcbßen SBriefe bbren, fär ie}t nur uocb bte
Sitte baß ®ie nicht aufbbren ju lieben 3b« fluni
mtfricbtige Sreunbinn
titnrinnne S£l)vmmt
In: Die Einsiedlerim aus den Alpen 2/1794, 4. Bd., H. 1 1
273
— * 283
iticitte ©Mufamfcit ßcnufen , r^ne ti m wiffen ,
fo ucrgtftEte , nnb tdirtrfe Solcbt tnö ^»eri ber 9)?tn«
f(ben ju ftofTcii!
niöörfieit ; dbet nfenuilß ipiü itb mic^ «ffe
8B«l)rI)cit«n I)er(tuÄf(igeti. ®o ntibm er ficbd rer,
unb fi-brte jur (»tflbt juriit , jeberniötm funb iOn
llebeubmürbig ; f«|t nteitmnb erfannte itj« für bm#
jem'gtn , ber <r juerfi geroefen ; er fuebte SHemffoit
fefneü ebmafe »erlernen iprojeffeü unb geieann ibn :
Sine nette ©teile roarb lebig, er er()ielt fiej «nb
lebte mf)is feine Sage fort.
Sltt meine Seferintten.
<^ie no^ immer fo laugfame ßrfdjeinttng Mefee
SKenaffefctift wirb meine lieben ßeferinnen f^on
binl4ngli(|> öberjeitgen, wie febr icb micb in mei«
Her Icjten Srfla'ning an 0c mit ber ^toffnung eU
ner beffern ©efunbbeit getduftbt Ijafce. 3^ war
nnr genefeit ,"um in eine nod; febwerere Äranfbeit
jurüfjufailen , itub jejt , ba idb wieber etwaü ber«
ßcfieilt bin , »erbieten mir bie aierjte jebe a0jn
anbaltenbe ©ei0cgan0reitßmig. 3^ bed«
Wegen in meinen Qlrbeiten an feine be0inimte ^eit
mehr binben , unb in biefer Sage bleibt mir alfo
uid;tg anberü übrig, aiü bflp ic^ «nit bem jwolften
274
t 84
^efte bei 1794 ger 3«0*§<in9^ efne ^eftfdßrift fÄFtef#
fe , bereit ^eriut^gaDe fett fönf Surren meine Sieb#
Ilnggbefcbdftfqimg war* Qg l(i für meine Seferlii#
nett f utib für meine Sbre beffer , tcb fcbtage tiefen
Slu^weg ein/ alä baf leb / um monatitcb fed)ü 93 o#
gen liefern jit fönnen , In ben §aH fomme , big
$efte mit ben erflen begten fremben SSeltrdgen
anfüHen in müffeti. 3 tb fdbltelfe alfo. Um aber
Hiebt untbdtlg jn Bleiben , will leb (Intt tiefer SWo«
natfcbrlft ben gremtben unb greunbinnen , ble mir
tto^ ferner Ibr 3«ftauen febenfen woJeU/ ein
Sffietf liefern , beflTen ^»erauggabe an feine flf#
bunten , unb mir In meinen frdnfll^en Umfidn#
ben folgit* au^> bequemer l(f. ®le ,bler folgenbe
ainfünbigung entbdlt ben «plan befelben. ®flt t»ol#
fer flunerfiebt boff« l<b antb babcl auf 3 bre Unter#
fiüuung unb SInbdnaHcbreit , unb füge nur no^
ble SSitte bei , tiefe Slnfiinblgung unter Ihren f8e#
fannten gütlgff weiter lu nerbreiten.
3m gtbruar 1795.
tnarlannc i£J)vmann-
In: Die Einsiedlerinn aus den Alpen 2/1794, 4. Bd., H. 10
275
Zeittafel
Leben und Werk Marianne Ehrmanns
1755
25 . 11 .
ca. 1771
ca. 1777
ca. 1779
ca. 1780
1784
ca. 1785
1786
1787
1788
geb. als Tochter der Familie
(von) Brentano in Rapperswil /
Schweiz
Nach Tod der Eltern bei ver-
schiedenen Verwandten im
Kemptener Raum / Allgäu
Überstürzte Ehe mit einem
Offizier in Kempten, die un-
glücklich verläuft
Ehemann verschwindet nach
Geldbetrügereien, Marianne
erleidet einen Nervenzusam-
menbruch
Nach Erholungs- und Bil-
dungsreise (Deutschland, Itali-
en) Scheidung der ersten Ehe
Marianne soll als Gouvernante
nach Wien gehen, schließt sich
dort jedoch unter dem Büh-
nennamen „von Stemheim“
einer Schauspieltruppe an
In Straßburg Trennung von der
Truppe, Bekanntschaft mit
Theophil Friedrich Ehrmann
Heirat mit T. F. Ehrmann
Umzug nach Isny\ Versuch des
Ehepaars, sich mit einem Ver-
lag selbständig zu machen
Nach Verlust des Vermögens
erneuter Umzug nach Stuttgart
Erste Veröffentlichungen:
Philosophie eines Weibs und
Massige Stunden eines Frau-
enzimmers
Leichtsinn und gutes Herz,
oder Folgen der Erziehung
Mitarbeiterin an der Frauen-
zimmer-Zeitung, hrsg. V. T. F.
Ehrmann (Juni-Dez.)
Amalie und Minna. Eine wahre
Geschichte in Briefen
Fragmente für Denkerinnen
Nina 's Briefe an ihren Gelieb-
ten
276
1788/89
1790
1791
1792
April
August
Okt. - Dez.
1793
1795
14.08.
1796
1798
Gründung des Verlages Verlag
der Expedizion des Beobach-
ters
Selbstverlag kann den Erfolg
von Amaliens Erholungsstun-
den nicht bewältigen
Übernahme des Verlags durch
die J.G. Cottaische Verlags-
buchhandlung in Tübingen
Adoption eines männlichen
Säuglings
Erste Kontakte Marianne Ehr-
manns zu Heidegger und dem
Zürcher Verlag Orell, Gessner,
Füßli & Cie.
Beginn der Vorbereitungen zur
Einsiedlerinn aus den Alpen
Nach dem Bruch mit Cotta
wird Amaliens Erholungsstun-
den eingestellt
Wechsel zu Orell, Gessner,
Füßli & Cie.
Tod Marianne Ehrmanns in
Stuttgart
Ihr Witwer T.F. Ehrmann gibt
ihren literarischen Nachlaß
heraus
GrafBilding. Eine Geschichte
aus dem mittleren Zeitalter
Mitarbeiterin an Der Beobach-
ter. Eine Wochenschrift poli-
tisch-moralisch-satyrischen In-
halts, hrsg. V. T. F. Ehrmann
(Aug. 1788 -Dez. 1790)
Amaliens Erholungsstunden.
Teutschlands Töchtern geweiht
von Marianne Ehrmann (Jan.
1790 -Dez. 1792)
Die Einsiedlerinn aus den Al-
pen. Teutschlands Töchtern
geweiht von Marianne Ehr-
mann (Jan. 1793 - Dez. 1794
[Juni 1795])
Erzählungen
Amaliens Feyerstunden. Aus-
wahl der hinterlassenen mora-
lischen Schriften. 3 Tie.
Antonie von Wanstein. Eine
Geschichte aus unserem Zeital-
ter. 2 Tie.
277
Verzeichnis von Personen, die mit Marianne Ehrmann be-
kannt sind
Abicht, Johann Heinrich (1762 - 1816):
Professor der Logik und Metaphysik,
Kantianer. Laut Marianne Ehrmann
Mitarbeiter an der Einsiedlerinn. Ver-
heiratet mit Friederike, geb. Böckh, die
auf die Einsiedlerinn subskribiert.
Auberlin, Samuel Gottlob (* 1758 in
Fellbach): Komponist, Violinist, Pianist,
Or-ganist. Lebt längere Zeit in der
Schweiz. Steuert Kompositionen für die
Musikbeilagen der Einsiedlerinn bei.
Als Subskribent genannt.
Baader, Clemens Alois (1762 - 1838): Dr.
phil., Theologe. Arbeitet als Publizist,
Lexikograph, Reiseschriftsteller. Ver-
öffentlicht unter dem Pseudonym
Eduard, unter dem in Amaliens Erho-
lungsstunden 2/1792 und der Einsiedle-
rinn 1/1793 zwei Gedichte abgedruckt
sind.
Beck (Bek), Mademoiselle (?): Katholikin
aus Würzburg, Erzieherin der drei
Comtessen zu Sayn-Wittgenstein.
Mit Marianne Ehrmann eng befreundet,
subskribiert auf die Einsiedlerinn.
Blebimhaus, P.Firmus (1748 - 1797):
Aufgeklärter Theologe, von Herzog =>
Karl Eugen an die Stuttgarter Hofkapelle
berufen. Kehrt 1795 ins Kloster Salem
zurück. Vormund Mademoiselle =>
Beck, befreundet mit dem Ehepaar
Ehrmann. Subskribent Einsiedlerinn.
Brentano, Dominik (1738 - 1797): stud.
theol. in Mailand, Hofkaplan und Geist-
licher Rat des Kemptener Fürstabtes.
1794 Pfarrei in Gebrathshofen. Der
Aufklärung verpflichteter katholischer
Schriftsteller, bekannt durch neue Über-
setzung des Neuen Testaments. "Oheim"
Marianne Ehrmanns, bleibt in lebenslan-
gem Kontakt zu ihr. Nach ihren Anga-
ben Mitarbeiter der Einsiedlerinn.
Bronner, Franz Xaver (1758-1850): Bene-
diktinerpater. Flieht 1785 aus dem Klo-
ster in die Schweiz, ab 1790 als bi-
schöflicher Registrator in Augsburg.
1793 wieder in die Schweiz, wo er in
Fluntem bei Zürich als Idyllendichter
lebt. Wird von Orell, Gessner, Füßli &
Cie verlegt. Beiträge in der Einsiedle-
rinn 10/1793 und 1/1794.
Brun, Friederike, geb. Münter (1765 -
1835): geb. in Thüringen, lebt in Ko-
penhagen. Reiseschriftstellerin und von
=> Matthisson beeinflußte Lyrikerin,
veröffentlicht ab 1790 in Zeitschriften
und Almanachen. Beiträge in der Ein-
siedlerinn 12/1793 und 1/ 1794. Läßt
über => Lavater Empfehlungen an Mari-
anne Ehrmann ausrichten.
Bürger, Gottfried August (1747 - 1794):
Lyriker, Balladendichter, Übersetzer,
lebt seit 1784 in Göttingen. Seine dritte
Ehe mit Elise => Hahn kommt über Ma-
rianne Ehrmann zustande. In einem
Briefwechsel verspricht er Beiträge für
Amaliens Erholungsstunden, die jedoch
nie erscheinen.
CONSBRUCH, Johann Friedrich (1736 -
1810): Leibmedikus des Herzogs
Karl Eugen und Professor der Inneren
Medizin an der Hohen Karlsschule; nach
1794 praktischer Arzt in Stuttgart. Be-
handelnder Arzt Marianne Ehrmanns,
mit der und ihrem Mann er befreundet
ist. Subskribent Einsiedlerinn.
278
CONZ, Karl Phillip (1762 - 1827): Kindheits-
freund Schillers, Repetent => Hölderlins
und => Neuffers im Tübinger Stift. Stu-
diert in Tübingen Theologie, Philoso-
phie, griechi-sche und römische Litera-
tur. Ab 1790 als Prediger an der Hohen
Karlsschule, veröffentlicht philologi-
sche, philosophische und historische
Aufsätze sowie zahlreiche Übersetzun-
gen klassischer Literatur. Mitarbeiter an
=> Gräters Bragur, mit dem Ehepaar
Ehrmann befreundet.
Cotta, Johann Friedrich (1764 - 1832):
stud. iur. in Tübingen, übernimmt und
sa-niert ab 1787 die großväterliche
Buchhandlung, ab 1789 bis 1797 mit =>
Zahn als Teilhaber. Erster Verleger von
Marianne Ehrmann. Später als Verleger
von Goethe, Schiller, Herder, Wieland,
Hölderlin u.v.a. berühmt.
• D’Argent, Christian Heinrich (1745-1805):
Hofplattner und Büchsenmacher in
Stuttgart, sticht die Titelkupfer für
Amaliens Erholungsstunden und die
Einsiedlerinn.
Eedenbenz, Christian Gottlob (1762-1799):
Bratschist, Komponist und Hofmusikus
in Stuttgart; liefert Kompositionen zu
den Musikbeilagen der Einsiedlerinn.
Laut => Grä-ter eifriger Leser der Werke
Marianne Ehrmanns.
Franz, Friedrich Christian (1751 - 1828):
Seit 1781 Professor für Latein und Fran-
zösisch an der Hohen Karlsschule, ab
1794 für Geschichte und Geographie am
Stuttgarter Gymnasium. Rezensent der
Tübinger Gelehrten Anzeigen. Sehr gut
mit Theophil Friedrich Ehrmann be-
freundet.
Franziska von Hohenheim, Herzogin zu
Württemberg, geb. von Bemerdin,
gesch. von Leutrum (1748 - 1811): Seit
1770 Geliebte => Karl Eugens, zieht
nach ihrer Scheidung 1772 als seine
Mätresse auf die Solitude, wird 1773 zur
Reichsgräfm von Hohenheim ernannt.
Gegen den Widerstand der katholischen
Kirche heiratet Karl Eugen 1785 die
Protestantin; die Heirat wird erst 1786
offiziell bekanntgegeben. Erst 1791 wird
Franziska von Hohenheim als Herzogin
von Württemberg anerkannt. Kennt und
schätzt Marianne Ehrmann, als deren
Gönnerin sie gilt. Subskribentin Einsied-
lerinn.
Gräter, Friedrich David (1768 - 1830): in
Schwäbisch Hall lebender Lyriker, Er-
zähler, Übersetzer. Altertumsforscher
mit umfassendem Programm, bahn-
brechend V. a. als Nordist. Gibt die Zeit-
schriften Bragur (1791/ 1812) und Idu-
na und Hermode (1812/1816) zur För-
derung des germanischen Altertums her-
aus. Beiträge in Wielands Merkur, dem
Göttinger Musenalmanach, dem Leipzi-
ger Taschenbuch für Frauenzimmer u.a.
Mitarbeiter an der Einsiedlerinn,
1793/94 eng mit Marianne Ehrmann be-
freundet. Vermittelt ihr seinen Freund
=> Pahl als Mitarbeiter. Sein Bericht Be-
such bey Amalien ist die einzige Quelle
für alltägliche häusliche und gesell-
schaftliche Abläufe im Hause Ehrmann.
Hartmann, Johann Georg (1731-1811):
Hof- und Domänenrat in Stuttgart,
Schriftsteller. Sein Haus, in dem auch
das Ehepaar Ehrmann verkehrt, gilt als
Mittelpunkt des Stuttgarter Geistesle-
bens.
Haug, Johann Christoph Friedrich (1761 -
1828): Stud. iur. an der Hohen Karls-
schule, seit 1775 mit Schiller befreun-
det. 1792 württembergischer Hof- und
Pfalzgraf, ab 1793 Sekretär des Gehei-
men Rates; Lyriker. Ab 1791 zahlreiche
Gedichtsammlungen in verschiedenen
Almanachen und literarischen Zeit-
schriften. Steht mit allen geistig interes-
sierten Stuttgartern in Verbindung, bes.
be-freundet mit => Conz, => Matthisson
und => Petersen. Mit dem Ehepaar Ehr-
mann bekannt, aber nicht befreundet.
279
Von => Cotta und => Zahn im Zuge der
Veränderung der Zeitschrift zu Amaliens
Erholungsstunden geholt; zahlreiche
Gedichtbeiträge 1791 und 1792, von
1793 bis 1802 Mitarbeiter an der Flora.
Hausleutner, Phillip Gottlieb Wilhelm
(1754-1820): Prof, für Latein, Grie-
chisch und Geographie an der Hohen
Karlsschule, ab 1794 Registrator der
württ. Regierungsregistratur. Übersetzer,
Publizist, Herausgeber des Schwäbi-
schen Archivs (1788/93) und der Galle-
rie der Nationen (1792ff). Mit Theophil
Friedrich Ehrmann bekannt.
Heidegger, Johaim Heinrich (1738 - 1823):
Buchhändler, Zürcher Frauenmünster-
amtmann seit 1784, Belletrist. Bruder
Judith Gessners; 1756 - 1798 Teilhaber
von Grell, Gessner, Füßli & Cie., dort
v.a. zuständig für Schöne Literatur (u.a.
Sophie von LaRoche). Umfassende
Korrespondenz mit Marianne und Theo-
phil Friedrich Ehrmann 1792 - 1797 in
seiner Eigenschaft als Vertreter des Ver-
lags der Einsiedler inn, eher Marianne
Ehrmaim als ihrem Mann zugeneigt.
Höfelin (Häfeli), Karl August Heinrich
(1747-1825): Gebürtiger Stuttgarter,
Herzoglich Württembergischer Kanz-
leiadvokat, Hochfürstlicher Konstanzi-
scher Hofrat, hält sich um 1790 in Stutt-
gart auf Besucht 1793 das befreundete
Ehepaar Ehrmann.
Hölderlin, Johann Christian Friedrich
(1770 - 1843): 1788-93 stud. theol. in
Tübingen, befreundet mit Hegel, =>
Conz, => Neuffer, Schelling. Lyriker,
Dramatiker, Übersetzer. Auf Vermitt-
lung Neuffers erscheinen drei Gedichte
als Erstveröffentlichungen in der Ein-
siedlerinn (12/1793, 6 und 7/1794).
Husuadel, Johanne Christiane (1772 - ?):
Zweites von neun Kindern des 1788
verstorbenen Pfarrers Johann David Hu-
suadel, lebt seit 1790 als Haustochter bei
dem Ehepaar Ehrmann. Nach Marianne
Ehrmanns Tod heiratet Theophil Fried-
rich Ehrmann sie am 9.1 1.1795.
Karl Eugen, Herzog von Württemberg
(1728 - 1793): Regent Württembergs
seit 1740. Katholischer Fürst bei evan-
gelisch-lutherischer Landesreligion; we-
gen seines Willkürregimes gefürchtet.
Im Laufe seiner Beziehung und späteren
Ehe mit => Franziska von Hohenheim
gemäßigter. Stellt Theophil Friedrich
Ehrmann eine Professur an der Hohen
Karlsschule in Aussicht, was sich jedoch
nie bewahrheitet. Erläßt 1791 eine Zen-
surverordnung, die die periodische Pres-
se schärferen Kontrollen unterstellt.
Kaufmann, Julie, geb. Schubart (1767-
1801): Sängerin an der herzoglichen
Oper in Stuttgart. Tochter => Schubarts,
verh. mit dem Cellisten Johann Kauf-
mann. Mit Marianne Ehrmann bekannt.
Kehr, Ludwig Christian (?): Belletrist, Lyri-
ker, veröffentlicht 1795 Skizzen, Erzäh-
lungen und Gedichte, zur Unterhaltung
des schönen Geschlechts. Beiträge in
dQV Einsiedlerinn 3 u. 8/1794.
Keller, Johann Jakob (1764 - 1832): Stud.
theol. in Tübingen ab 1785. Lebt seit
1790 in Stuttgart in Verbindung mit
Marianne und Theophil Friedrich Ehr-
mann, an deren Publikationen er mitar-
beitet, zeitweise im Ehrmannschen Hau-
se. Geographische, historische und lite-
rarische Beiträge für den Beobachter,
Amaliens Erholungsstunden, die Ein-
siedlerinn u.v.a.m. Gehilfe besonders
Theophil Friedrichs, lebt mit vom Ehr-
mannschen Einkommen. Ab 1796 als
Konrektor, später als Diakon in seiner
Geburtsstadt Eßlingen.
Köpken, Friedrich von (1737 - ?): Kgl.
Preußischer Hofrat zu Magdeburg; Mit-
arbeiter an Magdeburger Zeitschriften.
Beitrag in der Einsiedlerinn 3/1794.
Kraus, (?): Lebt als Gehilfe Theophil Fried-
rich Ehrmanns im Hause des Ehepaars
280
und wird von Marianne Ehrmann mit
ernährt.
La VATER, Johann Caspar (1741-1801):
Geistlicher in Zürich, philosophisch-
theologischer Schriftsteller der Emp-
findsamkeit, Lyriker, Erbauungsschrift-
steller. Begründer der physiognomischen
Forschung. Korrespondiert mit Marian-
ne Ehrmann in den Jahren 1789-1792,
trifft während eines Stuttgart-Besuchs
1793 mit ihr zusammen. Über-nimmt
zwar Subskribentenwerbung für die
Einsiedlerinn, ist jedoch nicht zur Mit-
arbeit zu bewegen.
Lohbauer, Philipp Gottfried (1745 - 1816):
Belletrist, Komponist, Porträtmaler. Seit
1772 in Stuttgart, wird dort später Re-
gierungskanzlist. Steuert als Komponist
Musikbeilagen zum Beobachter, zu
Amaliens Erholungsstunden und zur
Einsiedlerinn bei.
Matthisson, Friedrich von (1761- 831):
Stud.theol. u. phil. Lehrer und Erzieher,
ab 1812 Oberbibliothekar in Stuttgart.
Empfindsamer Lyriker in Klopstock-
Nachfolge, bei den Zeitgenossen sehr
berühmt. Nachweislich in Kontakt mit
dem Ehepaar Ehrmann.
Mayerlen, Matthias (1736 - ?): Professor
für Französisch an der Hohen Karlsschu-
le und der Ecole des Demoiselles. Mit-
arbeiter am Beobachter, mit Theophil
Friedrich Ehrmann befreundet.
Mercy, Wilhelm (1753 - 1825): Prämon-
stratenserpater. Seit 1787 am Hofpredi-
gerkollegium in Stuttgart, 1788 säkula-
risiert, 1794 entlassen, 1795 wieder
Hofkaplan. Mit Marianne Ehrmann be-
kannt.
Mezger, Maria Dorothea (1757-1797):
Schwester des Pfarrers und Prof hist, et
iur. Johann Jakob Mezger. Lebt in
Schaffhausen, ist mit Marianne Ehr-
mann befreundet und besucht diese
häufig. Gebildet, belesen; plant Schrift-
stellerinnenkarriere. Heiratet 1795 den
Chirurgen Johann Seiler. Laut Marianne
Ehrmann Verfasserin der Verteidigungs-
schrift Aufruf eines Schweitzermädchens
an ihre Landsmänninnen. Ein Beitrag
(ffauenpolitisch) in der Einsiedlerinn
(5/1794).
Neuffer, Christian Ludwig (1768-1839):
stud. theol. in Tübingen, ab 1791 als
Geistlicher in Stuttgart. Jugendfi'eund =>
Hölderlins und => Stäudlins. Lyriker,
Epiker, Bühnendichter und Übersetzer;
Herausgeber verschiedener Taschenbü-
cher. Beiträge in der Einsiedlerinn 8, 9,
10/1793 und 3, 4, 7/ 1794.
Neuss, Peter (?): geb. in Augsburg, stud. in
Stuttgart. Veröffentlicht unter dem
Pseudonym Joseph*** zahlreiche Bei-
träge in Amaliens Erholungsstunden
und der Einsiedlerinn.
Niemeyer, August Hermann (1754 - 1828):
Seit 1779 Prof theol. in Halle; später In-
spektor am Pädagogium. Ab 1804
Oberkonsistorial- und Oberschulrat.
Führender Pädagoge. Geistlicher Dichter
in Klopstock-Nachfolge. Lehrer => Grä-
ters. Marianne Ehrmann hat seine Werke
nach eigener Aussage gelesen.
Pahl, Johann Gottfried (1768-1839): stud.
theol.; Satiriker, Erzähler, Historiker,
Publizist; beschäftigt sich besonders mit
schwäbischer und deutscher Zeit-
geschichte. Arbeitet an Theophil Fried-
richs Weltbürger 1791 mit. Kommt
durch seine enge Freundschaft mit =>
Gräter mit Marianne Ehrmann in Kon-
takt, liefert populärwissenschaftliche
Beiträge in der Einsiedlerinn 1, 8, 11,
12/1793 und 4, 5, 8/1794.
Petersen, Johann Wilhelm (1758-1815):
1789 Professor an der Hohen Karlsschu-
le, ab 1794 Bibliothekar an der Öffentli-
chen Bibliothek in Stuttgart. Als sehr
gesellig bekannt, in häufigem Kontakt
zu Theophil Friedrich Ehrmann. Mither-
281
ausgeber Wirttembergisches Repertori-
um, Mitarbeit an Gräters Bragur und
zahlreichen anderen Zeitschriften.
Pfeffel, Gottlieb Konrad (1736- 809): Geb.
in Colmar, stud. iur. in Halle, erblindet
1758. Gründet 1760 die Colmarer Lese-
gesellschaft, 1773 die ecole militaire für
protestantische Zöglinge. Erbau-
ungsschriftsteller, Rechtsgelehrter auf-
klärerischen Geistes. Beliebter ge-
sellschaftskritischer Fabeldichter. Be-
wertet Literatur unter dem Gesichts-
punkt ihres moralischen Wertes. Seit
1772 Beiträge in zahlreichen Zeitschrif-
ten. Weithin bekarmt, führt ein reges ge-
sellschaftliches Leben. Beiträge in Ama-
liens Erholungsstunden, der Einsiedle-
rinn und der Flora.
Roller, Georg Jakob (1774 - 1852): Päd-
agoge in der Nähe Stuttgarts, später bei
Kaiserslautern Gründung eines Erzie-
hungsinstituts. Ab 1813 in Worms am
Gymnasium, wo er ein Mädcheninstitut
einrichtet. Ab 1820 Taubstummenunter-
richt. Beiträge in der Einsiedlerinn, evtl,
unter dem Kürzel "Rr.".
Sayn- Wittgenstein, Maria Appolonia Grä-
fin von, geb. Freiin von Löwenfmk
(1758 - 1822): Freundin und Gönnerin
Marianne Ehrmanns.
SCHELER, Eugen Karl Ludwig von (1764 -
1814): Sohn des Festungskommandan-
ten auf Hohenaspach, von => Schubart
geistig gefördert. Vorgesetzter Offizier
und Lehrer an der Hohen Karlsschule,
ausgedehnte schriftstellerische Tätigkeit.
Liefert Beiträge für Theophil Friedrich
Ehrmanns Blätter Der Beobachter und
Der Weltbürger.
Schlichtegroll, Friedrich (1765 - ?):
Professor an der Landesschule zu Gotha.
Beitrag in der Einsiedlerinn 6/1 794.
Schubart, Christian Friedrich Daniel (1739
- 1791): Politischer Publizist, Journalist,
Erzähler. Kapellmeister am württem-
bergischen Hof, wird 1773 wegen lok-
kerer Lebensführung und respektloser
satirischer Veröffentlichungen von =>
Karl Eugen des Landes verwiesen. Grün-
det 1774 in Augsburg die Deutsche
Chronik. 1777 - 1787 von Karl Eugen
auf der Festung Hohenasperg arretiert,
nach Begnadigung Theater- und Mu-
sikdirektor des Stuttgarter Hofes. Gibt
1787/91 als Fortsetzung dex Deutschen
Chronik die Vaterlandschronik heraus.
Mit dem Ehepaar Ehrmann bekannt;
Theophil Friedrich Ehrmann vermittelt
Anfang 1791 zwischen ihm und der Her-
mannischen Buchhandlung zu Frank-
furt. Lobt Marianne Ehrmanns satiri-
sches und erzählerisches Talent.
Schubart, Helene, geb. Bühler: seit 1764
mit Schubart verheiratet, lebt nach
des-sen Tod 1791 weiterhin in Stuttgart.
Mit Marianne Ehrmann befreundet.
Stäudlin, Gotthold Friedrich (1758 - 1796):
Stud. iur. in Tübingen, später Advokat
in Stuttgart. Literat, Publizist. Heraus-
gabe des Musenalmanachs (auch:
Schwäbische Blumenlese) 1782/87 und
92/93 mit •=> Hölderlins erster Lyrik.
Will hach =» Schubarts Tod dessen Va-
terländische Chronik fortsetzen, die je-
doch von der württembergischen Regie-
rung verboten wird. Sympathisiert mit
der Französischen Revolution, geht
1793 nach Straßburg, wo er 1796
Selbstmord begeht. Mit dem Ehepaar
Ehrmann bekannt, habe It. => Gräter
über sie gelästert und kritisiere Marian-
ne Ehrmanns Arbeiten aus per-sönlichen
Rachegelüsten. Beitrag in Amaliens Er-
holungsstunden 9/1791, It. Marianne
Ehrmann Mitarbeiter der Einsiedlerinn.
SULZER, Johann Anton (1752-1828): Katho-
lischer Schriftsteller, stud. theol., stud.
iur., 1785 Oberamtmann in Krenzlingen,
1798 Bibliothekar und Prof des Kir-
chenrechts in Konstanz, 1807 Prof der
Philosophie und Geschichte. Beitrag im
ersten Heft von Amaliens Erholungs-
282
stunden’, von Marianne Ehrmann gegen-
über => Heidegger als Mitarbeiter ge-
nannt.
Weckherlin, Ferdinand Heinrich August
(1767 - 1828): Inspizient der altwürtt.
Schreibstube. Durch intensives Studium
auf Bildungserweiterung aus. 1818/27
württemb. Finanzminister. Histor. Lan-
deskunde, u.a. Initiator des Statistisch-
topographischen Bureaus. Bekannt mit
dem Ehepaar Ehrmann, besonders mit
Theophil Friedrich wegen seiner geogra-
phischen Interessen. 1792 für 14 Tage
zu Besuch.
Werkmeister, Benedikt Maria (1745 -
1823): Novizenmeister, Lehrer der Phi-
losophie, später Abtssekretär, Bibliothe-
kar und Archivar. Seit 1784 Hofprediger
in Stuttgart, 1794 entlassen, 1795 wie-
der angestellt. 1796 Pfarrer in Steinbach,
ab 1807 im Katholischen Kirchenrat.
Produktiver Schriftsteller, Freund und
Kollege Wilhelm => Mercys. Von =>
Pahl als Vorstreiter der katholischen
Aufklärung gepriesen. Marianne Ehr-
mann nennt ihn als Mitarbeiter der Ein-
siedlerinn.
Werthes, Friedrich August Clemens (1748
- 1817): literarisch-wissenschaftl. Aus-
bildung in Deutschland, Italien und der
Schweiz; Schüler Wielands. 1782 Prof
für Ästhetik an der Hohen Karlsschule,
1783 Wechsel nach Wien, 1784 dort
Prof der Schönen Wissenschaften.
Kehrt 1791 nach Stuttgart zurück. Lyri-
ker, Erzähler, Dramatiker; neben eigener
Dichtung v. a. Übersetzer. Bei seinen
Zeitgenossen berühmt. In Amaliens Er-
holungsstunden und der Einsiedlerinn
erscheinen Beiträge eines Christoph
Gottlob Werthes, der jedoch in keinem
zeitgenössischen Lexikon zu finden ist.
Möglicherweise handelt es sich dabei
um Friedrich August Clemens Werthes.
Zahn, Christian Jakob (1765 - 1830): stud.
iur. Tübingen, Kanzleiadvokat in Calw.
1789 - 1797 Teilhaber der J. G. Cot-
taischen Buchhandlung, wo er die ge-
schäftlichen, finanziellen Aufgaben
übernimmt. Nach Trennung von =>
Cotta Industrieller in Calw, ab 1815 im
Württembergischen Landtag. Gilt als
Herausgeber der Flora.
Die aufgeführten Personen stellen nur eine
Auswahl des Bekanntenkreises dar, der
schwer zu rekonstruieren ist (vorrangige
Quelle: Gräters ,3esuch“ sowie die Briefe
und Zeitschriften Marianne Ehrmanns). In
der Hauptsache handelt es sich um Personen
aus dem Stuttgarter Umfeld des Ehepaars
Ehrmann. Zu den von Marianne Ehrmann als
Mitarbeiter genannten Herren Frink, Hies-
berg und Reibiger konnte ich keine Informa-
tionen finden.
283
Literaturverzeichnis
Autographen
Die Autographen stammen aus den folgenden Archiven, die bei den einzelnen Angaben mit
Kürzeln gekennzeichnet sind:
- Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) im Schiller-Nationalmuseum/Deutsches
Literaturarchiv Marbach (= Cotta- Archiv)
- Deutsches Literaturarchiv Marbach (= DLA)
- Goethe- und Schiller-Archiv Weimar (= GSA)
- Stadtarchiv Stuttgart (= SAS)
- Württemher gische Landesbibliothek Stuttgart (= WLB)
- Zentralbibliothek Zürich (= ZBZ)
Brentano, Dominik von: Brief an Friedrich David Gräter. Kempten, 24.8.1793. (WLB, cod.
misc. Q 30c, Nr. 14)
Bürger, Elise: Brief an Marianne Ehrmann. Göttingen, 18.1.1791. (SAS, Nr. 4187)
Bürger, Gottfried August: Briefe an Marianne Ehrmann. Göttingen, 1789/90. (SAS, Nr. 4179 -
4186)
Consbruch, Johann Friedrich: Brief an Friedrich David Gräter. Stuttgart, 28.8.1795. (WLB,
cod.misc. Q 30c, Nr. 17)
Ehrmann, Johanne Christiane: Briefe an F.J. Bertuch. Weimar, 1811 - 1813. (GSA, Nr. 06/418 -
I, 2,3)
Ehrmann, Marianne: Briefe an Johann Caspar Lavater. Stuttgart, 1789 - 1792. (ZBZ, Lav. Ms.
507)
- Briefe an Johann Heinrich Heidegger. Stuttgart, 1792 - 1795. (ZBZ, Ms. V 307.8)
~ Briefe an Friedrich David Gräter. Stuttgart, 1792/93. (WLB, cod. misc. Q 30c, Nr.22 - 24)
- Brief an eine Unbekannte. o.O., o.J. (ZBZ, Ms. V 307.8)
- Brief an einen Unbekannten. Stuttgart, 01 .06. 1795. (SAS, Nr. 707)
Ehrmann, Marianne und T. F.: Vertrag über den Verlag von Amaliens Erholungsstunden mit der
J. G. Cottaischen Verlagsbuchhandlung. Stuttgart, 24.11.1790. (Cotta- Archiv, Cotta Vertr.
2)
- Quittung; Limitierung von Amaliens Erholungsstunden. Tübingen, 3.12.1790. (Cotta-
Archiv, Cotta Vertr. 2)
- Nachtrag zum Vertrag über Amaliens Erholungsstunden. Stuttgart, 9.10.1791. (Cotta-
Archiv, Cotta Vertr. 2)
Ehrmann, Theophil Friedrich: Briefe an die Hermannische Buchhandlung, Stuttgart, 1790/91.
(SAS, Nr. 700-704)
- Brief vom 24.4.1791 (WLB)
- Brief an die J. G. Cottaische Verlagsbuchhandlung. Stuttgart, 30.03.1791. (Cotta-Archiv,
Cotta Br.)
- Briefe an Grell, Gessner, Füßli & Cie. Stuttgart, 1791 - 1793. (ZBZ, Ms V 307,9)
- Briefe an Johann Heinrich Heidegger. Stuttgart, 1791-1797. (ZBZ, Ms. V 307,9)
- Briefe an Friedrich Justin Bertuch. Weimar, 1802. (GSA, 06/419-1,2,3)
284
- Brief an Karl Bertuch. Weimar, 03.04. 1 806. (GSA 06/2836)
Franziska von Hohenheim, Herzogin von Württemberg: Brief an die J. G. Cottaische Verlags-
buchhandlung. Hohenheim, 24.11.1792. (Cotta- Archiv, Cotta Br.)
Friedrichs, Elisabeth: Manuskript zu „Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19.
Jahrhunderts: ein Lexikon“, Briefwechsel 95 (DLA)
Lavater, Johann Caspar: Brief an Marianne Ehrmann. 18.11.1789. (ZBZ, Lav. Ms. 588)
Pfeffel, Gottlieb Konrad: Briefe an die J. G. Cottaische Verlagsbuchhandlung. Colmar, 1792/93.
(Cotta- Archiv, Cotta Br.)
Spener, Johann Carl: Briefe an die J. G. Cottaische Verlagsbuchhandlung. Berlin, 1791 - 1793.
(Cotta- Archiv, Cotta Br.)
Primärliteratur
Baur, Samuel: Allgemeines historisches Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die in
dem letzten Jahrzehent des 18. Jahrhunderts gestorben sind. Ulm 1803.
- Interessante Lebensgemälde der denkwürdigen Personen des 18. Jahrhunderts. Leipzig
1803.
Bibra, Sigmund Freyherr von: Ankündigung von Amaliens Erholungsstunden. In: Journal von
und für Deutschland, 7. Jg. 1790, 5. Stück, o.S.
Biographische Skizze auf das Grab des Herrn Dominikus von Brentano, der hl. Gottesgelahrt-
heit und der Rechten Doctor, Seiner hochfürstl. Gnaden zu Kempten, wirklichen geheimen
Rath u. Pfarrer in Gebrathshofen. Von einem Freund und Verehrer des Seligen. Bregenz,
gedrukt bey Joseph Brentano 1798.
Brümmer, Franz: Deutsches Dichterlexikon. Biographische und bibliographische Mitteilungen
über deutsche Dichter aller Zeiten. 2 Bde und Nachtrag. Eichstätt / Stuttgart 1876/77.
- Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten von den ältesten Zeiten bis zum Ende des 1 8.
Jahrhunderts. Leipzig 1884.
Damen-Conversations-Lexicon. Herausgegeben im Verein mit Gelehrten und Schriftstellerinnen
von Carl Herloßsohn. Adorf, 1 835.
Ehrmann, Marianne: Amaliens Erholungsstunden. Teutschlands Töchtern geweiht. Eine Mo-
natsschrift von Marianne Ehrmann. Mit Kupfern und Musik. 1. Jg., Bd. 1 u. 2: 2. Aufl.,
Tübingen, bey der J. G. Cottaischen Verlagsbuchhandlung 1790. 1. Jg., Bd. 3 u. 4: 1. Aufl.,
Stuttgart, im Verlag der Expedizion des Beobachters 1790. 2. Jg., Bd. 1 - 4: Tübingen, bey
der J. G. Cottaischen Verlagsbuchhandlung 1791. 3. Jg., Bd. 1 - 4: Tübingen, bey der J. G.
Cottaischen Verlagsbuchhandlung 1792.
- Ankündigung von Amaliens Erholungsstunden. In: Journal des Luxus und der Moden 41
1789, Nr. 1 1, Intelligenzblatt, S. CLXI - CLXV.
- Ankündigung von Amaliens Erholungsstunden, 2. Jg. („An die Lecturfreundinnen“). In:
Journal des Luxus und der Moden 6/1791, Nr. 2, Intelligenzblatt, S. XIX - XX.
- Ankündigung Einsiedlerinn aus den Alpen („An Deutschlands und Helvetiens edle, schöne,
liebenswürdige Töchter“). In: Journal des Luxu und der Moden 7/1792, Nr. 12, Intelli-
genzblatt, S. CLXXXVn - CLXXXDC. Auch in: Journal von und für Deutschland. 9/1792,
9. Stck., o.S.
- Die Einsiedlerinn aus den Alpen. Von Marianne Ehrmann. 1/1 793 und 2/1 794, je Bde 1 - 4.
Zürich, bey Grell, Geßner, Füßli und Cie. 1793/94.
- Erzählungen von Marianne Ehrmann. Verfasserin von Amaliens Erholungsstunden. Heidel-
berg, bei F. L. Pfählerl 795.
285
- Graf Bilding. Eine Geschichte aus dem mittleren Zeitalter. Dialogisirt von der Frau Verfas-
seriim der Philosophie eines Weibs. Isny 1788.
- Nina's Briefe an ihren Geliebten. Von der Verfasserin der Geschichte Amaliens. 0.0. 1788.
- Philosophie eines Weibs. Von einer Beobachterin. 0.0. [Kempten] 1784.
Ehrmann, Theophil Friedrich; Der Beobachter. Eine Wochenschrift politisch-moralisch-satyri-
schen Inhalts. Stuttgart, gedrukt bei den Gebr. Mäntler, auf Kosten und im Verlage der Ex-
pedizion des Beobachters in der ICirchgasse. Probehalbjahr, August bis Dezember 1788,
Hefte 1 - 6: Stuttgart 1788. 2. Jg., Bd. 1-2, Hefte 1-6: Stuttgart 1790.
- Briefe von Gottfried August Bürger an Marianne Ehrmann. Ein merkwürdiger Beitrag zur
Geschichte der letzten Lebensjahre des Dichters. Mit einer historischen Einleitung heraus-
gegeben von Theophil Friedrich Ehrmann. Weimar 1802.
- Denkmal der Freundschaft und der Liebe, der verewigten Frau Mariaime Ehrmaim errichtet,
und allen ihren Gönnerinnen, Freundinnen und Leserinnen geweiht von Theophil Friedrich
Ehrmaim. Leipzig 1 796.
- Frauenzimmer-Zeitung. Probehalbjahr 1787. Bd. 1: Juli-September. Kempten 1787.
- Der Weltbürger. Oder deutsche Annalen der Menschheit und Unmenschheit, der Aufklärung
und Unaufgeklärtheit, der Sittlichkeit und Unsittlichkeit für die Jetztwelt und Nachwelt. Ge-
sammelt von Freunden der Publicität. Bd. 1, Hefte 1-9: Germanien, Auf Kosten der Her-
ausgeber [Zürich, bei Orell, Gessner, Füßli & Cie.] 1791.
E.W.\ An Teutschlands Töchter. In: Journal des Luxus und der Moden 8/1793, Nr. 1, Intelli-
genzblatt, s. xni - XIV.
Flora. Teutschlands Töchtern geweiht von Freunden und Freundinnen des schönen Geschlechts.
1/1793 und 2/1794. Tübingen, in der J. G. Cottaischen Buchhandlung, 1793/94.
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Das gelehrte Teutschland, oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller. Angefangen
von Georg Christoph Hamberger, fortgeführt von Johann Georg Meusel. Bde 1 - 83. 5. Aufl,
1796 - 1829. (Reprint: Hildesheim 1965/66).
Der Gesellige, eine moralische Wochenschrift, hrsg. v. Samuel Gotthold Lange und Georg
Friedrich Meier (Halle 1748/50). Neu herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von
Wolfgang Martens. 3 Bde. Hildesheim / Zürich / New York, 1987.
Gradmann, Johann Jacob: Das gelehrte Schwaben oder Lexikon der jetzt lebenden schwäbi-
schen Schriftsteller. Ravensburg 1802. (ND: Hildesheim / New York, 1979).
Gräter, Friedrich David: Mein Besuch bey Amalien und ihrem Gatten vom 24. Jul. bis 12.
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Schwäbisch Hall 1968. S. 131 - 200. (= Württembergisch-Franken Jahrbuch 52).
- Parallelen über Frendschaft und Liebe. In: Ders., Zerstreute Blätter, Bd. 1. Ulm 1822. S.
101 - 118.
- Todesfall [Nachricht vom Tod der Marianne Ehrmann und ihrem Leben]. In: Neue nürn-
bergische gelehrte Zeitung auf das Jahr 1790 - 1800. LXX. Stück. Nürnberg, September
1795. S. 559-560.
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Dokumente, hrsg. v. Adolf Beck. 2. Teil: Dokumente 1794 - 1822. Stuttgart 1972. ( = Stutt-
garter Hölderlin- Ausgabe).
Iris. 1.-4. Bd., Düsseldorf 1774/75. Reprint. (2 Bde.) Bern 1971.
286
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Heirat Theophil Friedrich Ehrmanns und Johanne Christiane Husuadels.
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seiner Landsleute als ein Vermächtniß nach seinem Tode herausgegeben. 0.0. [Heilbronn]
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schönen Literatur gehörigen Schriftsteller in acht Zeitabschnitten, von 1137 bis 1824.
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älteren bis auf die jüngste Zeit aus allen Fächern der Wissenschaften. Mit einer Vorrede
über die Sitte der literarischen Verkappung von J. W. S. Lindner. Leipzig 1830. (Reprint:
Leipzig 1973).
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Verzeichniß einiger jetztlebender Schriftstellerinnen und ihrer Schriften. In: Journal von und
für Deutschland. Hrsg, von Sigmund Freiherm von Bibra. Jg. 6/1789, S. 466. Jg. 7/1790, S.
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schwanger und gebärend betrachtet. Wien 1791. Reprint. Einführungen und Erläuterungen
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geschichtl., baugeschichtl. und kunstgeschichtl. Erläutemngen, 53 größtenteils unveröff
Tafeln, damnter 4 farbigen, u. 4 Skizzen. Stuttgart 1949.
Walter, Karl: Pfeffel, Ehrmann und Cotta. Stuttgarter literarische Beziehungen ins Elsaß. In:
Stuttgarter Nachrichten, 3 1 . 1 2. 1 939.
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die Geschichte des anderen Geschlechts als Gegenstand der Geschichtsschreibung in der
Spätaufklärung. In: Weiblichkeit in geschichtlicher Perspektive: Fallstudien und Reflexio-
nen zu Grundproblemen der geschichtlichen Frauenforschung, hrsg. v. Ursula Becher und
Jörn Rüsen. Frankfurt 1988. S. 189-216.
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schen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jhdts. 6. Jg., H. 2. Wolfenbüttel 1982. S. 139
- 145.
296
Abbildungsnachweis
Abb. 1, Seite 51:
Marianne Ehrmann. Kupferstich um 1788. Titelkupfer der Kleinen Fragmente fiir Denkerinnen,
Isny [Bregenz] 1789, o.S. Vergrößerte Abbildung.
Abb. 2, Seite 68:
Titelblatt Amaliens Erholungsstunden, Teutschlands Töchtern geweiht von Marianne Ehrmann.
Erstes Bändchen. Tübingen 1790. Verziert mit einer Vignette, die eine Szene aus der im Heft
befindlichen Erzählung Die Dame und das Bauernmädchen illustriert.
Abb. 3, Seite 98;
Brief Theophil Friedrich Ehrmanns an die J.G. Cottaische Verlagsbuchhandlung. Stuttgart,
03.12.1790. Quittung, Limitierung von Amaliens Erholungsstunden. Original im Deutschen
Literaturarchiv Marbach. Verkleinerte Abbildung der letzten Seite.
Abb. 4, Seite 107:
Titelblatt Die Einsiedlerinn aus den Alpen, Teutschlands Töchtern geweiht von Marianne
Ehrmaim. Erstes Bändchen. Zürich 1793. Verziert mit einer Vignette, die den Beitrag Erziehung
der Fürstentöchter illustriert.
Abb. 5, Seite 117:
Illuminierter (farbiger) Kupferstich Eine Groenländerinn, vorangestellt dem vierten Bändchen
des zweiten Jahrgangs der Einsiedlerinn aus den Alpen, Zürich 1794. Das Kupfer illustriert den
im Band enthaltenen soziologischen Beitrag T.F. Ehrmanns Die Groenländer (a.a.O., S. 284ff).
Abb. 6, Seite 121:
Von F. D. Gräter handschriftlich angefertigte Skizze der Wohnung des Ehepaars Ehrmann im
Gebäude Enge Gasse 63 in Stuttgart {Besuch bey Amalien, S. 141).
Abb. 7, Seite 132:
Brief Marianne Ehrmanns an Johaim Heinrich Heidegger. Stuttgart, 28.09.1794. Original in der
Zentralbibliothek Zürich / Handschriftenabteilung. Verkleinerte Abbildung der ersten Seite.
297
Elf^ IISreS!NATlC>NAL VEP'51 Ek:HENDE
WMWV'jE ZUM^Stl^ElÜlVj
MSC‘ZlAlfN
Medien
und Kommunikafion
Derief Matthias Hug
Konflikt« und ÖffenHIchkelf
Zur Rolle des Journalismus in soeiolen Konflikten
1997. 410$. KorK
ISBN 3-53 H 2942-2
Öffenriichkeit und Journalismus wird bei der Be-
wältigung gesellscKaftlicher Konflikte stets eine
Schlüssel rolle jzugewiesen. Allerdirtgs mangelt es
der Kommunikationswissenschaft bis heute an
einer onspruchsvollen Theorie zur Funktion des
Jourrral Ismus in sozialen Konflikten; Konflikte wer-
den als Störungen diskreditiert Journalismus auf
ein Hilfsinstrument zu ihrer Beseitigung reduziert.
Ständige AAedienschelte ist die Fdge. Indem er
die systemtheoretische KonflikF, Kommun] kations-
urvd Journalismusiheorie weiterentwickelt, bietet
der Band einen neuen Ansatz zur Erklärung jour-
nalistisch vermittelter Konflikte.
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Margret fünenborg
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Eine internotional vergleichende Analyse
zum Gendering im sozialen System Journalismus
1997. 377 5. Kart.
ISBN 3-53 M 29 15-5
Auf der Grundlage einer thearelischen Anafyse,
die Journalismus ols soziales System beschreibt,
in dem dos Geschlecht eine zentrale Struklurkate-
gorie bildet, werden vier [westjeuropäische StoO'
ten vergleichend miteinander betrachtet. Neben
der personolen Dimension des GerKJering gerät
auch die inhaltliche Dimension ins Blickfeld. Der
bei zeigt sich, doßdie (identischen) Systemre^ln
im Journal Ismus stärker wirksam sind ols die jdiffe^
riefenden} Rohmenbedingungen der M&rgleichs’
stooten. Systen^rhalt geht im Journalismus olso
einher mil der Perpetuierung überholter Geschlech-
terrdlen. Dennoch läßt sich überall konstatieren:
Dos Gendering ist in Bewegurrg geraten.
Arnulf Kutsch /Horst Pöttker |Hrsg.|
Koiii muniktrtioiiiurf isenf chuH
Zur Entwicklung einer Wissenschaft
in Deutschland
1997. 263 5. [Publizistik-Sonderheft 1/1997}
Kart.
ISBN 3-531-12879-5
In autobiographischen Beiträgen unterziehen die
Emeriti der Publizistik- und Kommuni kotionswis-
senschafl/Medien wi ssenschofl/Journolistik die
Entwicklung des Faches seit den öOer Johren ei-
ner kritischen Retrospektive und Bewertung und
stellen Überlegungen über die künftigen Aussich-
ten des Faches on.
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ZUM UMGANG Ml MASSEMEDffN
Mlchotl CKtifhan - SiMa 5d^n«l(kr (Hng.l
Andreas Hepp /Roirief Winter (Hrsg.|
Kulffvr - Mttdieii - Macht
Culterol Stedies und Medienanalyse
1997 297 S. Karl.
ISBN 3-531-12948‘l
In den letzten Jahren haben sich die Cullurol Stu-
dies< die aus der für ihrejugendstudien bekannt
gewordenen Birmingham School hervorgegorv
gen sind< in Deutscnbnd zu einem wichtigen
Ansatz der Kullur^ und Medienforschung entwite
kdt. Irr Zentrum dieser Forschungslradition steht
die Auffassung, daß AAedien in verschiedenen
sozialen Kontexten unterschiedlich rezipiert bzw.
angeeignet werden könrren. Der Band stellt die
grundlegenden Konzepte der Cuflurol Studiesdar
und zeigt anhand exempfqrischer Medäenangly-
sen {u. a, zur Femseh-, Zeitungs- und Netzkonv
munikotion} ihr innovatives Potentiol ouf.
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Rexeptionsf «r«< h wng
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mit AAossenmedien
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ln der Rezept! onsforschurrg wird der Umgang von
AAenschen mit AAQSsenmedien ols eine soziale und
kulturelle Handlung verstanden. Neben den Kom-
petenzerr und Interessen der Zuschaueiirrnen (Hö-
rerinnen und Leserlrrnen) spielen dos mediale Stnn-
angebot sowie z. B. die Rezeptionssituation, die
Beziehungen zwischen Texten oder die Gesprö'
che über Medienthemen eine Rolle. Der Bond
umfaßt theoretische und empirische Arbeiten aus
Psychologie, Soziologie, Kommunikotions',
Sprach- und Üteraturwissenschaften, die beispiel-
haft am Thema der Rezeption medialer Gewoll-
dorstellungen die Arbeitsweisen einer interdiszi’
plinären Medienwissenschaft oufzeigen.
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Die rezeptionsgeschichtlich angelegte Studie frogt
noch der Enlwickluirg des Radiohörens in Abhän-
gigkeit von Programmentwicklung und Geröteve^
Besserung. Auf der Basis eines vielfältigen Quel-
lenmaterials, dos Werbung, Presse, Fotogrophien
und biogrof^ische Erinnerungen gleichermaßen
nutzt, entstent ein foceltenreiches Bild der Weima-
rer Zeit, Die Erscheinung des Rundfunks wird da-
mit zuiti Indiz für die Entstehung einer neuen, hei-
ze ilbezogenen Populorkultur in Deutschland.
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